Empfehlungen zu den Streichquintetten von Mozart

  • Mir sind noch zwei weitere, etwas ältere HIP-Aufnahmen aufgefallen, von deren Existenz ich bislang nichts wusste: Les Adieux mit den beiden "frühen" und Banchini u.a. (firmieren sonst auch als "Ensemble 415", glaube ich) mit den bekanntesten KV 515/16.

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    Eine Empfehlung unter neueren Aufnahmen auf modernen Instrumenten scheint die des Sine Nomine Quartetts zu sein. Ich bin aber mit den Aufnahmen, die ich schon habe (Griller, Smetana, Melos, Talich + einige weitere 515/16), erstmal soweit zufrieden, dass ich zögere, noch mehr anzuschaffen, obwohl sie sehr preiswert (auf zwei 84 min. CDs gequetscht) ist.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Aus dem Thread Eben gehört, in dem Mauerblümchen Mozarts 593 mit dem erweiterten Grumiaux-Trio hörte:

    Ganz meine Meinung! Zwar kann ich nachvollziehen, dass zumindest KV 516 wegen der eingängigen Themen beliebter ist (nicht bei mir allerdings...), aber dass KV 593 nicht von der Musikwissenschaft mehr in den Vordergrund gerückt wird nicht. Das ist doch eine der besten Werke, die Mozart geschrieben hat! Es perfekt zu nennen wäre noch eine Untertreibung....


    Ich bin nun wirklich kein Musikwissenschaftler, finde es aber ungerecht, dass diese Spezies hier verantwortlich gemacht wird :D . Eine kurze Suche bei musikbibliographie.de wirft u.a. folgende Titel aus:

    - Ramm, Friederike: Mozarts Streichquintette KV 593 und KV 614 : ein kontrastierendes Werkpaar? - In: Hanheide u.a. (Hg.): "Ich sehe was, was du nicht hörst" Etüden und Paraphrasen zur musikalischen Analyse (2014), S.395-448
    - Deppert, Heinrich: Mozart und Haydn : Haydns "Lerchenquartett" D-Dur op. 64 Nr. 5 und Mozarts Streichquintett D-Dur KV 593 - In: Mozart-Studien, Bd. 16 (2007), S.11-26
    - Ein ganzes Kapitel zu KV 593 in: Irvine, Thomas: Echoes of expression: text, performance, and history in Mozart's Viennese instrumental music (2005)
    - Irving, John: Variation technique in the Adagio of Mozart's D major string quintet, K. 593 - In: Tijdschrift voor Muziektheorie, Bd. 9 (2004), 1, S.12-18
    - Irvine, Thomas: "Das launigste Thema" : On the politics of editing and performing the finale of K. 593 - In: Mozart-Jahrbuch der Akademie für Mozart-Forschung der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, S.3-23
    - Eine ganze Monographie: Cleary, Nelson Theodore: The D-major string quintet (K 593) of Wolfgang Amadeus Mozart: a critical study of sources and editions (1973)
    - Hess, Ernst: Die "Varianten" im Finale des Streichquintettes KV 593 - In: Mozart-Jahrbuch des Zentralinstitutes für Mozartforschung der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, ISSN 0342-0256 (1960/61), S.68-77

    Dazu natürlich die ganzen Besprechungen in größeren Kontexten (man denke nur an Charles Rosen oder die unzähligen Mozart-Monographien, -Handbücher und -Führer). Zu KV 515 finde ich weniger, zu KV 516 nur unwesentlich mehr werkspezifische Literaturtitel.

    Warum gerade KV 516 populärer ist, ist - so meine ich - nicht schwer zu beantworten: ok, die zumindest teilweise "eingängigen Themen", aber vor allem auch der teils elegische, teils dramatische Mollcharakter, der es vielen (u.a. eher von der Romantik geprägten) Hörern leichter macht, einen Zugang zum Werk zu finden.

    Deshalb muss man die Werke nicht gegeneinander ausspielen. Sie haben beide große, aber unterschiedliche Qualitäten.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Warum gerade KV 516 populärer ist, ist - so meine ich - nicht schwer zu beantworten: ok, die zumindest teilweise "eingängigen Themen", aber vor allem auch der teils elegische, teils dramatische Mollcharakter, der es vielen (u.a. eher von der Romantik geprägten) Hörern leichter macht, einen Zugang zum Werk zu finden.

