Was ist, was soll, was darf Opernregie? Und was nicht?

  • also eben nicht fälschlicherweise mit seiner Regie behauptet: "Ich bin 18. Jahrhundert, so wie ich es mache bzw. wie es Notenquäler gewollt hat". Wäre ansonsten Top-Modell für aufgeblähte Subjektivität, die fälschlicherweise meint, ihren Gegenstand konkret wie im 18. Jahrhundert habhaft zu sein.

    (vorsichtshalber: spreche nur für mich u. meine fixe Idee...):

    die "Subjektivität" ist nicht so "aktivisch", sie versucht (dabei natürl. an eigene Kompeenz etc. gebunden) günstige Bedingungen für "das Werk" zu schaffen, welches verwandelnde Kraft ausüben (ok, weniger pathetisch:) welches eine Art Adaption zu stimulieren vermag.

    (gerät jetzt ein bischen celibidachianisch, ist mir auch nicht ganz recht, sei's drum)

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Weiterführend kann der Begriff der polylateralen Transkulturalität sein:

    Zum Putto/Gurnemanz-Problem, das Putto durch eine Vergrößerung des Subjekts angehen möchte, pejorativ Aufblärhung genannt: Das Kulturelle Erleben ist aus der Sicht der Transkulturalität kein Gegeneinander von Kulturinseln - hier: zwei Subjekten -, sondern ein gemeinsamens Beides. Dem Gegenbegriff Interkulturalität ist ein Anders-Bezug immanent, er wirkt damit notwendigerweise funktional ausgrenzend. Putto wird daher nicht zu Gurnemanz, wenn er gurnemanzt, sondern seine Ich-Kultur wird durch die aufgenommene Gurnemanz-Kultur erweitert im Sinne von transkulturell bereichert.

    Zur Zeitlichkeit der Werkaufführung in der Gegenwart. Schon beim von Gurnemanz verlinkten Thread hat es mich genervt, wie wenig Diskutanten willens gewesen sind, die relvanten Zeitbegriffe auseinanderzuhalten. Schon wieder kommst du, lieber Gurnemanz, mit dem Argument, ein Werk sei immer aktuell, weil es jetzt aufgeführt werde. Ja, geschenkt. Das ändert aber nichts an der Entstehungszeit und den damals gegebenen Umständen, die auf alle Aspekte des seinerzeit geschaffenen Werks Wirkung hatten, mithin an der Zeitbedingtheit des Werks, die sich damit nicht nur auf das im Libretto ausdrücklich zu Findenden beschränkt, sondern auf sämtliche Umstände der Komposition erstreckt. Deshalb meine Attributierung mit "polylateral". Es geht nicht um eine ein manichäisches Entweder-Oder, also etwa um historische oder moderne Bühnenbilder und Kostüme. Das gesamte Werk, einschließlich der Musik, kann seiner Zeitgebundenheit nicht entkommen. Es geht mithin bei jeder Aufführung eines in diesem Sinne alten Werkes nie um nur einfache Fragen, sondern es sind vielfältige, komplexe Antworten zu finden.

    Zu Gurnemants Einwurf, er entscheide dann eben, ob er hingehe und das Werk anschaue: Nein, lieber Gurnemanz, das ist nicht zu Ende gedacht. Wenn du schon die notwendige Aktualität jedweder Aufführung bemühst, musst du performativ konsequent sein und konstatieren, dass ebenso notwendig das Werk erst im Moment der je eigenen AUfführung im Zusammenwirken mit dem jeweiligen Zuschauer entsteht. Hier findet sich des Amfortas perspektivische Lümmelei in der Jetztzeit.

    Zuletzt noch: Dem Regietheater wurde oder wird meiner Wahrnehmung nach mehr Kot-, denn Pyro-Manie vorgeworfen. Dann stimmt der Bezug zum Rechtsextremismus auch wieder: braune Scheiße.

  • Schon wieder kommst du, lieber Gurnemanz, mit dem Argument, ein Werk sei immer aktuell, weil es jetzt aufgeführt werde. Ja, geschenkt. Das ändert aber nichts an der Entstehungszeit und den damals gegebenen Umständen, die auf alle Aspekte des seinerzeit geschaffenen Werks Wirkung hatten, mithin an der Zeitbedingtheit des Werks, die sich damit nicht nur auf das im Libretto ausdrücklich zu Findenden beschränkt, sondern auf sämtliche Umstände der Komposition erstreckt.

    Lieber Knulp, ich weiß nicht, ob ich Deinen Beitrag insgesamt richtig verstanden habe; hier allerdings hast Du mich nicht richtig verstanden oder ich habe mich nicht richtig ausgedrückt:

    Im 18. Jahrhundert komponierte Werke, die heute aufgeführt werden, sind dagegen Werke des 21. Jahrhuderts, durch die simple Tatsache, daß sie heute aufgeführt werden. Und sie sind natürlich auch nach wie vor Werke des 18. Jahrhunderts.

