Beethoven: Die Streichquartette - Gesamteinspielungen: Empfehlungen der Capricciosi

  • Allerdings entstand deren GA über einen Zeitraum von gut 10 Jahren, einschließlich mehrerer Wechsel in der Besetzung, wenn ich recht erinnere; insofern ist eine Stichprobe vielleicht immer problematisch.

    Dazu paßt, was sich a. a. O. (Faden zum Artemis-Quartett) lesen läßt:

    2007 war eine Wegscheide - seitdem ist das Artemis-Quartett nicht mehr das alte. Ich habe in den letzten 4-5 Jahren ganz unterschiedliche Erfahrungen mit dem Ensemble gemacht: enttäuschende, wie bei einer Aufführung von Beethovens 59/1, die schon spieltechnisch bei weitem nicht an die Aufnahme von 2005 heranreichte. Auch für einige der neueren Aufnahmen gilt das: leider geht der Bruch ja mitten durch die Gesamtaufnahme der Beethoven-Quartette. und die nach 2007 entstandenen Einspielungen z.B. von op. 74 und 135 finde ich zu vordergründig und vor allem zu wenig individuell.


    Jedenfalls konnte ich mich nicht zurückhalten und habe nun die beiden Boxen mit dem Belcea Quartet bestellt.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Vielleicht noch eine Ergänzung zur Artemis-GA. Die wichtigere Information kommt meines Erachtens aus der anderen Rezension. Trotz Gesamtaufnahme hat man nämlich offenbar das nachkomponierte Finale von Op. 130 weggelassen und stattdessen ausschließlich die Große Fuge ans Ende von Op. 130 gesetzt. Bei einer GA schon unverständlich, zumal das zweite Finale doch ein sehr markanter Satz mit Ecken, Kanten und viel Ironie ist. Geärgert hat mich damals auch, dass es anders herum nur in der GA, jedoch nicht als Einzelveröffentlichung (die habe ich alle) Op. 74 zu hören gibt. Da könnte man sich höchstens die MP3s besorgen. Merkwürdige Politik.

  • Bei einer GA fände ich das Fehlen des alternativen Finales auch ein Manko. Wie immer man zur Abtrennung der Fuge stehen mag, entspricht sie der Veröffentlichung des Werks. Im CD-Zeitalter erwarte ich eigentlich auch, dass die ersten 5 Sätze und beide Finaloptionen auf einer CD sind, damit man entsprechend programmieren kann und nicht zum DJ werden muss.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Im CD-Zeitalter erwarte ich eigentlich auch, dass die ersten 5 Sätze und beide Finaloptionen auf einer CD sind, damit man entsprechend programmieren kann und nicht zum DJ werden muss.

    Genau dieser Blödsinn (Op. 130 und Op. 133 auf zwei CDs verteilt) wurde bei der Belcea-Aufnahme veranstaltet. ?( Immerhin sind aber Op. 130 und Op. 133 beide in der gleichen Box Vol. 2.

  • Hallo,

    der Vollständigkeit halber möchte ich diese Einspielung der späten Quartette mit dem Lindsay Quartet nennen:

    Ich persönlich kann sie nicht empfehlen, obwohl der Penguin Guide sie hoch lobt. Das Klangbild ist einfach furchtbar. Ich ertrage maximal einen Satz am Stück. Also nur etwas für Sammler IMHO.

    Helli

  • Ich persönlich kann sie nicht empfehlen, obwohl der Penguin Guide sie hoch lobt.


    Das gilt offenbar für viele Penguin-Empfehlungen bzgl. der Lindsays. Auch der Kater hatte sich ja schon andernorts solchermaßen geäußert. Bei mir stehen Haydns op. 51 und von Schubert die Quartett Nr. 8+13, beide CDs finde ich enttäuschend.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Das Lindsay Quartett ist was Intonation, Klangkultur und klangliche Homogenität betrifft, nicht konkurrenzfähig, mag sein, dass das bei einigen ihrer Aufnahmen durch Expression und Enthusiasmus wettgemacht wird, aber ich bin da eher skeptisch...
    Der Penguin-Guide ist bei Kammermusik weitgehend inkompetent (Zufallstreffer gibt es, aber die Lindsay-Empfehlungen sind wohl hauptsächlich der geographischen Herkunft des Ensembles und des Labels geschuldet). Gerade bei Beethoven gibt es nun wirklich dutzende von Alternativen aus den letzten 80-90 Jahren, da muss man sich die Lindsays nicht antun. ;+)

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    (B. Pascal)

  • Bin gerade dabei, mich in diese Gesamteinspielung zu verlieben:

    Die ersten drei CDs von Vol.1 habe ich durch und bin begeistert. Bisher war das takacs-Quartett mein Favorit. Ich finde, Belcea ist noch etwas zupackender, mitreißender, und trotzdem stets in Spielweise und Dynamik differenziert und feinfühlig.
    Kurz: hoffe, dass der Rest auch so wird...

