Was ist, was soll, was darf Opernregie? Und was nicht?

  • ich bin ja auch eigentlich ken Anhänger der "Interpretation", und würde für die Tätigkeit der Ausführenden solche aus dem Wortgebrauch der Wiener Schule stammende Ausdrück wie "Reproduktion", "Darstelllung" etc. bevorzugen. Mit diesen ist allerdings auch nichts bezeichnet, was man so direkt auf den Tisch legen kann, sondern eher eine Intention angedeutet.


    Woher soll ich denn wissen, was ich "darzustellen" habe? Dafür muss ich doch in der Regel den Text (Noten- oder Sprachtext) studieren und - oho! - interpretieren, oder etwa nicht?

    Anders gesagt: ich habe gerade Brahms op. 117 Nr. 1 gespielt. Welcher Quelle kann ich entnehmen, ob das von mir gewählte Tempo "korrekt" war (und ich damit nur etwas "reproduziert" oder "dargestellt" habe) oder ob es sich bei meiner Wiedergabe um eine unbotmäßige "Interpretation" gehandelt hat?

    Insbesondere hat die Darstellung nicht wieder hervorzuholen, was der Autor hineingesteckt haben mag, also sozusagen das Kunstwerk rückabzuwickeln.


    In welchem Gesetzestext zur Ästhetik steht denn diese allgemeine Regel?

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • gar nicht so einfach, dagegen zu halten.


    Na, ja. Man könnte Chose ja einfach abnicken. Hätte ich nischt dagegen. :D

    zugegeben, es ist und bleibt eine Theatermusik, die nicht gänzlich losgelöst vom "Drama" verstanden werden kann. aber dieses "Drama" hat kein Eigeninteresse.


    Falls du damit meinst, es nicht von Mucke abzukoppeln. Ja.
    Falls du damit meinst, dass vor allem Wagners Mucke den Parsifal in Richtung CL-Plätze katapultiert. Nochmal Ja.

    Einen "Kontrast" zu bilden, würde ja gerade die Funktion des Dramas, der Musik (auf die es ankommt) eine Verständnisdimension hinzuzufügen, in der Regel nicht erfüllen können (sonst wär sie ja kein Kontrast).


    Da checkt bisher mein Brägen nicht, was du damit meinst. :( ?(

    Konsequenz wäre für mich: die Darstellung des - an und für sich Uninteressanten - Dramas auf das unbedingt Nötige zu reduzieren (etwa in konzertanter ooder halbszenischer Aufführung)


    Ob draus zwangsläufig Konsequenz (falls du das so meinst) von konzertant bzw. halbszenisch zu ziehen wäre, ist mein Brägen sich nicht sicher.
    Dockst du damit an Wagners (von Cosima ? überlieferten) Forderung nach unsichtbaren Theater an; ohne Schminke und so ?( Heinz-Klaus Metzger kam diese Idee Wagners mega-cool rüber.
    Reduktion des Parsifals auf konzertanter und/oder halbszenischer Aufführung wäre eine (nicht einzige) Möglichkeit. Konzertant ist ja nicht unüblich, auch Christoph Eschenbach hatte mal den 3. Akt konzertant gequält. In einem Radio-Talk bezeichnete er die Mucke als Sinfonie für Orchester und begleitende Stimmen (okay, okay, okay etwas Chor ist im 3. Akt och noch dabei).

    des - an und für sich Uninteressanten - Dramas auf das unbedingt Nötige zu reduzieren