    Der zweite Satz darf nicht unterschlagen werden: Ich meine keineswegs, daß ein im 18. Jahrhundert komponiertes Werk erst durch Aufführungen zur Existenz gelangt (Derartiges haben in dem anderen Thread Argonaut und ChKöhn vertreten, wenn ich das richtig verstanden habe), sondern es bleibt ein Werk des 18. Jahrhunderts und dessen Existenz gilt auch, wenn es heute gar nicht mehr aufgeführt wird. Die Zauberflöte ist und bleibt ein Werk des Jahres 1791 und ist ein Werk des Jahres 2019, wenn sie heute rezipiert wird.

    Daraus folgt für mich für die Themenfrage hier (Was soll und darf Opernregie?) weder das Gesetz (wenn man es so nennen will), daß nur eine Aufführung unter den Bedingungen von 1791 stehen muß (das, was "historisch Informierte" fordern mögen, im Sinn der "Werktreue"), noch das, daß eine Aufführung heute die Verhältnisse 2019 reflektieren muß ("Regietheater"?).

    Zum Terminus "Werk": Das ist eben beides: das 1791 komponierte Werk und das 2019 aufgeführte Werk.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ich find's eigentlich zunehmend langweilig ...

    Erst machste Laden durch unterhaltsame Postings rt-talk-gierig und dann plötzlich Rückzieher. :( :( Menno, sei doch kein Spielverderber. :heul1: :heul1: :heul1:

    (vorsichtshalber: spreche nur für mich u. meine fixe Idee...):

    die "Subjektivität" ist nicht so "aktivisch", sie versucht (dabei natürl. an eigene Kompeenz etc. gebunden) günstige Bedingungen für "das Werk" zu schaffen, welches verwandelnde Kraft ausüben (ok, weniger pathetisch:) welches eine Art Adaption zu stimulieren vermag.

    (gerät jetzt ein bischen celibidachianisch, ist mir auch nicht ganz recht, sei's drum)

    Okay, okay, okay. Hatte ich sehr übertrieben verzapft. War halt Posting davor geschuldet. Falls ich dich richtig checke, eingeräumt, bloße aufgeblähte Subjektivität funzt vermutlich nicht mal gleichsam formal, denn ohne „Gegen“part (Objekt) bzw. irgend Idee davon, wäre bereits Subjekt-Chose dem Brägen nicht vorstellbar….

    Deinem Gedanken zufolge, wäre von "verwandelnde Kraft" aber auch RT nicht abgeklemmt. ..
    Dem Werk ist ein gewisser Ding-Charakter (Noten, Libretto) zuzuschreiben, welcher Realisierung desselben prägt. RT würde das nicht abstreiten.
    Die Realisierung desselben bleibt aber nicht konstant. Selbst wenn Realien in der Inszenierung irgendwie „historisch“ rüberkommen.

    Bloße Adaption wär mir noch zu vegane Magerkost. Die Umsetzung eines Werks fußt auf Adaption (auch beim RT), aber erschöpft sich nicht darin.

    Gurnis Posting fährt vermutlich in nämlicher Spur.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Das Thema hatten wir ja schon ausführlich dort: Gibt es alte Musik?. Da gab's dann auch ordentlich Streit.

    weil du auf diesen Faden hinweist, möchte ich nachdrücklich an die Beiträge #309 bis #311 dort von bustopher erinnern. Mein guter Vorsatz zur Stellungnahme ist leider auf der Strecke geblieben...

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    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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  • Erst machste Laden durch unterhaltsame Postings rt-talk-gierig und dann plötzlich Rückzieher. :( :( Menno, sei doch kein Spielverderber. :heul1: :heul1: :heul1:

    Immerhin habe ich zu einem Knulpschen Beitrag beigetragen, ohne dadurch zum Knulp geworden zu sein.
    :clap:

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • weil du auf diesen Faden hinweist, möchte ich nachdrücklich an die Beiträge #309 bis #311 dort von bustopher erinnern. Mein guter Vorsatz zur Stellungnahme ist leider auf der Strecke geblieben...

    Meiner auch. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Immerhin haben seinerzeit Du und ich unsere guten Absichten angedeutet. ;)

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Sorry für meine unrichtige Zuschreibung, Gurnemanz. Habe in der Tat unvollständig gelesen.

