Zum Wagner-Jahr 2013: Lieblingsstellen bei Wagner

  • Zum Wagner-Jahr 2013: Lieblingsstellen bei Wagner

    Liebe Capricciosi!

    Ich gehöre ja selber auch nicht gerade zu den Wagner-Cracks, sondern bin eher der Meinung, dass es bei Wagner wunderschöne Sekunden, aber schreckliche Stunden gebe - und genau um ersteres soll es hier deshalb gehen: Was sind eure Lieblingsstellen im Wagner'schen Oeuvre, diese paar Takte, bei denen ihr jedes Mal verzückt seid, eine Melodie, ein Einsatz oder was auch immer: wo ist für euch Wagner at his best?

    (Ganze Szenen sollen hier nicht gefragt sein. Beschränkt euch auf einzelne Stellen! Dafür gebe ich dafür kein Limit! ;+) )

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Meine Lieblingsstellen:

    Walküre, 3. Aufzug, 1. Szene
    Sieglinde "O hehrstes Wunder"

    Tristan, letzte fünf Takte
    Ein letztes Mal erklingt der Tristan-Akkord (f-h-dis'-gis' über Orgelpunkt H), und zum ersten Mal löst er sich regulär auf: Über e-moll nach H-Dur. Da wird die Auf-lösung zur Er-lösung. Das ist das praktischste Beispiel für angewandte Harmonielehre, das ich kenne.
    Es lohnt sich, vier Stunden lang zu hören, wie sich der Tristan-Akkord immer wieder in eine andere (wenngleich schwächere) Dissonanz auflöst, um erst am Ende zur Konsonanz zu gelangen. Unglaublich. Um Dimensionen besser und tiefer als alle Bohème- und Traviata- und sonstwie rührseligen Schlüsse.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Die Stelle, die mich erst richtig zu Wagner gebracht hat, ist im Schluss der "Götterdämmerung":
    Wenn Brünni schon von Siegfried umfangen wird, kommt das Rheintöchter-Thema noch einmal
    hervor (begleitet von den Wellen) und dann kommt das Walhall-Thema. Sie wechseln sich ab und
    wenn dann das Rheintöchter-Thema noch einmal kommt gesellt sich das "O hehrste Wunder"
    hinzu... Als ich das zum ersten Mal mit Noten gehört habe, ist mir der Mund offen gestanden. :love:
    Seitdem bin ich glühender Wagnerianer. Eine ähnliche Stelle hat Bruckner übrigens am Ende des
    ersten Satzes seiner Neunten geschrieben. Dieses Mal stand eine Freundin von mir an der Reihe,
    mit offenem Mund dazusitzen. :thumbup:

    "Nicht immer sind an einem Misserfolg die Künstler schuld.
    Manchmal ist es auch das Publikum, das indisponiert ist."
    Leonie Rysanek (1926-1998)

  • Um Erlösung geht es auch bei dieser Parsifal-Stelle:

    Gurnemanz segnet Parsifal als König. Parsifal tauft - als erste Amtshandlung - Kundry. Parsifal wendet sich um und blickt mit sanfter Entzückung auf Wald und Wiese, welche jetzt im Vormittagslichte leuchten.

    Wie dünkt mich doch die Aue heut' so schön! -
    Wohl traf ich Wunderblumen an,
    die bis zum Haupte süchtig mich umrankten;
    doch sah' ich nie so mild und zart
    die Halme, Blüten und Blumen,
    noch duftet' all' so kindisch hold
    und sprach so lieblich traut zu mir.

    Gurnemanz: Das ist Karfreitagszauber, Herr!

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    Wagner war für mich der größte Lyriker, der Empfindsamste, große menschliche Gefühle am tiefsten treffende unter den Komponisten. Mit seiner Musik vor allem lautes Getöse zu assoziieren, scheint mir doch reichlich platt.

    Dennoch liebe ich es auch, wenn es mal richtig zur Sache geht, wie hier bei Hagens Gibichungenruf: Hoiho! Hoihoho!

