OFFENBACH: Les contes d'Hoffmann – Märchenhafte Episoden oder postmodernes Drama?

  • OFFENBACH: Les contes d'Hoffmann – Märchenhafte Episoden oder postmodernes Drama?

    Liebe Capricciosi!

    Offenbachs letztes und wohl ambitioniertestes Bühnenwerk, gleichzeitig eine der beliebtesten französischen Opern nach „Carmen“, hat eine der verwickeltsten Fassungs- und Aufführungsgeschichten überhaupt: Denn der Komponist starb 1880, bevor er eine autorisierte Fassung veröffentlichen konnte. Bei der Uraufführung 1881 wurde auf Betreiben Léon Carvalhos, des Intendanten der Opéra comique, der vierte Akt (der "Giulietta-Akt") gestrichen und die große Doppelrolle Muse/Nicklausse empfindlich gekürzt: die Muse und ihre Gesangsnummern entfielen ganz, bei Nicklausse wurden nur die Arien, nicht aber die Ensembles gestrichen. In der nachfolgenden Druckausgabe des Verlagshauses Choudens, die für das nächste Jahrhundert die verbindliche Aufführungsfassung sein sollte und sich leider (als liebgewonnener Fehler?!) nach wie vor noch viel zu oft auf den Bühnen findet, wurden statt der Dialoge von Ernest Guiraud, der schon die "Carmen" verhunzt hatte, Rezitative eingebaut und der Giulietta-Akt wieder eingefügt, allerdings nun als dritter Akt. Die Muse blieb gestrichen.

    In den letzten Jahrzehnten hat die Offenbach-Forschung neue Erkenntnisse gewonnen, die ich im Folgenden vorstellen möchte. Erschwert wurde die Forschung durch die Tatsache, dass große Teile des Uraufführungsmaterials, Offenbachs Autograph, 1887 bei einem Brand der Opéra comique zerstört wurden. Erst durch die Entdeckung von umfangreichem handschriftlichen Material aus Offenbachs Nachlass 1976 konnten neue kritische Fassungen erstellt werden, zunächst von Fritz Oeser (der ja schon die Carmen rekonstruiert hat), dann nach dem Fund des Zensurlibrettos und eines Teils des Uraufführungsmaterials von Michael Kaye. Die neuesten Funde und Forschungen, darunter die letzten 144 Takte des Giulietta-Akt-Finales haben Einzug in die derzeit aktuelle Fassung Kaye-Keck gefunden.

    Was sagen nun die neuen Editionen über die Oper aus? Ich erlaube mir im Folgenden eine kurze Zusammenfassung der Handlung nach der Edition Kaye-Keck:
    Erster Akt: In Lutters Weinkeller. Die Muse Hoffmanns steigt aus einem Weinfass auf und verkündet, dass sich heute das Schicksal Hoffmanns entscheide: er muss zwischen ihr (also der Dichtkunst) und der Sängerin Stella (also der irdischen Liebe) wählen. („La verité, dit-on“) Um Hoffmann beschützen und ihm nahe sein zu können, verwandelt sie sich in seinen Freund Nicklausse. – Hoffmanns Rivale Lindorf fängt den Brief Stellas an Hoffmann ab, dass sie nach der Vorstellung zu ihm komme. (Couplets: „Dans les rôles d'amoureux langoureux“) – Einige Studenten, später Hoffmann und Nicklausse strömen in den Weinkeller, Hoffmann singt das Lied von Klein-Zack. Die Studenten, Nicklausse und Lindorf drängen ihn, zu trinken und die Geschichte seiner Liebe zu Stella zu erzählen. Hoffmann erklärt, er habe nicht eine Geliebte, sondern drei: Olympia, Antonia, Giulietta...
    Zweiter Akt: Olympia. Bei einer Gesellschaft im Hause Spalanzanis will dieser zum ersten Male der Öffentlichkeit seine wohlgestalte Tochter Olympia vorführen. Hoffmann verliebt sich Hals über Kopf in sie und hört nicht auf Nicklausses Warnung, es handle sich dabei lediglich um eine Puppe. (Couplets: „Voyez-la sous son éventail“) Olympia zeigt ihre Kunststücke (Couplets: „Les oiseaux dans la charmille“) und Hoffmann gesteht ihr seine Liebe. Coppélius aber, der die Augen der Puppe hergestellt hat, wurde von Spalanzani um seinen Lohn betrogen und zerschlägt Olympia aus Wut. Hoffmann trifft der Spott der Anwesenden.
    Dritter Akt: Antonia. Hoffmann liebt die schwerkranke Antonia, die von ihrer Mutter, einer Sängerin, die schöne Stimme und die mysteriöse Krankheit geerbt hat. Sie darf nicht singen, sondern muss sich streng schonen. Im Duett mit Hoffmann („C’est une chanson d’amour“) regt sie sich bereits zu sehr auf und bekommt einen Anfall – schon ist der bösartige Dr. Miracle ist zur Stelle, wird aber von Antonias Vater des Hauses verwiesen. Er macht Miracle für den Tod seiner Frau verantwortlich – offensichtlich nicht zu Unrecht, denn sobald Antonia allein ist, taucht Miracle durch die Wand wieder auf, beschwört die verstorbene Mutter und animiert Antonia gemeinsam mit dem Trugbild der Mutter zum Singen aus vollem Hals – bis sie stirbt.
    Vierter Akt: Giulietta. Der Akt beginnt mit der berühmten Barcarolle, gesungen von Nicklausse und der Kurtisane Giulietta und endet mit einem Blutbad: Giulietta betört Hoffmann , damit ihr Zuhälter Dapertutto ihm sein Spiegelbild rauben kann; Hoffmann ermordet in Rage zuerst den Rivalen Schlémil, dann Giuliettas wahren Liebhaber, den verkrüppelten Zwerg Pitichinaccio, und schließlich Giulietta selbst. Nicklausse verhilft ihm zur Flucht.
    Fünfter Akt: In Lutters Weinstube. Hoffmann ist sternhagelvoll. Nicklausse erklärt dem Publikum die Geschichte: Die drei Geliebten Olympia, Antonia und Giulietta sind drei Facetten von Stella: junges Mädchen („Püppchen“), Sängerin und Kurtisane. Als Stella kommt, beleidigt der volltrunkene Hoffmann sie – sie geht mit Lindorf davon. Nicklausse verwandelt sich zurück in die Muse und triumphiert: Nun gehört Hoffmann ihr allein.

