Was bedeuten Tempoangaben?

  • Lieber zabki,
    ich hab kein Problem damit, dass Du Quantz anders verstehst (- und da wir diese Sonate wohl auch kaum jemals zusammen spielen werden, ist unsere Meinungsverschiedenheit letztlich auch bedeutungslos).
    Jedoch würde ich gerne verstehen, weshalb Du Telemanns alla breve ganz konkret

    hingegen Kontrapunkt pur

    bzw

    die quasi den neutralen Zuschnitt einer Kontrapunktübung nachbilden

    siehst.
    Die pure Kontrapunktübung kann ich gerade beim alla breve nicht erkennen (das fängt schon damit an, dass ich das wohl als cantus firmus zugrunde liegende Volkslied nicht sehe bzw. höre). Daher wäre ich um Aufklärung dankbar.
    Gruß, minuetto

  • Zitat von »zabki«
    ?? nie ??

    In solchen Sätzen wie dem vorliegenden sind sie es nie. Wenn es sehr viel Bewegung in kleinen Notenwerten gibt (lange Achtel- oder Sechzehntelketten), muss man natürlich einzelne dieser kleinen Notenwerte betonen/leicht dehnen bzw. auf sie hin- und von ihnen wegspielen.

    Zitat von »zabki«
    Von einem "besonderen" Gewicht der Achtel war nicht die Rede.

    Nicht? Dann habe ich diese Aussage wohl missdeutet:

    Zitat
    Kirnberger scheint mir von der ganzen Musik zu sprechen, die mehr Schwere und Nachdruck im Allabreve als in einem analogen 2/4-Takt haben soll, also auch die Achtel im C| sind nachdrücklicher als die Sechzehntel im 2/4.

    "In solchen Sätzen wie dem vorliegenden" ist natürlich eine erhebliche Einschränkung gegenüber einem absoluten "nie", die aber leider nicht dazu ausreicht, mir verständlich zu machen, wovon du überhaupt sprichst (und wahrscheinlich habe ich nicht verständlich machen können, wovon Kirnberger - m.E. - spricht).

    Versuchen wir, das ganze mal von einem (hoffentlich auch amüsanten) Extrembeispiel anzugehen.

    In der Sammlung "Der getreue Musikmeister" (aus der auch obige g-Moll-Sonate stammt) hat Telemann eine quasi karikaturistische Illustration der Kirnbergerschen Theorie untergebracht, nämlich Satz 2 und Satz 3 der "Gulliver-Suite":

    "http://imslp.nl/imglnks/usimg/…-2-violinen.pdf"

    Satz 2 ist eine Lilliputsche Chaconne und steht im 3/32-Takt. Satz 3 nennt sich Brobdingnagische Gique und steht im 24/1-Takt (den ich als Vier-Sechsganze Takt interpretieren würde).

    Würdest du sagen, daß die Ganzen in der Brobdingnagischen Gigue ebenso leicht und schnell zu spielen sind wie die 128stel in der Lilliputschen Chaconne?

    Und wenn du das nicht sagen würdest - warum sollten dann aber die Achtel im Allabrevetakt nie nachdrücklicher sein als die Sechzehntel in einem 2/4-Takt?

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).


  • @ Areios; dein Posting habe ich vorhin leider ganz übersehen :schaem:
    Wie ist denn bitte die "Betonungsregel" im Alla-Breve ? Wenn ich auf halbe Noten zähle und "normal" betone, bleibt sich das doch gleich mit der Betonung im 4/4-Takt - oder habe ich da einen Denkfehler ?

    Liebe Allegro,

    deine Frage war ja, wieso Telemann nicht 4/4-Takt und halbierte Notenwerte schreibt. Aber die zweite Halbe in einem 2/2-Takt hat sicherlich mehr Gewicht als die zweite Viertel in einem 4/4-Takt, und die erste Halbe des folgenden 2/2-Taktes hat auch sicherlich mehr Gewicht als die dritte Viertel in einem 4/4-Takt. (Ich vermute, das ist auch das, was Kirnberger meint, wenn er Viertel-Achtel-Achtel-Viertel-Achtel-Achtel im 2/2-Takt mit Achtel-Sechzehntel-Sechzehntel-Achtel-Sechzehntel-Sechzehntel im 4/4-Takt vergleicht!) Wenn, dann könnte Telemann einen 2/4-Takt und halbierte Notenwerte schreiben, da wäre die Betonung ähnlicher. (Außerdem geht das mit den halbierten Notenwerten wahrscheinlich nicht ganz auf, weil ein Alla breve nicht exakt doppelt so schnell gedacht ist...)

