Skrjabin: GA Klaviersonaten - Auflistung/Vergleich

  • Skrjabin: GA Klaviersonaten - Auflistung/Vergleich

    Hallo,

    dieser Thread soll alle bekannten Gesamtaufnahmen der Klaviersonaten auflisten und vergleichen.
    Diskussionen zu der Werkreihe sowie zu einzelnen Sonaten würde ich (soweit möglich) gerne für einen anderen Thread abtrennen.

    Dennoch sollten hier kurz die Werke genannt werden, welche als die zehn Klaviersonaten Skrjabins bezeichnet werden:

    Sonate Nr. 1 f-Moll op. 6 (1892)
    Sonate Nr. 2 gis-Moll op. 19 („Sonate fantaisie“) (1892–97)
    Sonate Nr. 3 fis-Moll op. 23 (1897/98)
    Sonate Nr. 4 Fis-Dur op. 30 (1903)
    Sonate Nr. 5 Fis-Dur op. 53 (1907)
    Sonate Nr. 6 op. 62 (1911/12)
    Sonate Nr. 7 op. 64 („Weiße Messe“) (1911)
    Sonate Nr. 8 op. 66 (1912/13)
    Sonate Nr. 9 op. 68 („Schwarze Messe“) (1912/13)
    Sonate Nr. 10 op. 70 (1912/13)

    Daneben exisitieren noch zwei weitere Frühwerke, die aber nicht zu den zehn Klaviersonaten gezählt werden.

    Das Buch „Erinnerungen an Alexander Skrjabin“ von Leonid Sabanejew offenbart erstaunliches über die Entstehung der letzen Klavierwerke ab dem op.62, also auch über die Klaviersonaten Nr. 6-10!
    SKRJABIN wurde von dem russischen Dirigenten Kussewizki (Koussevtitzky) jedes Jahr mit einer großen Summe Geld unterstützt (5.000 Rubel), ursprünglich zur Vollendung der Komposition des „Mysteiums“ Kurz nach der UA von „Promethée“ kam es zum Bruch zwischen Koussewitzky und SKRJABIN worauf hin der Dirigent und Förder von dem Komponisten 15.000 Rubel zurückverlangte, einst als Anzahlung für die Vollendung der „Mysteriums“ (deren Noten dann auch in Kussevitzkys Musikverlag erscheinen sollten)!
    „Er (SKRJABIN) beschloß seine „Schuld“ in der Weise zu „tilgen“, dass er Kussewizki neue Kompositionen lieferte und diese auf seiner „Habenseite“ buchte. So brach er also die Arbeit am Mysterium ab und begann fieberhaft Klavierstücke zu schreiben, um die Schuld so schnell wie möglich abzutragen. In dieser Hinsicht hatte diese Geschichte auch ihr Gutes, denn auf diese Weise komponierte Skrjabin seine letzen Sonaten und viele kleinere Stücke, die sonst vielleicht gar nicht entstanden wären...“

    an anderer Stelle:
    „Damals spielte er uns auch manchmal Stellen aus seinen unveröffentlichten älteren Musikwerken vor. Davon gab es nicht viele. Das wohl wichtigste Stück war die sogenannte Sonate 3 ½, der er unmittelbar nach der Dritten Sonate komponiert hatte und die „Gothische Sonate“ nannte.
    Die Sonate hatte einen ausnehmend schönen ersten Satz, ... . Die Sonate existierte nur in seinem Gedächtnis, war nie in Notenschrift festgehalten worden, ... Das Stück hatte zwei Sätze, doch der Finalsatz war unvollendet geblieben."

    wieder an anderer Stelle:
    „Das Poeme Vers la flamme war zunächst als Sonate konzipiert, wurde dann aber aus dieser Verantwortung entlassen und zu einem kleineren Stück degradiert.“

    Dass wir heute 10 Klaviersonaten von SKRJABIN kennen ist also durchaus mehren Zufällen geschuldet, wie diese Beispiele zeigen! Allerdings will ich diese Fakten auch nicht überbewerten, am Ende hat SKRJABIN diese 10 Sonaten ja trotzdem bewusst so geschaffen. (Übrigends entstanden die letzen 5 Sonaten keineswegs in der Reihenfolge, die man vermuten würde! Wenn ich mich recht erinnere dann war es in der Abfolge 7-6-9-10-8!)