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    Cheers,

    Lavine :wink:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Eine Stelle, die mich besonders berührt, ist nach Sentas Arie aus dem "Holländer": Senta steigert sich immer weiter in das Lied hinein und fällt am Höhepunkt schließlich in Ohnmacht - Generalpause - dann singt der Chor der Spinnerinnen, der zuvor noch dumm und stumpfsinnig "Summ und brumm du dummes Rädchen" (oder so ähnlich) gegrölt hat, plötzlich mit der innigsten Empfindung piano und a cappella das Lied zu Ende. Hat Gänsehautfaktor!

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • O hehrstes Wunder ( Sieglinde ) - das Kostbarste aller Leitmotive ! Wagner spart es sich auf bis zum Finale der Götterdämmerung.
    Wotans Abschied umd Feuerzauber ( Walküre )
    Trauermarsch ( Götterdämmerung )
    Die Frist ist um ( Holländer )
    Fliedermonolog ( Meistersinger )
    Vorspiel Rheingold
    Ouvertüre Meistersinger
    Gralserzählung ( Lohengrin )....

    ...um nur ein paar Highlights zu nennen.

    Ciao. Gioachino

    miniminiDIFIDI

  • Ich kann den vorgenannten Stellen zustimmen, möchte aber aufgrund eines Opernbesuchs im Dezember noch aus dem Tannhäuser anfügen: "O du mein holder Abendstern". Gesungen von Christian Gerhaher war das wirklich berührend.
    Auch immer wieder schön: "Komm, holder Knabe" aus dem Parsifal.

    :wink:

    Jein (Fettes Brot, 1996)

  • Da kann ich nur zustimmen, lieber Ekkehard : Das Lied an den Abendstern ist eine der wenigen " richtigen " Arien Wagners und ein echtes Vorsingstück für Baritone, nicht nur, sondern auch für stimmliche Kaliber namens Gerhaher.

    Ciao. Gioachino :juhu:

    miniminiDIFIDI

    • Wotans Abschied umd Feuerzauber ( Walküre ), dabei im besonderen das knapp zweiminütige Intermezzo nach "Denn einer nur freie die Braut, der freier als ich, der Gott!". Das ist Gänsehaut, am liebsten Solti.
    • Todverkündung (Walküre)
    • Siegfried Vorspiel 3.Akt
    • Walhalla/Wotan-Motiv (Rheingold) Beginn 2.Szene, erst instrumental und dann, nach Frickas Weckruf, mit Geoerge London
    • Tannhäuser - Schlusschor
    • Götterdämmerung - Schluss
    • Einsam wachend in der Nacht (Tristan & Isolde)
  • Meine Lieblingsstelle bei Wagner ist relativ unscheinbar und gerade deshalb von besonderem Reiz: Aus der Walküre, 1. Akt. Sieglinde berichtet Siegmund:

    Der Männer alle, so kühn sie sich mühten,
    die Wehr sich keiner gewann;
    Gäste kamen und Gäste gingen,
    die stärksten zogen am Stahl -
    keinen Zoll entwich er dem Stamm:
    dort haftet schweigend das Schwert.

    Ich meine die Stelle "Gäste kamen und Gäste gingen": Es ist eine ganz eigene melodische Wendung, die - so scheint es mir jedenfalls - in keiner Weise in das dichte leitmotivische Geflecht paßt. Hier zeigt sich für mich so etwas wie der wesentliche Charakter der leidenden, unglücklichen Frau, komprimiert auf einen Augenblick, der schnell vorübergeht.

    Diese kleine Stelle hat mich immer sehr berührt.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Mir fällt als erstes eine Stelle aus der Standpauke ein, die Gurnemanz Parsifal hält, nachdem der den Schwan abgeschossen hat. Die Musik zu

    Zitat

    Was tat dir der treue Schwan?
    Sein Weibchen zu suchen, flog der auf,
    mit ihm zu kreisen über dem See,
    den so er herrlich weihte zum Bad.

    Einfach zauberhaft.

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Ja, Gioachino, da hast du natürlich recht, der holde Abendstern ist nicht nur bei Gerhaher etwas Besonderes - bei ihm vielleicht nur etwas besonderer. ;+)

    Ansonsten natürlich auch der Pilgerchor im Tannhäuser.

