Was ist, was soll, was darf Opernregie? Und was nicht?

  • Lieber Wolfram! Puh, bist Du Dir da wirklich sicher? Ja, das Äußere ist (leider) extrem wichtig, und Karrieren hängen nicht selten davon ab, ob jemand gut ausschaut oder nicht (nicht nur im Opernbereich, auch bei gewissen Pianistinnen etc. frage ich mich das), aber ich denke, das war schon immer so. Ausnahmen wie Caballé, Pavarotti, Botha, Alessandra Marc etc. gibt es natürlich auch,

    Caballé und Pavarotti begannen ihre Karrieren, als es noch nicht so rigide, auch von den Regisseuren, gehandhabt wurde. Wobei ich gerade überlege, ob Wieland jemand mit der Körperfülle der Caballé nach Neu-Bayreuth eingeladen hätte. Sein Ideal war dann ja die Silja und da ging es nicht nur um die jugendliche Stimme. Aber das ist Spekulation.
    Die Marc hat aufgrund ihres Aussehens erhebliche Probleme gehabt, Opernengagements zu bekommen. Pavarotti hat in Hamburg 1978 den Nemorino gesungen, was überhaupt kein Problem damals war. Nun stell dir mal vor, Botha hätte in unserer Zeit in diesem Fach gesungen. Ich glaube nicht, dass er engagiert worden wäre. ^^

    Insgesamt halte ich es für sehr plausibel, zeigen zu wollen, dass Tristan+Isolde ihre Liebe quasi aufgezwungen wurde, dass sie sich nicht freiwillig dafür entschieden haben.

    Wie sie zu ihrer Liebe gekommen sind, ist ja eigentlich nebensächlich. Gängig ist oder war jedenfalls, dass sie ab Akt II das Liebespaar sind.

    Daher meine ich, dass Inszenierungen/Kunstwerke einfach im Kontext ihrer Zeit zu betrachten sind und sich - vielleicht ganz nebenbei - auch auf diese Zeit beziehen, nicht nur auf die, in der sie "spielen".
    Okay, das waren jetzt viele komplizierte Formulierungen für eine recht einfache Sache Vielleicht bin ich aber um diese Uhrzeit nicht mehr in der Lage, halbwegs verständliche Sätze zu produzieren...

    Doch das bist du. ^^ Und natürlich ist das richtig. Wieland z.B. in Neu-Bayreuth ist eindeutig Kind seiner Zeit.

    Gute Frage! Ich denke, weil der Regisseur die Aufgabe hat, ein Werk zu interpretieren. Deswegen darf er mE auf der Bühne grundsätzlich auf der Bühne machen, was er will, aber keine / kaum Eingriffe in die Musik vornehmen. Die Interpreten (Dirigent, Pianist, Solo-Cellist etc.) dürfen und sollen und müssen ja auch viel interpretieren, aber es ist ihre Aufgabe, die Noten, die notiert sind, zu spielen, vereinfacht gesagt.

    Das sehe ich anders. Regisseur wie auch Interpret deuten ein Werk, bzw. sie deuten das ihnen vorliegende Material. Der Solist z.B. die Noten (und lässt, wenn er denn wirklich gut ist, auch die Zeitumstände mit einfließen) und der Regisseur Text/Handlung und damit verbunden auch die Musik. Beide dürften von daher eigentlich auch Eingriffe in die Musik vornehmen. Nur reagieren viele heute extrem empfindlich auf Eingriffe in die Musik, während Eingriffe in die Handlung/den Text völlig ok sind. Wenn das bei der Oper aber nicht erlaubt wäre (also Handlung ok, Musik keinesfalls), würde das ja bedeuten, dass die Musik, der Gesang einen wesentlich höheren Stellenwert als das Wort besitzt. Mach das mal Wagner klar. ;)

    Oder ein anderer Grund: Wenn mir in der Oper die Inszenierung gar nicht zusagt, kann ich immerhin noch die Augen schließen oder gleich einen Platz ohne Sicht einnehmen.

    Lass das bloß keinen Regisseur hören. ^^ Aber ernsthaft, wenn mir eine Inszenierung nicht zusagt, kann ich nicht die Augen schließen, weil ja eigentlich Text und Musik zusammengehen (sollten) und eine gute Produktion das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis mit berücksichtigt und die Inszenierung von daher beide Seiten betrifft. Dass das wohl oftmals nicht der Fall ist, zeigt dann aber wiederum, dass dem Regisseur die Szene wichtiger war als die Musik. (Was ihn für mich nicht zu einem guten Regisseur macht. ;) )

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • So, jetzt komme ich endlich dazu, Dir zu antworten. Sorry für die längere Pause!