    da es gerade an anderer Stelle mal wieder eine Diskussion über verschiedene Gesamtaufnahmen der Klaviersonaten Alexander Skrjabins gab, stelle ich hier mal kurz und schmucklos die Liste aller durch mich in Erfahrung gebrachten Aufnahmen ein (die ich vor einigen Jahren für ein anderes Forum zusammengetragen hatte) - leicht überarbeitet und ergänzt:

    SKRJABIN, Gesamtaufnahmen der 10 Sonaten für Klavier:

    - 19?? V. Sofronitzky 3 CD Arleccino

    -1970 R. Laredo, 2 CDs Nonesuch (+ op. 2/1, 42, 57/1/2 und 72)

    - 1971 M. Ponti (als Teil einer GA der Klavierwerke auf 5 CDs bei VoxBox)

    - 1971 J. Ogdon, 2 CDs EMI (+ op. 2/1, 48, 57, 58, 63, 67, 72 und 74)

    - 1971 I. Shukow, LP

    - 1971 R. Szidon, 2 CDs DG

    - 1972–82 V. Ashkenazy, 2 CDs Decca

    - 1989 B. Berman, 2 CDs Music & Ar

    - 1988–90 R. Taub, 2 CDs harmonia mundi

    - 1995 M.-A. Hamelin, 2 CDs hyperion (+ op. 28 und op. posth.)

    - 1996 H. Austbø, 2 CDs Brilliant Classics

    - 1998 E. Mikhailov, 2 CDs MEL Scriabin State Memorial Museum

    - 2000 I. Shukow, 3 CDs Telos (+ op. 28 )

    - 2004? M. Koyama, 2 CD

    - 2006 M. Voskresensky, 2 CDs Classical Records

    - 2004–07 M. Lettberg (als Teil einer GA der Klavierwerke auf 8 CDs bei capriccio)

    - 2008? V. Stoupel, 3 CDs audite

    - 1997–09 Y. Kasman, 2 CDs Calliope

    - 2010 A. Ugorski, CAvi-musik

    - 2012? D. Alexeev 2 CD Brilliant Classics

    Außerdem spielt gerade ein weiterer Pianist alle Klavierwerke SKRJABINs ein: Gordon Fergus-Thompson, allerdings liegen noch nicht alle Sonaten vor
    ( bisher 2,3,4,5,9 und 10 )

    Gruß petit_concours


    Welche kannst du denn besonders empfehlen?

    (Ich selbst habe nur die von Ashkenazy und Lettberg, zwei einzelne von Gould. Aber schon lange nicht mehr gehört.)

    maticus

    PS: Ich habe inzwischen gesehen, dass meine Lsite aus dem Hifi-Forum (-http://www.hifi-forum.de/viewthread-192-146.html-) nach Wikipedia kopiert wurde (dabei leicht ergänzt -und um die Aufnahme von Sofronitzky gekürzt?)

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Gut, vielen Dank Petit.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Ich habe zwar die Gesamtaufnahmen von Igor Shukow 1971 (Eurodisc-LP-Box) und von John Ogdon (EMI-Doppel-CD) in der Sammlung, hatte zudem auch Ruth Laredo (kam nach zweimal Durchhören ins Antiquariat). Nur was soll ich mit einer GA, wenn die wirklich atemberaubenden Scriabin-Sonaten-Aufführungen von Nicht-Komplettisten getätigt wurden? Richter, Horowitz, Gilels, Pletnjew, Yuja Wang...

    Shukow 1971 ist ein must have, keine Frage. Die von Dir aufgelistete (auf CD verfügbare) 2000er Aufnahme kenne ich nicht: ist das eine Neuaufnahme, nicht eine Wiederauflage der alten LP-Edition von 1971? Sonst reizt mich ehrlich gesagt keine weitere GA.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Welche kann ich empfehlen?