    Zur Frage des Threads ein kurzes, knulpsches Statement:

    Mir scheint, die Auseinandersetzung über das so genannte Regietheater läuft noch immer oft auf folgende Problematik der Übersetzungs-Wissenschaft hinaus:

    Im zu übersetzenden Original-Text aus z. B. dem 18. Jahrhundert wird etwas beschrieben,das damals jedem Leser verständlich war, dem heutigen Leser ohne besonderes Hintergrundwissen jedoch unverständlich bleiben muss (z. B. weil wir die Art des Bezahlens, des Kochens, des Arbeitens, der Fortbewegung oder was auch immer nicht mehr kennen). Der Übersetzer stellt sich jetzt die Frage, wie erübersetzen soll: Wörtlich? Dann bleibt die Stelle unverständlich und wird evtl. missverstanden. Oder sinngemäß? Dann findet er eine Entsprechung aus der heutigen Welt, mit dem er das das Gemeinte ins Heute überträgt, so dass zwar nicht mehr die Worte stimmen, jedoch der Sinn.

    Der Regietheater-Regisseur wird oft als derjenige beschrieben, der den damaligenSinn des Werks erkundet hat und darauf fußend die Meinung vertritt, dass dieser Sinn heute nicht mehr verstanden wird, weshalb die originale Werkaussage ins Heutige übertragen werden muss. Aus bösen Räubern werden dann Nazis, aus Sklaven Migranten etc.

    Die Staubis wenden ein, dass es derartiger Aktualisierungen nicht bedarf. Bitte nur das Original. Wenn Zusatzinformationen nötig sind, mögen sie im Programmgeliefert werden (gelesen wird in Drottningholm bei Kerzenlicht).

    Nur scheint mir diese Auseinandersetzung das heutige Regietheater nicht mehr zu betreffen. Denn die Werkaussage im o. g. Sinn scheint dem heutigen Regietheater zunehmend unwichtig geworden zu sein. Es geht nicht mehr um historische Erkundungen, auch nicht mehr um textimmanente Werkinterpretation, sondern man bewegt sich in Möglichkeiten. Zugespitzt: Nichts ist verpönter als die Suche nach der Werkaussage. Nach all der Dekonstruktion, nach Derrida wissen wir doch, wie hoffnungslos dieses Unterfangen ist.

    Stattdessen werden Bedeutungsoffenheiten, tja, idealerweise mittels der Analyse der Bedeutungskonstituenten erarbeitet, oft aber wohl nur gegriffen.Das Ganze wird je nach Gusto aufgepeppt mit postkolonialer, feministischer oderQueer Theorie, gern auch bestückt aus sonstigen Minderheitendiskursen, schon haben wir die moderne Regieauffassung, auftretend unter der Fackel gesellschaftlicher Emanzipationsbewegungen, gerichtet gegen die Konstruiertheit des jeweiligen kulturellenZentrums, vulgo die Mediokrität.

    Ergebnis diese Manövers ist: Die Regie kann nicht mehr verantwortlich gemacht werden für ein wie auch immer geartetes fehlerhaftes Werkverständnis. Die Werkgerechtigkeits-Diskussion ist gestrig, nicht mehr von Belang. Die Regie spielt nur mit den gegebenen Möglichkeiten. Sie darf das. Anknüpfungspunkte genügen für ihr Tun.

    Was darf die Regie, lautet die Frage. Antwort: Die Regie darf alles.

    Nachtrag: Seltsam, der Editior hat viele Leerzeichen aus Word nicht übernommen, habe sie jetzt nachgetragen.

  • Die Idee, daß alte Werke als "Steinbruch" verwendet werden, finde ich keineswegs vewerflich (bereits die Renaissance ging so mit der Antike um, daraus entstand bekanntlich die Oper als neue Form ), da mir die Kritik daran, die dagegen "werkgerechte" oder "werktreue" Aufführungen fordert, ohnehin suspekt ist.

    Die Renaissance ging allerdings bei der Schaffung neuer, eigener Kunstwerke dergestalt mit der Antike um. 'Werkgerecht' oder 'werktreu' trifft es für mich eigentlich auch nicht, da es sich dabei für mein Empfinden zu sehr um die genaue Befolgung der im Text und auch in der Partitur vorhanden Anweisungen geht. Dass erwarte ich gar nicht bzw. würde ich oftmals eher als langweilig oder gar als schräg bei manchen Werken (Otto Schenks 'Ring' in New York) empfinden. Mir geht es mehr um diesen äußert schwammigen, kaum definierbaren, nicht festzumachen Begriff der 'Seele' oder des 'Geistes' des Werks, d.h. schon um einen Bezug dazu, der aber widerum sich in einem sehr offenen Ergebnis zeigen kann.

    Die Grenze zwischen "Aufführung von Parsifal" und "Aufführung nach Parsifal" läßt sich m. E. ohnehin nicht verbindlich setzen, weil völlig unklar ist, wann sie überschritten sein soll. Es gibt ja Leute, die die Grenzüberschreitung schon dann beklagen, wenn Librettoanweisungen nicht präzise umgesetzt werden oder die Handlung in eine andere Zeit versetzt wird.

