W. A. Mozart: Così fan tutte - eine vollkommene Oper?

  • W. A. Mozart: Così fan tutte - eine vollkommene Oper?

    [Die folgenden 7 Beiträge sind Kopien aus Die vollkommene Oper? Zu Così fan tutte gibt es zwar bereits einen Thread zur Diskographie: MOZART: Così fan tutte – Kommentierte Diskographie, aber nicht zum Werk selbst.

    Den gibt es jetzt, und ich hoffe, das ist auch im Sinne der Diskutierenden (und ChKöhn verübelt es mir nicht, daß ich ihn eigenmächtig zum Threadstarter ernannt habe ;+) ), ob sie das Werk nun schätzen oder auch nicht..

    :gurni:
    Gurnemanz]

    Zitat von »Kater Murr«
    schlackenlose Lieblingsoper ohne einen Ton zuviel


    Das Wort Perfektion oder Vollkommenheit mag manchen hochgegriffen erscheinen, aber ich frage trotzdem, gibt es für euch eine Oper, die dem oben beschriebenen Kriterium entsprechen?

    Cosi fan tutte.

    Christian

  • Cosi fan tutte.

    Gielen nennt übrigens auch Così fan tutte als perfekte Oper...


    Große Wertschätzung für Cosi hört man immer wieder. Ich kann sie nicht ganz nachvollziehen; in dieser Oper ist zweifellos sehr viel schöne Musik, aber ich finde sie auch schrecklich lang bis weilig und behaupte mal so aus dem Handgelenk (ich habe sie ewig nicht mehr gesehen oder gehört), man könnte ein gutes Drittel der Partitur streichen, ohne inhaltlich-dramaturgisch viel zu vermissen. Ohne den Thread jetzt allzu sehr in Richtung Cosi leiten zu wollen, würde mich eine kurze Begründung von Dir, Christian (und natürlich auch von Herrn Gielen ;+) ) sehr freuen.

    Grüße
    vom Don

  • Merkwürdig - auch mir fällt da ziemlich schnell Così fan tutte ein: Wie sich hier Musik und Handlung auseinanderbewegen und dann doch wieder finden (oder auch nicht), das finde ich schier unbeschreiblich! Gerade die Vielschichtigkeit, mit der das Thema "Liebe" hier behandelt wird, fasziniert mich sehr.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • [...]

    Große Wertschätzung für Cosi hört man immer wieder. Ich kann sie nicht ganz nachvollziehen; in dieser Oper ist zweifellos sehr viel schöne Musik, aber ich finde sie auch schrecklich lang bis weilig und behaupte mal so aus dem Handgelenk (ich habe sie ewig nicht mehr gesehen oder gehört), man könnte ein gutes Drittel der Partitur streichen, ohne inhaltlich-dramaturgisch viel zu vermissen


    Auch hier geht es mir ähnlich.

    [...]

    "Allwissende! Urweltweise!
    Erda! Erda! Ewiges Weib!"

  • Ohne den Thread jetzt allzu sehr in Richtung Cosi leiten zu wollen, würde mich eine kurze Begründung von Dir, Christian (und natürlich auch von Herrn Gielen ;+) ) sehr freuen.

    Das ist nicht ganz einfach. Mir scheint, dass die Musik bei Cosi fan tutte neben dem großartigen Libretto eine Eigenständigkeit erreicht, die selbst bei Mozart selten ist. Um mal Victor Hugos berühmten Satz zu gebrauchen: Immer wieder hört man, was im Text nicht gesagt werden konnte, worüber zu schweigen aber unmöglich wäre. In der berühmten Abschiedsszene im ersten Akt wird man als Zuhörer ganz plötzlich von der zärtlichen Trauer der beiden Paare geradezu überwältigt, spürt schockierend intensiv allein durch die Musik, dass es hier um einen ganz anderen, endgültigeren Abschied geht, als den in der Szene dargestellten. Für diese einzigartig berührende Szene braucht Mozart nur ein paar Takte und eine handvoll Instrumente! Die Musik illustriert bei Cosi nicht den Text, sie veranschaulicht ihn nicht einmal, sondern sie lässt ihn wirken, erweitert ihn aber um Dimensionen, von denen er allein nichts ahnen ließe. Mozart konnte hier der Ausdruckskraft und der Präzision seiner Musik so sehr vertrauen, dass er dem Text dabei sogar stellenweise beinahe widerspricht: Dass Fiordiligi ihre Beteuerung, "come scoglio" ("wie ein Felsen") treu zu bleiben vor allem an sich selbst richtet, und dass sie dabei Zweifel hat, diesen Schwur auch durchzuhalten, sagt fast allein die Musik. Mozarts Musik ist nicht bei einem fröhlichen Text fröhlich und bei einem traurigen traurig, sondern sie durchbricht den Text, hinterfragt ihn, geht zu ihm auf Distanz, kehrt wieder zurück, steht zu ihm in unendlich vielfältiger und feiner Beziehung. Das alles geschieht mit überlegener Freiheit und schier unfassbarer Perfektion.