    Vielleicht doch an allererster Stelle Lettberg, auch - aber keineswegs nur - weil das eine (Beinahe-)Gesamtaufnahme aller Klavierwerke Skrabins darstellt - zu ergänzen noch durch wenige Frühwerke, die es mittlerweile aber auch mit Lettberg separat gibt.

    Schukow präsentiert eine besonders intensiv ausgeleuchtete Musik; von meinen Einspielungen benötigt er zwar die meiste Zeit; aber es folgt daraus nicht prinzipiell, dass er stets der Langsamste ist.

    Mit Austbö habe ich die Musik einst richtig kennengelernt - zu den besten Integralen gehört sie wohl eher nicht, da etwas vordergründig und allzu sachlich interpretiert.

    Natürlich haben auch die anderen Boxen ihre Meriten. Und ebenso selbstverständlich gibt es jeweils besonders überzeugende Einzelinterpretationen auch innerhalb der jeweiligen Gesamtzyklen. Obigem Kommentar von music lover kann und möchte ich zwar nicht direkt widersprechen - wobei ich in erster Linie an Horowitz denke, weniger eigentlich an Richter (Yuja Wang oder Gilels kenne ich nicht mit Skrjabin). Aber: Das ändert nichts an der Tatsache, dass das Werk des Russen nun wirklich auf unterschiedliche Art atemberaubend gespielt werden kann, und die meisten meiner Komplett-Zyklen sind attraktiv und laden zum Vergleichen ein. :yes:

    Bei passenden Gelegenheiten gerne mehr von meiner Seite - und Dank an pt_concours!

    :prost: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Zitat

    (Ich selbst habe nur die [Integralen] von Ashkenazy und Lettberg, zwei einzelne [Sonaten] von Gould. Aber schon lange nicht mehr gehört.) [aus anderem Thread]

    Hallo, maticus!

    Die fünfte Sonate habe ich neulich zufällig mit Glenn Gould gehört. Wir Skrjabin-Freunde können uns gerne streiten - aber meines Erachtens macht er die Musik auf ähnliche Weise kaputt, wie ihm das bei Mozart oder der Appassionata geglückt ist. Da ist wirklich jede Einspielung, die ich vorher bewusst wahrgenommen hatte, besser.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Die fünfte Sonate habe ich neulich zufällig mit Glenn Gould gehört. Wir Skrjabin-Freunde können uns gerne streiten - aber meines Erachtens macht er die Musik auf ähnliche Weise kaputt, wie ihm das bei Mozart oder der Appassionata geglückt ist.

    Wie ist ihm das denn geglückt? Die Aufnahme der dritten Sonate begleitet mich schon lange und ich finde sie mit ihrem differenzierten Klang und der schönen Mehrstimmigkeit fantastisch.

  • Mit Austbö habe ich die Musik einst richtig kennengelernt - zu den besten Integralen gehört sie wohl eher nicht, da etwas vordergründig und allzu sachlich interpretiert.

    Ach ja, richtig. Austbö hatte ich auch mal (vom Zweitausendeins-Grabbeltisch als Restposten erworben). Wanderte ebenso wie Laredo postwendend ins Antiquariat.

    Richters Interpretationen der Zweiten, Fünften, Sechsten, Siebten und Neunten, Gilels mit der Dritten und Vierten sowie Horowitz mit der Dritten, Fünften, Neunten und Zehnten werden für immer Sternstunden der Scriabin-Interpretation bleiben. Da kann - mit Ausnahme von Shukow - keine GA auch nur entfernt herankommen. Yuja Wang (von ihr liegt bereits eine Studio-Aufnahme der Zweiten vor) gab allerdings letztes Jahr im Berliner Schiller-Theater eine so dermaßen fulminante Darbietung der Fünften als Zugabe (!), dass man sich von ihr für die Zukunft Großes erhoffen kann, was Scriabin angeht.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Wie ist ihm das denn geglückt? Die Aufnahme der dritten Sonate begleitet mich schon lange und ich finde sie mit ihrem differenzierten Klang und der schönen Mehrstimmigkeit fantastisch.