    Der Schwerpunkt der Oper liegt nun auf der Rahmenhandlung: Es geht um die Dreiecksgeschichte Muse-Hoffmann-Stella, die in den drei Mittelakten näher beleuchtet wird – eigentlich eine postmoderne Konzeption, die ich grandios und aufregend finde! Genau darin könnte man andererseits auch ein bisschen Misstrauen gegen diese neue Fassung begründen: ist Offenbach wirklich so (post)modern oder interpretieren wir das nur hinein? Was nämlich sein Wille wirklich war, können wir heute wohl nicht mehr feststellen.

    Es gibt aber aus meiner Sicht zwei eindeutige Argumente für die Kaye-Keck-Fassung: 1. Die Geschlossenheit der Handlung, die zum ersten Mal sinnvoll ist. In der herkömmlichen Fassung hat man eine Art „Trittico“ mit einer sehr zusammengekürzten, eigentlich unnötigen Rahmenhandlung. 2. Es gibt viel mehr schöne Musik von Offenbach als in der herkömmlichen Fassung: dort sind nämlich die drei Arien der Muse/Nicklausse ersatzlos gestrichen, desgleichen die verführerische und wunderschöne Arie der Giulietta „L'amour dit lui: la belle! Vos yeux étaient fermés!“ (die nach einem Koloratursopran verlangt und die Besetzung der Giulietta mit einem Mezzo obsolet macht!) und alle Gesangsstellen der Stella. Der Giulietta-Akt ist, da er zunächst ganz gestrichen war, in der herkömmlichen Fassung unzureichend rekonstruiert worden, nicht aus Böswilligkeit, sondern weil ein großer Teil des Materials verschollen war und erst in den letzten Jahrzehnten wieder aufgetaucht ist. Auch hier ist die Kaye-Keck-Fassung ein großer Gewinn.

    Leider gibt es bis dato keine Aufnahme der Kaye-Keck-Fassung, sieht man vom Livemitschnitt der szenisch äußerst missglückten „Uraufführung“ ab. Von der früheren Kaye-Fassung, die bis auf den Giulietta-Akt ident mit der aktuellen ist, gibt es zwei Aufnahmen, die eine, m. E. vorzuziehende, in der Dialogversion unter Jeffrey Tate, die andere mit nachkomponierten Rezitativen unter Kent Nagano. Einen gravierenden Fehler haben sie aber beide: Aus der Gleichung Olympia + Antonia + Giulietta = Stella, die Nicklausse im 5. Akt aufstellt, ergibt sich zweifelsfrei, dass diese Vierfachrolle mit einer Sängerin besetzt werden sollte, analog zur Besetzung der vier „Bösewichte“ Lindorf/Coppélius/Dr. Miracle/Dapertutto. Beide Aufnahmen teilen die Rolle aber auf vier Sängerinnen auf. Dabei wären Sopranistinnen wie Natalie Dessay oder Patricia Petibon sicherlich in der Lage (gewesen), die gesamte Rolle, die ja stets nach einem lyrischen Sopran mit Koloratur verlangt, zu meistern!

    Wie seht ihr diese Oper? Welche Fassung zieht ihr vor? Welche Aufnahmen (bitte nach Fassungen differenziert!) haltet ihr für empfehlenswert?

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

    2 Mal editiert, zuletzt von Areios (24. Mai 2009 um 21:15)

  • Restaurationsarbeit I

    Wirklich jammerschade, dass ich zu dieser Diskussion, die ich, von Areios exzellenter Einführung angefangen, schon jetzt für deutlich ergiebiger halte als den adäquaten Thread in dem anderen Forum, ungeachtet einiger guter Beiträge auch dort, die deren Autoren hier bestimmt nachvollziehen können [Blockierte Grafik: http://www.edition-kuratowski.de/Forum/images/smilies/biggrin.gif], derzeit so wenig beitragen kann, wie ich es zuvor ganz spontan getan hätte. Ich werde das aber zu gegebener Zeit nachholen, wenn unser endgültiges Forum steht.

    Einen Punkt aber kann ich jetzt schon hervorheben: Was Offenbach wollte, auch und gerade hinsichtlich der "postmodernen" Konzeption, ist eindeutig dem vollständig erhaltenen Zensurlibretto zu entnehmen, das u.a. zahlreiche Anmerkungen von Offenbach selbst enthält, und das er offenbar auch so gut wie vollständig im Particell komponierte. Was wir nicht wissen ist, welche Kürzungen er vorgenommen hätte, denn ihm wäre eine Spieldauer von vier Stunden sicher zu viel erschienen. Ich glaube aber nicht, dass er wie Choudens und der Intendant der Oper Monte Carlo, der dessen Fassung in Auftrag gegeben hatte, die Niklausse/Muse - Rahmenhandlung so verstümmelt und allgemein die Strutur erhalten hätte.