    Mein Brägen versucht sich mal ins Zeug schmeißen zu Gunsten des Librettos; wäre dabei nicht zu isolieren von Mucke.
    Auffälliger noch als beim Tristan, kommt Dominanz von Monologen darin rüber. Im Tristan wundert das beim Reinziehn nicht so, weil 1. Und 3. Akt einen sowieso monodrama-like rüberkommen.Das ist beim Parsifal nicht der Fall.
    Und darin lassen Monologe den Fluss quasi zum Stillstand kommen. Diese angezogene Handbremse bildet Schiri-Arschkarte gegen Action, gegen dramatischen Verlauf. Meinen Brägen kommen da Cechovs „Drei Schwestern“, auch etwas Gorkis „Sommergäste“ oder die drei Szenen von Thomas Bernhards "Heldenplatz" auf Schirm. Die 2. Szene wird bei Bernhard totalst von den Monologen des selbstbezogenen Professor Robert in den Schwitzkasten genommen.
    https://www.youtube.com/watch?v=SyQUa1iX0OQ
    ~ 01:04:21
    Dieser im Parsifal m.E. vom Text (!) aus funzender Stillstand, die damit verbundene tendenzielle Zerrüttung vom Mucken-Drama-Verlauf (bzw. Bühnenweihfestspiels) bildete dann quasi sowas wie gesonderte Schicht, die nicht unmittelbar auf und mit "Oberfläche" (um mal an deinen Begriff anzuknüpfen) schwimmt/plätschert. Dieser Stillstand/Zerrüttung kommt einen wie eine Sprache 2.0 oder als Text 2.0 rüber, wär also auch nicht unmittelbar mit dem Text des Librettos bzw. dem Erlösungs-Stoff zu identifizieren. Und diese fetzige Quali flasht einen beim Parsifal-Reinziehn.
    Regie könnte das irgendwie deutlich machen, wenn es nicht bereits gemacht wurde. Wumpe, ob dann rt-like oder nicht....

    Allbekanntes Beispiel: das Stauwehr im Chereau-Boulez-Rheingold kann der von Wagner komponierten Musik nicht die Bedeutungsdimension hinzufügen, die der Komponist eigentlich gestaltet hat, sondern steht quer zu dieser, konterkariert diese. obwohl das Stauwehr zugegeben was Beeindruckendes hat, bleibt es ein Stück kunstwidriger Willkür.

    Das Setting bzw. die Situation vom Rheingoldbeginn ist keine kuschlige Datsche aus quasi bloß 1. Natur. Denn zunächst wird die fiese Felsumgebung nicht als nette Blumenwiese, wie vor Walhall beschrieben. Und dann werden Woglinde und Wellgunde von Flosshilde zusammengefaltet, ob ihrer sorglos-zweckfreien Polonaisen-Attitüde. Wotan chillt dagegen zu Beginn der 2. Szene. Bei zickenkriegs-affiner Fricka sind die Rheintöchter sowieso nie besonders wohlgelitten.
    Somit könnte Stauwehr, vielleicht als Metapher für bereits herrschende 2. Natur oder so hinhalten. Okay, kommt durchaus „willkürlich“ rüber. Aber „kunstwidrig“ find ich ungerecht. :( :heul1: Was andererseits ja nicht bedeutet, dass da unbedingt Stauwehr sein muss und jeder Besucher das noch supi zu finden hat.
    Dazu mal versucht nach Tonarten von Rheingold-Beginn und Götterhämmerung-Ende zu checken. Also Rheingold-Chose beginnt mit tiefen Es, dann wird Es-Dur draus und modelt dann später in Richtung As-Dur. Götterhämmerung-Ende wird mit Sieglindethema ( "Oh hehrstes Wunder! Herrlichste Maid!") in Des-Dur eingeleitet. Mein Brägen hat aber leider damit bisher nicht auf Schirm, welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen wären… :( ?( ?( ?(

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann


  • Woher soll ich denn wissen, was ich "darzustellen" habe? Dafür muss ich doch in der Regel den Text (Noten- oder Sprachtext) studieren und - oho! - interpretieren, oder etwa nicht?


    Klar, aber das ist nur ein Teil der Tätigkeit, und das Entscheidende ist, dass am Ende die Noten in Klänge umgesetzt werden, in Schallwellen, das macht auf jeden Fall der Ausführende, während er große Teile der Interpretation einfach von anderen übernehmen kann (von Musikwissenschaftern, aus der Tradition).

    Insofern finde ich die Bezeichnung "Interpret" geradezu irreführend und vermeide sie.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Woher soll ich denn wissen, was ich "darzustellen" habe? Dafür muss ich doch in der Regel den Text (Noten- oder Sprachtext) studieren und - oho! - interpretieren, oder etwa nicht?