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Die Aufnahmen des Belcea-Quartetts habe ich jetzt ebenfalls intensiv durchgehört und bis sehr angetan, um nicht zu sagen, begeistert: Ein derart differenziertes Spiel, fein abgestuft zwischen einem Zupacken, daß es kräftig knistert im Gebälk, und pp-Passagen, die kaum leiser und sensibler sein könnten, dabei hochgespannt, und das mit einem herrlichen Non-Vibrato - ich finde das tief beeindruckend. Ein großartiges Ensemble!

    Einzig bei den Tempi habe ich manchmal das Gefühl, daß da noch ein wenig mehr gehen könnte, und habe heute die Einspielung mit den Emersons bestellt, trotz meiner Vorbehalte, die ich hier ja schon geäußert habe.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Helmut Lachenmann

  • Einzig bei den Tempi habe ich manchmal das Gefühl, daß da noch ein wenig mehr gehen könnte,

    Alle Wetter, Du willst es noch schneller!? Ich hatte den Eindruck, dass Belcea in den schnellen Sätzen ziemlich oft auf Rekordjagd ist. Das Finale von Op. 59/3 spielen die Emersons aber glaube ich tatsächlich noch etwas schneller, stellenweise auf Kosten der Nachvollziehbarkeit.

  • Alle Wetter, Du willst es noch schneller!?

    Nun ja, ich habe zuletzt einiges mit den Belceas gehört und im Buch von Gerd Indorf mitgelesen, das sich an den Zeiten der Emersons orientiert (weil die sich fast ausnahmslos an den Metronomangaben Beethovens orientieren würden, die gibt es für die Quartette 1-11, also bis op. 95). Die Emersons sind fast immer etwas schneller als die Belceas. Ob mich das am Ende mehr überzeugen wird, muß sich noch zeigen.

    Aber schnelle Lesarten finde ich bei Beethoven fast immer angemessen.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Helmut Lachenmann

  • schnelle Lesarten finde ich bei Beethoven fast immer angemessen.

    Klar, ich schon auch ;+) Wobei es bei Belcea die wunderbaren Kontraste in den Satzcharakteren und auch -geschwindigkeiten sind, die mir an ihrer Aufnahme so gefallen. Ich muss die Emerson-Aufnahme mal wieder auflegen. Ich hatte sie als dann doch etwas zu oberflächlich abgespeichert.

  • Wobei es bei Belcea die wunderbaren Kontraste in den Satzcharakteren und auch -geschwindigkeiten sind, die mir an ihrer Aufnahme so gefallen.

    Mir ja auch! Gerade daß sie das so kontrastreich gestalten, dabei unglaublich nuanciert, stets natürlich und nie überzeichnend, finde ich beeindruckend. Ob die Emersons da herankommen, ist noch die Frage.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Helmut Lachenmann

  • Lieber Gurnemanz!

    Ich habe im "Firsch Erworben" Thread gelesen, dass Du mit dem Auryn Quartett das Vol. 4 der Beethoven Quartette erworben hast. Vielleicht kannst Du, wenn Du die Aufnahmen gehört hast, Deine Eindrücke hier kurz niederschreiben. Da mich die Auryns auch sehr interessieren, würde mir das sehr helfen!

    Herzliche Grüße

    Gerhard

  • Lieber Gerhard,

    in Kürze dieses (müßte allerdings erst noch genauer vergleichshören, bevor ich mich überzeugter äußern könnte): So ganz begeistern kann ich mich nicht für die Art, wie die Auryns Beethoven angehen: zwar sehr transparent und durchdacht, sorgfältig, manchmal etwas maniriert (op. 130, 4. Satz) und bemüht, nicht immer natürlich. Beim Hören hatte ich nicht unbedingt den Eindruck, es gehe hier um wirklich schwerwiegende Dinge, was gerade bei den späten Beethoven-Quartetten eigentlich wichtig wäre!

    Diese kritische Sicht (die ich beim Wiederhören vielleicht noch korrigieren sollte) hat aber auch damit zu tun, daß ich kurz nach dieser Einspielung die Aufnahmen der Belceas kennenlernte, die mich um vieles mehr beeindrucken (darüber demnächst gern mehr).

    Insgesamt würde ich das Auryn-Quartett etwa auf der Linie des Gewandhaus-Quartetts ansiedeln, klanglich und spieltechnisch diesen etwas überlegen.

    Die anderen drei Doppel-CDs werde ich mir voraussichtlich nicht zulegen.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Helmut Lachenmann

  • Da mich die Auryns auch sehr interessieren, würde mir das sehr helfen!