    Was wir nicht kennen, also auch nicht so vermissen würden, wie ich es heute in der Kaye-Keck - Fassung vermisse, wäre das wunderbare, von dem Leiter der Oper Monte-Carlo für seine Neufassung nachkomponierte Septett, das in die Choudens-Fassung übernommen wurde, und auch die sogenannte Spiegelarie ("Scintille diamant") würden wir nur aus der Operette kennen, aus der die Melodie eigentlich stammt (ich müsste jetzt zu lange recherchieren, woher, hole das aber gelegentlich nach - EDIT: Es handelt sich um LE VOYAGE DANS LA LUNE).

    Antonio de Almeida hat, weitgehend nach denselben Unterlagen wie Kaye, eine eigene Fassung erstellt, die umfassender ist als alle anderen, die ich kenne, und von ihm auch in Florenz mit Neil Shicoff, Arleen Auger und Catherine Malfitano aufgeführt wurde. Auch wenn meine Kopie eher mäßig und die Inszenierung Luca Ronconis ziemlich medioker ist, ich habe mich keine Minute gelangweilt. Man kann sie also sehr wohl und mit großem Erfolg vollständig aufführen, nur mag das kaum ein Intendant tun, weil er dann viele Überstunden bezahlen muss und auch nicht mehr zahlende Besucher bekommt. Apropos Neil Shicoff: der muss inzwischen völlig durcheinander sein, wenn er für diese Rolle irgendwo ohne lange Proben engagiert wird, denn meines Wissens hat er fast alle Fassungen einschließlich der von Oeser gesungen, die ich trotz ihrer eigenwilligen Komplettierungen aus den FÉES DU RHIN nicht abtun würde, weil es zufällig auch die mit Abstand am besten besetzte und gesungene, und von Sylvain Cambreling vorzüglich dirigierte Fassung des so gut wie vollständigen Zensurlibrettos ist.

    Es gibt eine hervorragende TV-Dokumentation, die ich mal ausgraben muss, in der das alles detailliert geschildert und dokumentiert wird. Vielleicht/hoffentlich läuft die mal wieder aus Klassika, wo meine DVD m. W. aufgezeichnet wurde.

    Für heute muss es aber leider genug sein, denn das neue Forum wartet nur noch etwa 48 Stunden bis zu seiner Premiere - oder doch nur halböffentlichen Generalprobe?

    Hat aber richtig Spaß gemacht, mal wieder über Musik zu schreiben, und dann noch die beste von meinem früheren Namenspatron.

    [Blockierte Grafik: http://www.cosgan.de/images/smilie/froehlich/g025.gif] Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Es gibt eine Produktion des Teams Minkowski/Pelly aus dem Jahr 2003 in Lausanne auf der Basis Choudens/Keck, die dem Vernehmen nach das Maximum dessen darstellen soll, was sich auf der Basis des vorhandenen Quellenmaterials rekonstruieren lässt. In dieser Inszenierung singt Mireille Delunsch alle 4 Frauenrollen, Naouri den Bösewicht. Ausschnitte sind in der interessanten Sendung auf Classica "Das verschwundene Manuskript" zu sehen, in der die wechselvolle Aufführungspraxis der Oper dokumentiert wird. Schade, dass es hiervon keine Aufnahme gibt.

    Zur Zeit läuft bei mir im Hintergrund die Almeida-Fassung mit Shikoff als Hoffmann (stimmlich liegen bei Shicoff zwischen dieser Aufnahme von 1983 und seinem Hoffmann in Salzburg 2003 aber m.E. Welten). Es ist dies die einzige Aufnahme des Hoffmann, die ich kenne und besitze, die ohne das Sextett im Giulietta-Akt auskommt. Obwohl ich nach wie vor der Ansicht bin, dass mir ohne dieses etwas fehlt. Nicht ohne Grund ist es in der 1996er Aufnahme von Nagano enthalten. Ich habe irgendwo gelesen (Quelle weiß ich momentan nicht), dass ebenso viel Gründe dafür wie dagegen sprechen, die Melodie habe Offenbach komponiert. Gleichwohl denke ich, dass Offenbach mit seinem Gespür für Publikumswirksamkeit auch posthum noch seinen Segen geben würde. Da kommt zumindest bei mir Gänsehautfeeling auf. Zuletzt live in der Carsen-Inszenierung in der Opéra Bastille.

    Ich denke, eine allgemein gültige Fassung von Hoffmann gibt es bisher nicht. Ich habe letztens einmal den Versuch unternommen, meine Aufnahmen mit vier verschiedenen Libretti zu vergleichen. Ein vergebliches Unterfangen.

    LG

    Emotione

    Wir brauchen Fantasie, Wunschträume - neue Wunschträume und die Leidenschaft und den Mut, sie Wirklichkeit werden zu lassen.
    (Leonard Bernstein)

  • Meine Lieben,

    Bei "Hoffmanns Erzählungen" ist es meistens leichter festzustellen, welche Einspielung weniger oder nicht befriedigt als umgekehrt. Bei allem, was man gegen die Choudens-Fassung vorbringen kann, so hat sie doch ihre historischen Meriten. Was bitte nicht heißt, daß man immer und ewig dabei bleiben sollte, ganz bestimmt nicht!

