Franz Schubert: Die schöne Müllerin op. 25 D 795

  • Das sich die Sänger durchaus mit dem Text beschäftigt haben, würde ich auch nie in Zweifel ziehen, auch nicht bei Bostridge, aber ich habe bei Nicht-Muttersprachlern oft das Gefühl ihnen würde einfach die natürliche Empfindung für die deutsche Sprachmelodie und-rhythmus , sowie Betonung fehlen...

    In der Hinsicht ist einem Thomas Hampson absolut kein Vorwurf zu machen, ich halte ihn für einen ausgezeichneten Interpreten von deutschen Kunstliedern. Ein Mann, der sich voll und ganz mit der Sache identifiziert und der eben sehr wohl große Bewunderung für die deutsche Sprache und Kultur empfindet und auch äußert. Natürlich hört man bei ihm manchmal diesen typischen Ami-Slang. Das macht ihn aus meiner Sicht noch individueller.

    Die CD scheint nicht lieferbar zu sein, aber Downloads sind vorhanden.

    Doch, zur Zeit gibt es die schöne Müllerin von Anton und Hilde Dermota zweimal gebraucht bei Amazon. Habe dieses Album auch kürzlich erworben.

    « J'ai osé beaucoup, mais la prochaine fois, vous verrez, j'oserai plus encore. »

  • Deutsche Grammophon - Classical Choice 2016

    Dietrich Fischer-Dieskau hat den Zyklus etliche Male aufgenommen, die Version mit Jörg Demus als Begleiter stammt, wie ich den Angaben im Internet entnehme, aus den späten 1960er Jahren und ist wenig bekannt. "Die schöne Müllerin" vereint so viele Bedeutungs- und Interpretationsebenen, daß sie schwerlich alle auf einmal vermittelt werden können. Fischer-Dieskaus Auffassung ist natürlich wesentlich vielschichtiger als beispielsweise die frühe von Wunderlich. Das ist aber auch klar, denn ein lyrischer Tenor kann das naive Erleben , das unmittelbare Gefühl des jungen Müllers leichter ausdrücken. Er ist in der Wiedergabe sozusagen der junge Müller. Ein Bariton kann das nicht so von vornherein. Di-Fi-Di ist also darüber hinaus auch mehr verstehender Erzähler, Mitfühler, Kommentator, Deuter - all das aber kunstvoll verwoben und ineinander übergehend. Alle andere als jugendlich-naiv. Das bedingt manche Unebenheiten, die einfach dazugehören und letztlich bereichern. Auch wenn das nicht allen gleicherweise gefallen kann, weil es sozusagen das andere Ende der Skala bedeutet, es ist in seiner Art großartig. Ich möchte weder das eine, noch das andere Extrem missen.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi,

    Vielen Dank für diesen wunderschön formulierten Beitrag. Die verschiedenen möglichen Wahrnehmungen und daraus resultierenden Interpretationen machen gelungene Kunst aus. Freunde fragen, warum ich in Konzerte mit mir neuer moderner Musik gehen kann, wenn es dabei doch geschehen kann, dass es mir überhaupt nicht gefällt. Meine Erfahrung ist, dass es selbst in dem Fall meistens sehr interessant und damit bereichernd ist. Das Bild vom verstehenden Erzähler Fischer-Dieskau gefällt mir besonders. Die Vorwürfe des Manierismus bei ihm habe ich nie teilen können, aber verstanden, dass es so empfunden werden kann. Um den Kreis zu schließen, hoher Gestaltungswille fordert auch Widerspruch heraus.

    Gruß, Frank

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Lieber Frank,

    Danke für das schöne Kompliment. Auch Manierismus, schlüssig dargeboten, kann hohe Kunst sein wie jede andere Richtung auch. Ich erinnere mich an einen "manierierten" Alfredo in der "Traviata", da war der damals natürlich nicht mehr jugendliche Nicolai Gedda (es gibt den Mitschnitt auf CD). Gewöhnungsbedürftig, aber in seiner Art beeindruckend. Fischer-Dieskau war stets ein intellektueller Künstler, warum sollte er das verleugnen? Sicher hatte er, wie jeder andere auch, manchmal schwächere Momente oder Phasen. Sicher konnte man manchmal ihn, manchmal andere in einer bestimmtern Partie vorziehen. Im Liedgesang ist das ebenso. Vorbeisehen an Fischer-Dieskau konnte und wollte ich beim Lied nie. Ich schmelze bei Wunderlich oder Prey oft dahin und schäme mich nicht, das bei Di-Fi-Di auch zu tun. Wäre ich selbst Sänger, müßte ich mich wahrscheinlich für eine meinen Fähigkeiten entsprechende Möglichkeit entscheiden, während ich so alles nebeneinander genießen kann. Die Vorlieben wechseln auch bei mir je nach Disponiertheit. Schubertlieder fordern neben Gefühl auch - unaufdringliche - Weisheit. Fischer-Dieskau verfügte, wie ich glaube, über beides.

