Mendelssohn-Bartholdy, Felix: Sinfonie Nr. 3 in a-moll, op. 56 ("Schottische")
"In der tiefen Dämmerung gingen wir heut nach dem Palaste, wo Königin Maria gelebt und geliebt hat; es ist da ein kleines Zimmer zu sehen, mit einer Wendeltreppe an der Thür; die stiegen sie hinauf und fanden den Rizzio im kleinen Zimmer, zogen ihn heraus, und drei Stuben davon ist eine finstere Ecke, wo sie ihn ermordet haben. Der Kapelle daneben fehlt nun das Dach; Gras und Epheu wachsen viel darin, und am zerbrochenen Altar wurde Maria zur Königin von Schottland gekrönt. Es ist da alles zerbrochen, morsch, und der heitere Himmel scheint hinein. Ich glaube, ich habe heut da den Anfang meiner Schottischen Sinfonie gefunden."
(Felix Mendelssohn-Bartholdy, Brief an die Eltern, Edinburgh, 30. Juli 1829)
Liebe Capricciosi!
Mendelssohns letzte Sinfonie zählt zu den mir liebsten Werken der Gattung. Im Gegensatz zur vorangegangenen "Italienischen" Sinfonie, die bestenfalls einen losen Bezug zu Italien aufweist (Mendelssohn begann in Neapel mit der Komposition; der letzte Satz ist "Saltarello" überschrieben), steht die "Schottische" mit ihrer atmosphärischen Wirkung (die schon auf Wagner vorausweist), dem Scherzo nach Art einer Hornpipe und den Assoziationen, wie sie der Komponist im obig zitierten Brief vorstellt, einer sinfonischen Dichtung schon nahe, ohne jemals ein konkretes Programm aufzuweisen oder gar die Absolutheit der Musik in Frage zu stellen. Die Sätze der Sinfonie, die allesamt nach der Sonatenhauptsatzform gebaut sind, sollen nach Mendelssohns Vorschrift ohne Pause attaca durchgespielt werden, können aber den Hörern auf dem "Programm des Concertes" wie folgt angezeigt werden: Introduktion und Allegro agitato - Scherzo assai vivace - Adagio cantabile - Allegro guerriero und Finale maestoso.
Obwohl Mendelssohn die Anregung und Inspiration zu diesem Werk schon 1829 empfangen hat (auf der selben Reise wie auch die "Hebriden"-Ouverture), dauerte es noch zwölf Jahre, bis die Sinfonie vollendet war und den hohen Ansprüchen des sehr selbstkritischen Komponisten genügte. Der Erfolg der Uraufführung (3. März 1842, Leipzig) gab ihm freilich Recht: schon im Juni desselben Jahres wurde die Sinfonie auch in London aufgeführt und verbreitete sich rasch über ganz Europa. In Paris etwa rezensierte Heinrich Heine 1844: „Namentlich ist der zweite Satz und das dritte Adagio in A-Dur charaktervoll, und mitunter von ächter Schönheit. Die Instrumentation ist vortrefflich, und die ganze Symphonie gehört zu Mendelssohns besten Arbeiten.“
Mendelssohns reifste Sinfonie und "sein sinfonisches Meisterwerk" (G. v. Westerman, Knaurs Konzertführer, München 1951) scheint heute gegenüber ihrer Vorgängerin, der "Italienischen" an Beliebtheit eingebüßt zu haben - jedenfalls habe ich diesen Eindruck gleichermaßen aus dem Konzertleben wie aus diesem Forum. Täuscht mein Eindruck da oder wieso könnte das so sein? Und vor allem: Wie steht ihr zu diesem Werk? Was gefällt euch besonders? Was nicht? (Ich hoffe auch auf eine musikalische Analyse von den dazu Beruferenen!)
Zum Abschluss noch zwei Einspielungen, die eine eher breitwand-romantisch, die andere eher kammermusikalisch-herb - mir gefallen beide:
Liebe Grüße,
Areios