    Es gibt Fassungen, die zwar nicht so befriedigen, aber doch den einen oder anderen Pluspunkt aufweisen, so zum Beispiel diese, welche die erste nach dem langen Verbot in der Nazizeit war und daher mildernde Umstände beanspruchen darf:

    Sie ist auch als "Bunker-'Hoffmann'" bekannt, weil angeblich in einem Bunker entstanden. Das Übel ist hier nicht die Choudens-Fassung, die natürlich damals Standard war, als vielmehr die Kürzungen, die zu einer sehr "preußisch"-straffen Version führten, die viele Reize entbehrt. Dazu kommt daß Arthur Rother (an sich kein übler Dirigent) mit dem Orchester des Berliner Rundfunks einen eher schmissigen Stil wählte, der meilenweit von französischer Eleganz und Subtilität entfernt ist. Das ist ein teilweise recht grobschlächtiger "Hoffmann", an dem auch die Übersetzung und das mitunter Klamaukhafte stören. Daß die Tonqualität nicht besonders ist, lag an den Umständen und sei nicht allzu sehr bemängelt.

    Peter Anders singt die Titelrolle mit großartiger Stimme und total falschem Stil. In dieser Beziehung ist er nicht der einzige Mitwirkende, von dem man das sagen muß. So vermag auch Jaro Prohaska (der die Bösewichte gibt) trotz seiner beeindruckenden Vokalqualität kaum zu überzeugen. Irmgard Langhammer-Klein ist eine völlig fehlbesetzte Giulietta, der jede Sinnlichkeit fehlt. Franz Stumpf (Crespel) und Margarete Klose (Mutter): Gute Stimmen, aber es wirkt zu wenig.

    Wunderschön singt Rita Streich als Olympia (nur singt sie eigentlich keinen Automaten), auch Erna Berger als Antonia wirkt einigermaßen stimmig.

    Eine Aufnahme von historischem Interesse, für die Oper, um die es geht, an sich aber irrelevant.

    LG

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Meine Lieben,

    Zu meinen "Hoffmann"-Lieblingen gehört neben dem englischen Ballettfilm von 1951 und der Monteux-CD insbesondere die DECCA-Aufnahme von 1972:

    Der ORF hat 2007 in seiner "Ö1-Klassiker"-Reihe diese Einspielung mit einem gut geschriebenen Begleittext neu herausgebracht. Ich beziehe mich auf diese Edition, die allerdings nur den Einheitscover der Reihe aufweist.

    Früher hatte ich zu Richard Bonynge und Joan Sutherland kein leidenschaftliches Verhältnis; hier aber singe ich ihr Lob in höchsten Noten.

    Bonynge hat sich eine eigene Version geschaffen (noch vor den vielzitierten neuen Funden), in die er einiges Material einfügte, das sonst wegblieb. Es ist ihm tatsächlich gelungen, eine geschlossen und überzeugend wirkende Fassung zu erstellen, die an suggestiver Wirksamkeit die neueren Rekonstruktionsversuche, soweit ich sie kenne, eindeutig übertrifft - historisch richtiger muß nicht immer besser bedeuten. Giulietta stirbt hier beispielsweise an einem versehentlich eingenommenen Gift, das für Niklausse/Muse bestimmt war, und der Schluß macht die Entscheidung für die Kunst und gegen Stella viel deutlicher.

    Außerdem musiziert Bonynge mit dem Orchestre de la Suisse Romande einfach großartig (und das bei hervorragender Tonqualität). Joan Sutherland ist endlich nicht bloß kalte Göttin, sondern mischt hier sinnlich-warme bzw. empfindsame Töne in ihren virtuosen Vortrag, sodaß das "drei Frauen im nämlichen Weibe" tadellos zum Ausdruck kommt. Wichtig, daß ihre Partner vollkommen ebenbürtig sind. Placido Domingo habe ich in der Titelrolle nie überzeugender gehört, und Gabriel Bacquier vereint Dämonie und Eleganz fast unübertrefflich.

    Das Groteske - wirklich E.T.A.Hoffmannisch mit fast keltischem Einschlag - vermitteln Jacques Charon als Spalanzani und Hugues Cuénod als Andrés/Cochenille/Pitichinaccio/Frantz wunderbar, Paul Plishka ist ein beklemmender Crespel und Margarita Lilowa eine großartige Stimme der Mutter.

    Man scheut nicht die Effekte und gestaltet sie perfekt. Eine absolute Fünf-Stern-Aufnahme!

    Liebe Grüße

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi!

    Ist das die Aufnahme Nr 43 aus der Klassikerreihe um 19.90? Ich kann leider keine Besetzung finden und möchte sicher sein, bevor ich bestelle - das ist ja ein wesentlich günstigeres Angebot!

    Liebe Grüße,
    :wink:
    Renate

    Unsre Freuden, unsre Leiden, alles eines Irrlichts Spiel... (Wilhelm Müller)

  • Liebe Renate,

    Jawohl, genau diese. In der Operngasse übrigens derzeit noch viel billiger gesehen!

    Und zur Besetzung trage ich noch Niklausse/Muse nach: Huguette Tourangeau!


    LG

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Danke, lieber Waldi!
    Die Operngasse muss noch bis Ende Juli warten, dann bin ich in Wien und werde sie heimsuchen (und wieder kiloweise heimschleppen!)

    Liebe Grüße
    :wink:
    Renate

    Unsre Freuden, unsre Leiden, alles eines Irrlichts Spiel... (Wilhelm Müller)

  • In dieser Operngasse gibt es zur Zeit übrigens einige Doppel-CD´s aus der Ö1-Klassiker-Reihe nicht unwesentlich vergünstigt . . . . .

