Dirigenten im deutschen Sprachraum 1945-1965

  • Redaktioneller Hinweis: Den Titel habe ich eben erweitert: statt "... in Deutschland..." nun "... im deutschen Sprachraum...".

    :gurni:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ich habe den Eindruck, das er, der zwischen 1933 und 1945 nicht besonders auffiel und schon garnicht mit Avantgarde, sich gesagt hat, 'dirigiere ich eben moderne Werke, die kennt eh keiner, dann fällt nicht auf, das ich eben nur mittelmäßig bin.'

    Neue Musik hat Rosbaud ja auch schon vor 33 dirigiert und hatte sich damit bereits zumindest bei Insidern auch einen Namen als Spezialist mit gemacht, 33 - 45 dann das viel, was an Neuer Musik noch übrig war und gespielt werden durfte, z.B. Zilligs "deutsche Zwöftonmusik", die in der Zeit angeblich nichts mit Schönberg zu tun hatte, aber vor der herausgehobenen Position in Straßburg auch Strawinsky und Bartok, die durchaus gespielt werden durften. Peter Brixius hat anderswo mal darauf hingewiesen, dass Bartok, der eine öffentliche Solidaritätserklärung mit den Verbotenen und Verfolgten abgegeben hatte, in der er sich sich dagegen verwahrt hatte, dass seine Werke in faschistischen Ländern gespielt wurden, eher das Problem hatte, dies nicht durchsetzen zu können. Zwar gabe es, wo diese aufgeführt wurden, dann auch immer ein paar Artikel von musikpolitisch konservativen "Alten Kämpfern", aber immer auch andere und immer auch irgendwelche Diadochen, die im polyzentrischen Herrschaftsregime des deutschen Faschismus so etwas zuließen und förderten.

    Straßburg war durchaus eine herausgehobene, auch in Kriegszeiten besonders gut ausgestattete Position. Die hat nur jemand bekommen, der auch künstlerisch besonders aufgefallen war und das war Rosbaud bei seinenen vorangegangenen Positionen. Die hat aber auch nur jemand bekommen, der den Nazis politisch nicht negativ aufgefallen war, vielleicht sogar eher positiv, wie vielleicht Rosbaud mit einigen Artikeln, z.B. gegen den Jazz.

    Nach 45 mußten sich dann auch die wenigen Re-Migranten wie Adorno, wenn sie wirksam sein wollten, Verbündete suchen und das waren dann halt wieder seine alten Bekannten Rosbaud und Zillig. So war auch von solcher Seite im neuen Pakt für die Neue Musik keine Kritik zu erwarten.

    :wink: Matthias

  • Danke, Matthias.

    Ohne Deinen Beitrag wäre dieser thread bisher furchtbar sinnlos gewesen.

    Danke.

    Zitat

    Ich habe auch überhaupt keine Lust, mehr dazu zu schreiben.
    Ich könnte, aber wozu....hier wird nur noch scharf geschossen.

    Das macht keinen Spaß mehr.
    Es ist unerträglich.

    Sehr schade, ich würde gerne von dir profitieren und ich habe schon den Eindruck, dass man sich mit allen, die hier bislang schreiben, fruchtbar auseinandersetzen kann. Die reaktionären Autisten sind andere.

    :wink: Matthias

  • Ein Celibidache wäre nie und nimmer Dirigent eines Klangkörpers wie den Berliner Philharmonikern geworden. Sein weiterer Werdegang hat ja letztendlich auch bewiesen, dass es für die höchste Klasse nie gereicht hatte. (...) mehr als zweit-und drittklassige Orchester hat er selten dirigiert

    Bei aller Freude an unbedarfter "Meinungsäußerung" solltest Du Dich vorab doch wenigstens ein ganz klein bisschen über die Fakten informieren: Celibidache war von 1945 bis 1952 künstlerischer Leiter der Berliner Philharmoniker und stand bis 1954 bei über 400 Konzerten am Pult dieses Orchesters. Außerdem hat er neben seiner langjährigen Tätigkeit als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker u.a. das London Philharmonic Orchestra, das London Symphony Orchestra, das Orchester der Mailänder Scala, das Israel Philharmonic Orchestra, diverse deutsche Rundfunkorchester, die Staatskapelle Berlin und das Orchestre National de France dirigiert. Alles "zweit- oder drittklassige Orchester", ist klar... Michael hat schon recht, so was ist wirklich unerträglich.