    Anders gesagt: ich habe gerade Brahms op. 117 Nr. 1 gespielt. Welcher Quelle kann ich entnehmen, ob das von mir gewählte Tempo "korrekt" war (und ich damit nur etwas "reproduziert" oder "dargestellt" habe) oder ob es sich bei meiner Wiedergabe um eine unbotmäßige "Interpretation" gehandelt hat?

    ich will mich nicht auf die Wortwahl versteifen. ich sprach ja auch von "Tendenzen". Es ist also kein Verfahen gemeint, aufgrund dessen man dann ein für allemal behaupten könnte "das ist jetzt das richtige Tempo".

    Die Tendenz würde aber erstmal darauf gehen, daß es nicht darum geht, eine "eigene", "otriginelle" Darstellung vorzulegen. das wäre kein Kriterium. Genauso wenig, einfach nachzuspielen, was "die Interpreten" im allgemeinen so machen.

    Beim Beispiel op. 117,1 wurde man sich also beispielsweise die Taktart anschauen unter Berücksichtigung von Harmoniewechsel und formaler Struktur, und sich eine Meinung darüber bilden, wie diese Aspekte zugleich am besten herauskämen. Nicht aber mit vorgefaßten Ideen an die Sache herangehen.

    Zitat

    In welchem Gesetzestext zur Ästhetik steht denn diese allgemeine Regel?


    ach, da und dort habe ich solche Gedanken wohl schon gelesen, und sie leuchten mir sehr ein. warum sonst überhaupt ein Kunstwerk und nicht gleich eine Mitteilung des gemeinten?

    ... aber wie es der Zufall will, stoße ich auf ein Zitat, das so etwas im Zusammenhang von Hegels Ästhetik formuliert:

    Jedes Kunstwerk handelt vor dem Hintergrund anderer Kunstwerke, in deren Tradition es sich stellt und an die es affirmativ oder ablehnend anknüpft, aus sich heraus aus, was seine Elemente und Eigenschaften sind. Jedes Kunstwerk spricht sozusagen seine eigene Sprache – aber eine Sprache, die zugleich keine Sprache ist, da sie nicht übersetzbar ist. In diesem Sinne gibt es kein Dahinter oder Jenseits dessen, was das jeweilige Werk oder die jeweilige Performance an seiner oder ihrer Oberfläche leistet; dass uns Kunstwerke tiefe Einsichten vermitteln, kann nur insofern verständlich gemacht werden, als sich diese Tiefe nur für denjenigen, der konsequent bei der Oberfläche der Kunstwerke verweilt, zeigt – und das heißt eben, dass er auf der Ebene des Nachvollzugs der Form des Kunstwerks verweilt. All dies gesteht Hegel den Formalisten zu.

    in: Daniel Martin Feige: Die Zeitlichkeit der Musik als Form der Zeitlichkeit des Subjekts: Hegel über Musik und Geschichte, 2914, Münstersches Informations- und Archivsystem multimedialer Inhalte (MIAMI) URN: urn:nbn:de:hbz:6-42329410638, S. 5

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Klar, aber das ist nur ein Teil der Tätigkeit, und das Entscheidende ist, dass am Ende die Noten in Klänge umgesetzt werden, in Schallwellen, das macht auf jeden Fall der Ausführende, während er große Teile der Interpretation einfach von anderen übernehmen kann (von Musikwissenschaftern, aus der Tradition).

    Insofern finde ich die Bezeichnung "Interpret" geradezu irreführend und vermeide sie.


    Die Tradition (und zum Teil sogar die Wissenschaft) sind aber durchaus heterogen. Wenn ich Beethovens Eroica dirigieren soll, kann ich mich entscheiden, ob ich das Stück eher wie Furtwängler oder eher wie Norrington auffassen möchte - das sind aber zwei total unterschiedliche Sichtweisen auf dasselbe Material. Selbst wenn es für mich Vorbilder gibt, muss ich also wählen, in welche Richtung meine Darbietung gehen soll. In der Regel wird das nur gehen, wenn ich den Originaltext (plus eventuell noch eine Ladung Rezeptionsgeschichte) studiere und mich dann entscheide. Mit anderen Worten: ich "interpretiere".