    Nimmt man aber 2/2- und 4/4-Takt im selben Tempo, haben in ersterem die Notenwerte zwischen den beiden Schlägen m.E. weniger Gewicht als im 4/4-Takt. Der 4/4-Takt läuft dann gleichmäßiger, runder ab (noch runder läuft ein 8/8Takt, weswegen den Stücken im 9/8-, 12/8-Takten etc. so gern eine "schwebende" oder "wiegende" Qualität nachgesagt wird), während der 2/2-Takt zackiger und rhythmischer ist, weil er keine abgestuften Zwischenbetonungen hat.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Würdest du sagen, daß die Ganzen in der Brobdingnagischen Gigue ebenso leicht und schnell zu spielen sind wie die 128stel in der Lilliputschen Chaconne?

    Da ich schon immer schlecht in Mathe war, würde ich das erst einmal weder bejahen noch verneinen wollen. Man müsste zunächst die Noten sehen, und dann müsste man es ausprobieren, wobei ich dieses Ausprobieren für viel wichtiger und fruchtbarer halte als die bloße Betrachtung der Noten!

    Aber die zweite Halbe in einem 2/2-Takt hat sicherlich mehr Gewicht als die zweite Viertel in einem 4/4-Takt, und die erste Halbe des folgenden 2/2-Taktes hat auch sicherlich mehr Gewicht als die dritte Viertel in einem 4/4-Takt. (Ich vermute, das ist auch das, was Kirnberger meint, wenn er Viertel-Achtel-Achtel-Viertel-Achtel-Achtel im 2/2-Takt mit Achtel-Sechzehntel-Sechzehntel-Achtel-Sechzehntel-Sechzehntel im 4/4-Takt vergleicht!)

    Zustimmung!

    Wenn, dann könnte Telemann einen 2/4-Takt und halbierte Notenwerte schreiben, da wäre die Betonung ähnlicher.

    Zustimmung!

    (Außerdem geht das mit den halbierten Notenwerten wahrscheinlich nicht ganz auf, weil ein Alla breve nicht exakt doppelt so schnell gedacht ist...)

    Eben!

    Nimmt man aber 2/2- und 4/4-Takt im selben Tempo, haben in ersterem die Notenwerte zwischen den beiden Schlägen m.E. weniger Gewicht als im 4/4-Takt.

    Zustimmung!

    Der 4/4-Takt läuft dann gleichmäßiger, runder ab

    "Runder"? Bei diesem Punkt weiß ich nicht mehr so genau, ob ich noch mitgehen soll....es hängt dann eben doch immer stark vom Einzelcharakter der jeweiligen Musik ab...

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • "Runder"? Bei diesem Punkt weiß ich nicht mehr so genau, ob ich noch mitgehen soll....es hängt dann eben doch immer stark vom Einzelcharakter der jeweiligen Musik ab...

    Lieber Bernd,

    du hast Recht, da habe ich wohl etwas stark verallgemeinert. Aber in vielen Fällen, die mir so spontan eingefallen sind, habe ich das schon so empfunden.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Man müsste zunächst die Noten sehen, und dann müsste man es ausprobieren, wobei ich dieses Ausprobieren für viel wichtiger und fruchtbarer halte als die bloße Betrachtung der Noten!

    Ich hatte die Noten ja verlinkt:

    "http://imslp.nl/imglnks/usimg/…-2-violinen.pdf"

    Wenn du die gesehen hast, dann wirst du kaum noch nötig haben, die auszuprobieren ...
    (außerdem geben natürlich die Überschriften zarte Hinweise auf die Ausführung ...)

    Die Lilliputanische Chaconne wird hier m.E. recht schön getroffen:
    "

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    " (ab 1:30),
    während die Gigue (ab 1:56) wie überall gröblichst verfehlt wird.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Lieber Areios, wenn ich es etwas näher überlege, geht es mir in vielen Fällen umgekehrt: Der 2/2-Takt bringt oft einen besonderen Fluss und Schwung (und damit etwas, was ich als "rund" apostrophieren würde) mit sich. Genau deshalb wehre ich mich ja explizit gegen die Vorstellung von einem wuchtig - gravitätischen "Kirchenstil", der primär mit dieser Taktart verbunden sein soll.