    Christian

  • Dieser Thread heißt momentan: Dirigenten in Deutschland 1945-1965
    Bisher kommt aber der zweite deutsche Staat, die DDR, hier nicht vor, außer bei der Erwähnung von Kurt Sanderling durch Doc Stänker.
    Oder läuft die Entwicklung doch ganz parallel zu Trizonesien und späteren "Adenauer-Westtdeutschland"? Das würde eine Hervorhebung verdienen, schließlich war das politische System ein anderes. Daher glaube ich das eher nicht.

    Es gab beides, Parallelen und Differenzen. So hat man sich sicherlich mehr um Remigranten bemüht, aber wer von den Westmigranten wollte schon, über Gastspiele hinaus, in die DDR, außer dem kleinen Kreis überzeugter Kommunisten? Und die richtig guten Ostmigranten, wie Kurt Sanderling, wurden nicht so ohne weiteres weggelassen und fühlten sich auch moralisch verpflichtet, das, was sie in der SU, die sie aufgenommen und gerettet hatte, mit aufgebaut hatten, nicht aufzugeben, wenn man sie dort behalten wollte. Kurt Sanderling schildert die wiederholten langen Verhandlungen zwischen der DDR, die ihn immer wieder zurückholen wollte und der SU, die ihn nicht gehen lassen wollte, und seinen eigenem Hin-und-Her-Gerissensein dazwischen in seiner hochinteressanten "Lebensgeschichte in Gesprächen" mit Ulrich Roloff-Momin:

    Von den Big Names blieben ja nur Hermann Abenroth und Franz Konwitschny. Die will man unbedingt halten und macht dafür sehr viel. Da schaut man bei Abenroth auch über das, was er während des Faschismus gemacht hat - auch voller Widersprüche - und über sein NSDAP-Parteibuch hinweg.

    Daneben blieb ihnen gar nichts anderes übrig, aber das entsprach auch der allgemeinen Politik, eigene Talente heranzubilden und besonders zu fördern - ja auch mit einigem Erfolg.

    Aber genauer müßte man sich das im Zusammenhang mit der Musikpolitik in der DDR insgesamt anschauen, in der es auch einige Auseinandersetzungen und Veränderungen über die Gesamtdauer der DDR gegeben hat, was mit schlichten Totalitarismustheorien nicht in den Griff zu bekommen ist. Das wäre etwas für einen eigenen Thread.

    :wink: Matthias

  • Otmar Suitner


    Suitner steht ja schon ganz am Ende des im Titel genannten Zeitraumes. Ging es mit seiner Karriere nicht erst wirklich los, als er 1960 die Leitung der Staatskapelle Dresden übernahm? Die Aufnahmen, mit denen Suitner in Erinnerung geblieben ist, dürften fast alle aus den 1960er und 1970er Jahren stammen. Interessant finde ich bei Suitner, wie er den Spagat zwischen Osten und Westen versucht hat: Er lebte und arbeitete in der DDR, konnte mit seinem österreichischen Pass aber einfacher ein- und ausreisen als seine ost-deutschen Kollegen. Ich war ganz erstaunt, als ich das zum ersten Mal gelesen habe: Ich hatte Suitner für einen gebürtigen Ostdeutschen gehalten, wie Konwitschny, Kegel, Masur oder andere DDR-Größen.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Sollten hier nicht auch Otmar Suitner und vor allem auch Herbert Kegel auftauchen?

    Klar, aber die starten ihre Karriere als Dirigenten ja erst 45, nach der Befreiung vom Faschismus. Es ist ja duchaus sinnvoll, erst einmal die in den Blick zu nehmen, die bereits vorher als Dirigenten etabliert waren.