    Zum einen gestehe ich, dass ich durch Beethoven und Mozart auf Distanz zu Gould gerückt bin, dessen geniale Bach-Deutungen ich durchaus schätze (neben Schumanns Klavierquintett oder auch der Aubade von Poulenc beispielsweise). Zum anderen kenne ich seine Deutung der dritten Skrjabin-Sonate nicht und zum Dritten kann ich meinen Höreindruck nur aus der Erinnerung schildern (Rundfunksendung mit Gould-Aufnahmen). Es sind aber deutliche Erinnerungen und ich habe die Sonate bestimmt schon fünfzig Mal gehört.

    Gould mag differenziert spielen, mir ist es aber der Differenzierung zu viel; das Stück zerfällt in disparate Einzelteile. Vieles seziert er für meinen Geschmack viel zu stark. Bisweilen hat man den Eindruck, die Sonate würde ihn technisch überfordern - was wohl nicht der Fall sein wird, das ist mir schon klar. Ganz konkret empfand ich die Arpeggio-Figuren Leggierissimo volando (Takte 247ff,) als nicht gelungen, die ähnlichen Phrasen am Schluss der Sonate störten mich nicht. Entscheidend für meine Ablehnung ist jedoch das zentrale Thema des Presto con allegrezza (Takt 47ff und öfters ähnlich). Wie luftig, spritzig, elegant, hintergründig, mysteriös, noch salonhaft und doch in die Zukunft weisend kann man das interpretieren! Gould buchstabiert, scheint quasi didaktisch vermitteln zu wollen, dass hier Melodie und Begleitung sich irgendwie abwechseln. Nein, danke!

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Hallo, music lover!

    Richter mit Skrjabin habe ich schon gehört, da bin ich mir sicher. Die Erinnerung ist neutral. Ob ich in meinen Regalen etwas finde? Es wäre einen Versuch wert. Da Du aber erklärter Richter-Kenner bist, würde ich Dich bitten, mir eine Sonaten-Empfehlung bezüglich Richter und Skrjabin auszusprechen. Vielleicht hätte ich die CD sogar, wahrscheinlich jedoch würde ich sie kaufen - so schnell schaust Du nicht! :P :thumbup:

    :prost: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Gern! Eine unübertreffliche Fünfte (live mitgeschnitten bei der Italien-Tournee im November 1962) findest Du hier
    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/41amyJgK-VL._AA300_.jpg]
    Direktlink funktioniert mal wieder nicht, aber Du findest diese DG-CD recht günstig bei Amazon im Marketplace.

    Mit dem Warschauer Recital vom 27. Oktober 1972 machst Du ebenfalls nichts falsch:
    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/21My-whIUcL.jpg
    Ich habe die erste der beiden abgebildeten Ausgaben, für die inzwischen Mondpreise verlangt werden. Zu der Neuedition bei Parnassus kann ich deshalb nichts sagen, ich vermute aber mal, dass es sich um das identische 1972er Konzert handelt. Richter spielt auf meiner Arkadia-Ausgabe (neben einer Auswahl von Préludes, Ètudes und einem Poème) die Sonaten 2, 5 und 9. Auf der jpc-Seite zur Parnassus-Ausgabe wird behauptet, dass auch die Sonate Nr. 6 mit auf der CD sei. Wie gesagt: ich kann das, weil ich eine andere Ausgabe habe, weder bestätigen noch verneinen. Denkbar ist das aber, denn die Sechste gehörte auch zu Richters Repertoire. Greifbar (in einer Aufnahme vom 20. Juni 1955) etwa auch hier

    Diese CD ist übrigens m.E. wegen der Miaskowsky-Sonate Nr. 3 ohnehin ein "must have"...
    :wink:

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Shukow 1971 ist ein must have, keine Frage. Die von Dir aufgelistete (auf CD verfügbare) 2000er Aufnahme kenne ich nicht: ist das eine Neuaufnahme, nicht eine Wiederauflage der alten LP-Edition von 1971?