    Liebe Grüße aus Wien

    Bernhard


    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Um zum Thema zurück zu kehren: die Bonynge-Aufnahme fehlt mir noch immer unter den bald 20 Aufnahmen, die ich von dieser Oper habe, darunter zum Glück auch viele auf DVD, und vielleicht sollte ich die auch haben, bevor ich mich an mein Langzeitprojekt eines Vergleichs meiner Aufnahmen von dieser Oper mache, aber vorab möchte ich doch diese in Erinnerung rufen, die mich - neben der Londoner DVD mit Domingo und Baltsa - von den Choudens-Versionen noch immer am besten gefällt, weil sie in den Hauptrollen phänomenal besetzt ist :

    Gianna d'Angelo als Olympia, Victoria de los Angeles als Antonia, Elisabeth Schwarzkopf als Giulietta, Nicolai Gedda als Hoffmann und George London als Coppelius und Miracle, dazu ein sehr stilsicher dirigierender André Cluytens - mit dieser Grundlage bin ich lange sehr gut ausgekommen.

    Heute würde ich allerdings unbedingt Nathalie Dessay oder Patricia Petibon als Olympia hören und sehen wollen, und das in einer authentischeren Fassung. Mal sehen, wann ich dazu komme, hier mal wirklich ins Detail zu gehen.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Lieber Maldoror!
    Mach mir keine langen Zähne, ich schaffe es erst Ende Juli nach Wien (vielleicht kannst Du Hoffmanns Erzählungen und und und und inzwischen irgendwo verstecken :D )
    Liebe Grüße,
    :wink:
    Renate

    Unsre Freuden, unsre Leiden, alles eines Irrlichts Spiel... (Wilhelm Müller)

  • Hallo liebe Capricciosi,
    ich möchte hier mal eine Lanze für deutschsprachige Einspielungen der Erzählungen brechen. Neben dem vom Waldi erwähnten "Bunker-Hoffmann", den ich leider nie ganz an einem Stück beim Hören durchhalte (trotz Peter Anders!), gibt es auch eine Einspielung der nahzu Komplette Choudens-Fassung von 1950 mit u.a. Martha Mödl, Wilma Lipp und dem jungen, unverbrauchten Rudolf Schock. Hier ein Cover einer der vielen am Markt erhältlichen Ausgaben dieser:
    x kellerterrasse.jpg
    Diese Aufnahme ist wirlklich auch vom Stil her wunderschön. Einziger Schwachpunkt ist leider Alexander Welitsch in der Rolle der Bösewichter.
    Eine schöne Alternative, leider nur als Querschnitte, sind folgende Aufnahmen, in denen Josef Metternich bzw. Marcel Cordes (bravourös) diese Rollen übernehmen:
    Bildschirmfoto 2017-04-01 um 12.13.56.png
    untemp1 - Score.pdf

    Vielleicht zum Abschluss noch ein interessanter link zum Thema Offenbach, der vielleicht schon vielen von Euch bekannt ist: http://www.jacques-offenbach.de/

    Gruß,

    Scherchen

    "Music is the voice of the all - the divine melody - the cosmic rhythm - the universal harmony." aus Music for all of us (Stokowski, 1943)

  • Liebe Capricciosi! Aus dem Thread über die Kino-Übertragung der "Contes d'Hoffmann" aus der Met habe ich folgende Beiträge, die sich zum Teil mit der Versionengeschichte des Werkes beschäftigen, hierher kopiert und um die reinen Aufführungsrezensionen gekürzt. Die vollständigen Postings befinden sich nach wie vor im obengenannten Thread. - Areios

    Liebe Fairy,

    aber es schien die neueste Fassung zu sein, trotz des "Scintille diamant". Und bei den wunderschönen Ensembles im letzten Bild hab ich auch ganz doll an Rideamus gedacht!


    Erstmal danke für deinen ausführlichen Bericht! Obwohl ich alles von Offenbach liebe, habe ich die Übertragung nicht gesehen und gehört. Da ich leider nur einen Sender gleichzeitig über Internet mit meinem kostenlosen Software empfangen darf ;( , musste ich zwischen New York und Prag entscheiden. Und natürlich Prag hat einfach unschlagbares im Programm (Bohuslav Martinus "Marienspiele", aber gesendet über Radio4.nl).

    Und andererseits hat mich gestört, dass MET nicht die neu(er)e Fassung von Hoffmann verwendet hat. Darüber habe ich ein wenig übers Internet recherchiert:

    "The Met's current version, in use since 1993, places the Antonia act in the middle and the Giulietta act third. It includes Dapertutto's aria "Scintille, diamant " and a septet, both added years after the opening. Musicologist Michael Kaye, who has been researching "Hoffmann" for almost 30 years, is upset the Met ignores his finds."

    (Quelle: "http://www.oregonherald.com/news/story/y/5…-at-the-met.htm")

    Und was Michael Kaye dazu gesagt hat, kann man hier lesen (hier nur der erste Absatz. Den Originaltext komplett kann man bei der unten genannten Quelle lesen):

    "I have devoted nearly three decades to establishing the landmark edition of Offenbach’s “Les contes d’Hoffmann,” which is now a co-edition with Jean-Christophe Keck, being published by a trio consortium of Schott Musik, Boosey&Hawkes, and Bote&Bock. For more than a year I have known that the MET will ignore our long-standing work on the opera in their new production."

    (Quelle: "http://weblogs.baltimoresun.com/entertainment/…ras_new_ho.html")

    Natürlich die historische Korrektheit oder Rekonstruktion der Partitur aus der Perspektive des Denkmalschutzes ist nicht die Aufgabe eines Opernhauses. Und MET ist auch nicht verpflichtet, gerade die neueste Fassung von Herrn Kaye/Keck zu verwenden. Aber der Sonderfall les contes d'Hoffmann ist nun mal immer mit der Fassungsfrage verbunden, und man muss sich bei jeder Aufführung fragen, "ist das, was Offenbach so haben wollte?" Daher finde ich schon wichtig, den aktuellen Stand der Offenbach-Forschung mindestens in Betracht zu ziehen. Vielleicht sehe ich das zu persönlich, da ich mit so was wie Forschung zu tun habe. Und ich bin immer wieder gestört zu hören, "Herr XYZ, Ihre Forschung ist interessant, aber es ist mir leider an meinem Gesäss gerade 5 mm vorbei gegangen".