    Liebe Grüße
    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Ich hätte mal eine Frage an alle Konzertgänger, die dieses Werk bereits auf der Bühne erlebt haben:

    Ich habe dieses Werk bislang nur 1 x live erlebt und da gab es keine Pause. Da es ja ein recht kurzes Werk ist, ging ich einfach davon aus, dass es generell ohne Pause aufgeführt wird. Nun habe ich mir jedoch ein Ticket für eine Aufführung - mit - Pause gekauft. 8| Habe ich, ehrlich gesagt, erst im Nachhinein gelesen. Gut, ist nun nicht allzu schlimm, aber ohne Pause hätte mir besser gefallen ... hm. :/

    Daher meine Frage an euch: habt ihr die "Schöne Müllerin" schon mal mit Pause erlebt? Würde mich einfach mal interessieren ...

    Lieben Dank für eure Rückmeldungen.

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Bei den Salzburger Festspielen 2013 hat Michael Schade, wenn ich mich richtig erinnere (mein Programmheft habe ich sehr gut archiviert :) und im Archiv der Festspiele lässt sich das Programmheft nicht öffnen), die "Müllerin" mit einer Pause gesungen. Wenn es wirklich so war (ich glaube es zwar, würde es aber dennoch nicht beschwören), war das zweifellos dem Umsatz des Caterers geschuldet. Was aber noch schlimmer war, und das stimmt jetzt definitiv, er hat danach Zugaben gesungen.
    Wie bei der "Winterreise" bin ich auch bei der (kürzeren) "Schönen Müllerin" der Meinung, dass der Zyklus pausenlos gesungen gehört, weil sonst der große Bogen und die innewohnende Spannung zerrissen wird. Ich verstehe aber auch, wenn ein nicht wirklich körperlich/stimmlich routinierter bzw. durchtrainierter Sänger eine Erholungspause wünscht. Pausen aus kommerziellen Interessen (Stichwort: Sekt und Lachsbrötchen) sind für mich aber ebenso als unkünstlerisch abzulehnen wie Zugaben nach einem zusammenhängenden Liedzyklus.

  • Lieben Dank für eure Rückmeldungen! :wink:

    amelia grimaldi:
    Ja, tatsächlich mit Pause:

    https://theater-bielefeld.de/veranstaltung/2-kammerkonzert.html

    brunello:
    Der Pianist, Alexander Kalajdzic, ist ansonsten übrigens der (sehr erfolgreiche und wirklich gute) Dirigent der Bielefelder Philharmoniker. Bin auch daher schon sehr gespannt auf ihn (als Pianisten) ... Den Sänger kenne ich ebenfalls (aus zwei Opernaufführungen). Tja, keine Ahnung, weshalb hier eine Pause eingeplant ist.

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Ist es erlaubt, von Referenzaufnahme zu sprechen? Die kongenialen Gerhaher und Huber haben "Die Schöne Müllerin" 2016 ein zweites Mal aufgenommen, ergänzt um einige von Schubert nicht vertonte Gedichte (die ich stets auslasse, Gedichte lese ich lieber selbst). Was erschaffen wurde, ist ein "Wunder an mikrokosmischen Nuancen", wie es sehr schön in einer Rezension heißt (https://www.merkur.de/kultur/christi…lt-8809108.html). Die interpretatorische wie klangfarbliche Verfeinerung des Gesangs sowie der Klavierbegleitung erreicht in der Tat einsame Höhen. Allerdings, das will ich nicht verhehlen, stellt sich mir beim Hören nach einigen Liedern regelmäßig ein Gefühl des Genug davon ein. So gesungen scheinen die Lieder mir wie perfekte Miniaturen, zart-feine Kunstgewebe, die ich in geringen Dosierungen bewundere, in aneinandergereihter große Anzahl aber zunehmend weniger mag. Schon zu viel der negativen Äußerungen! Ich danke dafür, dass es diese beiden Künstler gibt und sie uns solche Aufnahmen bescheren! Höre ich den Zyklus eben häppchenweise - mit Pause.