    Ich weiß auch gar nicht, warum dieser Begriff gemieden wird wie das Weihwasser durch den Teufel. Wenn man die Aufgabe hat, eine schriftlich fixierte Vorlage - sei es nun ein Notentext oder ein Werk des Musiktheaters - in eine sinnlich erfahrbare Aufführung umzusetzen, geht das doch nur, wenn man sich mit dem Gehalt der schriftlich fixierten Vorlage befasst - sie also "interpretiert". Ich halte das für einen integralen Bestandteil der tradierten abendländischen Kunstpflege. Wieso drückt man sich um diese geradezu simple Erkenntnis?

    LG :wink:

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  • Wieso drückt man sich um diese geradezu simple Erkenntnis?

    Ich drücke mich um keine Erkenntnis, ich behalt mir vor, selbst zu entscheiden, welche Aspekte ich wie durch meine Wortwahl gewichte, auch wenn das "Symbol" zu ärgern scheint.

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  • Beim Beispiel op. 117,1 wurde man sich also beispielsweise die Taktart anschauen unter Berücksichtigung von Harmoniewechsel und formaler Struktur, und sich eine Meinung darüber bilden, wie diese Aspekte zugleich am besten herauskämen. Nicht aber mit vorgefaßten Ideen an die Sache herangehen.


    Nicht mit vorgefassten Ideen, aber mit Ideen, die sich aus dem Notentext ergeben.

    Nehmen wir nochmal op. 117 Nr. 1. Ich habe das Stück gestern in der Aufnahme von Julius Katchen gehört (der natürlich um Lichtjahre besser Klavier spielte als ich es jemals können werde). Katchen verwendet mehr Rubato als ich, er "stockt" sozusagen kurz am Ende jeder Phrase, während ich das Stück eine Idee metronomischer spiele.

    Dann schaut man mal in den Notentext. Dort schreibt Brahms zu Beginn "semplice" und "dolce". Mir ist offensichtlich die erste Anweisung etwas wichtiger, Katchen die zweite. Das korreliert aber mit einer generellen Haltung zu dem Stück: fasst man es eher als Wiegenlied oder als bittersüßlich-melancholischen Gesang auf? Der Notentext gibt m. E. beides her, also stecken diese Möglichkeiten in ihm drin. Ich kann das Stück aber nur auf eine bestimmte Weise zugleich spielen, also muss ich es - jetzt kommt wieder das Donnerwort - "interpretieren", indem ich mich auf eine Option festlege (mit der Freiheit, dies in einem Monat oder einem Jahr anders zu sehen).

    ach, da und dort habe ich solche Gedanken wohl schon gelesen, und sie leuchten mir sehr ein. warum sonst überhaupt ein Kunstwerk und nicht gleich eine Mitteilung des gemeinten?


    Ich sage ja nicht, dass ich es für anratenswert halte, den ästhetischen Aspekt des Kunstwerkes komplett zu ignorieren. Dann müsste man sich in der Tat die Frage stellen, wieso man die behandelte Thematik in künstlerischer Form darbieten soll, wenn man die Sphäre des Künstlerischen vollständig abstreifen möchte.

    Trotzdem folgt daraus kein "Verbot", das Kunstwerk gewissermaßen zu sezieren. Damit muss man ja seine Ästhetik nicht zwangsläufig zerstören oder negieren, sondern man kann z. B. darauf hinweisen, dass das Stück sich nicht in der Ästhetisierung seines Sujets erschöpft.

    Eigentlich ist dies sogar ein Argument pro Regietheater. Im Musiktheater hat man ja auf jeden Fall eine ästhetische Komponente mit dabei, nämlich die Musik. Damit entstehen aber Freiheitsgrade, um bezüglich des inhaltlichen Teils hinter die Fassade zu blicken - trotzdem bleibt das Gesamterlebnis damit immer noch künstlerischer (und nicht seminaristischer) Natur.

    LG :wink:

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  • Ich drücke mich um keine Erkenntnis, ich behalt mir vor, selbst zu entscheiden, welche Aspekte ich wie durch meine Wortwahl gewichte, auch wenn das "Symbol" zu ärgern scheint.


    Dann empfehle ich Dir etwas mehr Textstudium und weniger Interpretation. ;) Deine Aussagen ärgern mich nämlich keineswegs. Ich finde sie lediglich (vor dem Hintergrund der Traditionen abendländischer Kunstpflege) reichlich unlogisch.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Dann empfehle ich Dir etwas mehr Textstudium und weniger Interpretation. ;) Deine Aussagen ärgern mich nämlich keineswegs. Ich finde sie lediglich (vor dem Hintergrund der Traditionen abendländischer Kunstpflege) reichlich unlogisch.