    Sicherlich ist auch in der Barockmusik nicht alles auf die absolute Leichtigkeit des Seins hin orientiert. Wenn mich Bachkantatensätze in moll mit einem sehr ernsten textlichen Hintergrund spontan an einen Wiener Walzer erinnern, entspricht das absolut nicht meiner idealen Interpretationsvorstellung. Aber - basierend auf meinen Erfahrungen mit zahlreichen Amateur- sowie noch besonders altbacken ausgebildeten Profimusikern - tritt die umgekehrte Gefahr in der alltäglichen Realität viel häufiger auf: Alles wird viel und viel zu schwerfällig gespielt, und hauptsächlich die kleineren Notenwerte genießen eine verkrampfte Aufmerksamkeit, die ihnen ein den musikalischen Fluss ungemein belastendes Gewicht verleiht. Das betrifft auch und gerade den "Kirchenstil"....

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Danke für die Erläuterung, Areios ... ich musste es zwar mehrmals lesen und ein wenig darüber nachdenken, aber nun habe ich es auch kapiert mit der Betonung und kann es nachvollziehen ...

    Und ich habe mir nun auch das von Zabki genannte Telemann-Werk angesehen und angehört und finde es ja sehr witzig ... allerdings habe ich hier mit dieser Gigue mit dieser sehr merkwürdigen Taktung wieder meine Probleme ... grob gesagt: was soll das ??? :S
    Und vor allem: wie gehört sie denn Deiner Meinung nach "richtig" gespielt ?

    Viele Grüße - Allegro

    "Musik ist ... ein Motor, Schönheit, Intensität, Liebe, Zauber, alles in allem: ein Elixir." Lajos Lencsés

  • Wenn du die gesehen hast, dann wirst du kaum noch nötig haben, die auszuprobieren ...

    Genau das ist eine Vorstellung, die mir sehr fremd ist. Lies noch mal im Faust nach - wie war das mit der grauen Theorie....?

    Davon abgesehen habe ich die Gulliver-Noten schon früher gesehen und sogar auch schon gespielt - allerdings just for fun mit befreundeten Amateurmusikern. Verflixt schwer zu lesen, das Zeugs, aber am Ende nicht ganz so schwer zu realisieren! Mir ist aber nach wie vor nicht klar, auf was genau du mit der Anführung dieser absolut skurill notierten Komposition in unserer Diskussion abzielen willst :S.

    Offenbar reden wir bereits länger fröhlich aneinander vorbei..... zwei Welten prallen aufeinander.... :D

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Wäre der interessante Unterschied nicht eher zwischen alla breve und 2/4 (mit entsprechenden Werten)? Da müsste doch nach der skizzierten Theorie alla breve im Vergleich "schwerer" sein. Könnte das manchmal vielleicht nur eine gewisse Tradition gewesen sein? Hat mal jemand verglichen, ob Bourrees und Gavotten meistens alla breve, oder ähnlich häufig 2/4 notiert sind?
    Sind, zB bei Haydn die Finalsätze der Sinfonien 103 und 104 (alla breve) "schwerer" als in 94 oder 99 (2/4). Die üblichen Tempi der vier letztgenannten Stücke unterscheiden sich m.E. kaum voneinander. Eher werden die Halben im Finale der 103 etwas schneller genommen als die Viertel in 99, weil im ersten Falle die Themen größtenteils in Ganzen, Halben, Vierteln gehen, dagegen im zweiten Falle viele Sechzehntel deutlich artikuliert werden müssen.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Lieber Areios, wenn ich es etwas näher überlege, geht es mir in vielen Fällen umgekehrt: Der 2/2-Takt bringt oft einen besonderen Fluss und Schwung (und damit etwas, was ich als "rund" apostrophieren würde) mit sich. Genau deshalb wehre ich mich ja explizit gegen die Vorstellung von einem wuchtig - gravitätischen "Kirchenstil", der primär mit dieser Taktart verbunden sein soll.

    Lieber Bernd,

    ich glaube, wir meinen musikalisch schon dasselbe, aber verwenden nicht dieselben Wörter dafür! ;+)

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Lieber zabki,
    ich hab kein Problem damit, dass Du Quantz anders verstehst (-

    das ist gut so, dann ansonsten hättest du ein Problem mit Quantz ... ;+)

    Jedoch würde ich gerne verstehen, weshalb Du Telemanns alla breve ganz konkret

    Zitat von »zabki«
    hingegen Kontrapunkt pur

    bzw

    Zitat von »zabki«
    die quasi den neutralen Zuschnitt einer Kontrapunktübung nachbilden

    siehst.

    "Kontrapunkt pur" war vielleicht etwas plakativ. Aber "lose fugiert" (was nach Wikipedia typisch für zweite Sätze von Kirchensonaten ist" trifft es m.E. ganz gut.