    Christian

  • Danke, lieber Christian, für Deine schöne Erläuterung! Ich glaube, das trifft sich so ziemlich mit dem, was auch ich an Così fan tutte bewundere. Man kann es vielleicht auch so auf den Nenner bringen: Die Handlung zeigt, wie die Figuren sich immer mehr einander entfremden (ein ganz allmählicher Prozeß, darum fände ich jede Kürzung fatal), die Liebe ist nur ein hohles Spiel und dient der Manipulation. Die Musik dagegen scheint sich darüber in keiner Weise zu bekümmern und schwelgt und schwelgt: Das böse Treiben hat letztendlich keine Chance - wenn man es nur aus der musikalischen Perspektive betrachtet.

    Vielleicht ist Così fan tutte gerade deshalb ein vollkommenes Werk, weil es die Brüche so wunderbar integriert - ohne sie unkenntlich zu machen, sie zuzudecken?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Vielleicht ist Così fan tutte gerade deshalb ein vollkommenes Werk, weil es die Brüche so wunderbar integriert - ohne sie unkenntlich zu machen, sie zuzudecken?

    Ist sie damit zugleich - schön und wahr?

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Naja, für Leute, die eher wagnerische Klänge, oder moderne Klänge lieben, wird Cosi fan Tutte wohl nicht schön sein. Für sie ist dann eine Wagneroper etwas "vollkommenes".

  • Naja, für Leute, die eher wagnerische Klänge, oder moderne Klänge lieben, wird Cosi fan Tutte wohl nicht schön sein. Für sie ist dann eine Wagneroper etwas "vollkommenes".


    Nun ja, wenn man das folgende weiter oben zitierte Qualitätskriterium einer Oper zugrunde legt, dann ist es eigentlich egal, aus welcher Musikepoche das Werk stammt.

    Zitat

    Immer wieder hört man, was im Text nicht gesagt werden konnte, worüber zu schweigen aber unmöglich wäre.


    Und gerade in diesem Punkt hat etwa Mozart Wagner sehr viel voraus. Diese Qualität Mozarts ( vor allem bei Cosi) wird dann m.E. erst wieder in Bergs Wozzeck erreicht.

  • Ich wollte keineswegs sagen dass die Oper(n) von Mozart schlecht sind!

    Ich meinte nur, dass es doch sicher auch sehr darauf ankommt, welche Erwartung der Hörer an eine Oper hat. Wenn er sich eine Nummernoper erwartet, wird er mit Wagner sicher weniger zufrieden sein und, trotz großer Anhängerschaft, seine Opern nicht als vollkommen sehen. Er wird vielleicht sagen "Ich schätze, was Wagner erfunden und erneuert hat, aber für MICH sind seine Opern nicht vollkommen, weil sie durchkomponiert sind, da spielt die Musik ständig".

    Und umgekehrt könnte es jemanden, der keine Nummernopern mag, stören, wenn eine solche gespielt wird. Natürlich schließt auch das nicht aus, dass er das Werk nicht schätzt, die Komposition, die Melodien etc., aber "vollkommen" wird sie für ihn eher nicht sein, weil sie SEINE Erwartungen an eine Oper nicht erfüllt.


    Ich selber z.B. habe drei Lieblingsopern, nämlich HuG, Salome und Freischütz.
    Aber auch an denen habe ich genügend auszusetzen, ich sehe keine davon als vollkommen. HuG, weil da die Titelfiguren nichts mehr mit dem Grimms Märchen zu tun haben, Salome ein bisschen, weil manche Dinge aus dem Theaterstück drin bleiben hätten sollen, und Freischütz, weil ich gegen die Jagd bin, die da so propagiert wird.