    Und ich empfinde die Hervorkehrung der interpretierenden Tätigkeit beim ausführenden Musiker unlogisch. Dabei habe ich bei diesem Komplex abendländischer Kunstpflege Komposition - Ausführung - Musikwissenschaft wesentlich mehr Erfahrung als geschätzt 99% der Forenmitglieder.
    :P

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  • Dabei habe ich bei diesem Komplex abendländischer Kunstpflege Komposition - Ausführung - Musikwissenschaft wesentlich mehr Erfahrung als geschätzt 99% der Forenmitglieder.


    Das mag sein, aber das bedeutet nicht, dass Du unbedingt recht haben musst. Du kannst ja nochmal nachlesen, was unser ehemaliges Mitglied Christian Köhn zum Thema "Interpretationen" hier im Laufe der Jahre so geschrieben hat - und dem wird man mangelnde Erfahrung mit dem von Dir skizzierten "Klassik-Triathlon" wohl kaum vorwerfen können.

    LG :wink:

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  • Wenn ich Beethovens Eroica dirigieren soll, kann ich mich entscheiden, ob ich das Stück eher wie Furtwängler oder eher wie Norrington auffassen möchte - das sind aber zwei total unterschiedliche Sichtweisen auf dasselbe Material. Selbst wenn es für mich Vorbilder gibt, muss ich also wählen, in welche Richtung meine Darbietung gehen soll. In der Regel wird das nur gehen, wenn ich den Originaltext (plus eventuell noch eine Ladung Rezeptionsgeschichte) studiere und mich dann entscheide.

    Ja, hier gehe ich mit der Wortwahl völlig konform: Ich entscheide, welcher Tradition ich mich in meiner Umsetzung anschließe. Der Begriff "Interpretation" liegt nicht so nahe.

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  • Das mag sein, aber das bedeutet nicht, dass Du unbedingt recht haben musst. Du kannst ja nochmal nachlesen, was unser ehemaliges Mitglied Christian Köhn zum Thema "Interpretationen" hier im Laufe der Jahre so geschrieben hat - und dem wird man mangelnde Erfahrung mit dem von Dir skizzierten "Klassik-Triathlon" wohl kaum vorwerfen können.

    Natürlich muss ich nicht Recht haben, und die Erinnerung an Ex-Mitglied Köhn hat mir ja auch die 99% eingegeben. Zumal habe ich immer geschrieben, dass es mir um meine Begrifflichkeit geht, nicht, dass ich irgendjemandem Vorschriften machen will. Aber ich stimme zu, dass das Pochen auf den eigenen Hintergrund in einer Internetforumsdiskussion Käse ist, ich frage mich, wieso ich jetzt darauf verfallen bin.
    :/

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  • Erinnerung an Ex-Mitglied Köhn

    ich bedaure sehr, daß Ch. Köhn nicht mehr als Diskussionspartner zur Verfügung steht. Denn mir ist erst in den letzten Monaten deutlicher klargeworden, zu welch absurden Konsequenzen die von ihm in seiner letzten Zeit hier vertretene Theorie von der "Interpretation als eigenständigem Kunstwerk" führt.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Der Begriff "Interpretation" liegt nicht so nahe.


    Das tut er durchaus. Man wird nämlich kaum jemals eine exakte Kopie einer anderen Darbietung abliefern wollen - nicht so sehr aus Originalitätsdrang, sondern eher als Folge der simplen Erkenntnis, dass Menschen seltenst exakt gleiche Ansichten vertreten, wenn es um den Umgang mit einer sehr komplexen Materie geht.

    Insofern habe ich, wenn ich ein Stück aufführen soll, den Text sowie eine Wagenladung Rezeptionsgeschichte vor der Brust. Bis zu welchem Maße ich mich von letzterer beeinflussen lasse, liegt an mir, aber um den Text des Stücks komme ich nicht herum. Den studiere ich dann und mache mir meine Gedanken, also... ach, das hatten wir wohl schon. ;)

    LG :wink:

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  • Aber ich stimme zu, dass das Pochen auf den eigenen Hintergrund in einer Internetforumsdiskussion Käse ist, ich frage mich, wieso ich jetzt darauf verfallen bin.