    Der Sender Oe1 wiederholt die Wiedergabe der gestrigen Contes am 16. Januar (Samstag) ab 19:30


    Danke Amfortas! Wenn es am 16. Januar keine andere interessante Übertragung gibt, schalte ich mal nach Österreich...

    Schöne Grüße,
    Penthesilea

    Auch Rom wurde nicht an einem Tag niedergebrannt - Douglas Adams

  • Lieber Penthesilea, ich habe mich vorher nicht über die gespielte Version informiert, kenne mich da eh nicht aus, und danke für deine Infos!
    Ich kannte leider selbst noch gar kein neuere Version und kann es irgendwo nachvollziehen dass man dem armen Dämon nciht noch die einzige Arie streichen will und insbesondere das tolle Septett nciht rausnehmen, möchte. ;+)
    Musikwissenschaftlich korrekt ist das gewiss nicht, aber darum wird sich eine publikumswirksame und sponsorenabhängige Organisation wie die MET wenig scheren.

    [...]

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)


  • Ich kannte leider selbst noch gar kein neuere Version und kann es irgendwo nachvollziehen dass man dem armen Dämon nciht noch die einzige Arie streichen will und insbesondere das tolle Septett nciht rausnehmen, möchte. ;+)
    Musikwissenschaftlich korrekt ist das gewiss nicht, aber darum wird sich eine publikumswirksame und sponsorenabhängige Organisation wie die MET wenig scheren.

    Liebe Fairy Queen!

    Dapertutto hat in der "Originalversion" eine andere, wesentlich dämonischere und weniger operettenhafte Arie, "Tourne, tourne miroir", die zumindest mir viel besser gefällt als das meiner Meinung nach etwas fade und unpassende "Scintille diamant" und viel mehr Drive hat! Du kannst sie dir auf Youtube anhören.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Danke für diese detaillierten Berichte. :juhu:

    Die Geschichte der verschiedenen Versionen ist tatsächlich ene faszinierende, und mir scheint, es ist sehr schade, wenn auch kaum überraschend, dass die MET-Version von Bartlett Sher wieder mehr ein Ego-Trip des Regisseurs zu sein scheint als ein Versuch, die Oper selbst in einer möglichst authentischen Fassung zu bringen - meinetwegen auch gerne mit dem Septett, aber ohne die Anleihe von "Scintille diamant".

    Diese Diskussion gehört aber eher in diesen leider verfrüht verlasenen Thread: OFFENBACH: "Les contes d'Hoffmann" - Märchenhafte Episoden oder postmodernes Drama?

    YouTube gibt übrigens schon einen sehr detaillierten Einblick in die Rekonstruktionsgeschichte in den Postings eines Offenbach 1880, die hier beginnen: "http://www.youtube.com/user/Offenbach1880#p/u/24/ArDXr-5Mutc". Die technische Quialität ist miserabel, aber der Informationswert erheblich, wenn man gut genug English versteht.

    Ansonsten lasse ich mich gerne von einer Aufzeichnung belehren, dass James Levine einen vorzüglichen Hoffmann dirigieren kann, aber so recht glaube ich nicht daran, dass der besser ist als seine Berlioz-DAMNATION, die nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut war.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Danke Areios für schöne Einführung. Ich habe heute mal Zeit genommen und wieder 3 (oder 4) Aufnahmen von Hoffmann gehört, die ich im Regal stehen habe.


    Die sog. Bonynge-Fassung ist sicherlich schon erwähnenswert wegen seines Versuchs, mögliche "Urfassung" wieder herzustellen. Aus der heutigen Sicht ist natürlich sein Versuch schon längst überholt, z. B. Reihenfolge Olympia-Giulietta-Antonia ist noch behalten, Spiegelarie ist auch noch da, und Septett wird nur woanders gesungen (fast am Schluss der Oper). Aber die Aufwertung der Rolle die Muse/Niklausse und die Wiederherstellung einiger Dialogen sind schon wichtiger Schritt in richtige Richtung. Sutherland, die hier alle Frauenrollen singt, lässt keinen Wunsch offen, sowie Domingo.

    und

    Die Beiden verwenden Kaye-Fassung. Tate nimmt Opéra Comique Fassung mit Dialogen auf, Nagano Grand Opéra Fassung mit Rezitativen. Sowohl Tate als Nagano lässt die Spiegelarie "scintille diamant" fallen und anstatt dessen "tourne, tourne, miroir" singen. Aber Nagano behält noch das Septett mit der Hinweis, dass das Septett aus dem Jahr 1904 in Monte Carlo stammt. Bei den beiden Aufnahmen werden die Frauenrollen von mehreren Sängerinnen gesungen. Offenbachs Absicht, eine Sängerin alle Frauenrollen singen zu lassen, ist hier leider nicht konsequent durchgezogen, aber persönlich gefällt mir die Lösung mit mehreren Sängerinnen ziemlich gut und erinnert mich immer wieder an David Lynchs Filme, wo (hauptsächlich) mehrere Schauspielerinnen eine Rolle spielen bzw. inmitte des Films ihre Rollen tauschen. Franscisco Araiza (Tate) und Roberto Alagna (Nagano) sind ausgezeichneter Hoffmann. Araiza etwas dunkler aber lyrischer, Alagna eher leichtgewichtiger und heller, ein wenig hysterisch. Leider haben die beiden Aufnahmen zu sehr gesunde Antonia (Jessye Norman und Leontina Vaduva), dass man nicht so ganz ein armes krankes Mädchen abkaufen kann. Gesungen wird Antonia trotzdem ausgezeichnet. Insgesamt gefällt mir Tate besser, da ich Dialog-Fassung bevorzuge. Diese Fassung entspricht mehr meiner Vorstellung der theatralischen Atmosphäre. Und Tate hat Anne Sofie von Otter. Aber Nagano hat ja nun mal Natalie Dessay als Olympia, und ich kann mir moment keine bessere Olympia als Dessay vorstellen.