    Es gibt da, denke ich, zwei Aufnahmen. Vor zwei Jahren kam die alte LP-Einspielung von 1971 auf CD heraus, wirklich elektrisierende und spannende Interpretationen (gerade bei Nr. 6-10 finde ich das packend; mich stört lediglich, daß die Pausen zwischen den einzelnen Sonaten zu kurz sind, das hätte man leicht vermeiden können):


    Melodiya, 2 CD

    Es gibt aber noch, eine spätere Einspielung (1999 oder 2000):


    Telos, 3 CD

    Die neueren Aufnahmen kenne ich nicht, doch habe ich mehrfach gelesen, daß sie insgesamt ruhiger (meditativer? manierierter?) und weniger spannungsreich angelegt sein sollen als die älteren.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Mit Schukow besitze ich die erste, die ältere Einspielung. Die zweite muss nun nicht auch noch her.

    Außerdem danke ich dem music lover und werde mir die Ausgabe bei parnassus zulegen.

    Es stimmt auch, was Gurnemanz schreibt: Die Sonaten gehen fast ineinander über - das hat mitunter einen gewissen Reiz, erscheint dennoch eigentlich nicht wünschenswert. Es mag damit zusammenhängen, dass aufgrund der benötigten Spielzeiten beide CDs im Gegensatz zu anderen Einspielungen randvoll werden. Nur dadurch, dass die Reihenfolge der Sonaten nicht eingehalten wird, kann überhaupt auf eine dritte CD verzichtet werden.

    :wink: Wolfgang

    :hide:

    PS / Edit: Meine letzten beiden Aussagen beziehen sich auf Ugorski, nicht auf Schukow. Dann hat Gurnemanz doppelt Recht. Sorry!

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Ich habe zwar die Gesamtaufnahmen von Igor Shukow 1971 (Eurodisc-LP-Box) und von John Ogdon (EMI-Doppel-CD) in der Sammlung, hatte zudem auch Ruth Laredo (kam nach zweimal Durchhören ins Antiquariat). Nur was soll ich mit einer GA, wenn die wirklich atemberaubenden Scriabin-Sonaten-Aufführungen von Nicht-Komplettisten getätigt wurden? Richter, Horowitz, Gilels, Pletnjew, Yuja Wang...

    Shukow 1971 ist ein must have, keine Frage. Die von Dir aufgelistete (auf CD verfügbare) 2000er Aufnahme kenne ich nicht: ist das eine Neuaufnahme, nicht eine Wiederauflage der alten LP-Edition von 1971? Sonst reizt mich ehrlich gesagt keine weitere GA.

    Hallo music_lover,

    mit diesem Thread soll natürlich niemand gezwungen werden, sich eine (weitere) GA zu zulegen. ;+)
    Wer eine außergewöhnliche Interpretation der Sonaten Nr. 3, 4, 5, 9 oder 10 sucht, der wird wohl eher zu einer Einzelaufnahme greifen. Aber bei den Sonaten Nr. 1, 6, 7 und 8 wird es schon deutlich schwieriger weitere (lohnende) Aufnahmen jenseits der GAs zu finden (und ich glaube, nur die wenigsten werden sich alle zehn Sonaten mit zehn verschiedenen CDs erschließen...). Mancher wird sich mit einer Doppel-CD zuerst einen Überblick schaffen wollen, und dabei reizt es vielleicht auch, die Entwicklung der Klaviersonate bei Skrjabin mit (nur) einem Interpreten nachzuforschen...

    Gruß petit_concours

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)


  • Richters Interpretationen der Zweiten, Fünften, Sechsten, Siebten und Neunten, Gilels mit der Dritten und Vierten sowie Horowitz mit der Dritten, Fünften, Neunten und Zehnten werden für immer Sternstunden der Scriabin-Interpretation bleiben. Da kann - mit Ausnahme von Shukow - keine GA auch nur entfernt herankommen. Yuja Wang (von ihr liegt bereits eine Studio-Aufnahme der Zweiten vor) gab allerdings letztes Jahr im Berliner Schiller-Theater eine so dermaßen fulminante Darbietung der Fünften als Zugabe (!), dass man sich von ihr für die Zukunft Großes erhoffen kann, was Scriabin angeht.