  • Die Musik illustriert bei Cosi nicht den Text, sie veranschaulicht ihn nicht einmal, sondern sie lässt ihn wirken, erweitert ihn aber um Dimensionen, von denen er allein nichts ahnen ließe. Mozart konnte hier der Ausdruckskraft und der Präzision seiner Musik so sehr vertrauen, dass er dem Text dabei sogar stellenweise beinahe widerspricht: Dass Fiordiligi ihre Beteuerung, "come scoglio" ("wie ein Felsen") treu zu bleiben vor allem an sich selbst richtet, und dass sie dabei Zweifel hat, diesen Schwur auch durchzuhalten, sagt fast allein die Musik. Mozarts Musik ist nicht bei einem fröhlichen Text fröhlich und bei einem traurigen traurig, sondern sie durchbricht den Text, hinterfragt ihn, geht zu ihm auf Distanz, kehrt wieder zurück, steht zu ihm in unendlich vielfältiger und feiner Beziehung. Das alles geschieht mit überlegener Freiheit und schier unfassbarer Perfektion.

    Lieber Christian,

    ich stimme mit Dir überein: die Musik eröffnet gegenüber dem Text neue Dimensionen, die sich unterschiedlich zu der wörtlichen Textebene verhalten können. Bei der Felsenarie steht zu Beginn ein mächtiger Akkord, dann das punktierte Unisono, dass Festigkeit, Größe und Wucht in Bezug auf den Felsen setzt, also auf Treue und Stanhaftigkeit. Aber dann kommt der zweite Takt "mit dem verspielten Triller und der aufsteigenden Achtel-Linie im Staccato und Piano. Wie ein ironisches Fragezeichen wirkt diese Passage." (Natosevic: Cosi fan tutte) Was Natosevic "Unterhöhlen der Textaussage" nennt, liegt aber mE in der Intention des Autors. Was auf der Bühne Gestik und Mimik, die Artikulation als Interpretation des gesprochenen Textes bewirken können, steht dann auch nicht im Text, sondern wird durch den wohl verstandenen Kontext bewirkt. Die Oper bietet dafür die Möglichkeiten der Musik.

    Da Pontes anspielungsreicher Text spricht gerade die Stärke von Mozarts Opernsprache an, die er von den frühen Werken an besaß und immer weiter verfeinerte. Wenn in "Il rè pastore" der große Alexander auftritt, mit allem Pomp, und eigentlich mit jedem Satz daneben haut, weil er die Situation missversteht, ist es gerade Mozarts Musik, die einen den Widerspruch spüren lässt und mit diesem Widerspruch spielt. Da Ponte war ein idealer Partner, das ganze Libretto eine Vorlage, die Kunst des Ironisierens und des Psychologisierens auf eine bis dahin (und seit daher?) unerreichte Sptze zu treiben. Es ist also komponiert nicht gegen das Libretto, sondern gegen den wörtlichen Text, den da Ponte aber eben nicht als wörtlich verstand. Denn dass er die "opera seria"-Ernsthaftigkeit des Naturvergleiches nicht Ernst nahm, kann man mE aus dem Kontext erschließen, aber auch schon durch den Rückgriff auf eine altertümliche, unmoderne Art der Argumentation.

    Ich weise deshalb so ausführlich darauf hin, weil man bis in die Moderne einen Widerspruch zwischen dem "liederlichen" Libretto und der Musik Mozarts konstruiert hat. Im Gegenteil dazu gehe ich von einer einzigartigen Verschmelzung von Libretto und Musik aus, die tatsächlich die Così zu einer Oper macht, bei der ich keine Note - aber auch kein Wort missen möchte.

    Vollkommen ist die Oper, selbstverständlich, wobei das mir eigentlich eine nicht so wichtige Kategorie benennt, alle großen Kunstwerke sind in ihrer Art vollkommen. Was die Così mE so bedeutend macht, ist der einzigartige Moment zwischen Aufklärung und Kritik der Aufklärung, zwischen Experiment à la Marivaux und existentieller Bedrohung, zwischen Lehrstück und Befreiung der Gefühle - im Spannungsfeld der französischen Revolution.

    Vielleicht muss man die Oper gut kennen, dass sie einem nicht "langweilig" wird, aber es lohnt sich, sie gut zu kennen. Wir hatten einmal in einem anderen Forum einen schönen Thread, zu dem Rideamus, Fairy Queen und andere beitrugen. Die Ergebnisse von damals zu besichtigen und auf der Grundlage zu befragen und weiterzudenken, reizt mich schon, auch weil es eine der Opern ist, von denen ich nicht genug bekommen kann und bei der ich immer wieder Neues entdecke.