    Aus meinen (seit mehreren Jahren nicht mal staubgeschwischten) VHS-Kassetten fand ich ein Kuriosum: Hoffmanns Erzählungen aus Salzburg 2003. Eine Mischfassung, die man nie so ganz nachvollziehen kann. Einerseits Kaye-Fassung mit Dialogen, andererseits Oeser-Fassung (besonders Schlussszene), und noch dazu Spiegelarie, Septett, und mir vollkommen unbekannte Giulietta-Arie (bei youtube kann man das hören: "

    Externer Inhalt www.youtube.com
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    "), und ein anderer Schluss von Giulietta Akt (Schlemil ist der Einzige, der hier stirbt). Beim Recherchieren über die Herkunft dieser Arie stieß ich wieder Michael Kayes Text, der genauere Angabe zu der Arie macht:

    Obviously Waltraud Meier could never comfortably sing Offenbach's original version of Giulietta (which goes up to high D or E flat depending on the version). The F-major Giulietta aria (published in an inaccurate arrangement by Oeser) was abandoned by Offenbach when he made the decision to tailor all of the heroines in HOFFMANN for the versatile diva Adele Isaac. The earlier F-major Giulietta aria (currently being performed in Salzburg in a corrupt version), based on a song Offenbach composed in 1852, was originally adapted by Offenbach as No. 23 in his operetta LES BRIGANDS but cut in rehearsals. Offenbach considered reusing it when composing HOFFMANN and later abandoned the idea. What is worse, they further falsify the aria in Salzburg by ignoring Offenbach and Barbier's totally complete and authentic dramaturgy for the act. Notwithstanding, the F-major Giulietta aria has always been part of my integral editon of HOFFMANN.

    (Quelle: "http://listproc.ucdavis.edu/archives/mlist/log0307/0011.html")

    Bei der oben angegebenen Seite kann man auch gut lesen, wie diese Mischfassung entstand ist. Kurz gesagt: Oeser-Vertreter Schicoff wollte nicht Kaye-Fassung singen. Dazu bekannte Nummer wie Spiegelarie muss noch da sein. Also dann kam diese "Salzburger-alles-in-einem-Fassung". Es ist eigentlich kurios, frustrierend und traurig. Einerseits macht man jahrzehntelange Forschung, um die Urfassung von Offenbach zu rekonstruieren, und andererseit wird so eine korrumpierte Fassung gespielt...

    Im kommenen März bringt Züricher Opernhaus eine neue "Hoffmann" Inszenierung mit dem aktuellen Kaye/Keck-Fassung von 2005. Ich würde mich sehr freuen, hier Bericht(e) über diese Inzenierung und (besonders) über die neue Fassung lesen zu können.

    Schöne Grüße,
    Penthesilea

    Auch Rom wurde nicht an einem Tag niedergebrannt - Douglas Adams

  • Lieber Penthesilea , ich lerne gerade, wie wenig ich über "Les contes de Hoffmann" weiss! :hide:
    Giulietta ist gestern auch nicht gestorben, sondern nur der Schlehmil mit dem gestohlenen Schatten im Duell mit Hoffmann und eine Arie hatte Giulietta auch zu singen- ob es dieselbe ist, von der du sprichst, weiss ich allerdings nicht.
    Was Nathalie Dessay angeht- ich konnte mir bis dato auch keine bessere Olympia als sie vorstellen (und keine Schlechtere als Luciana Serra.....der arme Placido Domingo!), aber seit gestern kenne ich eine, die zumindest stimmlich genausogut, wenngleich als Bühnenfigur ganz anders ist.
    Ich fände es angesichts der Story allegemein besser, wenn die drei Frauen von derselben Sängerin dargestellt würden und eine Französin, die das schon getan hat und eigentlich ein grosser lyrischer Sopran ist, hat mir gesagt, dass die Olympia original zuerst eine Terz tiefer gewesen sei und in dieser Fassung sei es für sie kein Problem gewesen, Giulietta und Olympia unter einen Hut zu bekommen. D.h. diese Fassung wurde hier in Frankreich schon gespielt.
    Die Arie haben sich dann allerdings sehr schnell die Koloratuesen unter den Nagel gerissen um damit zu brillieren und gestern bei der Besetzung hâtten weder Antonia noch Giulietta annähernd eine Olympia geschafft, die Antonia allerdings bestens die Giulietta und die Olympia auch die Antonia. Giulietta war ein schwerer Mezzo und als Solcher dann auf diese eine Rolle beschränkt.

    Kennst du die Aufnahme aus Lyon mit José van Dam und Nathalie Dessay?
    Dort spielt das Ganze in einer Psychiatrischen Klinik und Olympia ist in Zwangsjacke und Op-Hemd. Die Idee fand ich ziemlich bestechend- muss aber nachsuchen welcher Regisseur und Dirigent das war. Van Dam ist ein toller Dämon!

    Ich habe diese Oper als solche bisher kaum wahrgenommen udn werde mich nun dank eurer Anregungen aber etwas näher damit befassen.

