Musik für die Passionszeit
Der Begriff Passionszeit hat verschiedene Bedeutungen: im engeren Sinn wird damit die Zeit vom 5. Sonntag in der Fastenzeit, dem Sonntag Judica oder volkstümlich Passionssonntag, bis Ostern bezeichnet, im weiteren Sinn die gesamte Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern.
Für die christlichen Kirchen ist es die wichtigste Zeit des Kirchenjahrs mit dem Beginn der Karwoche am Palmsonntag und den Höhepunkten Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag und dem Osterfest.
Bereits am 5. Sonntag der Fastenzeit, dem früheren ersten Sonntag der eigentlichen Passionszeit, werden die Kruzifixe und Kreuze in den (katholischen) Kirchen verhüllt. Flügelaltäre werden zugeklappt und zeigen die einfacher gestalteten Rückseiten der Flügel.
Mit Palmsonntag (lateinisch: Dominica in Palmis de passione Domini für die römisch-katholische Kirche; Palmarum für die evangelische Kirche), dem sechsten und letzten Sonntag der Fastenzeit, beginnt die Karwoche, die in der evangelisch-lutherischen Kirche auch Stille Woche genannt wird.
Der Begriff Karwoche kommt vom von althochdeutschen kara = Klage, Kummer, Trauer und ist nur deutschsprachigen Raum gebräuchlich. In anderen Sprachen und der kath. Liturgie spricht man von der Großen oder Heiligen Woche (lat. hebdomada sancta), die – anders als die Karwoche – das Osterfest selbst (also den mit der Feier der Osternacht beginnenden Ostersonntag) einschließt.
Die Karwoche umfasst also die "stillen" Tage Montag bis Mittwoch und die eigentlichen Kartage Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag, das Triduum Sacrum. Sie beginnt am Palmsonntag mit dem Gedächtnis des Einzugs Jesu in Jerusalem und erreicht ihren Höhepunkt im Triduum Sacrum dem Gründonnerstag, an dem mit dem Abendmahl Jesu die Einsetzung der Eucharistie gefeiert wird, am Karfreitag mit dem Gedenken an das Leiden und Sterben Jesu sowie am Abend des Karsamstags bis zur Feier der Osternacht.
An Palmsonntag und während der Karwoche wird die Leidensgeschichte vorgetragen. Solche Lesungen im Rahmen einer Passionsliturgie sind schon seit dem 5. Jahrhundert bekannt.
Im Mittelalter wurden diese Lesungen der Passionsgeschichte nach den vier Evangelisten von einen einzigen Geistlichen im Passionston rezitiert, später, ab dem 13. Jahrhundert mit verteilten Rollen.
An den Kartagen wurden vor allem in Kathedralen und Klosterkirchen die Karmetten (auch Trauermetten) gesungen.
Das Wort Mette kommt von lateinisch "hora matutina", Morgenstunde. Matutin oder auch Vigil sind Bezeichnungen für diese Horen also Gebete des Offiziums zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang.
Schon im 13. und 14. Jahrhundert wurde es üblich, diese Metten von den frühen Morgenstunden der Kartage auf den jeweiligen Vorabend zu verlegen.
(So im Reclams Führer zur lateinischen Kirchenmusik,a.a.O., S. 297; in Frankreich lt. Booklet der CD M.A. Charpentier, Lecons de Ténèbres, Le concert Spirituel, Niquet, bei Glossa erschienen, S. 20, erst in der Regierungszeit von Ludwig XIV, d.h. 1643 - 1715.)
Der Karfreitag und der Karsamstag sind die einzigen Tage im katholischen Kirchenjahr, an denen keine Heilige Messe gefeiert wird.
Links zu den Wikipedia-Beiträgen, aus denen ich abgeschrieben habe:
Passionszeit "http://de.wikipedia.org/wiki/Passionszeit"
Karwoche "http://de.wikipedia.org/wiki/Karwoche"
Stundengebet "http://de.wikipedia.org/wiki/Stundengebet"
Matutin "http://de.wikipedia.org/wiki/Matutin"
Tenebrae s. Matutin
Vigil s. Matutin
Karmette "http://de.wikipedia.org/wiki/Karmette"
Passionssonntag "http://de.wikipedia.org/wiki/Passionssonntag"
Palmsonntag "http://de.wikipedia.org/wiki/Palmsonntag"
Die Passionszeit ist reich an liturgischer Tradition, die geprägt ist von Gedanken der Einkehr und Buße sowie Betrachtungen über das Leiden und Sterben Jesu Christi.
Es gibt liturgische Musik aber auch Musik für Andachtszwecke. Sie wirkt durch Ausdruckstärke und Bildhaftigkeit, ist an die Verständlichkeit des Textes gebunden.
Bis zum 15. Jahrhundert ist es meist eine einstimmige Musik (Gregorianik), danach gibt es auch mehrstimmige Kompositionen. Diese werden rasch bekannt durch die Drucke von Petrucci, z.B. die der Lamentationen ab 1506.
Die Musik zur Liturgie ebenso wie die für Andachtszwecke ist eher dunkel gehalten wie bei Trauermusik üblich.
Es ist erstaunlich, wie viele Komponisten all ihre Kunstfertigkeit aufboten, um solche Musik, die nicht glänzen, Pracht entfalten wollte und nur einmal im Jahr erklingen konnte, zu schaffen. Längst nicht von allen Werken gibt es Aufnahmen, darüberhinaus sind sie auf viele CDs verstreut, da diese Werke - gerade die frühen - oft recht kurz sind.