    Ich war halt der Meinung, dass "elegische, teilweise dramatische" Themen in Moll eingängiger sind als das haydnhafte Motto am Beginn von KV 593. Dass es über alle Werke Mozarts Einzelstudien geben dürfte, ziehe ich natürlich nicht in Zweifel. Ich habe aber schon das Gefühl, dass eben dieses Streichquintett, aber auch bspw. das Streichtrio KV 563, viel weniger wahrgenommen werden als andere Kammermusikwerke Mozarts. Ich meine, dass diese beiden Werke beim ersten Hören nicht so eingängig sind wie etwa KV 516 oder das Klavierquartett KV 576, aber bei jedem Hören stark gewinnen. Vielleicht sind aber die Musikwissenschaftler tasächlich unschuldig an dieser Misere....

    Und Werke gegeneinander auszuspielen ist doch der größte Spaß an diesem Forum, nicht? :D

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Und Werke gegeneinander auszuspielen ist doch der größte Spaß an diesem Forum, nicht?

    Aber nein ... viel größer ist der Spaß, einen Komponisten oder ein Werk als "unterschätzt" zu bezeichnen und gleichzeitig durchblicken zu lassen, dass man den wahren Wert längst umfassend erkannt hat ... :D ... man muss halt erst den Untergrund herbeikonstruieren, auf welchem man selbst umso heller strahlt ... :versteck1:

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Aber nein ... viel größer ist der Spaß, einen Komponisten oder ein Werk als "unterschätzt" zu bezeichnen und gleichzeitig durchblicken zu lassen, dass man den wahren Wert längst umfassend erkannt hat ... ... man muss halt erst den Untergrund herbeikonstruieren, auf welchem man selbst umso heller strahlt ...

    Liebes Mauerblümchen, das würde zumindest ich nie tun. Weiß ich doch, dass wir Dich hier haben, der alles und jeden überstrahlt. :verbeugung2:

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Rosen hat in "Der Klassische Stil" ziemlich viel zu KV 593. M.E. liegt die angeblich so viel höhere Popularität von KV 515/16 eher im Bereich von Nuancen. Kein Vergleich zu z.B. KV 465 vs. 464 :D
    Ich vermute, dass musikhistorisch 515 besonders interessant aufgrund der ungewöhnlich "sinfonischen" Dimensionen ist, während man z.B. bei 593 einmal den Bezug zum "Lerchenquartett" hat, wobei Mozart beinahe haydnscher vorgeht als Haydn, da er die lerchentrillernde Diskantmelodie gleich weglässt, sondern nur mit dem simplen Thema arbeitet. Und andererseits einen der ersten prominenten Fälle, in dem eine langsame Einleitung später im Satz noch einmal auftaucht, wie später in Haydns Sinfonie #103 oder Beethovens Trio op.70/2.
    Und KV 614 ist vielleicht das Haydn-nächste Werk Mozarts überhaupt: der Kopfsatz scheint an op.50/3, das Finale an op.64/6 anzuspielen und der Variationensatz klingt auch beinahe mehr nach Haydn als nach Mozart.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • ch vermute, dass musikhistorisch 515 besonders interessant aufgrund der ungewöhnlich "sinfonischen" Dimensionen ist

    Womit wir hier wieder bei den Empfehlungen sind, da ich mit diesem Werk immer schon meine liebe Not hatte. Gefallen hat mir aber die Interpretation von Jan Vogler & Co., obwohl ich mir diese Doppel-CD eher wegen des Streichtrios und der interessanten Bearbeitungen gekauft habe:

    Für mich funktioniert das Werk am besten, wenn wirklich ein möglichst schöner Ton gespielt wird.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Gestern angeregt durch die Diskussion via Spotify durch 593er gezappt und bei der hier hängen geblieben:

    Sauber, tonschön, aber auch sehr lebendig und beredt, dazu hervorragend aufgenommen. Außerdem gefiel mir die Anordnung mit dem Cello in der Mitte, hat mich von der Balance sehr überzeugt.