    Caballé und Pavarotti begannen ihre Karrieren, als es noch nicht so rigide, auch von den Regisseuren, gehandhabt wurde. Wobei ich gerade überlege, ob Wieland jemand mit der Körperfülle der Caballé nach Neu-Bayreuth eingeladen hätte. Sein Ideal war dann ja die Silja und da ging es nicht nur um die jugendliche Stimme. Aber das ist Spekulation.Die Marc hat aufgrund ihres Aussehens erhebliche Probleme gehabt, Opernengagements zu bekommen. Pavarotti hat in Hamburg 1978 den Nemorino gesungen, was überhaupt kein Problem damals war. Nun stell dir mal vor, Botha hätte in unserer Zeit in diesem Fach gesungen. Ich glaube nicht, dass er engagiert worden wäre.

    Hm, ich glaube auch, dass es ein Newcomer mit Bothas Aussehen heute schwieriger als zu "seiner" Zeit hätte, aber so groß schätze ich den Unterschied nicht ein. Es gibt ja mehrere wesentliche Unterschiede zwischen Botha und Pavarotti: Zwar beide dick, aber Pavarotti konnte optisch Emotionen vermitteln, während Botha optisch meist durch Emotions- und Schauspielverweigerung glänzte.. (bitte nicht falsch verstehen: Botha war/ist einer meiner Lieblingssänger!) Und grad der Nemorino muss ja keine Augenweide sein, bzw. kann man den auf verschiedene Arten anlegen, denke ich.

    Wie sie zu ihrer Liebe gekommen sind, ist ja eigentlich nebensächlich. Gängig ist oder war jedenfalls, dass sie ab Akt II das Liebespaar sind.

    Ich bin anderer Meinung, aber okay :) Ich finde: Die beiden sind nur durch einen blöden Zufall ineinander verliebt, das ist nicht das, was ich mir unter dem Opernliebespaar vorstell. Und selbst wenn sie "das" Liebespaar sind, finde ich nicht, dass man 0-8-15-Klischees für Liebespaare zeigen muss. Auch wirklich ineinander verliebte Liebespaare haben Besseres zu tun als sich 24/7 zu umarmen :D

    Doch das bist du. Und natürlich ist das richtig. Wieland z.B. in Neu-Bayreuth ist eindeutig Kind seiner Zeit.

    Okay :) Ich wollte mit dem Exkurs nur verdeutlichen, dass sich eine Inszenierung meiner Meinung nach immer auch auf die Zeit und das Umfeld bezieht, in der/dem sie gezeigt wird. Also sehe ich Inszenierungen als "Spiegel der Gesellschaft". Ein Beispiel: Wenn du eine beliebige Oper hernimmst - nehmen wir zB Tristan - und Du sie im Jahr 2019 in Deutschland inszenierst, werden die Sänger wohl so ausschauen wie die meisten Deutschen derzeit, und die Szenerie wird auch so ausschauen, das sie uns einigermaßen vertraut ist, entweder weil sie in der Gegenwart so vorhanden ist oder wir eine solche Optik aus den Geschichtsbüchern kennen etc. Wenn aber - das ist komplett unrealistisch, ich weiß - im Kongo ein Tristan inszeniert wird, wird die dortige Aufführung wohl so ausschauen, wie es dem dortigen Publikum vertraut ist, also mit dunkelhäutigen Sängern, vielleicht mit einem Bühnenbild, das auch im Kongo stehen könnte, und vielleicht wird die Aufführung auf Französisch sein.
    Das ist jetzt nur eine Gedankenspielerei und auch nicht besonders sinnvoll.. Aber ich wollte erklären, wieso ich Theater bzw. Inszenierungen nicht als Museum (hast Du nicht geschrieben, ich weiß!), sondern als Spiegel der Gesellschaft beschrieben habe. Vielleicht könnte man auch sagen, dass Publikum und Inszenierung in einen Dialog treten können.