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)


  • Große Wertschätzung für Cosi hört man immer wieder. Ich kann sie nicht ganz nachvollziehen; in dieser Oper ist zweifellos sehr viel schöne Musik, aber ich finde sie auch schrecklich lang bis weilig und behaupte mal so aus dem Handgelenk (ich habe sie ewig nicht mehr gesehen oder gehört), man könnte ein gutes Drittel der Partitur streichen, ohne inhaltlich-dramaturgisch viel zu vermissen. Ohne den Thread jetzt allzu sehr in Richtung Cosi leiten zu wollen, würde mich eine kurze Begründung von Dir, Christian (und natürlich auch von Herrn Gielen ;+) ) sehr freuen.

    Gielens Aussage zu Così fan tutte habe ich noch nachzuliefern - sie lautet etwas anders, als ich sie im Gedächtnis hatte:

    "Leichter zu beantworten wäre die Frage nach meinen Lieblingswerken. Da würde ich Mozarts Così fan tutte und Goethes Wahlverwandtschaften nennen, und zwar nicht zuletzt wegen ihrer verwandten Thematik, der erotischen Offenheit der Menschen, die zugleich Gefährdung und Reichtum in sich birgt." (Michael Gielen, Unbedingt Musik. Erinnerungen, Frankfurt 2005, S. 330)


    Was mich betrifft: Faszinierend finde ich zunächst mal die an Marivaux erinnernde "Laborsituation" des Librettos, das kontrollierte Experiment in all seiner Künstlichkeit - eben nicht nur im Libretto, sondern gerade auch in der Musik: wie schon oft bemerkt, spielt Mozart hier häufig mit Versatzstücken insbesondere aus der opera seria, macht "Oper über Oper", etwa (in verschiedener Weise) in Dorabellas Schlangenarie oder in Fiordiligis Come scoglio. In manchen Stücken merkt man deutlich, wie die Figuren eine Rolle spielen, den für ihre jeweilige Situation vorgesehenen musikalischen Affekt verwenden: etwa beim Duett Fiordiligi-Dorabella Ah, guarda, sorella im ersten Akt. Es gibt auch Klangparadiese von extremer Künstlichkeit, wie das Duett mit Chor Secondate, aurette amiche im zweiten Akt.

    Entscheidend ist, dass es dabei nicht bleibt. Zu den wunderbarsten Momenten in dieser Oper gehört es, wenn die Figuren mit ihren Gefühlen und ihrer Musik aus den vorgeschriebenen Affekten ausbrechen und unbekanntes Land betreten: im von Christian erwähnten Abschiedsquintett, in Ferrandos Un'aura amorosa, in Fiordiligis Rondo und im Duett Ferrando/Fiordiligi im zweiten Akt.

    Mein Lieblingsstück nicht nur in dieser Oper ist das Terzett Soave sia il vento, in dem die Schwestern und Alfonso alle widerstrebenden Gefühle in einem einzigen Stück vereinen und auf den Nenner des "Sehnens" (desir) bringen. Das ist das beste Beispiel für Mozarts Kunst, einen unglaublich schönen Klang hervorzubringen und gleichzeitig mit Widersprüchen aufzuladen. Ulrich Konrad hat in seinem Mozart-Buch darauf hingewiesen, dass es sich hier um ein sehr dissonantes Stück handele, in dem (wenn man die Sechzehntelbewegung der Geigen einrechnet) für winzige Momente sogar Siebentonklänge zustandekommen.


    Mit der Vorstellung einer "vollkommenen Oper" kann ich, wie schon oben gesagt, nicht viel anfangen. Ich finde die Così auch nicht "perfekt": so scheint mir das zweite Finale sowohl im Libretto wie auch in der Musik etwas flüchtig zusammengeschustert zu sein, weit entfernt von den Schlussfinali des Figaro und des Don Giovanni (oder gar vom zweiten Figaro-Finale). Aber das kann die Einzigartigkeit dieses Werks für mich nicht beeinträchtigen.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • in Ferrandos Un'aura amorosa, in Fiordiligis Rondo und im Duett Ferrando/Fiordiligi im zweiten Akt.