    Natürlich ist das nicht verbindlich gesetzt, kann auch gar nicht. Aber vielleicht sollte hier das Verantwortungsbewusstsein der Regisseure oder auch der Intendanz aktiv werden. Zudem kommt eine Betitelung 'Sie sehen X nach Y.' ja auch dem Regisseur zugute, der nun als Schöpfer eines eigenen Werks auftreten kann. ;)

    Wann eine Grenze überschritten ist, ist wirklich die Frage und kann immer nur am jeweiligen Fall geklärt werden. Für mich war es z.B. eine Euripides-Medea-Aufführung in Hamburg. Gut, man kann mir vorwerfen, ich war schlecht informiert, weil ich keine zusätzlichen Texte gelesen habe. Aber in allen Stückankündigungen war immer nur von Euripides und seiner Medea die Rede, die ich dann eigentlich auch erwartete. Das Stück begann aber so, dass die hochschwangere Darstellerin der Medea vor das Publikum trat und sich wie folgt äußerte: 'Ich heiße Medea und bringe meine beiden Kinder um und ich heiße XYZ und hoffe, dass ich mein Kind nicht umbringen werde.' Was ich als Statement schon mal ziemlich seltsam fand, weil ich nicht erwartet hatte, dass sie diese Ängste hinsichtlich ihres eigenen Verhaltens hegte. Dann gab's ein bisschen Euripides und dazwischen immer wieder Shakespeares Macbeth. Das finde ich, ist ein Etikettenschwindel. (Als der Macbeth Überhand nahm, sind wir dann allerdings gegangen, von daher weiß ich nicht, wer sonst noch alles auftrat. ^^ ) Auf die Oper übertragen möchte ich auch nicht in den Meistersingern plötzlich Alcina oder Carmen hören. Es sei denn, es ist ein eigenständiges Werk. Wenn Hans Zender die Winterreise von Schubert bearbeitet, findet es jeder vollkommen ok, wenn das auch so als 'Bearbeitung' angegeben wird. Warum gilt das nicht auch für Oper oder Theater? (Ok, weil es wesentlich schwieriger ist, aber da bin ich wieder bei dem obigen Absatz.)

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Weil seitdem einiges geschrieben wurde, zitiere ich der Übersichtlichkeit halber den gesamten Beitrag:

    Ja, ich verstehe Deine Ansicht sehr gut, sehe es aber trotzdem anders. Das ist aber sehr gut so, sonst hätten wir ja nichts zu diskutieren. :cincinbier:

    Ja, es stimmt natürlich, dass der Regisseur meist nur in der Premierenserie anwesend ist. Aber ich finde, dass es auch zu den erforderlichen Fähigkeiten eines Sängers gehört, sich in einem Regiekonzept zurechtzufinden und eine gute schauspielerische Leistung zu bringen ohne einen Regisseur zu haben. Gut, manche haben dieses Talent und manche nicht, aber eine perfekte schauspielerische Leistung wird von einem Opernsänger ja ohnehin nicht erwartet.

    zum Tristan: Ich weiß nicht. Also ich kenne diesen Berghaus-Tristan nicht, aber bist Du ganz sicher, dass das dem Werk widerspricht? Der Tristan ist ja keine "normale" Liebesgeschichte, sondern im Tristan finden ja zwei Leute nur deshalb zueinander, weil blöderweise ein Trank vertauscht wurde, sonst wäre das alles nicht passiert. Und ich finde durchaus, dass Tristan und Isolde aneinander vorbeisingen. Ein "wirkliches" Liebesduett gibt es ja nicht, auch das "O sink hernieder, Nacht der Liebe" fängt ja so an, dass jeder seines für sich singt und nicht beide zusammen. Ich mag Wagner zwar nicht und finde den Tristan langweilig, daher habe ich kein fundiertes Urteil, aber ich interpretiere das als "Eigentlich lieben die beiden sich nicht", denn sonst würden sie ja "zusammen" singen (wofür es unzählige Beispiele in der Opernliteratur gibt). Weißt Du, was ich meine?

    Und ja, das stimmt. Es ist besser, über konkrete Produktionen zu diskutieren. Wenn es eine gibt, die wir beide gesehen haben und noch in guter Erinnerung haben, dann jederzeit gerne! :D