Passionen, Lamentationen und Respensorien der Karmetten, Bußpsalmen v.a. Miserere, Leçons de ténèbres gehören zu den bekanntesten Musikwerken für die Passionszeit. Motetten und Kantaten spielen bei den protestantischen Kirchen eine Rolle. In Italien entwickelten sich Oratorien parallel zur Oper.
Ludwig Finscher subsumiert all diese Gattungen außer - der isorhythmischen und der Choralmotette - unter dem Begriff Liturgische Gebrauchsmusik. Im gleichnamigen Kapitel V der Geschichte der Musik, Bd 3: Die Musik des 15. und 16. Jahrhunderts (Sonderausg., Laaber Verl. 2010 S. 371 ff, im Forum bekannt als "grüne Musikgeschichte") schreibt Ludwig Finscher:
"Der strikten Funktionalität der liturgischen Gebrausmusik entsprach in ihren Anfängen ein durchaus bescheidener kompositorischer Habitus - Betonung des Chorals, Orientierung am dreistimmigen Liedsatz und Fauxbourdon, strophische Wiederholungen zur Bewältigung der Verstruktur und des für die Bearbeitung unergiebigen Chorals im Magnificat: Merkmale mit denen die Gebrauchsmusik deutlich unter dem Niveau der großen Motette des 15. Jahrhunderts - nicht nur der isorhythmischen - angesiedelt war. Der Begriff "Gebrauchsmusik" sollte aber nicht dazu verleiten, in dieser Haltung eine Konstante der hier zu behandelnden Gattungen zu vermuten, denn es gehört zu den faszinierendsten Aspekten der Motettengeschichte, wie in einem einzigen historischen Augenblick und an einem einzigen Ort - um und kurz nach 1500 in der päpstlichen Kapelle in Rom - die Gattungen der Vesperpolyphonie und der Lamentationen in große, representative und deutlich am Anspruch der Messe als der führenden liturgisch-festlichen Gattung der Epoche orientierten Gattungen verwandelt werden."
Die Entwicklung führte von der Einstimmigkeit und dem Lektionston über die Mehrstimmigkeit bis hin zur Doppelchörigkeit. Allerdings verliefen die Wege in Reformationsländern und Ländern der Gegenreformation verschieden. Je "lauter" die Musik in den Zentren der Gegenreformation wurde, desto "stiller" wurde sie in den Ländern der Reformation. Aber auch dieser Verzicht auf das Pompöse kann emotional, sehr sprechend sein, gerade die volkssprachigen Motetten, Kantaten und Passionen, Oratorien - ich denke hier v.a. an Nord- und Mitteldeutschland - haben bei mir einen großen Eindruck hinterlassen.
In der Musikgeschichte werden viele Namen und beispielgebende Werke genannt, die sich jedoch nicht in Aufnahmen spiegeln. Schwierigkeiten bereitet auch die Länge der Liturgie. Schon die Komponisten haben oft nicht die ganzen Texte vertont, darüberhinaus wurden häufig nur Auszüge gelesen oder gesungen. Viele wichtige Werke liegen nicht auf Tonträgern vor, für Konzerte schließlich sind sie wenig geeignet. So stellt sich die Frage, ob und wie sie "überleben" können.
Bei mir haben sich in den letzten Jahren einige Aufnahmen angesammelt. Zuerst war es Zufall, später habe ich bewusst darauf geachtet, da ich gern Entwicklungslinien nachgehe, d.h. einem Thema in verschiedenen Zeiten. Ich werde also eine Reihe CDs zum Thema Passionsmusik vorstellen und hoffe, dass viele von euch mitmachen und ihre Aufnahmen ebenfalls vorstellen. Den Beginn will ich mit zwei CDs machen, die auch schon gleich etwas aus dem Rahmen fallen.
Zum Schluss dieser groben Einführung noch ein paar Angaben zur der Literatur, die ich benutzt habe:
Wikipedia (s. auch oben)
MGG-CD ROM
Geschichte der Musik. BD 3: Die Musik des 15. und 16. Jahrhunderts. Hrsg. von Ludwig Finscher. Sonderausg. Laaber: Laaber Verl. 2010.
Reclams Führer zur lateinischen Kirchenmusik. Von Michael Wersin. Stuttgart: Reclam Verl. 2006. (enthält auch alle Texte der Lamentationen)
Lexikon der Musik der Renaissance. Hrsg. von Elisabeth Schmierer. Bd 1.2. Laaber: Laaber Verl. 2012.
Zu bestimmten Lamentationen und Bußpsalmen gibt es bei Capriccio schon eigene Threads:
http://musik%20f%c3%bcr%20die%20passionszeit
Josquin Dufay hat hier am Beispiel der Lamentationen, Respensorien usw. von Victoria einen Überblick über die Struktur und Texte zu geben.
Das gleiche hat Tschabrendeki für die Bußpsalmen getan:
https://www.capriccio-kulturforum.de/vokalmusik/640…en-buszpsalmen/
https://www.capriccio-kulturforum.de/vokalmusik/382…-zunftkollegen/
Einen Überblick über das Genre der Lamentationen kann man hier finden:
"http://www.medieval.org/emfaq/misc/lamentations.htm"
"http://www.grabinski-online.de/div/metten.html"
Hier soll aber nicht nur von Lamentationen und Bußpsalmen die Rede sein - dazu gibt es halt viel Literatur - sondern auch von allen anderen Werken für die Passionszeit. Sollte sich zu einem bekannteren Werk eine gößere Diskussion ergeben, so kann man diese auch in einen eigenen Thread verschieben, wie ihn auch die Bachpassionen, Brockespassionen o.ä. haben.
lg vom eifelplatz, Chris.