Lieber Wolfram! Puh, bist Du Dir da wirklich sicher? Ja, das Äußere ist (leider) extrem wichtig, und Karrieren hängen nicht selten davon ab, ob jemand gut ausschaut oder nicht (nicht nur im Opernbereich, auch bei gewissen Pianistinnen etc. frage ich mich das), aber ich denke, das war schon immer so. Ausnahmen wie Caballé, Pavarotti, Botha, Alessandra Marc etc. gibt es natürlich auch,
Caballé und Pavarotti begannen ihre Karrieren, als es noch nicht so rigide, auch von den Regisseuren, gehandhabt wurde. Wobei ich gerade überlege, ob Wieland jemand mit der Körperfülle der Caballé nach Neu-Bayreuth eingeladen hätte. Sein Ideal war dann ja die Silja und da ging es nicht nur um die jugendliche Stimme. Aber das ist Spekulation.
Die Marc hat aufgrund ihres Aussehens erhebliche Probleme gehabt, Opernengagements zu bekommen. Pavarotti hat in Hamburg 1978 den Nemorino gesungen, was überhaupt kein Problem damals war. Nun stell dir mal vor, Botha hätte in unserer Zeit in diesem Fach gesungen. Ich glaube nicht, dass er engagiert worden wäre.
Insgesamt halte ich es für sehr plausibel, zeigen zu wollen, dass Tristan+Isolde ihre Liebe quasi aufgezwungen wurde, dass sie sich nicht freiwillig dafür entschieden haben.
Wie sie zu ihrer Liebe gekommen sind, ist ja eigentlich nebensächlich. Gängig ist oder war jedenfalls, dass sie ab Akt II das Liebespaar sind.
Daher meine ich, dass Inszenierungen/Kunstwerke einfach im Kontext ihrer Zeit zu betrachten sind und sich - vielleicht ganz nebenbei - auch auf diese Zeit beziehen, nicht nur auf die, in der sie "spielen".
Okay, das waren jetzt viele komplizierte Formulierungen für eine recht einfache Sache Vielleicht bin ich aber um diese Uhrzeit nicht mehr in der Lage, halbwegs verständliche Sätze zu produzieren...
Doch das bist du. Und natürlich ist das richtig. Wieland z.B. in Neu-Bayreuth ist eindeutig Kind seiner Zeit.
Gute Frage! Ich denke, weil der Regisseur die Aufgabe hat, ein Werk zu interpretieren. Deswegen darf er mE auf der Bühne grundsätzlich auf der Bühne machen, was er will, aber keine / kaum Eingriffe in die Musik vornehmen. Die Interpreten (Dirigent, Pianist, Solo-Cellist etc.) dürfen und sollen und müssen ja auch viel interpretieren, aber es ist ihre Aufgabe, die Noten, die notiert sind, zu spielen, vereinfacht gesagt.
Das sehe ich anders. Regisseur wie auch Interpret deuten ein Werk, bzw. sie deuten das ihnen vorliegende Material. Der Solist z.B. die Noten (und lässt, wenn er denn wirklich gut ist, auch die Zeitumstände mit einfließen) und der Regisseur Text/Handlung und damit verbunden auch die Musik. Beide dürften von daher eigentlich auch Eingriffe in die Musik vornehmen. Nur reagieren viele heute extrem empfindlich auf Eingriffe in die Musik, während Eingriffe in die Handlung/den Text völlig ok sind. Wenn das bei der Oper aber nicht erlaubt wäre (also Handlung ok, Musik keinesfalls), würde das ja bedeuten, dass die Musik, der Gesang einen wesentlich höheren Stellenwert als das Wort besitzt. Mach das mal Wagner klar.
Oder ein anderer Grund: Wenn mir in der Oper die Inszenierung gar nicht zusagt, kann ich immerhin noch die Augen schließen oder gleich einen Platz ohne Sicht einnehmen.
Lass das bloß keinen Regisseur hören. Aber ernsthaft, wenn mir eine Inszenierung nicht zusagt, kann ich nicht die Augen schließen, weil ja eigentlich Text und Musik zusammengehen (sollten) und eine gute Produktion das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis mit berücksichtigt und die Inszenierung von daher beide Seiten betrifft. Dass das wohl oftmals nicht der Fall ist, zeigt dann aber wiederum, dass dem Regisseur die Szene wichtiger war als die Musik. (Was ihn für mich nicht zu einem guten Regisseur macht. )
Wolfram