Vivaldi, Antonio: Die Sonaten & Konzerte RV 1-585 & 741ff.
Vivaldis Berühmtheit wird ja vom kollektiven Bewußtsein gerne auf Die vier Jahreszeiten reduziert, was angesichts seines gesamten Oeuvres (das Ryom-Verzeichnis umfaßt zur Zeit 812 Einträge plus 137 Einträge im Anhang) schon etwas lächerlich anmutet. Der Ausspruch Strawinskys, Vivaldi habe 400mal das selbe Konzert geschrieben*, klingt ganz schön gehässig, entstammt aber einem Komponisten, der ihn offensichtlich nicht mochte und seine Werke als schematisch empfand.
Heute würde dem kaum einer mehr beipflichten; es würde ja auch heißen, daß sich Hunderte von Ensembles, die in den letzten 70 Jahren LP- und CD-Aufnahmen seiner Musik im vierstelligen Bereich veröffentlicht haben, sich komplett geirrt haben müßten - einschließlich des Publikums. Die stehen ganz offensichtlich auf diesen Langweiler. ;+)
Insgesamt rund 500 Konzerte und rund 80 Sonaten sind im RV zur Zeit aufgelistet**; davon sind nur 84 Konzerte und 42 Sonaten in insgesamt vierzehn Drucken zu Lebzeiten Vivaldis veröffentlicht worden (1705-1740). Den Rest hatte er als einzelne Manuskripte wesentlich gewinnbringender verkaufen können, weshalb er nie mehr Werke zum Druck freigab. Das wiederum ist auch der Grund, warum man immer wieder Funde weiterer Manuskripte von Konzerte und Sonaten macht, die ihm zugeschrieben werden. Außerdem erschwert sich die Zuordnung doch sehr.
Insgesamt handelt es sich um folgende Aufteilung (nach Ryom):
SONATEN
- 1–37: Violinsonaten
- 38–47: Violoncellosonaten
- 48–59: andere Sonaten für ein Instrument
- 60–79: Sonaten für zwei Violinen
- 80–86: andere Sonaten für zwei Instrumente
KONZERTE
- 87–108: Konzerte ohne Orchester
- 109–169: Konzerte und Sinfonien für Streichorchester
- 170–391: Konzerte für Violine und Streichorchester
- 392–397: Konzerte für Viola d’amore und Streichorchester
- 398–424: Konzerte für Violoncello und Streichorchester
- 425: Konzert für Mandoline und Streichorchester
- 426–440: Konzerte für Querflöte und Streichorchester
- 441–442: Konzerte für Blockflöte und Streichorchester
- 443–445: Konzerte für Sopranblockflöte (ottavino) und Streichorchester
- 446–465: Konzerte für Oboe und Streichorchester
- 466–504: Konzerte für Fagott und Streichorchester
- 505–530: Konzerte für zwei Violinen und Streichorchester
- 531–539: Konzerte für zwei andere gleiche Instrumente und Streichorchester
- 540–548: Konzerte für zwei verschiedene Instrumente und Streichorchester
- 549–553: Konzerte für mehr als zwei Violinen und Streichorchester
- 554–580: Konzerte für mehr als zwei verschiedene Instrumente und Streichorchester
- 581–583: Konzerte für Violine und zwei Streichorchester
- 584–585: Konzerte für mehrere Instrumente und zwei Streichorchester
[Quelle: "http://de.wikipedia.org/wiki/Ryom-Verzeichnis"]
Vivaldi entwickelte systematisch das Solokonzert (hauptsächlich mit der Violine) und die dreisätzige Form zu erster Reife. In den Ecksätzen verwendete er die Ritornellform (Abwechslung von Soloinstrument und Orchester), im langsamen Mittelsatz die Kantilene (eine getragende Melodie), die das Soloinstrument durchgehend spielt. Darüber hinaus experimentierte er auch mit anderen Formen wie dem Ripienokonzert (Orchester ohne Solist) oder dem Kammerkonzert (Solisten ohne Orchester).
Die Violine war mit weitem Abstand das meist verwendete Soloinstrument in seinen Konzerten (241); dann folgte das Fagott (39), die Flöte, Oboe, Violincello, Viola d'Amore oder Mandoline. Er kombinierte auch zwei Instrumente im Solokonzert. Dadurch lotete er das Konzert soweit aus, daß er damit wichtige Impulse für die Weiterentwicklung im 18. Jahrhundert setzen konnte.
Seine Sonaten sind in ihren Besetzungen ebenso breit gefächert: Violine, Violincello, Flöte oder Oboe bzw. zwei Violinen als Soloinstrument, die vom Basso Continuo begleitet werden.
