W. A. Mozart: Così fan tutte - eine vollkommene Oper?

  • Das mag ja alles eine interessante Behauptung sein, aber noch einmal: Wo, an welcher Stelle, steht so etwas im Stück?

    Ich hatte das entsprechende Zitat gebracht.

    Dass Ferrando und Guglielmo in der Schule der Liebenden gelernt haben, dass Frauen nicht treu sind: Szene II,13.
    Der Phönix aus Arabien: Wörtliches Zitat aus Szene I,1.
    Don Alfonsos "Erziehungsprogramm": Szenen I,1; I,7; II,13; II, 18.

    Du hattest Dich auf den Schluss bezogen, wo angeblich als Fazit stehe, dass "die große, romantische Liebe ein Phönix aus Arabien (sei), über den man sich eben keine Illusionen machen sollte". Das Problem bei dieser Deutung ist. Das steht da einfach nicht. Statt dessen steht da, dass sich die alten Paare wieder finden, sich gegenseitig verzeihen und auf eine glückliche Zukunft mit gegenseitigem Vertrauen hoffen. Die Musik erzählt dasselbe. Ich habe schon verstanden, dass Euch diese Botschaft nicht gefällt und ihr sie lieber durch eine andere ersetzen wollt, was natürlich beides prinzipiell legitim ist. Nur gibt es halt im Stück nun mal diesen optimistischen Schluss, an dem man nicht vorbeikommt, wenn man nicht auf das dämlichste aller Argumente zurückgreifen will, dass alles, was einem nicht in den Kram passt, "ironisch" gemeint sei. Wenn Mozart zu der angeblich gemeinten "Aporie" nichts anderes als C-Dur-Jubel eingefallen wäre, müsste er ein verdammt schlechter Komponist gewesen sein. Ich glaube nicht, dass er das war.

  • Das Problem bei dieser Deutung ist. Das steht da einfach nicht. Statt dessen steht da, dass sich die alten Paare wieder finden, sich gegenseitig verzeihen und auf eine glückliche Zukunft mit gegenseitigem Vertrauen hoffen.

    Das Problem Deiner Deutung ist, dass sie so einiges, was hier gesagt wurde einfach unter den Teppich kehrt, weil Du unbedingt an ein Happy End nach Don Alfonso glauben willst. Die passendere Deutung ist jene, welche alles Widersprüchliche in sich vereint.

    Wenn Mozart zu der angeblich gemeinten "Aporie" nichts anderes als C-Dur-Jubel eingefallen wäre, müsste er ein verdammt schlechter Komponist gewesen sein. Ich glaube nicht, dass er das war.

    Hier genau liegt die Lösung des Problems.
    Mozarts Musik widerspricht mE die gesamte Oper lang dem üblen Spiel. Die Musik ist als Juxtaposition zu den Worten zu verstehen. Die Worte verkörpern die Vernunft und damit die Des-illusion und den Verlust der naiven Leidenschaft.

    Die Musik verkörpert das genaue Gegenteil. Nämlich das Irrationale, das Leidenschaftliche und Wundersame. Das tut sie aber die gesamte Oper lang. Man sollte mE nicht nur die letzten Takte ansehen und dann sagen, es gehe doch gut aus. Sondern man sollte sich fragen, wie es kommt, dass Mozart die gesamte Oper lang keine musikalische Kritik an dem fiesen Spiel übt, was mit Worten zu hören ist und mit Augen zu sehen. Er befürwortet es augenscheinlich sogar und genau deshalb fällt man so leicht auf diese Oper herein und glaubt es sei eine harmlose Komödie. Man meint Mozart billige die Handlung, da die Musik so schön beschwingt mitmacht. Und deswegen könne die ganze Sache ja nicht so arg sein.

    Das Benehmen der Männer (und Despina) zu bestätigen - und damit den Schluss als Konsequenz dieses Benehmens zu befürworten - kann aber von Mozart nicht gemeint sein, denn das Benehmen ist nun einmal objektiv negativ. Betrug bleibt Betrug. Und von jemandem mit Selbstmordrohung Liebe zu erzwingen ist ganz verdreht. Heutzutage strafbar. Da kommt man nicht drum herum. Man kann sich auch nicht hinterher damit trösten, dass es angeblich gut ausgeht, denn die Versöhnung ist viel zu kurz gehalten, es gibt Hinweise auf Doppeldeutigkeit und Ironie und fortweilend fehlenden Respekt. Das kann man nicht einfach wegdefinieren. Es ist mit da.

    Wenn Mozart aber diese Don Alfonso Vernunft Lehre und die gesamte Handlung nicht befürworten kann, ohne uns seine himmlische Musik zu vergällen und in unseren Augen ein Armleuchter zu werden, was tut er dann?