    Die pure Kontrapunktübung kann ich gerade beim alla breve nicht erkennen (das fängt schon damit an, dass ich das wohl als cantus firmus zugrunde liegende Volkslied nicht sehe bzw. höre). Daher wäre ich um Aufklärung dankbar.

    Die Nähe zur Kontrapunktübung (in Hinblick auf den Charakter - ich sprach von "Nachbildung der Neutralität einer Kontrapunktübung", nicht von Kontrapunktübung pur) würde ich in der "Charakter-Neutralität" sehen, die sich hier im Gegensatz z.B. zu vielen Fugen des WTK findet, besonders bemerkbar an der Rolle der Viertel und Achtel: die Viertel teils als Linienstückchen, die aber auch quasi "Akkordbrechungen" machen dürfen, die Achtel fast ausschließlich an die Viertel gekoppelt im daktylischen Rhythmus und als Wechselnote oder Durchgang.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ich hab auch mal eine Frage zu einer Tempoangabe...

    Der erste Satz in Arnold Schoenbergs Zweiter Kammersymphonie, Op. 38 steht im 2/4-Takt bei Achteln = 92. Schlägt der Dirigent da Viertel oder Achtel? Wenn er Viertel schlagen soll, warum gibt Schoenberg nicht Viertel = 46 statt Achtel = 92 vor? Wenn er Achtel schlagen soll, warum schreibt Schoenberg 2/4-Takt anstatt 4/8-Takt? Noten von einer Fassung für zwei Klaviere gibt es legal hier: http://www.schoenberg.at/compositions/m…kunft=allewerke

    :wink:

  • allerdings habe ich hier mit dieser Gigue mit dieser sehr merkwürdigen Taktung wieder meine Probleme ... grob gesagt: was soll das ??? :S
    Und vor allem: wie gehört sie denn Deiner Meinung nach "richtig" gespielt ?

    Ich sehe den 24/1-Takt jetzt so (anders als ich das oben gemeint habe), daß man den erstmal in zwei 12/1-Takte teilen muß. Jeder dieser 12/1-Takte ist dann eine achtfache Vergrößerung des üblichen 12/8 Gigue-Taktes. Damit, daß Telemann dann noch je zwei von diesen 12/1-Takten zusammenfaßt, setzt er einfach noch einen drauf.
    Wie der gespielt werden muß, ist doch ganz klar: Es handelt sich ja um Musik der Riesen, also muß die für unsere Ohren unerträglich langsam und so massiv wie irgend möglich klingen. Wie langsam man das machen möchte, daß sollte man dann tatsächlich ausprobieren, Hauptsache viel, viel zu langsam. Leider hat Telemann seine Programmatik nicht auch mittels der Tonhöhen auskomponiert - der Riesensatz gehörte doch in die Kontrabässe. Die Einspielungen scheinen sich aber nicht zu trauen, das "viel zu langsam" zu realisieren. Komisch eigentlich, da gibt es einen regelrechten Sog der Langsamkeit (stimmt, bei den HIP nicht so), und da hat man nun das langsamste Stück der Musikgeschichte vor Cage, und die Leut trauen sich nicht.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Wie der gespielt werden muß, ist doch ganz klar: Es handelt sich ja um Musik der Riesen, also muß die für unsere Ohren unerträglich langsam und so massiv wie irgend möglich klingen. Wie langsam man das machen möchte, daß sollte man dann tatsächlich ausprobieren, Hauptsache viel, viel zu langsam.

    Sorry, aber das halte ich für ein im wahrsten Sinne gigantisches :D Missverständnis!

    Riesen sind sehr groß, aber nicht unbedingt langsam. Telemann macht sich den Spaß, das Brobdingnagische Riesentum in unüblich gewaltigen Notenwerten zum Ausdruck zu bringen, aber eine Gigue bleibt natürlich eine Gigue. Und eine Gigue ist ein ziemlich schneller Tanz. Dass man diesen hier eventuell deutlich wuchtiger, gleichsam plumper zu interpretieren hat als in anderen Fällen, steht auf einem anderen Blatt und hat mit dem Grundtempo wenig bis nichts zu tun.