Es gibt aber noch eine andere wichtige Reihenfolge neben die im Ryom-Verzeichnis - die nach den Opusnummern der Drucke von 1705-1740:
- Op. 1: 12 Triosonaten da camera für 2 Violinen und Basso continuo (1705)
- Op. 2: 12 Sonaten für Violine und Basso continuo (1709)
- Op. 3: 12 Violinkonzerte "L'estro armonico" (1711)
- Op. 4: 12 Violinkonzerte "La Stravaganza" (1712)
- Op. 5: 6 Sonaten für 1 oder 2 Violinen (1716)
- Op. 6: 6 Violinkonzerte (1716)
- Op. 7: 12 Violin- und Oboenkonzerte (1717)
- Op. 8: 12 Violinkonzerte "Il cimento dell'armonia e dell'inventione" (1725; Die vier Jahreszeiten: Nr. 1-4)
- Op. 9: 12 Violinkonzerte "La Cetra" (1727)
- Op. 10: 6 Flötenkonzerte (1728)
- Op. 11: 6 Violin- und Oboenkonzerte (1729)
- Op. 12: 6 Violinkonzerte (1729)
- Op. 13: 6 Sonaten für Flöte und Basso continuo "Il Pastor Fido" (1729)
- Op. 14: 6 Sonaten für Cello und Basso continuo (1740)
[Quelle: "http://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Vivaldi#Musik"]
Opp. 13 & 14 bedürfen einer besonderen Erwähnung: 1737 erschien eine Sammlung "Il Pastor fido" in Paris, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht von Vivaldi, sondern von Nicolas Chédeville (1705-1782) komponiert; der
Verleger Jean-Noêl Marchand hat den Druck bewußt unter Vivaldis Namen veröffentlicht. - Op. 14 scheint auch definitiv nicht von Vivaldi authorisiert zu sein.
Viele Aufnahmen richten sich nach dieser Aufzählung, oder sie gruppieren die gleiche Besetzung zusammen. Die anderen Konzerte und Sonaten liegen aber auch in vielen Aufnahmen vor.
Im Jahre 1930 hatte man eine Sammlung von Vivaldis Musik vervollständigt, die sich nun in der Turiner Nationalbibliothek befindet ("Manuscritti vivaldiani nelle Raccolte Foà e Giordano"). Damit war der Grundstein für die Vivaldi-Forschung gelegt. Bis heute ist sie eine Hauptquelle für die meisten Kompositionen Vivaldis.
Aufnahmen:
Das ist tatsächlich ein sehr breites Feld: bereits 1939 gab es eine Einspielung der Vier Jahreszeiten. Alfredo Campoli spielte mit dem Boyd Neel String Orchestra alle vier Konzerte ein. Es folgten zwei weitere Einspielungen von Bernardino Molinari (1942) und Louis Kaufman (1948). 1950 folgte das Concert Hall Chamber Orchestra unter Henry Swoboda; diese Aufnahme war der Beginn der Vivaldi-Renaissance in Europa und den USA, die gleich mit dem Grand Prix du Disque ausgezeichnet wurde. Fünf Jahre danach erschien die erste Aufnahme von I Musici (sie nahmen das Werk nochmals 1959, 1969, 1982, 1990 und 1995 auf).
1952 gab es eine Gesamteinspielung der L'estro armonico op. 3 unter Rolf Reinhardt (Vox Records). Louis Kaufman soll bereits 1950 die restlichen Konzerte von Op. 8 (Nr. 5-12) aufgenommen haben.
Danach explodierte die Veröffentlichungsrate, und es wird massiv unübersichtlich; allein von 1999 bis 2009 gibt es eine Diskographie mit 550 Veröffentlichungen weltweit (allerdings mit allen Werken Vivaldis)***. Insgesamt kann man sich allein mit allen CD-Veröffentlichungen der Vier Jahreszeiten die Wohnung tapezieren.
Zu Empfehlungen werde ich später noch was schreiben. Da wird sicherlich einiges zusammenkommen, wenn eure Empfehlungen hinzukommen... :yes:
*"Er war ein langweiliger Mensch, der ein und dasselbe Konzert eben 400 Mal geschrieben hat." [Quelle unbekannt]
**die Sonaten und Konzerte in den Ergänzungen (ab RV 741) und in den Anhängen habe ich nicht dazugezählt.
***siehe: "http://anima-veneziana.narod.ru/Files/VIVALDI_…y_1999-2009.pdf"
Links:
"http://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Vivaldi"
"http://de.wikipedia.org/wiki/Ryom-Verzeichnis"
"http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_c…Antonio_Vivaldi"
"http://en.wikipedia.org/wiki/The_Four_…i%29#Recordings"
"http://www.discogs.com/Vivaldi-Les-Qu…release/2321936"
"http://www.imusicidiroma.com/dischiengl.html"
"http://www.discogs.com/Antonio-Vivald…release/4142836"
"http://www.hoasm.org/VIIIA/VivaldiDiscography.html"
jd