    "Spiegel der Gesellschaft" habe ich nicht in erster Linie auf tagesaktuelle Probleme bezogen. Aber Theater reflektiert ja immer die Entstehungszeit. Der Rosenkavalier spielt ja zur Zeit Maria Theresias, verhehlt aber keinesfalls, dass er Anfang des 20. Jahrhunderts geschrieben wurde. Oder ein anderes Beispiel: Die beiden Homerischen Epen spielen ja auch in einer damals längst vergangenen "realen" Sagenzeit, besitzen aber einige Interferenzen mit der Zeit Homers. Also denke ich, man kann sich heute nicht hinsetzen und eine Oper schreiben, die auch genausogut 1850 uraufgeführt werden hätte können. Wie siehst Du das?
    Und weil ich eben auch den Regisseur für einen Künstler halte, übertrage ich das. Ein - zugegeben blödes - Beispiel: Wenn heutzutage ein Regisseur das Sonnenrad in eine Inszenierung einbaut, ist das klarerweise ein Hakenkreuz und somit ein ganz eindeutiger Verweis auf die Nazizeit. Wenn das aber in einer Inszenierung aus dem Jahre 1880 passiert, wird das Symbol gar nicht als Hakenkreuz identifiziert, daher bedeutet es ganz was anderes. Und genau das gibt es - denke ich - auch in viel kleineren Aspekten. Ist verständlich, wie sich diese Punkte auf das beziehen, was ich vorher geschrieben habe, und auf dem, was Du dem entgegnet hast?
    Diskurse über grundlegende, philosophische Themen: Ja, gerne! Nur: Wie soll das konkret ablaufen? Ist es nicht ebenso gut, diese grundlegenden Diskurse anhand bestimmter Beispiele abzuhandeln?

    kann mir nicht verkneifen, ein Dialogfragment aus Tamino zu kommentieren:

    Wieso? Die haben ihr Forum, und wir haben unseres... und das ist gut so.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Wann eine Grenze überschritten ist, ist wirklich die Frage und kann immer nur am jeweiligen Fall geklärt werden. Für mich war es z.B. eine Euripides-Medea-Aufführung in Hamburg. Gut, man kann mir vorwerfen, ich war schlecht informiert, weil ich keine zusätzlichen Texte gelesen habe. Aber in allen Stückankündigungen war immer nur von Euripides und seiner Medea die Rede, die ich dann eigentlich auch erwartete. Das Stück begann aber so, dass die hochschwangere Darstellerin der Medea vor das Publikum trat und sich wie folgt äußerte: 'Ich heiße Medea und bringe meine beiden Kinder um und ich heiße XYZ und hoffe, dass ich mein Kind nicht umbringen werde.' Was ich als Statement schon mal ziemlich seltsam fand, weil ich nicht erwartet hatte, dass sie diese Ängste hinsichtlich ihres eigenen Verhaltens hegte. Dann gab's ein bisschen Euripides und dazwischen immer wieder Shakespeares Macbeth. Das finde ich, ist ein Etikettenschwindel. (Als der Macbeth Überhand nahm, sind wir dann allerdings gegangen, von daher weiß ich nicht, wer sonst noch alles auftrat. ^^ ) Auf die Oper übertragen möchte ich auch nicht in den Meistersingern plötzlich Alcina oder Carmen hören. Es sei denn, es ist ein eigenständiges Werk. Wenn Hans Zender die Winterreise von Schubert bearbeitet, findet es jeder vollkommen ok, wenn das auch so als 'Bearbeitung' angegeben wird. Warum gilt das nicht auch für Oper oder Theater? (Ok, weil es wesentlich schwieriger ist, aber da bin ich wieder bei dem obigen Absatz.)

    Ich kenne mich beim Sprechtheater nicht aus. Aber in der Oper hätte ich etwas dagegen, wenn munter zahlreiche (!) Stücke umgestellt werden, wenn ohne Grund viel Musik aus anderen Stücken eingefügt wird etc.
    (ich weiß, dass das passiert, jedenfalls habe ich es im September 2018 in der Csárdásfürstin der Wiener Volksoper so erlebt - und das finde ich nicht gut. Aber ich mag Operetten sowieso nicht, also war der Verlust ein geringer.)
    Daher würde ich für mich festhalten: Abänderungen hinsichtlich Bühne/Szene sind vollkommen legitim. Abweichungen hinsichtlich Musik nur in begründeten Ausnahmefällen. Aber das ist nur meine derzeitige Meinung, man kann es sicherlich auch anders sehen.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • aber eine perfekte schauspielerische Leistung wird von einem Opernsänger ja ohnehin nicht erwartet.

    Lieber Sadko, aber das wird heutzutage immer häufiger erwartet. Eine Caballé hätte keine Chance mehr als Mimi (die sie ja durchaus auf der Bühne gesungen hat), weil sie alleine die Voraussetzungen nicht mitbrachte. Jung und schlank und 'Hungerhaken'. Wie die Rolle dann gesungen wird, ist oftmals allen egal.

    Und ich finde durchaus, dass Tristan und Isolde aneinander vorbeisingen. Ein "wirkliches" Liebesduett gibt es ja nicht, auch das "O sink hernieder, Nacht der Liebe" fängt ja so an,

    Aber endet es auch so? ;) Nein, ich will sagen, dass es zwischen Getrenntsingen und Aneinandervorbeisingen schon einen Unterschied gibt. Tristan und Isolde ist nach traditionellem Muster das Liebespaar, das hemmungs- und hoffnungslos einander verfallen ist. Sich nicht anschauen, geht da gar nicht. ^^

    Und ja, das stimmt. Es ist besser, über konkrete Produktionen zu diskutieren. Wenn es eine gibt, die wir beide gesehen haben und noch in guter Erinnerung haben, dann jederzeit gerne!