    Das sehe ich anders. Regisseur wie auch Interpret deuten ein Werk, bzw. sie deuten das ihnen vorliegende Material. Der Solist z.B. die Noten (und lässt, wenn er denn wirklich gut ist, auch die Zeitumstände mit einfließen) und der Regisseur Text/Handlung und damit verbunden auch die Musik. Beide dürften von daher eigentlich auch Eingriffe in die Musik vornehmen. Nur reagieren viele heute extrem empfindlich auf Eingriffe in die Musik, während Eingriffe in die Handlung/den Text völlig ok sind. Wenn das bei der Oper aber nicht erlaubt wäre (also Handlung ok, Musik keinesfalls), würde das ja bedeuten, dass die Musik, der Gesang einen wesentlich höheren Stellenwert als das Wort besitzt. Mach das mal Wagner klar.

    Ich bin anderer Meinung, aber: :cincinbier:
    Die Frage ist halt, wie man "Eingriff in die Handlung" wirklich definiert. Ich habe eigentlich nur ganz wenige Inszenierungen erlebt, die das getan haben (davon eine von Otto Schenk). Üblicherweise wird ja die "Grundstruktur" beibehalten und nur kleinere Aspekte geändert/entfernt/hinzugefügt, und ob eine Oper im Jahre 1800 spielt oder im Jahre 2019, ist mir in den allerallermeisten Fällen egal - Hauptsache, das Gebotene überzeugt mich.

    Lass das bloß keinen Regisseur hören. Aber ernsthaft, wenn mir eine Inszenierung nicht zusagt, kann ich nicht die Augen schließen, weil ja eigentlich Text und Musik zusammengehen (sollten) und eine gute Produktion das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis mit berücksichtigt und die Inszenierung von daher beide Seiten betrifft. Dass das wohl oftmals nicht der Fall ist, zeigt dann aber wiederum, dass dem Regisseur die Szene wichtiger war als die Musik. (Was ihn für mich nicht zu einem guten Regisseur macht. )

    Naja, natürlich sollte beides zusammengehören, das sehe ich ja auch so. Aber ehrlich gesagt, was würdest Du lieber wählen: Einen Platz im Opernhaus ohne Sicht (zB in München gibts ja Sitzplätze, von denen man gar nichts sieht), dafür gute Akustik oder einen Platz mit perfekter Sicht, aber dafür musst Du mit Ohropax hingehen und hörst nichts. Ich denke, die Antwort ist klar, oder? :D
    Aber ja: Ich finde, es ist ein wichtiges Qualitätskritierium für den Regisseur, dass er die Musik des zu inszenierenden Stückes sehr gut kennt (Christine Mielitz ist zB eine, die die Musik super kennt!).

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Aber ich wollte erklären, wieso ich Theater bzw. Inszenierungen nicht als Museum (hast Du nicht geschrieben, ich weiß!), sondern als Spiegel der Gesellschaft beschrieben habe. Vielleicht könnte man auch sagen, dass Publikum und Inszenierung in einen Dialog treten können.

    Grundsätzlich ja d'accord, wobei ich es wesentlich interessanter finde, wenn jemand in einen geistig-philosophischen Dialog mit der jeweiligen Gegenwart oder der sie direkt prägenden Vergangenheit tritt (deshalb mein Verweis auf Wieland), als wenn jemand das macht, was ich 'platt aktualisiert' nenne, nämlich Ort, Zeit oder Kostüme anpasst.

    Die Frage ist halt, wie man "Eingriff in die Handlung" wirklich definiert.

    Das habe ich wohl den falschen oder einen ungenauen Begriff verwandt. Eigentlich meinte ich eher das 'Rundumpaket' ^^ und nicht nur die Handlung. Verlegung an einen anderen Ort, in eine andere Zeit eben und dementsprechende Kostüme neben Eingriffen in die Handlung. Wobei es ja hier nicht um Sinn oder Zweck dieser Dinge geht, sondern um die Frage, warum das heute in der Oper akzeptiert oder eher akzeptiert ist und die eingriffe in die Musik aber nicht.

    Aber ja: Ich finde, es ist ein wichtiges Qualitätskritierium für den Regisseur, dass er die Musik des zu inszenierenden Stückes sehr gut kennt (Christine Mielitz ist zB eine, die die Musik super kennt!).