    Bei Richter und Gilels bin ich ganz Deiner Meinung, Horowitz konnte mich bisher nur bei der 5. Sonate richtig überzeugen. Shukov kenne ich noch nicht (Danke an Gurnemanz für den Hinweis bezügl. der Wiederveröffentlichung der 70er Aufnahme!)
    Ob es allerdings gerade Yuja Wang ist, die sich in diese Riege einreihen wird, bleibe ich vorerst skeptisch...
    Gänzlich vermisse ich bei Deiner Aufzählung (hier): Pletnev, Sokolov, Fiorentino... (und natürlich auch Feinberg, Neuhaus, Sofronitzky!)
    Und mehr erwarte ich mir ehrlich gesagt von z.B. Aimard, Mustonen. Koroliov?

    alternativ habe ich jetzt noch folgenden Thread eingerichtet:
    Skrjabin: mixed GA Klaviersonaten

    :wink:
    Gruß petit_concours

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Duborg

    Hallo,
    soeben habe ich eine weitere GA entdeckt:

    - ???? E. Dubourg, 2 CD Tudor

    Gruß petit_concours

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Ich hatte mich vor längerer Zeit einmal mit Maria Lettberg über die Sonateneinspielungen unterhalten, denn Sie hat ja darüber sogar promoviert. Sie selber bevorzugt die von Sofronitzki. Auch Shukov, Szidon und Hamelin hat sie ausdrücklich betont. Von Ogdon, den ich als besondere Aufnahme anführte, hielt sie nicht so viel. Wir haben das dann nicht so sehr vertiefen können, und so kamen andere hier aufgeführte Pianisten wie z.B. Richter nicht zur Sprache.

    Mich wundert allerdings, und deßhalb schalte ich mich hier noch einmal ein, daß niemand die Aufnahmen mit Hamelin besonders erwähnt. Diese ist m.E. die großartigste Gesamteinspielung die ich kenne. Sie wird sowohl dem noch sehr romantischen Gestus der frühen Sonaten (1-3), der wilden Extase der mittleren (4-5), sowie den vollkommen neuartigen Klängen der späten (6-10) in besonderer Weise gerecht. Offenbar spukt bei den meisten immer noch die Vorstellung vom Tastenakrobaten Hamelin im Kopf herum, und man hält ihn daher für einen Blender. Seine transzendente Virtuosität erlaubt ihm jedoch, sich frei von technischen Beschränkungen allein auf das kompositorische Material zu konzentrieren. Die Aufnahmen mit Sofronitzki, die ich nicht sonderlich schätze, leiden z.B. an seinen erkennbaren technischen Problemen. Ebenso wie die Aufnahmen mit Szidon und Ogdon, die für mich fast gleichwertig sind, und eine gute Ergänzung bilden, schafft es Hamelin eine durchgängig auf höchstem Niveau befindliche Aufnahme abzuliefern.
    Darüberhinaus ist es natürlich schön und begrüßenswert, daß sich so viele Pianisten dieser Werke angenommen haben, die zumindest was die letzten 5 anbelangt, sicher nicht leicht zugänglich, aber nichtsdestotrotz in ihrer singulären Erscheinung faszinierend sind. Das trägt hoffentlich dazu bei, diese Musik stärker zu verbreiten.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Du hast wohl Recht, werter Eusebius! Ich habe die Sonaten mal ein paar Monate ruhen lassen, kann mich aber erinnern, dass Hamelin in vorderster Front mitspielt.

    Was ich noch sagen möchte, muss nichts mit dem Klavierwerk von Skrjabin zu tun haben, es kann aber. Der Kanadier kann sich nicht immer frei machen von der Gefahr, aufgrund seines auch die meisten seiner Kollegen überragenden Könnens allzu lässig wirkende Virtuosität abzuliefern. Es fehlt seinem Spiel nicht selten der kämpferische Zug. Es ist hingegen ein genialer Schachzug seinerseits - und auch aus Gründen der Literaturerschließung äußerst begrüßenswert -, dass er Nebenschauplätze bespielt und viele Renner links liegen lässt.