    Viele Grüße

    Bernd

  • Also ich glaub ja, dass das eine ganz normale Chaconne und eine ganz normale Gigue sind und die Notierung nur ein esoterischer Scherz für Musiker, der sich aufs Notenbild beschränkt, ohne wirklich hörfällig zu werden. Die Ganze bei den Brobdingnagern und die Zweiunddreißigstel bei den Liliputanern sind jeweils der Grundschlag und damit einander recht vergleichbar. Den 24/1-Takt besonders langsam und den 3/32-Takt besonders schnell auszuführen widerspricht hingegen jeder musikalischen Logik und auch jeder Konvention. Sonst müssten ja auch die diversen 9/8- und 12/8-Takte in den langsamen Arien der Barockzeit im doppelten Tempo ausgeführt werden... ;+)

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Den 24/1-Takt besonders langsam und den 3/32-Takt besonders schnell auszuführen widerspricht hingegen jeder musikalischen Logik und auch jeder Konvention. Sonst müssten ja auch die diversen 9/8- und 12/8-Takte in den langsamen Arien der Barockzeit im doppelten Tempo ausgeführt werden...


    So, wie ich es verstanden habe, ist der Zusammenhang von Taktart/Grundwert und Tempo der folgende:

    Nehmen wir eine einfache Melodie wie "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren":

    Stünde sie in 3/1 mit dem Grundwert einer ganzen Note, so müsste man dies sehr breit spielen.
    In 3/2 hätte sie immer noch etwas Gesetztes, quasi stilo antico.
    In 3/4, wie normalerwese steht, ist sie leicht belebt, durchaus mit Zug nach vorne.
    In 3/8 wäre es ein lustiges Liedchen à la "Komm, lieber Mai und mache" (welches im 6/8 steht)

    Das heißt aber nicht, dass die Metronomisierung eines gemeinsamen Maßes, etwa der Viertelnote, nun mit größer werdendem Nenner zunähme. Nur der gefühlte Puls nimmt zu, aber nicht notwendig um Faktor 2 oder mehr (was für das "Zunehmen" ja nötig wäre).

    Sonst müssten ja auch die diversen 9/8- und 12/8-Takte in den langsamen Arien der Barockzeit im doppelten Tempo ausgeführt werden...


    Kommt drauf was, was in den Noten steht.

    Nimm mal die Erbarme-dich-Arie aus der Mt-Passion, 12/8-Takt (oder?) Die Achtel werden auch ziemlich flott genommen. Nur der Puls, die punktierten Viertel, die haben eher ruhige Anmutung. Es gibt auch nicht so viele Stellen mit wesentlich kleineren Notenwerten.

    Das Präludium h-Moll für Orgel (BWV 544) hingegen steht zwar im 6/8, aber 32tel sind Dauergast. fast in jedem Takt. Muss schon etwas langsamer genommen werden ...

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • So, wie ich es verstanden habe, ist der Zusammenhang von Taktart/Grundwert und Tempo der folgende:

    Nehmen wir eine einfache Melodie wie "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren":

    Stünde sie in 3/1 mit dem Grundwert einer ganzen Note, so müsste man dies sehr breit spielen.
    In 3/2 hätte sie immer noch etwas Gesetztes, quasi stilo antico.
    In 3/4, wie normalerwese steht, ist sie leicht belebt, durchaus mit Zug nach vorne.
    In 3/8 wäre es ein lustiges Liedchen à la "Komm, lieber Mai und mache" (welches im 6/8 steht)

    Das heißt aber nicht, dass die Metronomisierung eines gemeinsamen Maßes, etwa der Viertelnote, nun mit größer werdendem Nenner zunähme. Nur der gefühlte Puls nimmt zu, aber nicht notwendig um Faktor 2 oder mehr (was für das "Zunehmen" ja nötig wäre).


    genau

    ---
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  • Nehmen wir eine einfache Melodie wie "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren":

    ....In 3/2 hätte sie immer noch etwas Gesetztes, quasi stilo antico....

    Das sehe ich nicht so. Klar, 3/2 kann so etwas wie "quasi stilo antico" implizieren, aber mir sind in meiner langjährigen Praxis mindestens genauso viele (Barock)sätze im 3/2 begegnet, die richtig Zug nach vorne haben und eher "leichter" als etliche Sachen im 3/4 zu interpretieren sind. 3/2 ist auf keinen Fall immer gleichbedeutend mit "gesetzt".

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Auf Youtube finden sich übrigens sehr verschiedene Auffassung der Brob.-Gigue. Andrew Manze and Caroline Balding spielen sie nicht besonders zügig, aber auf jeden Fall in einem noch normalen Gigue-Tempo:

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    Zwei andere Herren hat hingegen tatsächlich die große Schlepperitis gepackt:

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    Ich kann aber nicht behaupten, dass mich diese Interpretation wirklich überzeugt...... :sleeping: :sleeping: :sleeping: :thumbdown:

    Herzliche Grüße

    Bernd

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