    Ich weiß gar nicht, ob das ein 'wichtiges' Qualitätsmerkmal ist. Für mich eigentlich eher ein 'notwendiges', denn schließlich inszeniert der Regisseur ja beides, die Handlung und die Musik. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel. ^^

    :wink: Wolfram

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  • Ja, auf jeden Fall ein geistig-philosophischer Dialog ist interessanter! Ich finde, wir haben jetzt die theoretischen Fragen sehr sehr konstruktiv ausdiskutiert, da bleibt mir derzeit nicht mehr viel zu sagen. :cincinbier: Wir können sehr gerne unsere theoretische Diskussion darüber an einer konkreten Inszenierung prüfen/anwenden. :)

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  • Wir können sehr gerne unsere theoretische Diskussion darüber an einer konkreten Inszenierung prüfen/anwenden.

    Sehr gerne. Nur müssten wir da was finden, was wir beide kennen. Könnte schwierig werden. ^^

    :wink: Wolfram

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  • Sehr gerne. Nur müssten wir da was finden, was wir beide kennen. Könnte schwierig werden. ^^

    Hm das stimmt... vielleicht einmal eine Übertragung, die uns beide interessiert und die wir uns anschauen wollen?

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • vielleicht einmal eine Übertragung, die uns beide interessiert und die wir uns anschauen wollen?

    Ich bin ja so gar kein Freund von Oper auf DVD. Meine diesbezügliche Sammlung ist äußerst begrenzt. Rosenkavalier mit Schwarzkopf, Giovanni mit Furtwängler. Dann hört es, glaube ich schon auf. Irgendwo habe ich wohl noch Walküre und Tristan von Wieland Wagner.

    Wir müssten uns dann schon auf YouTube verständigen. ^^

    :wink: Wolfram

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  • Wir müssten uns dann schon auf YouTube verständigen. ^^

    Ja, daran habe ich auch gedacht! Opern-DVDs habe ich auch fast keine. Aber Youtube ist eine gute Idee.
    Ganz spontan, weil es mir grad einfällt: Kennst Du das Schlaue Füchslein von Janáček? Da habe ich unlängst in Brünn (Brno) eine sehr interessante und polarisierende Produktion gesehen, die es auch auf Youtube gibt. Aber das ist nur ein spontaner Vorschlag, mir ist alles andere auch recht! Nur sollte ich das Stück halt schon irgendwie grob kennen.

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  • Kennst Du das Schlaue Füchslein von Janáček? Da habe ich unlängst in Brünn (Brno) eine sehr interessante und polarisierende Produktion gesehen, die es auch auf Youtube gibt.

    Shame on me, ich kenne nicht einmal das 'Füchslein'. ^^

    Ich werde die Tage, wenn ich hoffentlich dazu komme, die Ruhe dafür habe, mir es mal anschauen. Aber vielleicht wäre ein gängigeres Repertoirestück doch besser, bei dem wir beide konventionelle und eben auch RT-Inszenierungen kennen. Nur halt mal so 'ne Idee.

    :wink: Wolfram

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  • Haha kein Grund zum Schämen, man kann ja gar nicht alles kennen. Janáček wird ja in deutschsprachigen Ländern nicht allzu häufig gespielt. Und grad ein kompliziertes Stück wie das Füchslein ist für den Janáček-Einstieg vielleicht nicht so gut geeignet (da würde ich eher die Jenůfa empfehlen). Aber ich will niemanden missionieren, jeder soll das hören, was er mag! :)
    Ja, das klingt nach einer guten Idee. Wenn Du schon einen konkreten Vorschlag hast, gerne.

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  • Janáček wird ja in deutschsprachigen Ländern nicht allzu häufig gespielt.

    Naja, so selten aber auch nicht. Habe mir erst kürzlich eine Premierenkarte für Káťa Kabanová gekauft: https://www.theaterheidelberg.de/produktion/katja-kabanova/.

    Und Příhody lišky bystroušky war vor Jahren mein Einstieg, der mich für Janáček gewann. Habe ich sogar schon mal in London erlebt. ^^ Lange her.


    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Das freut mich, dann wünsche ich Dir eine eindrucksvolle Aufführung!
    Janáček wird zwar nicht nie gespielt, aber trotzdem noch lange nicht in dem Maße, das ich mir wünschen würde (aber das teilt er mit manchen anderen Komponisten). Vielleicht ist auch die tschechische Sprache eine Hemmschwelle (aber das wäre ein anderes Thema). Ich bin etwas überrascht, dass es bei Dir mit dem Füchslein gleich gefunkt hat, ich habe nämlich ein bisschen Zeit gebraucht, bis ich daran Gefallen gefunden hatte. Aber umso besser, wenn es Dir anders ergangen ist.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Ich bin etwas überrascht, dass es bei Dir mit dem Füchslein gleich gefunkt hat, ich habe nämlich ein bisschen Zeit gebraucht, bis ich daran Gefallen gefunden hatte.