    :wink: Matthias

  • Klar, aber die starten ihre Karriere als Dirigenten ja erst 45, nach der Befreiung vom Faschismus. Es ist ja duchaus sinnvoll, erst einmal die in den Blick zu nehmen, die bereits vorher als Dirigenten etabliert waren.

    :wink: Matthias


    Stimmt. Das habe ich im Moment schlicht nicht bedacht. ;+)

    :wink: Agravain

  • Rosbaud war so einer! Leider heute überschätzt, damals sicherlich von großer Hilfe.


    Ein Hinweis am Rande zum Dirigenten Rosbaud : In den U.S.A. war er 61/62 im Gespräch als Nachfolger Reiners, insbesondere die Orchestermusiker wollten ihn .(Seine Krankheit vereitelte alle Pläne). Auch hierzulande wurde er von den Musikern hoch geschätzt. Ob das alles zeitgebunden war ?
    Und im übrigen mag ich diese Aufrechnungen nicht: Wand contra Rosbaud, etc. Wand war Wand, Rosbaud war Rosbaud. Reicht doch, wenn einem der Eine mehr zusagt als der Andere. Clemens Krauss ist nicht so mein Fall, aber seine Schubert 9 und sein Rosenkavalier bzw. seine Neujahrskonzerte
    kann ich nicht ignorieren.

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Rosbaud war nach Scherchen vermutlich der wichtigste Dirigent für neue und zeitgenössische Musik im Europa der Nachkriegszeit. Anhand der wenigen Aufnahmen, die ich kenne (von den in letzter Zeit veröffentlichten Radioaufnahmen kenne ich nichts) halte ich ihn eher noch für einen unterschätzten Geheimtip als für "überschätzt". Natürlich ist das ein insgesamt eher sachlicher Stil, aber die besten Aufnahmen (wie zB Haydns "Oxford-Sinfonie") zeigen eine Konzentration und Intensität im Ausdruck, die nicht oft erreicht werden (auch von dem erratischen Klemperer nur selten).

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Kennt eigentlich jemand Aufnahmen von Hermann Abendroth (1883-1956)? Ich selbst habe nur seinen Namen immer wieder mal gelesen. Tante Wiki ("http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_A…_%28Dirigent%29") behauptet: Er zählte zu den bedeutendsten Orchesterleitern des 20. Jahrhunderts und wurde einmal als „Furtwängler der DDR“ bezeichnet.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Kennt eigentlich jemand Aufnahmen von Hermann Abendroth (1883-1956)?


    Seine Bruckner-Einspielungen sind m.E.alle hörenswert ( 4,5,7,8,9 -zwischen 49-56 entstanden), und : er hat eine tolle 1.Brahms (von 56?) und gute Schubert 8.& 9.Sinfonien hinterlassen. Und die interessante Aufnahme der Meistersinger von 43 . Diese Aufnahmen schätze ich sehr. Kapellmeistertradition?

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Zitat

    Bei aller Freude an unbedarfter "Meinungsäußerung" solltest Du Dich vorab doch wenigstens ein ganz klein bisschen über die Fakten informieren:

    Zitat

    "Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt."

    Danke für den geradezu weitsichtigen Tipp. Ich habe seine Biographie gelesen, und Du wirst es nicht glauben, ich bin des Lesens auch mächtig.

    Zitat

    Michael hat schon recht, so was ist wirklich unerträglich.

    Man könnte dieses Schreibers Postings auch des Öfteren kritisieren, so wie man das bei Allen hier machen könnte. Nur weil ihr Beide euer Geld damit verdient, steht euch nicht das alleinige Recht zu, die Meinungen Anderer als dummes Zeugs hin zu stellen. Klar, wer sich an "Heiligtümern" vergreift, der wird gleich abgewascht. Das ist einfach- zu einfach!!

    Die Aufnahmen Celibidaches sind auch heute noch sehr umstritten. Es gefällt einem oder eben nicht. Er hätte vermutlich nie ein Konzert der Berliner Philharmoniker dirigiert, aber er war da. als kein Anderer da war. ich habe auch nicht gesagt, dass er versagt hat. Seine Allüren und Vorstellungen haben ihm aber letztendlich überall im Wege gestanden. Das kannst Du nicht einfach zur Seite schieben, das wäre zu einfach.