    Indes glaube ich auch nicht, dass ein solcher Einwand sein Skrjabin-Spiel wirklich trifft, und will Dir gewiss nicht widersprechen. Ich glaube irgendwo in einer Kritik gelesen zu haben, der Skrjabin sei nicht frei von einer Tendenz zum Weichzeichnen des lyrischen Wesenzugs.

    Jetzt habe ich Lust auf einen kleinen Querschnitt bekommen. Vielleicht höre ich demnächst Hamelin mit den Nummern 3, 5, 8 und 10. Das dürfte repräsentativ sein.

    Hier noch ein alter Kurzvergleich meinerseits von a.a.O. - ich hoffe, er passt in diesen Thread, kann aber gerne verschoben werden. Mittlerweile besitze ich zwar mehr als doppelt so viele Einspielungen der Fünften, habe aber (noch) nicht ganz den Elan, das Miniprojekt zu vervollständigen:

    Scriabins fünfter Sonate (op. 53) aus dem Jahre 1907, der ersten seiner vielfältig untergliederten einsätzigen Sonaten, der letzten trotz aller Auflösung tonal tendenziell gebundenen, geht ein vierzeiliges Motto voraus, das unter dem (vom Komponisten bekanntlich wiederverwerteten) Titel "La Poème de l'Extase" das Geheimnis des Lebens, den Mut zum Leben aus dem Schöpfergeist heraus beschwört. Dieser Optimismus - ich teile die weiter oben geäußerte Assoziation von "Wollust, Exstase und Sex" gerne - ist ähnlich wie in der vierten Sonate im Prinzip noch ungebrochen, auch wenn die exstatische Grundtonart Fis-Dur, in der vierten Sonate bis zum Schluss beibehalten, hier in Frage gestellt wird. Es finden sich Passagen in B-Tonarten und das Schluss-Presto endet atonal. Aber eigentlich weichen auch die Einleitungstakte bereits von jeglicher tonartlichen Bindung ab. Diese Auflösungserscheinungen nehmen das mystisch-gebrochenene Weltbild der späteren Sonaten außerhalb konventioneller Tonalität vorweg.

    Die Sonate tendiert thematisch meines Erachtens zu einer vielfach verknüpften, variierten und wiederaufgenommenen Dreiergliederung, die man nach rund 60 Takten kennt. Am Anfang steht eine Sequenz aus Trillern und Vorhaltbewegungen in Quart- oder Quintschritten nach oben (Allegro. Impetuoso), nach zehn Takten folgt ein verhalten melodiöses, melancholisches Languido. Kernstück der Sonate scheint mir dann das Presto zu sein (erstmals ab Takt 47), das in kreisenden Dreiklangsformationen den hochfliegenden Esprit dieser Musik manifestiert.

    Vier Aufnahmen besitze ich:
    Hakon Austbö bei Brilliant/Simax; 1990; Dauer: 11'44''
    Bernd Glemser bei Naxos; 1994; Dauer: 11'40''
    Marc-André Hamelin bei Hyperion; 1995; Dauer: 12'46''
    Maria Lettberg bei Capriccio; 2007; Dauer: 11'33''

    Austbös Einspielung ist gewiss die sachlichste von allen; extreme Ausprägungen liegen ihm fern. Linien werden betont, Unterschiede der Charaktere durchaus herausgearbeitet, ohne je zu überzeichnen. Agogische Freiheiten spielen keine Rolle.
    Während das Impetuoso allzu zurückhaltend herauspräpariert wird, klingt sein Languido tatsächlich schlaff, das Presto mild-salonhaft.
    Eine Stelle habe ich noch gezielt gehört, das huschende Legierissimo volando (247 - 250), eine Variante der Vorhaltpassage des Eingangsabschnittes, die auch in den Schlusstakten wiederkehrt. Sie bleibt bei Austbö nicht sonderlich haften.
    Die Klangqualität ist insgesamt ordentlich.