    Jein (Fettes Brot, 1996)

  • Der Gänsehaut-Auftritt schlechthin für die tiefe Frauenstimme (noch vor "Weiche, Wotan, weiche") und für mich eine der schönsten Stellen des Tristan: Brangänes Warnruf "Einsam wachend in der Nacht" :juhu: Gerade hat man das berauschende Liebesduett von Tristan und Isolde überstanden, und dann dies...

    Einsam wachendin der Nacht,
    wem der Traum der Liebe lacht,
    hab der Einen Ruf in acht,
    die den Schläfern Schlimmes ahnt,
    bange zum Erwachen mahnt.
    Habet acht! Habet acht!
    Bald entweicht die Nacht.

    Leider sind richtig gute Brangänen ziemlich selten geworden...

    "

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    "

    Cheers,

    Lavine :wink:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Gäste kamen und Gäste gingen,

    [...]

    Diese kleine Stelle hat mich immer sehr berührt.

    Ja, das ist großartig! Sowohl die Bewegung des "Kommen" und "Gehen" ist da musikalisch umgesetzt als auch das sich immer aufs neue Wiederholen.

    So eine direkte Umsetzung (der Beschreibung) einer Handlung ist bei Wagner mE aber untypisch und selten - obwohl er meiner Erinnerung nach genau das in "Oper und Drama" vehement fordert. Dieser dramatische Impetus kommt bei Wagner oft zu kurz. Ein anderer Jubilar dieses Jahres schüttelte sowas nur so aus dem Ärmel und nannte das parola scenica ...

    Der andere Großmeister dieses dramatischen Prinzips ist für mich Franz Schubert. Die Traumstellen bei Wagner sind eher lyrischer Art.

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Der Beginn des "Rheingolds" mit der allmählichen Steigerung in Es-Dur. Wahnsinn!

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • "Ja denn! Ich hab' ihn erschlagen! Ich, Hagen, schlug ihn zu Tod!"

    (Karl Ridderbusch in der Duisburger Oper, ca. 1977)

    ***

    "Ich kann nicht fort, hierher bin ich gebannt.
    Aus diesem Glanz des Festes unsrer Feinde
    laß saugen mich ein furchtbar tödlich Gift"

    (Eva Randová, ebd., ca. 1978)


    Ich krieg' nur beim Zitieren noch heute Gänsehaut (und keine wohlige!).

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Die gesamte Erzählung Sieglindes (Der Männer Sippe...) ist seit langem einer meiner Favoriten. Ich finde, dass die erzählenden Teile sehr natürlich fließen, die Einsamkeit und Resignation Sieglindes und der Hoffnungsschimmer, als Wotan auftaucht, dann der Abschluss mit der o.g. Passage.
    Ansonsten viele schon genannte übliche Verdächtige: Todesverkündigung, Wotans Abschied usw. (wobei ich vieles von Wagner nur recht oberflächlich kenne, eigentlich nur Tristan und Ring einigermaßen). Von den längeren Orchesterstücken finde ich "Sonnenaufgang und Rheinfahrt" faszinierend, ziehe ich den meisten mir bekannten sinf. Dichtungen vor... uhd natürlich Tristan- und Meistersinger-Vorspiele

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Auch so eine Wuchtstelle: "Gott?", zumal wenn Astrid Varnay das Hermann Uhde entgegenschleudert...

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Der Gänsehaut-Auftritt schlechthin für die tiefe Frauenstimme (noch vor "Weiche, Wotan, weiche") und für mich eine der schönsten Stellen des Tristan: Brangänes Warnruf "Einsam wachend in der Nacht" :juhu: Gerade hat man das berauschende Liebesduett von Tristan und Isolde überstanden, und dann dies...


    Cheers,

    Lavine :wink:

    Geht mir genauso. Der ganze 2. Akt ist schon irre in dieser irren Oper. Aber wenn dann Brangäne zweimal ihr "Habet acht" einwirft ....

    Hin und weg
    Froh

    "Give me all you've got, then crescendo!" Leonard Bernstein

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