  • Eine Empfehlung unter neueren Aufnahmen auf modernen Instrumenten scheint die des Sine Nomine Quartetts zu sein. Ich bin aber mit den Aufnahmen, die ich schon habe (Griller, Smetana, Melos, Talich + einige weitere 515/16), erstmal soweit zufrieden, dass ich zögere, noch mehr anzuschaffen, obwohl sie sehr preiswert (auf zwei 84 min. CDs gequetscht) ist.

    Ja, diese Empfehlung kann ich mit Nachdruck unterstützen. Ich habe mir vor geraumer Zeit einige ältere Aufnahmen angehört und war von der teils unsauberen Intonation enttäuscht, nicht so hier, das ist erstklassiges Quintettspiel.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Ich höre mich gerade durch drei 60er Jahre EMI/Columbia-Schallplatten durch, auf denen das um Heinz-Otto Graf erweiterte Heutling Quartett die Streichquintette von Mozart spielt. Ich muss sagen, dass ich nach der Halbzeit angenehm überrascht bin. Das ist klassisches konventionelles Quartett na ja Quintettspiel der besten Art. Das gefällt mir in mit diesem Repertoire deutlich besser als einige Konkurrenten aus der Epoche (Amadeus, Juilliard). Über das Heutling Quartett findet man im Internet fast gar nichts, was ich bisher immer dahingehend interpretiert habe, dass es da wohl nicht allzuviel Gutes zu sagen gibt.
    Thomas Pape hat sich bei Tamino aber schon mehrfach positiv über dieses Quartett geäußert. Sie haben alle Mozart- und Schubertquartette eingespielt und einiges von Mendelssohn und Reger, das war es wohl. Die Schallplatten sind vergleichsweise teuer und offensichtlich von Sammlern gesucht. Die Klangqualität der Quintettaufnahmen erklärt auch warum, das sind Analogaufnahmen vom Feinsten.

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    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Hallo Felix Meritis bzw. an all jene, die die Aufnahme kennen!

    Wie gefällt Dir/Euch die Aufnahme der Streichquintette von Mozart mit dem Klenke Quartett und Harald Schoneweg ? Ist die Aufnahme emfpehelnswert ?

    Beste Grüße

    Gerhard

    Auch bei mir jetzt angeregt durch die beiden Einträge weiter oben das Klenke Quartett mit Mozarts letztem Kammermusikwerk für Streicher KV 614 Es-Dur (via idagio)

    Das ist bei den vier Damen und ihrem Lehrer offenkundig in sehr guten Händen. Eigentlich wollte ich noch die Aufnahme der Streichquintette mit Auryn und Nabuko Imai zur Sammlung zufügen, vielleicht disponiere ich um.

    Weil die Klenke-Aufnahme ja neu erschienen ist, verspätet noch eine Einschätzung meinerseits, allerdings noch nicht auf der Basis vieler Hördurchgänge oder gar ausgiebiger Vergleiche.

    Ich habe ein wenig in K. 593 und K. 614 mit Klenke/Schoneweg (2018), Auryn/Imai (2016), Juilliard/Graham (1970er) und Griller/Primrose (Ender der 1950er) hineingehört.

     

     

    Vorweg: Nur Auryn/Imai beachten auch die Durchführungswiederholungen der Kopfsätze oder auch die Wiederholungen im Finale von 593, das bei Auryn fast doppelt so lang dauert wie bei Klenke (und dreimal so lang wie bei den Grillers).

    Klanglich sind die beiden neuen Einspielungen nicht ganz unerwartet für mich überlegen. Klenke ist einen Tick schärfer als Auryn aufgenommen, aber beide Aufnahmen bilden die Instrumente klangschön und plastisch in relativ viel Raum ab. Griller und Juilliard sind sehr viel direkter aufgenommen, der Raum wirkt kleiner, die CBS-Aufnahme ist insgesamt die trockenste.

    Der Eindruck des klanglichen Unterschieds zwischen Auryn und Klenke mag auch durch die Spielauffassung der Klenkes zustande kommen, die etwas mehr Biss hat oder etwas weniger lyrisch ist als bei Auryn, je nachdem, wie man die Medaille wendet. Beide Aufnahmen finde ich insgesamt von Tempowahl, Agogik und Zusammenspiel sehr überzeugend.