    Bin sofort dabei. ^^

    "Spiegel der Gesellschaft" habe ich nicht in erster Linie auf tagesaktuelle Probleme bezogen.

    Sorry, dann habe ich das falsch verstanden.

    Also denke ich, man kann sich heute nicht hinsetzen und eine Oper schreiben, die auch genausogut 1850 uraufgeführt werden hätte können. Wie siehst Du das?

    Zurück geht nimmer. (Leider - also manchmal. ^^ ) Letztlich können wir uns in Vergangenes nicht vollständig hineinfühlen und Zukünftiges nur erahnen. Wir bleiben auf das Jetzt angewiesen.

    Beispiel: Wenn heutzutage ein Regisseur das Sonnenrad in eine Inszenierung einbaut, ist das klarerweise ein Hakenkreuz und somit ein ganz eindeutiger Verweis auf die Nazizeit. Wenn das aber in einer Inszenierung aus dem Jahre 1880 passiert, wird das Symbol gar nicht als Hakenkreuz identifiziert, daher bedeutet es ganz was anderes.

    Sorry, den Zusammenhang mit dem von mir geschriebenen sehe ich Moment nicht so ganz. ;( Aber da stehe ich wohl auf'm Schlauch.

    Daher würde ich für mich festhalten: Abänderungen hinsichtlich Bühne/Szene sind vollkommen legitim. Abweichungen hinsichtlich Musik nur in begründeten Ausnahmefällen. Aber das ist nur meine derzeitige Meinung, man kann es sicherlich auch anders sehen.

    Sehe ich genauso. Aber warum eigentlich? Warum ist die Musik eher sakrosankt und die Szene nicht?

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Ein "wirkliches" Liebesduett gibt es ja nicht, auch das "O sink hernieder, Nacht der Liebe" fängt ja so an, dass jeder seines für sich singt und nicht beide zusammen. Ich mag Wagner zwar nicht und finde den Tristan langweilig, daher habe ich kein fundiertes Urteil, aber ich interpretiere das als "Eigentlich lieben die beiden sich nicht", denn sonst würden sie ja "zusammen" singen (wofür es unzählige Beispiele in der Opernliteratur gibt).

    nun, ich denke, primär ist das "einer nach dem andern" Grundform des Gesprächs, sei es Streit-, sei es Liebesgespräche, sei es beides zugleich wie wohl im Tristan der Fall.

    Ein Beispiel aus der Nicht-Opernliteratur:

    Mendelssohns "Duetto" (Lied ohne Worte op. 38,6) hat durchgehend das Nacheinander, als Schlußsteigerung dann gemeinsamer Gesang im unisono.

    Schumann dazu: "Liebende aber sind, die hier reden, leise, traulich und sicher".

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Wieso? Die haben ihr Forum, und wir haben unseres... und das ist gut so.

    ich finds etwas schade. Aus den ollen Printmedien kennt man es doch auch, daß Kontroversen sowohl zeitschriftenintern wie zeitschriftenübergreifend ausgetragen werden. Von Rezensionen mal ganz abgesehen. Gelegentlich ist ja auch schon ein kleines forenübergreifendes ping <-> pong gelungen (eventuell in der Form ping <-> pang <--> pang <-> pong).

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • ich finds etwas schade

    ich finds sogar richtig schade :(
    Und wer weiß. Vielleicht könnte Ping-Pang-Kommunikation wenigstens zur Fernsten-Liebe mutieren :kuss1: :kuss1: :cincinbier: :cincinbier: :kuss1: :kuss1: . :thumbup: .

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Die Idee, daß alte Werke als "Steinbruch" verwendet werden, finde ich keineswegs vewerflich

    Was ich immer sage!

    cetero censeo:

    sprengt endlich die Oper!

    Macht sie zum Steinbruch!
    Die Städte brauchen Platz und Steine für bezahlbaren Wohnungsbau!

    Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
    Bei WAS wollen wir die Oper sprengen? Bei einer Zefirelli-Inszenierung? Oder doch lieber bei Bieito oder Fura dels Baus?
    Sprengen wir sie bei Zefirelli, werden die RTphoben Verschwörungstheoretiker behaupten, das wäre die lange vorhergesagte finale Kaputtmachung der Oper durch die Kräfte des Bösen. Und machen wirs bei Bieito aut alias, dann werden zweifellos die RTphilen darin einen Akt der finstersten Reaktion, vermutlich einer rechten, mindestens aber amerikanischen oder wenigstens kommerziellen Verschwörung, sehen.

