Mendelssohn-Bartholdy, Felix: Sinfonie Nr. 3 in a-moll, op. 56 ("Schottische")

  • Ich kenne die Einspielung (noch?) nicht, aber die euphorischen Besprechungen haben nicht zu viel bedeuten. Die liest man bei praktisch jeder Neuaufnahme. Die meisten Rezensenten dürften die Symphonie selten hören und vielleicht eine alte Aufnahme von Bernstein oder Karajan im Schrank haben. Klar, da klingt dann jede Neuaufnahme wie eine "Offenbarung". Von den zahllosen Aufnahmen dieser Symphonie aber irgendeine mit dem Brustton der Überzeugung als "Referenz" zu betiteln (wie offensichtlich bei stereoplay geschehen), halte ich für unseriös.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Vielen Dank, lieber Felix, für die schnelle Antwort! :verbeugung2:

    Ich werde mir wohl in jedem Falle die Maag-Aufnahme besorgen und dann noch zu de Vriend, Gardiner oder eben doch Heras Casado greifen.

    Die Freiburger fand ich sehr stark bei den Schumann-Aufnahmen mit Melnikov, Faust und Queyras. Deren Mendelssohn würde mich schon interessieren.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Selbstverständlich kann diese Aufnahme auch wirklich hervorragend sein! Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich mir die x-te Einspielung auch noch kaufen will, denn einige Einspielungen der letzten Jahre waren absolut toll, wie eben de Vriend oder Holliger (der erste semi-OPI, glaube ich). Maag empfehle ich auf jeden Fall! Alter Stil, aber klanglich sehr schön ausgearbeitet.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich höre den Freiburger Mendelssohn gerade via spotify. Also das ist gewiss kein mainstream Mendelssohn und die Aufnahme ist deutkich anders, als die meisten Aufnahmen die ich kenne. Aber das macht sie gerade interessant. Es gibt stärkere Kontraste, unerwartete Phrasierungen auch wunderschöne Klangfarben. Aber es nicht "gesucht" oder "übertrieben". Der Rezensent von "Diapason" beurteilt sie als "empfehlenswert", was eher untertrieben ist, da es darüber noch 2 bessere Kategorien ist. Er sieht die Gefahr, dass die grosse Linie fehlt und die Sinfonie in Stücke zerfällt, die allerdings, wie der Rezensent zugibt oft "superbe" sind. Also ich würde nicht zögern, und gewiss nicht, wenn man sie neben anderen Aufnahmen erwerben will. Allerdings möchten ich auch auf die neuere (von zwei) Aufnahmen hinweisen, die Frans Brüggen mit seinem Orchester des 18. Jahrhunderts eingespielt hat.
    Mein Urteil über Heras-Casadas Aufnahme stützt sich vor allem auf die Schottische. Die italienische klingt konventioneller.
    Freundliche Grüsse
    abendroth
    (Aufnahmetechnisch soll sie sehr gelungen sein)

  • Wer Lust auf eine weitere sehr gute Einspielung hat, kann zu dieser greifen:


    OehmsClassics 2014

    Der von mir sehr geschätzte Dirigent, dem Mendelssohn besonders am Herzen liegt, hat die "Schottische" 2013 eingespielt, die ebenfalls hier enthaltene 1.Symphonie 2011.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Mein Favorit: Das Orquesta Sinfónica de Galicia unter Rumon Gamba. Zu hören und zu sehen unter:

    https://www.youtube.com/watch?v=FbH95mO_o3A

    Fetzigstes Finale ever! :thumbup:

    P.S.: Offenbar am gleichen Abend wurde auch Max Bruchs Scottish Fantasy gegeben (gleiche Besetzung, Solist Stefan Jackiw):

    https://www.youtube.com/watch?v=3aVET-CDRWk

    Rundet den musikalischen Schottland-Tripp auf das Vortrefflichste ab!

    Beste Grüße,
    Ralph

    »Toren wir, auf Lind'rung da zu hoffen, wo einzig Heilung lindert!« (Gurnemanz)

  • Wer, wie Areios so schön im Eröffnungsbeitrag formuliert hat, es breitwand-romantisch liebt, dem kann ich die Aufnahme von 1962 mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Franz Konwitschny ans Herz legen - eine der stärksten Leistungen dieses Dirigenten:


    Scribendum 2017

    Berlin Cla/Edel/Eterna 2005

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Wer, wie Areios so schön im Eröffnungsbeitrag formuliert hat, es breitwand-romantisch liebt, dem kann ich die Aufnahme von 1962 mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Franz Konwitschny ans Herz legen - eine der stärksten Leistungen dieses Dirigenten:


    Scribendum 2017

    Berlin Cla/Edel/Eterna 2005

    Habe grade kurz reingehört, die folgende Kritik bezieht sich vor allem auf den 1. Satz:

    Leider wieder einmal eine Aufnahme, die den Kopfsatz total verschleppt und so seinen Charakter zerstört. Also ich verstehe unter "Allegro un poco agitato" einfach etwas anderes. Zudem gibt es im "Assai animato" kaum einen hörbaren Tempowechsel, wie er in der Partitur gefordert wird. Ich verstehe bis heute nicht, warum so viele Dirigenten im Kopfsatz ein so unglaublich langsames Tempo wählen und dabei irgendwie die Anweisungen des Komponisten missachten. Auch die langsame Einleitung (Andante con moto) sollte eigentlich etwas Schwung haben.
    Es macht für mich die Sinfonie auch nicht "romantischer", nur weil ein lahmes Tempo gewählt wird. Romantisch ist sie schon aufgrund ihrer Komposition. Aber Mendelssohn hat doch nicht umsonst die Tempobezeichnungen - übrigens auch in vielen anderen Werken - mit Beisätzen, wie ich sie hier hervorgehoben habe, belegt.

    Für mich macht so etwas eine Aufnahme dieser Sinfonie leider ungenießbar, aber jedem das seine. :D

  • Von Dausgaards Sommernachtstraum vor ein paar Jahren war ich irgendwie enttäuscht gewesen, aber diese Aufnahme der Schottischen hat mich richtig begeistert:

    Das ist mal wirklich etwas Neues! Wie zu erwarten lässt Dausgaard das Swedish Chamber Orchestra sehr schnell spielen. Das wäre aber nicht das Spannende - denn Geschwindigkeitsrekorde wurden in den letzten 20 Jahren immer wieder gebrochen. Nein, es ist nicht nur das Tempo an und für sich, sondern die Gestaltung desselbigen. Gerade im ersten Satz ist es sehr auffällig, dass Dausgaard das Tempo immer wieder beschleunigt (nicht auf kleinem Raum) und so ein Gefühl der rhythmischen Unruhe schafft. Dadurch entwickelt das Geschehen viel mehr Dynamik als in anderen Einspielungen, in denen der erste Satz manchmal geradezu dröge und tranig daherkommen kann. Nicht hier, zumal auch die Durchhörbarkeit hervorragend ist. Das Swedish Chamber Orchestra ist ein wahrhaft virtuoser Klangkörper, der offensichtlich eine perfekte Symbiose mit Dausgaard eingegangen ist. Wie eindringlich gelingt das "Gewitter", also die Coda des ersten Satzes. Nicht so sehr durch Lärmigkeit, sondern durch Virtuosität. Perfektes Zusammenspiel gibt es auch im Scherzo. Der langsame Satz wird de facto Andante gespielt, also deutlich schneller als normal - passt aber gut zu Mendelssohn. Das Finale kann wieder mit einer Überraschung aufwarten. Der erste Teil wird im Wesentlichen "normal" gegeben (etwas weniger wuchtig als sonst vielleicht), aber der zweite Teil, der so oft Kritik auf sich gezogen hat, wird vollkommen umgedeutet. Dausgaard ignoriert die "Allegro maestoso" Vorschrift und behält das ursprüngliche Tempo bei. Dadurch bekommt der "Triumphgesang" einen völlig neuen Charakter, wird dadurch aber natürlich sehr schwer zu spielen, zumal er dann da facto mit einer Stretta endet. Bedeutungsschwere wird mit Temporausch ausgetauscht. Wow!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Herzlichen Dank für die lebendige Besprechung. Die Scheibe muss ich mir wohl zulegen, ist die 'Schottische' doch meine liebste Mendelssohn-Sinfonie. Und Dausgaard ist seit vielen Jahren mein präferierter Dirigent. Von ihm wurde ich noch nie enttäuscht. Ich schätze seine Liebe zum Detail und seinen generell sehr quirligen Aproach - eine seltene und fruchtbare Kombination. Bei ihm klingt niemals etwas pauschal und 'einfach so', sondern 'so und nicht anders' (imho).

  • Mir gefällt diese Aufnahme mit Manacorda und der Kammerakademie Potsadam sehr gut. Im Gegensatz zu Gardner und dem LSO sowie Manze mit dem NDR ist Manacordas Aufnahme für mein Gefühl weniger glatt. Was mir deutlich besser gefällt. Ich hatte schon gedacht, bei Mendelssohn gefallen mir nur die Streichersinfonien. Seine "Offiziellen" Sinfonien habe mich nie so angesprochen, aber Manacorda hat mich eines besseren belehrt. Den Dausgaard mit Mendelssohn höre ich mir aber auch noch an. Ich mag Dausgaard auch bei Schubert und Brahms sehr gern.

    Viele Grüße, Michael

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