    Ist doch auch bisschen so, dass diese Beiden nicht nur die emotionale Hauptlast des Stückes tragen, sondern auch, in der Opernlogik Tenor-Sopran, sich zum 'eigentlichen' Pärchen mausern, das einem zeitweise den Eindruck gibt eigentlich sei eben die Ausgangssituation die 'falsche', also die Figuren hätten sich in der Vor-Experiments-Realität falsch gepaart (was durch die Grausamkeit des Experiments affirmiert wird)... also wäre hier die Opernkonvention ein wenig der Stellvertreter der 'wahren Liebe', die natürlich weder manifest noch durch Realität (in der Fiktion) belastbar wird.

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    Musica est exercitium metaphysices occultum nescientis se philosophari animi

  • Ist doch auch bisschen so, dass diese Beiden nicht nur die emotionale Hauptlast des Stückes tragen, sondern auch, in der Opernlogik Tenor-Sopran, sich zum 'eigentlichen' Pärchen mausern, das einem zeitweise den Eindruck gibt eigentlich sei eben die Ausgangssituation die 'falsche', also die Figuren hätten sich in der Vor-Experiments-Realität falsch gepaart (was durch die Grausamkeit des Experiments affirmiert wird)... also wäre hier die Opernkonvention ein wenig der Stellvertreter der 'wahren Liebe', die natürlich weder manifest noch durch Realität (in der Fiktion) belastbar wird.

    Ja, die "falschen" Paare Guglielmo/Dorabella und Ferrando/Fiordiligi scheinen viel besser zu "passen". Spätestens seit den 80er Jahren ist es ein vielgeübter Kunstgriff in Inszenierungen, dass diese Paare (zumindest Ferrando/Fiordiligi) auch in der scheinbar wiederhergestellten Ordnung am Ende der Oper nicht voneinander lassen können.

    Bei der Stimmlage bin ich ein bisschen skeptisch: Die Kombination Sopran/Tenor wird doch erst im 19. Jahrhundert zur Garantie für das "richtige" Liebespaar. Um 1790, speziell auch in Nozze und Don Giovanni gilt das m.E. noch nicht.

    Ich finde es übrigens bezeichnend, dass nach der moralisierend-negativen Beethoven-Wagner-Rezeption des 19. Jahrhunderts sich vor allem Richard Strauss, eine Art Don Alfonso der Musikgeschichte, sich um die Renaissance von Così fan tutte verdient gemacht hat.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • ,
    Ich finde es übrigens bezeichnend, dass nach der moralisierend-negativen Beethoven-Wagner-Rezeption des 19. Jahrhunderts sich vor allem Richard Strauss, eine Art Don Alfonso der Musikgeschichte, sich um die Renaissance von Così fan tutte verdient gemacht hat.

    Es ist nicht zufällig die Zeit, in der das Rokoko wieder entdeckt wird. Und der "Rosenkavalier" liegt in der Luft, im grimmigen Simplicissimus zeichnet Franz von Bayros.

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Ja, die "falschen" Paare Guglielmo/Dorabella und Ferrando/Fiordiligi scheinen viel besser zu "passen".

    Aber ist dieser Eindruck nicht bloß einer der Stimmlagen, der eben auf die romantische Konzeption der Paare als Sopran-Tenor und Mezzo-Bariton (vgl. z.B. Webers Euryanthe und Wagners Lohengrin) zurückgeht (dagegen z.B. Tschaikowski, Eugen Onegin!)? Denn in Wirklichkeit scheint mir der flotte und umstandslose Partnertausch am Ende eher noch unrealistischer als die Rückkehr zur Vor-Experiments-Realität. Zumal die Herren dann ja nicht ständig als die Albaner herumlaufen werden, die den Damen ihrer exotischen Ausstrahlung wegen so gut gefallen haben.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Hat eigentlich irgendjemand von euch gestern die Liveübertragung der neuen "Cosi" aus Aix-en-Provence gesehen und eine Meinung dazu?

    Mein Eindruck ist noch ein Bisschen unentschlossen, aber eigentlich eher deutlich negativ. Sowohl szenisch als auch musikalisch scheint mir die Produktion nicht besonders gelungen. Patrice Chereau und Daniel Harding mit ihren Sängern haben da bei der letzten "Cosi" an dieser traditionsreichen Stätte vor zehn Jahren viel, viel mehr herausgeholt.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

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