Was bedeuten Tempoangaben?
Die folgenden Zitate stammen aus Fehlerhafte Partituren und Klavierauszüge?. Da die Frage, wie Interpreten Tempoanweisungen wie "Allegro ma non troppo" usw. umsetzen, m. E. eine eigene Diskussion verdient, habe das hier zusammengefaßt.
Zunächst zitiert Magus Henry Purcell:
Alles anzeigenIm Vorwort zu seinen Sonnata´s of III parts, die sich "als Nachahmung der berühmtesten Italienischen Meister" verstehen, gibt er die Definition für seine Tempoanweisungen:
-Adagio und Grave = sehr langsam
-Largo = ein mittleres Tempo (sic!)
-Allegro und Vivace = sehr lebhaft, flink oder schnelles TempoGäbe es diese Quelle nicht, würden die Stücke unzweifelhaft "verfälscht" wiedergegeben - zumindest jene Sätze, die mit Largo bezeichnet sind...
Um auf den Schriftsatz und somit das Threadthema zurückzukommen, muß beachtet werden, daß sich im 18. und 19 Jahrhundert oft auch Fehler daraus ergeben, daß der Setzer meistens nur handschriftliche Vorlagen zur Verfügung hatte; die fast üblichen "Errata"-Seiten am Ende der allermeisten Bücher geben davon Zeugnis: oft sind die Wortverwechselungen der handschriftlichen Überlieferung in Deutscher Schrift geschuldet (z.B. f statt mittel-s und umgekehrt).
Magus
Bei Händel gibt es mehrmals die heute seltsam klingende Kombination "andante allegro", vermutlich hätte man einige Jahrzehnte später "allegretto" geschrieben. Jedenfalls sind die Tempobezeichnungen oft auch Affekt oder Stimmungsbezeichnungen, was bei allegro oder grave auch der Wortbedeutung entspricht. Und besonders im Barock anscheinend auch oft mit bestimmten Artikulationsvorschriften assoziiert, wie bei Vivaldi (oder wieder Händel) "larghetto e staccato" o.ä. Also eine breite und abgesetzte Spielweise in einem nicht zu langsamen Tempo.
Noch in der Klassik ist larghetto ein fließendes Tempo (oft synonym mit andante, man nehme etwa den langsamen Satz aus Beethovens 2. Sinf.) , während "largo" (was bei Haydn, Mozart, Beethoven nicht oft vorkommt) dann schon ein sehr langsames Tempo bezeichnet.
Das kannte ich noch nicht. Ein beinahe alltägliches Beispiel sind die Modifikationen der Vorschrift "Andante": Ist z.B. "più Andante" schneller oder langsamer? Was bedeutet "molto Andante"? Wovor warnt die Vorschrift "Andante ma non troppo"? Wörtlich genommen scheint die Sache einigermaßen klar zu sein: "Andante" heißt "gehend", also wäre "più Andante" wohl schneller. Wenn andererseits "Andante" z.B. als Bezeichnung für den langsamsten Satz eines Werkes gewählt wird, dann kann in dessen Zusammenhang ein "Andante molto" auch noch langsamer sein (so z.B. am Schluss des zweiten Satzes aus Brahms' f-moll-Sonate oder auch im "Intermezzo" desselben Werkes). Auch da hilft wieder nur die Suche nach dem musikalischen Sinn sowie ein Quervergleich zu anderen Stellen bzw. Stücken desselben Komponisten.
Christian
Sicher gibt es weitere Problemfälle...