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Liebe Fairy,

    Giulietta war ein schwerer Mezzo und als Slocher dann auf diese eine Rolle beschränkt.


    dann gehe ich davon aus, dass ein Schwerer Mezzo sicher nicht die Koloraturarietta "l'amour dit lui" in Kaye-Fassung gesungen hat. Wahrscheinlich hat sie dann "Vénus dit à fortune" in Oeser-Fassung gesungen. Übrigens, Waltraud Meier hat auch diese Arietta in Salzburg gesungen, nur mit einer anderen Orchestrierung und einem vollkommen anderen Text (deshalb kam mir so fremd vor...). Und auf Basis von Aufnahmen von Tate und Nagano mit Kaye-Fassung vermute ich, dass Kaye der Meinung sei, dass Giuliette für Koloratursopran geschrieben ist. Dementsprechend wurde auch für die Aufnahmen besetzt: Cheryl Studer (Tate) und Sumi Jo (Nagano). Gut, über Studer als Koloratursopran kann man streiten, aber das ist ein anderes Thema. In Zürich soll Elena Mosuc die allen Frauenrollen singen. Ich glaube schon, dass Elena Mosuc problemlos alle Rollen meistern kann. Hoffentlich wird die Aufführung auf Radio oder Fernsehen gesendet, sonst werde ich sehr traurig...

    Kennst du die Aufnahme aus Lyon mit José van Dam und Nathalie Dessay?
    Dort spielt das ganze in einer Psychiatrsichen Klinik und Olympia ist in Zwangsjacke und Op-Hemd. die Idee fand ich ziemlich bestechend- muss abr nach suchen welcher Regisseur und Dirigent das war. Van Dam ist ein toller Dämon!


    Leider nicht... :schaem: aber ich werde mal bald nachholen. Vollständige Besetzung ist:

    Hoffmann: Daniel Galvez-Vallejo
    die Muse / Nicklausse: Brigitte Balleys
    Stella: Lisette Malidor
    Olympia: Natalie Dessay
    Antonia: Barbara Hendricks
    Giulietta: Isabelle Vernet
    Lindorf / Coppélius / Dr. Miracle / Dapertutto: José van Dam
    Frantz: Jacques Verzier
    Spalanzani / Crespel / Schlemil: Gabriel Bacquier
    die Stimme der Mutter: Hélène Jossoud

    Choeur de l'Opéra National de Lyon
    Leitung: Richard Cooke

    Orchestre de l'Opéra National de Lyon
    Dirigent: Kent Nagano

    Inszenierung: Louis Erlo

    (Quelle: "http://www.jacques-offenbach.de/")

    Nur schade finde ich, dass diese Aufführung leider erhebliche Kürzungen durch ganze Oper vorgenommen hat. Im Vergleich zu späterer Studioaufnahme von Nagano im Jahr 1996 soll knapp eine Stunde Musik in dieser Aufführung im Jahr 1993 fehlen. Aber ich habe nicht selber überprüft, daher bleibt das nur eine Vermutung...

    Schöne Grüße,
    Penthesilea

    Auch Rom wurde nicht an einem Tag niedergebrannt - Douglas Adams

  • Liebe Fairy,


    dann gehe ich davon aus, dass ein Schwerer Mezzo sicher nicht die Koloraturarietta "l'amour dit lui" in Kaye-Fassung gesungen hat. Wahrscheinlich hat sie dann "Vénus dit à fortune" in Oeser-Fassung gesungen. Übrigens, Waltraud Meier hat auch diese Arietta in Salzburg gesungen, nur mit einer anderen Orchestrierung und einem vollkommen anderen Text (deshalb kam mir so fremd vor...). Und auf Basis von Aufnahmen von Tate und Nagano mit Kaye-Fassung vermute ich, dass Kaye der Meinung sei, dass Giuliette für Koloratursopran geschrieben ist.

    Liebe Fairy Queen, lieber Penthesilea!

    Ich krieg immer die Krise, wenn die Giulietta mit einem Mezzo besetzt wird - ähnlich, wie die Adalgisa in "Norma" ja auch noch immer hartnäckig in der Mezzo-Fassung aufgeführt wird... :cursing: (Nota bene: Ich hab überhaupt nichts gegen Mezzos, nur in manchen Partien mag ich keine hören!)

    "L'amour dit lui" geht in der Erstfassung in As-Dur bis zum es''', in der Fassung letzter Hand in G-Dur bis zum d''' - Offenbach hat sie einen Halbton hinuntertransponiert, als er erfuhr, dass Adèle Isaac (die immerhin auch Carmen sang) die Stella/Olympia/Antonia/Giulietta bei der Uraufführung kreieren würde. Wahrscheinlich lag auch die Olympia in dieser Letztfassung entsprechend tiefer, denn wieso sollte für die selbe Sängerin das es''' einmal zu hoch und einmal noch singbar sein? Aber ich hab mich mit den Partituren auch nicht so auseinandergesetzt, gebe ich ehrlich zu, ich habe meine Kenntnisse auch nur aus sekundären Quellen...
    Ich vermute also mal, die Sängerin der Uraufführung war eine "ganz normale" lyrische Sopranistin, nicht zu schwer, aber auch keine echte Koloratursopranistin.

    Liebe Grüße,
    Areios,
    der sich im übrigen fragt, wann endlich mal eine CD oder DVD mit der aktuellen Kaye-Keck-Fassung (die es jetzt auch schon einige Jahre lang gibt) auf den Markt kommt. Tate und Nagano haben ja bei allen Meriten noch nicht das neueste Material für den Giulietta-Akt.

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

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