    Glemsers Deutung würde ich als ausgeprägt poetisch klassifizieren. Das Presto wird dennoch etwas schneller und dynamisch differenzierter dargeboten als bei Austbö; die Kontraste sind markanter. Das Legierissimo gelingt besonders elegant huschend. Am Ende ringt sich Glemser zu etwas mehr Exaltation als Austbö durch, aber der poetische Ausdruck überwiegt.
    Die Klangqualität ist insgesamt ordentlich, gerät in den übersteigerten Passagen gegen Ende aber beinahe an ihre Grenzen.

    Hamelins Deutung ist agogisch die freieste. Eleganz, aber auch Kontrastreichtum prägen seine Einspielung. Schroff, wie aus einem Guss erklingt das Impetuoso; sehr leise und tastend das Languido - an den langsamen, sicher nicht an den schnellen Passagen dürfte es liegen, dass seine Aufnahme am längsten dauert.
    Das Presto hätte ich mir zurückhaltender in der Dynamik gewünscht; im weiteren Verlauf der Einspielung gewinnen dann bisweilen auch Manierismen die Oberhand, so erkennbar beispielsweise in den genannten Takten 247 bis 250.
    Die Klangqualität erscheint mir hier und bei Lettberg etwas überdurchschnittlicher als bei den bereits charakterisierten Aufnahmen.

    Die neue Gesamteinspielung des Scriabin'schen Klavierwerks von Maria Lettberg muss ich noch besser kennenlernen. Ihre fünfte Sonate würde ich als die männlichste meiner vier Alternativen wahrnehmen. Sie arbeitet Linien und Kontraste heraus. Die Einleitung erscheint überraschend scharf und wie ein kurzer Wirbelwind. Das Languido wird analytisch präsentiert, das Presto klingt noch wie eine Reminiszenz an die Welt Chopins; sehr originell gelingt die Überleitung in den Takten 247 bis 250. In ihrer Gesamthaltung erinnert diese Aufnahme also ein wenig an Austbö, aber Freiheiten à la Hamelin finden sich durchaus.

    Fazit: Von keiner der Einspielungen möchte ich abraten - und vielleicht ist doch Glemser interpretatorisch am packendsten.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Anna Malikova

    Hi, motiaan et alii!

    Und auch hier erwecken die Hörproben einen überzeugenden Eindruck (gut, es sind nur wenige kurze Ausschnitte). Vergleiche ich Track 1 und 12, so würde ich äußerst kühn behaupten: Sie erfasst den Unterschied zwischen der Chopin-Nachfolge der ersten und dem hochfliegend rhythmisierten Pathos der vierten Sonate. Sie spielt transparent und mit Formgefühl.

    Das war ... kühn. Ich sagte es ja.

    In Klammern: Brauche ich eine zwölfte Gesamteinspielung?

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Anna Malikova kenne ich noch aus meiner Zeit in Krefeld. Sie ist dort mit dem Konzertmanager von Kawai, Peter Grothe verheiratet. Sie hat auch mal in einem Recital Scriabin gespielt, erinnern kann ich mich hingegen nicht mehr an das Konzert. Mir ist sie als solide Pianistin im Gedächtnis geblieben, die kein großes Aufsehen erregt, aber klar und überlegt gestaltet. Ob sie mit den Herausforderungen der Sonaten von AS klar kommt wäre indes interessant zu erfahren.

    Brauche ich eine zwölfte Gesamteinspielung?

    .. die Frage stellt sich ja häufiger. In Bezug auf Scriabin wäre eine weitere Gesamtaufnahme wohl verzichtbar, ausser für die hartgesottenen Liebhaber dieses Komponisten, oder Vollständigkeitsfanatiker.

    andréjo:

    Zur 5. Sonate würde ich Dir gerne noch die Aufnahme mit Alexei Volodin empfehlen:

    Ich hatte das Vergnügen ihn damit im September letzten Jahres live zu erleben. Ich war sehr begeistert von der Interpretation. Sein Ansatz ist sehr leidenschaftlich, aber nicht zu überschwänglich. Pianistisch war das vom Feinsten, und er schaffte es auch in den turbulenten Passagen den Überblick zu behalten. Die CD Aufnahme unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Live-Erlebnis. Als "Dreingabe" bekommt man ausserdem eine exellente Version der "Miroirs" von Ravel.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!