  • ... Also , um die Aufnahme von J. Kaufmann hatte ich einen großen Bogen gemacht, aber dann habe ich ihn
    Live im Konzert hier in Frankfurt gehört .
    Und dazu kann ich nur sagen es war unbeschreiblich . Habe am Ende da gesessen und wusste garnicht
    was mit mir passiert war es liefen mir die Tränen das Gesicht herunter und ich konnte gar nicht Applaudieren !
    Das klingt sehr Sentimental aber ich kannte so etwas noch nicht.

    Seitdem habe ich immer bei allen anderen Aufnahmen die Stimme von J.K. im Ohr.
    Ergreifend und immer Text nahe, mit einer sehr guten Diktion im Ausdruck. ...


    Das kann ich nur bestätigen, lieber palestrina.
    Auch ich habe Jonas Kaufmann ja schon mit der "Schönen Müllerin" live erlebt (vor zwei Jahren). Ich war ebenfalls hin und weg und auch mir kamen die Tränen. Es war einfach unbeschreiblich. :verbeugung1: :verbeugung1: Ich habe mir seine Aufnahme auch erst nach dem Konzert angeschafft, dann jedoch festgestellt, dass er live einfach unvergleichlich gut war und man seine frühere Aufnahme einfach nicht mehr mit seinen heutigen Fähigkeiten vergleichen kann, da er sich weiterentwickelt hat.

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Preiserrecords 1989, aufgenommen 1977

    Kunstgesang in Vollendung, aber vielleicht eben deshalb nicht jedermanns Sache, weil besonders anspruchsvoll. Perfekte Harmonie zwischen Sänger und seiner begleitenden Gattin.

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    Homo sum, ergo inscius.


  • Hier haben wir einen anderen Typ von Ausgeschlossenem: es ist nicht der spätviktorianische Dandy, sondern der Mythomane. Vom Anfang an lebt dieser Müller in seiner Phantasiewelt. Vermutlich ist er ein unscheinbarer Büroangestellter, der sich eine Welt von Mühlen, Müllerinnen und Jägern zurechtdichtet, wo er als Müllerbursche die tragische erste Rolle spielt. In seinen Wahnvorstellungen ist alles derart exaltiert, daß man schon im voraus weiß, das kann keine ländliche Idylle sein, es wird eine flamboyante Tragödie.
    Eine Pause ist nicht erlaubt, in diesem Lied wird alles der - wahrscheinlich feindlichen - Außenwelt heldenhaft verkündet. So aufgerauht ist seine Stimme in Der Jäger, daß man versteht, auch er entstammt der kranken Fantasie. Krankhaft in jedem Fall ist die übertriebene Darstellung in Eifersucht und Stolz, die ans Lächerliche - oder wäre es das Morbide? - grenzt. Die Flamboyanz der Tragödie erreicht ihren Höhepunkt in Die böse Farbe, die in den grellsten Tönen erscheint. Der Mai, der in Trockne Blumen heraufbeschworen wird, ist selbstverständlich der Monat der Revolution: Wahnsinninge aller Länder, vereinigt euch ! Aus dem Grabe eures unscheinbaren Schicksals raus auf die Straße !

    Das finde ich ausgezeichnet beschrieben und umso interessanter, weil Bostridge uns erneut Die schöne Müllerin präsentiert, dieses Mal als Live-Aufnahme aus 2019:

    Diese neue Aufnahme macht mich offen gesprochen ratlos. Nach den ersten Liedern dachte ich, Bostridge setze seine Interpretationshaltung fort. Bald schon interpretierte er aber ganz anders, fast schon burschikos. dann kehrt er zurück in einen künstlerischen, sogar verkünstelten Stil, um einige Lieder später erneut ... Es mag an mir liegen, aber spätestens nach der Hälfte des Zyklus bin ich verwirrt und vermag ich Bostridge nicht mehr zu folgen, frage ich mich: Was will er eigentlich?

    Gesungen ist das technisch tadellos und man hört die jahrzentelange Kuntlied- und Schuberterfahreung. An sich mag ich Bostridge auch sehr gern und ich habe ihn mehrfach mit hohem Genuss live genossen, hier aber kann ich nur abraten. Sprachlich ist überdies mehr ungenau als gewohnt. Saskia Giorgini, um auch zu loben, begleitet hervorragend.

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