    Irgendwie kann man's keinem recht machen. Nun ja. Ist irgendwie wie Tomás de Iriartes Fabel von den zwei Kaninchen. Man braucht gar nicht sprengen. Einfach die Mittel streichen. Ist billiger. Dann eledigt sich der Streit um die rechte Regie von alleine.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Lieber Sadko, aber das wird heutzutage immer häufiger erwartet. Eine Caballé hätte keine Chance mehr als Mimi (die sie ja durchaus auf der Bühne gesungen hat), weil sie alleine die Voraussetzungen nicht mitbrachte. Jung und schlank und 'Hungerhaken'. Wie die Rolle dann gesungen wird, ist oftmals allen egal.

    Lieber Wolfram! Puh, bist Du Dir da wirklich sicher? Ja, das Äußere ist (leider) extrem wichtig, und Karrieren hängen nicht selten davon ab, ob jemand gut ausschaut oder nicht (nicht nur im Opernbereich, auch bei gewissen Pianistinnen etc. frage ich mich das), aber ich denke, das war schon immer so. Ausnahmen wie Caballé, Pavarotti, Botha, Alessandra Marc etc. gibt es natürlich auch, aber Botha (den ich im Unterschied zu den drei anderen live gehört habe), hatte einfach eine so wunderbare Stimme und eine wunderbare Technik, die ihm dann zu dieser Karriere verholfen hat.

    Ich kann es nicht belegen, aber es gibt ja die Geschichte, dass Leonie Rysanek gesagt hat, sie wäre in ihrer Jugend recht mollig gewesen, hätte aber dann aber abgenommen, und in den 90er-Jahren soll sie gesagt haben, sie hätte noch nie so vieele "ganze Häuser" ( = dicke Sängerinnen) auf der Bühne gesehen wie zu dieser Zeit. Also vermute ich, dass es dicke/schlanke Sänger immer gegeben hat und geben wird. Genauso wie dicke/schlanke Menschen im real life :D

    Mit

    eine perfekte schauspielerische Leistung wird von einem Opernsänger ja ohnehin nicht erwartet.

    habe ich mich übrigens eigentlich nicht auf die Optik bezogen sondern auf die schauspielerische Leistung, womit ich meine, dass auch ein dicker Sänger gut schauspielern kann - oder ein dünner Sänger dafür überhaupt kein Talent besitzen muss. Beispiele für beides gibt es ja...

    Tristan und Isolde ist nach traditionellem Muster das Liebespaar, das hemmungs- und hoffnungslos einander verfallen ist. Sich nicht anschauen, geht da gar nicht.

    Sicher? ;) Ja, sie sind schon hemmungs- und hoffnungslos einander verfallen, aber das muss ja nicht ein Indikator für DAS Liebespaar sein. Ihre Liebe ist ja nicht natürlich entstanden, sondern quasi durch ein Missverständnis passiert. Da würden mir "bessere" Liebespaar der Opernliteratur einfallen, zum Beispiel würde ich spontan nennen: Florestan+Leonore, Tamino+Pamina, die beiden Paare in der Frau ohne Schatten, Mařenka+Jeník - aber ich merke gerade, dass es gar nicht einmal soo leicht ist, klassische Liebespaare der Opernliteratur zu nennen. Insgesamt halte ich es für sehr plausibel, zeigen zu wollen, dass Tristan+Isolde ihre Liebe quasi aufgezwungen wurde, dass sie sich nicht freiwillig dafür entschieden haben. Aber ich habe die erwähnte Produktion nicht gesehen und weiß daher nicht, ob sich die Regisseurin nicht vielleicht etwas ganz anderes gedacht hat als ich jetzt vermute.

    Sorry, den Zusammenhang mit dem von mir geschriebenen sehe ich Moment nicht so ganz. Aber da stehe ich wohl auf'm Schlauch.

    Kein Problem, ich habe es vielleicht schlecht formuliert oder ein blödes Beispiel gewählt. Gemeint habe ich, dass sich eine Inszenierung klarerweise immer auch auf die Zeit bezieht, in der die Inszenierung entstanden ist. Wenn in einer Inszenierung der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit das Hakenkreuz vorkommt, ist ganz klar, auf welche Zeit/Ideologie damit angespielt wird. Wenn ein- und dasselbe Zeichen (das es ja bekanntlich schon vor der Instrumentalisierung durch die Nazis gegeben hat) aber in einer Inszenierung, die vor der Nazizeit entstanden ist, vorkommt, hat es eine andere, "harmlose" Bedeutung.
    Damit wollte ich nur verdeutlichen, dass eine Inszenierung meiner Meinung nach auch die Zeit/Gesellschaft spiegelt, in der sie aufgeführt wird, genauso wie jedes andere Kunstwerk. Die Ausführenden leben ja in derselben Zeit wie wir, sie sind denselben politischen/gesellschaftlichen Einflüssen ausgesetzt wie wir. Und weil der Regisseur ja von keinem anderen Stern ist, sondern ein Mensch wie wir, ist er auch nicht von diesen Einflüssen frei. Daher meine ich, dass Inszenierungen/Kunstwerke einfach im Kontext ihrer Zeit zu betrachten sind und sich - vielleicht ganz nebenbei - auch auf diese Zeit beziehen, nicht nur auf die, in der sie "spielen".
    Okay, das waren jetzt viele komplizierte Formulierungen für eine recht einfache Sache :D ;( Vielleicht bin ich aber um diese Uhrzeit nicht mehr in der Lage, halbwegs verständliche Sätze zu produzieren...