    Ja, das war eher Zufall. Das Füchslein ist mir halt zuerst über den Weg gelaufen. Übrigens habe ich das in einer sehr berührenden Inszenierung in Frankfurt erlebt, da war das Füchslein so eine Art Punkermädchen: pubertär, ziemlich frech und dazu durchaus verletzlich. Die Beziehung zum Förster wurde da recht sublim ausgespielt.

    Wenn ich mich erinnere: Die Welt der Kinder/Jugendlichen (Tiere) gegen die Welt der Erwachsenen (Menschen).

    Vgl. https://oper-frankfurt.de/de/mediathek/?id_media=126 und
    https://www.faz.net/aktuell/feuill…k-14198999.html

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Oh sorry! Ich habe offenbar Deine Antwort zwar gelesen, aber nicht gleich geantwortet, und dann habe ich nicht mehr daran gedacht.
    Aber besser spät als nie :D

    Ja, das war eher Zufall. Das Füchslein ist mir halt zuerst über den Weg gelaufen. Übrigens habe ich das in einer sehr berührenden Inszenierung in Frankfurt erlebt, da war das Füchslein so eine Art Punkermädchen: pubertär, ziemlich frech und dazu durchaus verletzlich. Die Beziehung zum Förster wurde da recht sublim ausgespielt.

    Wenn ich mich erinnere: Die Welt der Kinder/Jugendlichen (Tiere) gegen die Welt der Erwachsenen (Menschen).

    Danke für Deine Infos! Das klingt gut! :)

    Ich habe mir den Trailer angeschaut, das schaut nach einer sehr interessanten und sehr gelungenen Arbeit aus. Und vor allem ist sie ganz anders als die Inszenierungen, die ich schon kenne. Ich denke, mir hätte diese Produktion sehr gut gefallen, wenn ich sie live gesehen hätte. Die Regisseurin und der Dirigent sagen im Trailer sehr richtige Dinge!

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • user kurzstueckmeister schrieb auf Tamino:

    Zitat

    Ich fürchte, dass es kaum möglich ist, zeitlose Kleidung und Ausstattung zu generieren, zudem wenn militärische Uniformen verwendet werden sollen.

    Dass der Regisseur so eine Unbestimmtheits-Assoziation intendiert, mag ja sein, das Ergebnis ist aber leider eine zeitliche Versetzung aus dem 15. Jahrhundert in Richtung Gegenwart. Tja, schief gelaufen

    obwohl selber eher RT-Skeptiker, sehe ich das etwas anders.

    Natürlich ist buchstäblich keine "Zeitlosigkeit" möglich.

    Aber m.E. kann man schon eine Verwendung von Kleidung unterscheiden, die tendenziell einen Zeitbezug eher neutralisiert, und einen, der eher eine "Versetzung" zu intendieren scheint.

    Beispiele wären etwa für die "Neutralisierungstendenz" "Les Troyens" mit Gardiner:

    Auszüge:
    https://www.youtube.com/watch?v=K8CFKZ…8OqBUCw8f9D7F-M

    ... für die "Versetzung" (zwar nicht in eine Gegenwart, sondern ins 19. Jh.) dasselbe Werk (1. Teil) mit Pappano:

    https://www.youtube.com/watch?v=eZtnMs6T_Ac

    während mich die Neutralisierungstendenz eigentlich nicht stört - ich verstehe, daß man Schwierigkeiten mit traditioneller Kostümierung hat - finde ich meist keinen Gefallen an expliziten "Versetzungen". Das Stück kann so nicht mehr funktionieren - was soll ein von zwei Riesenschlangen getöteter Priester im 19. Jh.?

    wichtig ist aber, daß man nicht mit einer "realen" historischen Zeit, in der die Handlung spielen soll, argumentiert - da wird zu recht darauf hingewiesen, daß das jeweilige Libretto selbst ja in diesem Sinne nicht "historich korrekt" sei, sondern daß es um die Darstellung der jeweils fiktiven Zeit im Libretto geht.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • während mich die Neutralisierungstendenz eigentlich nicht stört - ich verstehe, daß man Schwierigkeiten mit traditioneller Kostümierung hat - finde ich meist keinen Gefallen an expliziten "Versetzungen". Das Stück kann so nicht mehr funktionieren - was soll ein von zwei Riesenschlangen getöteter Priester im 19. Jh.?