    Die Griller-Aufnahmen sind in den Tempi in den Ecksätzen extrem. Das Finale von K. 593 etwa ist krass und klingt eigentlich, als sei die Laufgeschwindigkeit von 33 auf 45 gestellt (aber bei Beibehaltung der Tonhöhe :D ). Ob da eine getunte Überspielung zumindest einen Teil erklärt? Keine Ahnung. Ein Fall für Khampan. Insgesamt ist Griller sicher ein Spezialfall. Der Zugang ist eher Beethovenesk als Mozartisch, kompromisslos, noch unterstützt durch die Aufnahmetechnik, Wiederholungen werden außer in den Menuetten konsequent weggelassen, aber musikantisch und packend ist das allemal, ich möchte diese Einspielung nicht missen.

    Juilliard fällt für mich im Vergleich dieser Aufnahmen insgesamt mangels Besonderheiten ab.

    Aber es ging ja vor allem um die neue Klenke-Aufnahme. Aus meiner Sicht sehr empfehlenswert und insgesamt leicht vor Auryn, sofern man nicht alle Wiederholungen braucht.

  • Vielen Dank, lieber Braccio für Deinen Vergleichsbericht. Ich denke die Klenke Einspielung muss ich haben oder endlich auf Streaming umsteigen.

    Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal angführt habe, aber Matthias Lingenfelder (1. Geiger vom Auryn Quartett) hat zu den Mozart Streichquintetten in der WDR Reihe "Werkbetrachtung" sehr erhellende Einblicke gegeben - mit Tonbeispielen.

    Hier der link zum Nachhören

    "https://www1.wdr.de/radio/wdr3/mus…mozart-100.html"

    Herzliche Grüße

    Gerhard

  • Ich habe bisher nur das erste SQ von den Klenkes hören können, kann also noch keine weitgehende Bewertung abgeben, aber ich kann zumindest sagen, dass ich dieses Werk, also KV 174, noch nie so überzeugend gehört habe. Hier wird sehr auf die Sanglichkeit der Tonbildung hin gearbeitet (Anschwellen und Abschwellen des Tons), Einsätze der verschiedenen Instrumente werden sehr differenziert auf dynamischer Ebene von einander abgesetzt.Der Ton, da gebe ich Braccio recht, ist etwas schärfer als man es von anderen Ensembles gewohnt ist, aber das ist eben mit dieser Plastizität des Klangbildes gekoppelt, welche ich schon bei den Streichquartetten so überzeugend fand. Ich denke, dass die Aufnahme der Streichquintette auf demselben Niveau ist wie die der Streichquartette.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich habe das Klenke-Set jetzt durchgehört und mein erster Eindruck hat sich absolut bestätigt. Das ist eine rundum gelungene Aufnahme, die alle Stärken hat, die Braccio bereits genannt hat. Freunde der älteren Spielweise werden vielleicht etwas Melos und Gravitas vermissen, v.a. in KV 516, aber von solchen Meisterwerken sollte man ja ohnehin einige, wenn möglich komplementäre, Aufnahmen haben.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Gerade für € 5 erstanden:

    Daraus
    Streichquintett C-Dur KV 515

    Es spielen:
    Quatuor Pro Arte

    Alphonse Onnou
    Laurent Halleux
    Germain Prevost
    Robert Maas
    und Alfred Hobday

    Die Aufnahmen wurden am 2. und 3. Nov. 1934 im Abbey Road Studio gemacht. Erstaunlich wie gut diese 87 Jahre alte Aufnahme klingt. Sweet Sound.

    Auf der Doppel-LP sind noch KV 516 und 593 sowie das Klavierquartett KV 478 mit Artur Schnabel drauf.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Die von mir vor Kurzem bestellte Aufnahme von KV 515 und 516 vom Quatuor Ébène habe ich mir jetzt wiederholt zu Gemüte geführt.

    Eine wirklich gelungene Aufnahme, allerdings liegt mir gerade bei KV 515 die wunderbare Zartheit der Klenkes (mit Harald Schoneweg) doch noch mehr. Vor allem im Adagio tritt das deutlich hervor. Im g-Moll Quintett ist meine Präferenz hingegen nicht so klar.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

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