    Ich finde das eigentlich gar nicht so schlimm. Man sollte nur nicht annehmen, dass der eigene Hintergrund automatisch bedeutet, dass man richtig liegen muss. Aber ich habe Dich auch eher so verstanden, dass Du Deine Sicht der Dinge geschildert hast - und das darfst Du natürlich gerne.

    Es gibt immerhin höchst gerühmte Musiker, die den Käse vom "'Diener am Werk" vertreten. :D

    LG :wink:

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  • ich bedaure sehr, daß Ch. Köhn nicht mehr als Diskussionspartner zur Verfügung steht. Denn mir ist erst in den letzten Monaten deutlicher klargeworden, zu welch absurden Konsequenzen die von ihm in seiner letzten Zeit hier vertretene Theorie von der "Interpretation als eigenständigem Kunstwerk" führt.


    Ich weiß nicht, ob Du Dich jetzt nur auf rein musikalische Darbietungen beziehst. Im Falle des Theaters wird die Theorie von der Aufführung als Werk in den Theaterwissenschaften m. W. recht weitgehend akzeptiert. Es gab hierzu auch mal Ausführungen unseres ehemaligen Mitglieds Argonaut, dem man mangelnde Fachkenntnis zu diesem Thema kaum vorwerfen kann.

    LG :wink:

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  • Ich weiß nicht, ob Du Dich jetzt nur auf rein musikalische Darbietungen beziehst. Im Falle des Theaters wird die Theorie von der Aufführung als Werk in den Theaterwissenschaften m. W. recht weitgehend akzeptiert. Es gab hierzu auch mal Ausführungen unseres ehemaligen Mitglieds Argonaut, dem man mangelnde Fachkenntnis zu diesem Thema kaum vorwerfen kann.

    soweit ich mich erinnere, hat Ch. Köhn diese Theatertheorie für die musikalische Interpretation adaptiert. Und da würde das - wenn man es ernst meint und es nicht bloß ein verbales Statement bleibt - zu m.E. abenteuerlichen und undurchführbaren Konsequenzen führen. z.B. müßte man Prüfungsleistungen von Studierenden rein aus sich, ohne Bezugnahme auf den Notentext des gespielten Stückes, beurteilen.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • soweit ich mich erinnere, hat Ch. Köhn diese Theatertheorie für die musikalische Interpretation adaptiert. Und da würde das - wenn man es ernst meint und es nicht bloß ein verbales Statement bleibt - zu m.E. abenteuerlichen und undurchführbaren Konsequenzen führen. z.B. müßte man Prüfungsleistungen von Studierenden rein aus sich, ohne Bezugnahme auf den Notentext des gespielten Stückes, beurteilen.


    Ich kann hier nicht für Christian sprechen, dazu fehlen mir sowohl die Legitimation als auch die Fachkompetenz.

    Ich meine mich aber zu erinnern (ohne es jetzt nachzusehen - ich bin etwas unter Zeitdruck), dass wir die Frage der Übertragbarkeit dieses Ansatzes auf die Musik mal diskutiert haben, dabei allerdings nicht zu klaren Ergebnissen gelangt sind.

    LG :wink:

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  • die den Käse vom "'Diener am Werk"

    falls das ernst gemeint sein sollte - das mit dem "Käse" - so möchte ich doch energisch widersprechen. Sicher, da ist etwas veraltetes Pathos mit dabei, ansonsten eine adäquate Beschreibung des Verhältnisses von Werk und "Interpret", wie es sein sollte.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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  • Taminouser Amfortas08 hat dort ein Statement eingestellt, bei dem sich m.E. gut einhaken läßt:

    stellen diese finsteren, düsteren Züge im Parsifal - ganz großartig, einen fast unwiderstehlichen Sog ausübend zweifellos - wirklich einen "Kontrast" zu solch widrigen Aspekten dar? Wären sie nicht vielmehr deren Affirmation? Da wäre ich mir gar nicht sicher. Mir sind sie verdächtig.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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