    Eigentlich gebe ich dir recht, wobei ich das Beispiel (Troyen) für mich gar nicht einmal für so gelungen halte, weil gerade in dieser Neutralisierung, auch bei ihr, ich solche Kostüme so oft gesehen habe, dass sie mich langsam anöden und ich immer denke, dass ein wenig mehr Fantasie vielleicht auch nicht schaden würde. Wobei es bei Uniformen vielleicht gar nicht einmal so ganz einfach ist. Aber so, wie die Kostüme hier benutzt werden, ist es auch so austauschbar. Das ist natürlich nur ein oberflächlicher Eindruck nach dem Anschauen dieses kurzen Clips.

    Versetzungen finde ich normalerweise auch nervig, weil oftmals nicht passend oder überflüssig. Aber da kommt es wirklich darauf an, wie gut es gemacht ist und welche wirklich sinnvolle Diskussion der Regisseur damit anregen will. Will er nur den aktuellen Bezug - geschenkt. Den kann ich mir auch so denken. Beabsichtigt er aber z.B. einen Diskurs über Beurteilung von Kunst und allem, was damit zusammenhängt, kann er es dann auch noch sinnvoll mit der Rezeptionsgeschichte verknüpfen (ich denke dabei an die Bayreuther Meistersinger von Kosky), dann bin ich dabei. Und wie. :D

    Gerade dieses Werk, wie so viele andere auch, zeigen, dass das vermeintlich Historische, das so viele gerne auf der Bühne sehen möchten, ja doch immer nur die Projektion des Komponisten ist, denen der Regisseur gerne seine Sicht entgegensetzen darf/soll/muss - wie auch immer.

    :wink: Wolfram

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  • wobei ich das Beispiel (Troyen) für mich gar nicht einmal für so gelungen halte, weil gerade in dieser Neutralisierung, auch bei ihr, ich solche Kostüme so oft gesehen habe, dass sie mich langsam anöden und ich immer denke, dass ein wenig mehr Fantasie vielleicht auch nicht schaden würde


    in der Unauffälligkeit würde ich gerade einen Vorzug sehen. Je weniger man das Kostüm bemerkt, desto besser.

    Zitat

    Beabsichtigt er aber z.B. einen Diskurs über Beurteilung von Kunst und allem, was damit zusammenhängt, kann er es dann auch noch sinnvoll mit der Rezeptionsgeschichte verknüpfen (ich denke dabei an die Bayreuther Meistersinger von Kosky), dann bin ich dabei. Und wie.

    da muß nun die sicher nicht taufrische Gegenfrage kommen - wenn er derartiges beabsichtigt, warum schreibt er kein Buch oder ein eigenes Stück?

    Zitat

    Gerade dieses Werk, wie so viele andere auch, zeigen, dass das vermeintlich Historische, das so viele gerne auf der Bühne sehen möchten,

    vorsicht, wird hier nicht gerade die Argumentationsfalle aufgestellt, die ich in #2415 ansprach? es geht nicht um etwas real-Historisches, sondern um die spezifische Gestalt eines Werkes, in welchem fiktiv-Historisches eine Dimension bildet.

    Zitat

    ... ja doch immer nur die Projektion des Komponisten ist, denen der Regisseur gerne seine Sicht entgegensetzen darf/soll/muss - wie auch immer.


    aber diese "Projektion", diese Oberfläche gehört zur Sache und ist das, was zur Darstellung zu bringen ist - der etwas "entgegensetzen" heißt die Sache zerstören.
    es gibt keinen "Kern" ohne die dazugehörige Oberfläche.

    die Trojaner sind in sich unsinnig, wenn sie nicht in einer - von den Autoren von Vergil bis Berlioz - gestalteten wie auch immer fiktiven Antike spielen.

    ...

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
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  • Taminouser Amfortas08 hat dort ein Statement eingestellt, bei dem sich m.E. gut einhaken läßt:

    Zitat

    Aber genau [so, zabki] vorstellbar und sinnvoll, dass Opernregie versucht einen Kontrast zum Werk zu bilden.

