Wagner: Tristan und Isolde - Wiener Staatsoper, 22.6.13
Ein schwer verspäteter Kurzbericht.
Vor ziemlich genau zehn Jahren hatte ich schon einmal eine Vorstellung einer Tristan-Premierenserie an der Wiener Staatsoper besucht: Günter Krämer lieferte damals eine lustlose Inszenierung ab und kapitulierte im Nachtgesang des zweiten Akts völlig - die Sänger traten Hand in Hand an die Rampe und lieferten ein Konzert in Kostümen ab. Von den beiden Sängern der Titelrollen bot Deborah Voigt eine achtbare Leistung, während Thomas Moser als Tristan spätestens im dritten Akt hoffnungslos unter.ging. Trotzdem war das eine für mich bis heute unvergessene Aufführung: Christian Thielemann spannte atemberaubende Bögen, das Orchester der Wiener Staatsoper spielte so schillernd und leuchtend, wie man es von diesem Klangkörper gerne öfter hören würde. Die musikalische Sogkraft war enorm, auch wenn ich das heute vielleicht etwas verklären mag.
Ob die heurige Inszenierung von David McViar besser oder schlechter als die damalige von Krämer ist, wage ich nicht zu entscheiden. Ihre durchschlagende Belanglosigkeit war jedenfalls entwaffnend. Mir fällt nicht viel Berichtenswertes ein, außer einem wechselweise auf- und untergehendem Gestirn (mal eher Sonne, mal eher Mond, immerhin sinnfällig) und einer grotesken Choreographie der Seeleute zu Kurwenals Raunzereien im ersten Akt. Sonst stand, saß und lag man herum, wie es sich eben ergab, und berührte sich auch gelegentlich. Manch einer in Presse und Netzwelt fand das stimmungsvoll.
Die Sängerriege war der vor zehn Jahren deutlich überlegen. Nina Stemme als Isolde überzeugte fast restlos, war stimmlich absolut souverän und häufig richtig klangschön. Ein bisschen mehr Charakterisierung des Gesungenen wäre vielleicht denkbar, aber das ist schon Beckmesserei. Nachdem ich schon ihre Götterdämmerungs-Brünnhilde in München erlebt habe, muss ich sagen: ich kenne zur Zeit keine Sängerin, die diese Partien so phänomenal beherrscht. Peter Seiffert hatte ich vor einiger Zeit schon einmal in Berlin als Tristan gehört: er musste zeitweise ziemlich nachdrücken, verfiel im dritten Akt mehr ins Deklamieren, bewältigte die Partie aber trotzdem mehr als respektabel, bemühte sich auch um Gestaltung. Überhaupt habe ich selten eine Tristan-Aufführung erlebt, die so wortverständlich war wie diese! Jochen Schmeckenbecher als Kurwenal kam in der veröffentlichten Meinung nicht immer gut weg, zeigte aber als einziger so etwas wie Einheit von Körpersprache und Gesang, war darstellerisch allerdings unterfordert. Janina Baechle als Brangäne und Stephen Milling als Marke würde ich als gut durchschnittlich einstufen.
Am Pult stand GMD Franz Welser-Möst, von dem ich im Januar an gleicher Stelle eine hervorragende Ariadne auf Naxos gehört hatte. Sein Tristan enttäuschte mich aber auf ganzer Linie. Vieles wäre möglich: die Überwältigungattitüde wie bei Thielemann, ein kammermusikalischer Tristan, das große Strömen, Betonung der Kontraste, wasweißich. Das war aber nicht Fisch noch Fleisch, ein Tristan der wohltemperierten Mitte. Die Holzbläser hatten anfangs Probleme mit der Intonation (es herrschte schwülwarmes Wetter), der Solooboist kämpfte gar hör- und sichtbar mit seinem Instrument. Das legte sich bald und man vernahm (bis auf die im dritten Akt auffällig blökend aus dem Mischklang herausstechende Basstuba) ausgezeichnetes Orchesterspiel, das aber klanglich immer etwas stumpf blieb (an meinem Platz lag's nicht). Schade. Ich war ein wenig enttäuscht.
Viele Grüße
Bernd