    In München hat er das Verhalten eines Patriarchen an den Tag gelegt, ähnlich eines HvK in Berlin in den letzten Jahren. Nutzt sowas der Musik?Bestimmt nicht!! Hat er die Werke von Bruckner (nur als Beispiel) werktreu aufgeführt? Nein!! Er hat ihn zelebriert, vielleicht auf hohem Niveau, aber kein Tempo entspricht des Komponisten Angaben. Toller Dirigent!! Warum wollte er wohl keine Aufnahmen veröffentlichen? Warum hasste er diese "Konserven"? Weil er genau wusste, dass er dann angreifbar war.

    User Köhn, Dir mag meine Auffassung nicht passen, mich aber mit "Einem Horizont gleich Null" hier dazustellen finde ich eine Frechheit sondersgleichen. Das solltest Du besser unterlassen, damit bist Du anfecht-und angreifbar. Die Moderation bitte ich,diese Passage aus seinem Posting zu streichen!! Das finde ICH unerträglich und arrogant!!!

    Maurice

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Mir fällt zu Abendroth immer gleich Franz Konwitschny (1901-1962) ein. Dessen Bruckner Sinfonien No.2 (51), 5 (61) ,8 (59) und 9 (62) gefallen mir, nicht so seine 4. und 7. Und sein Wagner trifft auch nicht so meinen Geschmack. Im Westen leider erst spät zu entdecken , obwohl man durch Zwangsumtausch
    durchaus einige Eterna-Lp´s mitbrachte .
    Konwitschny und Abendroth waren- ebenso wie Heinz Bongartz (1894-1978, eine singuläre 6. von Bruckner) - Mitglieder der NSDAP , konnten ihre Karriere aber unbeschadet in der DDR fortsetzen. Oswald Kabasta (1896 - 1946) war da konsequenter. Wegen der Verstrickungen mit dem Nazi-Regime beging er Suicid. Er hinterließ gewichtige Einspielungen der 4., 7. und 9.Sinfonie von Bruckner sowie der 9. von Dvorak.

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Ich habe seine Biographie gelesen, und Du wirst es nicht glauben, ich bin des Lesens auch mächtig.

    Und in der Biographie wurde nicht erwähnt, dass er die Berliner Philharmoniker über 400 mal dirigiert hat? Komisch. Oder hast Du das einfach nur überlesen? Jedenfalls ist Deine Behauptung, "Celibidache wäre nie und nimmer Dirigent eines Klangkörpers wie den Berliner Philharmonikern geworden" nachweislicher Unsinn. Von den "zweit- und drittklassigen Orchestern" wie den Münchner Philharmonikern, dem London Symphoniy Orchestra, dem Orchestre National de France usw. ganz zu schweigen. Das ist einfach nur peinlich. Für wen hältst Du Dich eigentlich, dass Du glaubst, Dir über Spitzenorchester so naseweise Urteile erlauben zu können?

    Warum wollte er wohl keine Aufnahmen veröffentlichen? Warum hasste er diese "Konserven"? Weil er genau wusste, dass er dann angreifbar war.

    Er hat sich ausführlich und plausibel zu dieser Frage geäußert. Hast Du wohl nicht gelesen.

    Christian

  • Liebe Diskutanten,

    darf ich euch ersuchen, die allgemeinen Grundsätze höflichen Umgangs ebenso wie die Forenregeln 9 und 10 zu beachten, und ab sofort wieder respektvoll und sachlich miteinander zu diskutieren?

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • darf ich euch ersuchen, die allgemeinen Grundsätze höflichen Umgangs ebenso wie die Forenregeln 9 und 10 zu beachten, und ab sofort wieder respektvoll und sachlich miteinander zu diskutieren?

    Ok ok, ich streiche den "Radius Null" wieder. Wer die Münchner Philharmoniker als "zweit- oder drittklassiges" Orchester bezeichnet, hat seinen Radius schon selbst offenbart.

    Christian

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