    Es existiert mir kein plausibler Grund, dass sich Regie und Publikum von z.B. ideologischen Schlagseiten, in Gestalt arischer bzw. tendenziell antisemitischer Kunstreligion oder vom Erlösungskitsch in Wagners Parsifal sich blöde zu machen hat.

    Wagner gestaltete im Parsifal sogar selbst den Kontrast, indem darin dunkle dissonante Klangfarben im Verhältnis zur diatonischen Sphäre der Mucke an Bedeutung so dolle zunehmen, dass damit seine Erlösungsideologie/kitsch darin beginnt sich aufzubröseln.

    Und deiner Forderung nach "Einklang" erfüllt sich ja damit, falls Regie auf derartige Schichten/Schlagseiten im Parsifal Bezug nimmt, sie verdeutlicht. Die Chose gerät also wiederum zur einer Art "Einklang" 2.0 mit dem Parsifal.


    wirklich gut auf den Punkt gebracht, gar nicht so einfach, dagegen zu halten.

    Es existiert mir kein plausibler Grund, dass sich Regie und Publikum von z.B. ideologischen Schlagseiten, in Gestalt arischer bzw. tendenziell antisemitischer Kunstreligion oder vom Erlösungskitsch in Wagners Parsifal sich blöde zu machen hat.


    hier erstmal 100% zugestimmt. Daraus folgt m.E., daß das Interesse, sich Parsifal zu Gemüte zu führen, primär die Musik ist - zugegeben, es ist und bleibt eine Theatermusik, die nicht gänzlich losgelöst vom "Drama" verstanden werden kann. aber dieses "Drama" hat kein Eigeninteresse.

    Konsequenz wäre für mich: die Darstellung des - an und für sich Uninteressanten - Dramas auf das unbedingt Nötige zu reduzieren (etwa in konzertanter ooder halbszenischer Aufführung). Einen "Kontrast" zu bilden, würde ja gerade die Funktion des Dramas, der Musik (auf die es ankommt) eine Verständnisdimension hinzuzufügen, in der Regel nicht erfüllen können (sonst wär sie ja kein Kontrast).

    Allbekanntes Beispiel: das Stauwehr im Chereau-Boulez-Rheingold kann der von Wagner komponierten Musik nicht die Bedeutungsdimension hinzufügen, die der Komponist eigentlich gestaltet hat, sondern steht quer zu dieser, konterkariert diese. obwohl das Stauwehr zugegeben was Beeindruckendes hat, bleibt es ein Stück kunstwidriger Willkür.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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  • da muß nun die sicher nicht taufrische Gegenfrage kommen - wenn er derartiges beabsichtigt, warum schreibt er kein Buch oder ein eigenes Stück?

    Weil Musik auch interpretiert werden will und Oper eben auch?

    aber diese "Projektion", diese Oberfläche gehört zur Sache und ist das, was zur Darstellung zu bringen ist - der etwas "entgegensetzen" heißt die Sache zerstören.

    Aber vielleicht liegt unter der 'Oberfläche' noch etwas, was uns heute beschäftigen kann, was aber nur sichtbar werden kann, wenn man dafür an der Oberfläche herumkratzt.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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  • Weil Musik auch interpretiert werden will und Oper eben auch?

    ich bin ja auch eigentlich ken Anhänger der "Interpretation", und würde für die Tätigkeit der Ausführenden solche aus dem Wortgebrauch der Wiener Schule stammende Ausdrück wie "Reproduktion", "Darstelllung" etc. bevorzugen. Mit diesen ist allerdings auch nichts bezeichnet, was man so direkt auf den Tisch legen kann, sondern eher eine Intention angedeutet.

    Zitat

    Aber vielleicht liegt unter der 'Oberfläche' noch etwas, was uns heute beschäftigen kann, was aber nur sichtbar werden kann, wenn man dafür an der Oberfläche herumkratzt.

    dieses Herumkratzen wäre m.E. wiederum eher die Aufgabe verbaler Auseinandersetzung (also "Wort und Schrift"), und nicht direkt Aufgabe der Darstellung. Diese hat es mit der "Oberfläche" zu tun, und was auf diese Weise nicht deutlich wird, zählt nicht. Insbesondere hat die Darstellung nicht wieder hervorzuholen, was der Autor hineingesteckt haben mag, also sozusagen das Kunstwerk rückabzuwickeln.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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