    In diesem Zusammenhang sei kurz erwähnt: Das Auryn-Quartett spielt am 13.11. im Konzerthaus Detmold Beethovens op. 77, 18/2 und 131. Am 1.12. folgen op. 59/1 und op. 132.

    Christian

  • Bei solchen Nachrichten bedaure ich wieder, daß Detmold zu weit weg ist. Im Konzert anhören würde ich mir die Auryns schon mal gern, auch und gerade mit Beethoven!

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Helmut Lachenmann

  • Lieber Gurnemanz!

    Besten Dank für Deine prompte Antwort und Deine Einschätzung. Muss mal überlegen, ob ích Auryns Beethoven zulege. Ich habe mit dem Auryn Quartett das Schubert Streichquintett und die Debussy/Ravel/Faure Streichquartette. Diese Aufnahmen sind wirklich ganz, ganz ausgezeichnet, mit diesen Aufnahmen habe ich viel Freude und wie das verstärkte Auryn Quartett den langsamen Satz im Schubert Streichquintett spielen und Matthias Lingenfelder (erste Violine) seinen Part gestaltet, einzigartig großartig. Von den Haydn Aufnahmen habe ich mich entschlossen, werde ich in nächster Zeit beginnen, mir Aufnahmen zuzulegen, vielleicht - bei Gefallen - alle.

    Ich habe mir übrigens auch bereits das Vol. 2 der Belcea zugelegt - auf Grund der Empfehlung von Peter (Braccio). Aus Zeitgründen habe ich bis jetzt nur op. 130 (mit nachkomponiertem Finale, also ohen Große Fuge) und das op. 132 gehört. Wirklich ausgezeichnet und ein sehr eigener Weg. In dem Thread gibt es schon sehr gute Beschreibungen vom Belcea Beethoven, die ich ebenfalls teile.

    Nochmals vielen Dank!

    Herzliche Grüße

    Gerhard

  • Hallo!
    Ich kann zu dem Thema sicherlich auch etwas sagen, es ist ja immerhin der von mir sehr geschätzte Beethoven, allerdings war ich nie ein großer Streichquartettfreund. Kammermusik war bei mir immer unterbelichtet, wird es möglicherweise auch bleiben. Während ich beim Orchester die klanglichen Möglichkeiten schätze, beim Klavier den individuellen Gestaltungsfreiraum, ist mir Kammermusik selten sehr nahe gegangen, von Ausnahmen einmal abgesehen.

    Beethovens Streichquartette schätze ich aber durchaus, es ist - das ist klar - sehr große Musik. Ich mag die Opus 18 recht gerne, teilweise die mittleren, mit den späten tue ich mich schwer. Obwohl ich kein ausgeprägter Kammermusikfreund bin, habe ich doch immerhin drei Werkzyklen ( darf man das wirklich nicht so sagen? Ich bin darauf aufmerksam gemacht worden, daß das falsch ist), nämlich Guaneri in der schon oben aufgeführten Deccabox, das Alexanderquartett in einer größeren Box ( ich denke, die ältere Einspielung) und das Ungarische Streichquartett aus den 60ern in vermutlich derselben Emibox, die oben schon angesprochen wurde.

    Ich höre am liebsten das Ungarische Streichquartett, vor allem auch in den späteren Quartetten. Das liegt daran, daß die Guaneris gerade in den späteren Quartetten bei bestimmten langsamen Sätzen endlos die Tempozügel schleifen lassen, also die Musik so langsam spielen, daß man zwar in höhere Sphären entrückt werden mag, aber kaum noch eine Struktur hört. Da hat mir das ungarische Streichquartett mehr die Augen dafür geöffnet, daß die späten Streichquartette weit weniger esoterische Musik ist, als es bei den Guaneris erscheint.

    Soweit nur von mir, wiegesagt, manche Streichquartette wie etwa das Opus 95 kenne ich noch kaum. Ob das ungarische Streichquartett die Ideallösung ist, weiß ich nicht, aber ich finde ihre Spielweise zivilisiert und vernünftig, auch wenn man sich an einigen Stellen vielleicht etwas mehr Rasiermesserschärfe gewünscht hätte.

    Warum es die Veghs nicht mehr gibt, weiß ich nicht, ich schreibe auch in anderen Foren und ich weiß eigentlich, daß diese Aufnahmen wohl legendär sind, legendär, aber offensichtlich nicht mehr greifbar. Aber ich brauche jetzt auch nicht so viele neue Einspielungen. Tatsache ist, vor allem Opus 18 höre ich recht gerne, dann auch Opus 74, dann auch noch Opus 59, aber bei den späten Quartetten wechselt bei mir beständig Faszination mit Langeweile oder gar Befremden.

    Gruß
    Malcolm

    Der Hedonismus ist die dümmste aller Weltanschauungen und die klügste aller Maximen.

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