  • Das Problem Deiner Deutung ist, dass sie so einiges, was hier gesagt wurde einfach unter den Teppich kehrt

    Ich bekenne mich schuldig, für wichtiger zu halten, was Da Ponte und Mozart gesagt haben.

    Das Benehmen der Männer (und Despina) zu bestätigen - und damit den Schluss als Konsequenz dieses Benehmens zu befürworten - kann aber von Mozart nicht gemeint sein, denn das Benehmen ist nun einmal objektiv negativ.

    :megalol: :megalol: :megalol:

  • Du hattest Dich auf den Schluss bezogen, wo angeblich als Fazit stehe, dass "die große, romantische Liebe ein Phönix aus Arabien (sei), über den man sich eben keine Illusionen machen sollte". Das Problem bei dieser Deutung ist. Das steht da einfach nicht.

    das steht genau da, wo es Cherubino angab:

    ALFONSO
    Die gerühmte Weibertreue
    Gleicht dem Phönix aus Arabien,
    Jeder weiss davon zu schwatzen;
    Doch wo er ist? Das weiss man nicht.

    FERRANDO
    Meine Braut ist solch ein Phönix!

    GUGLIELMO
    Meine Braut ist solch ein Phönix!

    Ich habe schon verstanden, dass Euch diese Botschaft nicht gefällt und ihr sie lieber durch eine andere ersetzen wollt, was natürlich beides prinzipiell legitim ist


    was mich betrifft, so wäre das entschieden mißverstanden. ich wüßte nicht, daß ich überhaupt von einer "Botschaft" der Cosi gesprochen hätte (das schiene mir irgendwie daneben), geschweige denn, daß mir diese mißfällt, und am Schluß etwas zu biegen oder zu extrapolieren wäre mir ein Greuel.

    Nur gibt es halt im Stück nun mal diesen optimistischen Schluss

    ich bestreite ebenfalls nicht, daß der Schluß "positiv gestimmt" ist. Die Frage ist aber, auf welcher Basis dieser positive Schluß stattfindet.

    Dein Vorschlag ist: Erfahrung von Gefährdung, Reifung, vertieftes Verständnis vom Wert einer Partnerschaft.

    Meine Ansicht ist, daß die Basis des positiven Schlusses in Alfonsos Lehre besteht.

    Die Argumente will ist jetzt nicht wiederholen.

    (Ich habe übrigens deutlich gemacht, daß ich die Afonso-Deutung für die stimmigste und plausibelste halte, das heißt also nicht, daß ich sie zu 100% stimmig finde - gewisse Schwierigkeiten finde ich auch bei dieser).

    Das steht da einfach nicht. Statt dessen steht da, dass sich die alten Paare wieder finden, sich gegenseitig verzeihen und auf eine glückliche Zukunft mit gegenseitigem Vertrauen hoffen. Die Musik erzählt dasselbe.

    wo steht was von "gegenseitigem Verzeihen"? Nur die Frauen sehen sich dazu veranlaßt.

    Nur gibt es halt im Stück nun mal diesen optimistischen Schluss, an dem man nicht vorbeikommt, wenn man nicht auf das dämlichste aller Argumente zurückgreifen will, dass alles, was einem nicht in den Kram passt, "ironisch" gemeint sei. Wenn Mozart zu der angeblich gemeinten "Aporie" nichts anderes als C-Dur-Jubel eingefallen wäre, müsste er ein verdammt schlechter Komponist gewesen sein.


    dann schauen wir mal, welche Text Mozart mit dem C-Dur Jubel versieht:

    ALLE
    Glücklich preis' ich, wer erfasset
    Alles von der rechten Seite,
    Der bei Stürmen niemals erblasset,
    Wählt Vernunft als Führerin.
    Was im Leben and're weinen macht,
    Ist für ihn ein Grund zum Lachen.
    Drohn Gefahren noch so fürchterlich,
    Wahrt er seinen heitern Sinn!

    das ist m.E. Alfonso pur, innige Liebe wird da nicht gepriesen.


    ich will aber noch eine Schwierigkeit der Alfonso-Deutung anführen (weils niemand anders getan hat):

    genau vor dem Testverzicht sagen die beiden Männer, nachdem die Frauen ihre Schwüre ewiger Treue wiederholt haben.:

    "Glauben will ich dir's, Geliebte,"

    auf gut alfonsinisch müßte es ja heißen "ich glaube dir zwar nicht, aber es ist ok so".