    Sehe ich genauso. Aber warum eigentlich? Warum ist die Musik eher sakrosankt und die Szene nicht?

    Gute Frage! Ich denke, weil der Regisseur die Aufgabe hat, ein Werk zu interpretieren. Deswegen darf er mE auf der Bühne grundsätzlich auf der Bühne machen, was er will, aber keine / kaum Eingriffe in die Musik vornehmen. Die Interpreten (Dirigent, Pianist, Solo-Cellist etc.) dürfen und sollen und müssen ja auch viel interpretieren, aber es ist ihre Aufgabe, die Noten, die notiert sind, zu spielen, vereinfacht gesagt.
    Oder ein anderer Grund: Wenn mir in der Oper die Inszenierung gar nicht zusagt, kann ich immerhin noch die Augen schließen oder gleich einen Platz ohne Sicht einnehmen.

    ich finds etwas schade. Aus den ollen Printmedien kennt man es doch auch, daß Kontroversen sowohl zeitschriftenintern wie zeitschriftenübergreifend ausgetragen werden. Von Rezensionen mal ganz abgesehen. Gelegentlich ist ja auch schon ein kleines forenübergreifendes ping <-> pong gelungen (eventuell in der Form ping <-> pang <--> pang <-> pong).

    Ich persönlich sehe gar keinen Nutzen darin, mit den Usern des T-Forums in Kontakt zu treten bzw. deren Texte zu kommentieren. Die meisten denken komplett anders als ich und sind auch nicht in der Lage Toleranz/Verständnis aufzubringen, und was die wenigen positiven Ausnahmen betrifft, frage ich mich schon, was sie dort noch hält. Aber jedem das Seine. Ich möchte nicht öffentlich über dieses Forum diskutieren. Die sollen ihr Ding machen, wenn sie glauben. Ich schau dort nur hin und wieder hinein.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • hre Liebe ist ja nicht natürlich entstanden, sondern quasi durch ein Missverständnis passiert.
    [...]
    Insgesamt halte ich es für sehr plausibel, zeigen zu wollen, dass Tristan+Isolde ihre Liebe quasi aufgezwungen wurde, dass sie sich nicht freiwillig dafür entschieden haben.


    hab ich jetzt anders verstanden. "Freiwillig" war die Liebe ja natürlich nicht (wg. Widerspruchs in sich), aber doch unter innerem Zwang enstanden, so wird es ja erzählt. Nur daß es Isoldens ursprünglicher Plan war, mit Aussprache/Ausbruch zeitgleich Doppelsuizid zu verbinden. Das ging durch Brangänens vorgebliche "Schusseligkeit" (oder Genialität, der wir die Oper verdanken) daneben, und so bis zu trotzdem finalem Ende Zeit für mannigfache Musikwunder. Wie einer sagte, "es hätte auch ein Glas Wasser sein können". Eigentlich genial, wie hier magische Gebräuche einer früheren Zeit mit Plausibilitätsbedürfnissen einer späteren unter einen Hut gebracht sind. Maßstab für RT-Maßnahmen?

    Aber was man ja mal machen könnte, (konsequentes RT - nein echte Bearbeitung) - Brangäne ist WIRKLICH "gehorsame Magd", nimmt die richtige/falsche Flasche (die funktionierte auch seinerzeit schon physiologisch einwandfrei). Dann Aussprache -> beider Ableben. Erschüttertes Umstehen von Brangäne und Kurvenal. Ach, Schlußüberraschung: Marke wurde per Flaggenzeichen alarmiert, kommt, legt an, und kann (von Brangäne mit Kurzinfo versehen) noch eine adaptierte Fassung seiner großen Ansprache ("Dies, Trristan" etc.) loswerden.

    Damit Gewinn einer 1 1/2-2stdg, "Kurzoper", eventuell tauglich zur Kombination mit Erwartung u. dgl. --> vermehrte Aufführung von Erwartung zu erwarten --> Blutzufuhr fürs sterbende Musiktheater.

    edit:
    nein, Brangän ist nicht mal vorgeblich schusselig, sondern vertauscht eingestandenermaßen absichtlich die Tränke.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

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