    Das wäre aber wohl doch eine zu arge kalte Dusche, auf die die Männer denn doch verzichten wollen. Immerhin fertigen sie die Frage auffällig knapp ab.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Man meint Mozart billige die Handlung,

    mir scheint es ja, als würde allein schon die Frage, was Mozart nun billige und was nicht, nach Art der moralisierenden Betrachtung des 19. Jh. an der Sache vorbeizuzielen.

    Und von jemandem mit Selbstmordrohung Liebe zu erzwingen ist ganz verdreht. Heutzutage strafbar.

    hast du dafür (für die Strafbarkeit) einen Beleg? Würde mich interessieren.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Das Benehmen der Männer (und Despina) zu bestätigen - und damit den Schluss als Konsequenz dieses Benehmens zu befürworten - kann aber von Mozart nicht gemeint sein, denn das Benehmen ist nun einmal objektiv negativ. Betrug bleibt Betrug. Und von jemandem mit Selbstmordrohung Liebe zu erzwingen ist ganz verdreht. Heutzutage strafbar. Da kommt man nicht drum herum. Man kann sich auch nicht hinterher damit trösten, dass es angeblich gut ausgeht, denn die Versöhnung ist viel zu kurz gehalten, es gibt Hinweise auf Doppeldeutigkeit und Ironie und fortweilend fehlenden Respekt. Das kann man nicht einfach wegdefinieren. Es ist mit da.

    Ich weiß nicht recht, ob man all diese Deformationen der Liebe im real existierenden Patriarchat Mozart anlasten muss - dass die versuchte Untreue der Herren als eine Art Test der Damen durchgeht, erzeugt so eine Doppelbödigkeit, die man augenzwinkernd zur Kenntnis nehmen oder problematisieren kann - daran, dass unter realen Verhältnissen eine gegenseitige Funktionalisierung der Geschlechter die "große" romantische Liebe unterläuft, will wohl auch ein Mozart nicht wirklich was ändern; trotzdem plädiert er für meine Begriffe für einen toleranten, verzeihenden Umgang mit den Gefährdungen, denen die Paarbeziehung ausgesetzt ist.
    "so machens Alle", das heißt ja: nicht nur die Frauen.
    Die sog. "Vernunft" im frühkapitalistisch/feudalen Heiratsmarkt gebietet ja geradezu das Testen des eigenen Marktwertes, den Frauen unweit existentieller als den Männern, die darüber schön tolerant schmunzeln können.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Das Schlagwort der "Vernunft", mit dem so manche(r) hier Alfonso am liebsten totprügeln würde, stimmt übrigens auch nicht so ganz: Nachdem beide Frauen dem Werben der falschen Liebhaber erlegen sind, ist es Alfonso, der die Männer daran erinnert, dass sie ihre Verlobten trotz allem lieben ("In fondo, voi le amate"), sie damit vor der Trennung (oder Schlimmerem) bewahrt und sogar eine Doppelhochzeit (natürlich mit den "echten" Paaren) am selben Tag vorschlägt, wogegen die Männer daraufhin keine Einwände mehr erheben. Er spricht also in diesem entscheidenden Moment nicht von Vernunft sondern von Liebe. Das Stück wäre hier wie gesagt eigentlich an seinem natürlichen Ende, was musikalisch mit dem gemeinsam gesungenen "Cosi fan tutte" vollkommen eindeutig markiert ist.
    Und jetzt muss Rosamunde ganz tapfer sein: Die Initiative zu den folgenden "falschen" Vermählungen geht - ich kann leider nicht drumherum reden - von den Frauen aus, deren Entscheidung Despina mit den Worten "A sposarvi disposte Son le care madame" genau in diesem Moment überbringt.


    genau vor dem Testverzicht sagen die beiden Männer, nachdem die Frauen ihre Schwüre ewiger Treue wiederholt haben.:

    "Glauben will ich dir's, Geliebte,"

    Nein, das sagen sie nicht. Sie sagen: "Te lo credo, gioia bella", also "Ich glaube dir, schöne Freude". Sie empfinden also Freude, die sie nicht mehr mit Misstrauen belasten oder gefährden wollen. Sie sprechen hier zu sich selbst. Und ganz sicher nicht ironisch....

  • Sie sagen: "Te lo credo, gioia bella", also "Ich glaube dir, schöne Freude". Sie empfinden also Freude, die sie nicht mehr mit Misstrauen belasten oder gefährden wollen. Sie sprechen hier zu sich selbst. Und ganz sicher nicht ironisch....

    Hier habe ich mich geirrt (danke an Argonaut, der mich darauf hingewiesen hat): "gioia bella" heißt zwar "schöne Freude", ist aber hier doch als liebevolle Anrede zu verstehen. Die Ironie allerdings klingt nur in der deutschen Übersetzung an, und zwar durch das "will ich" (so als, würde man sagen "ich will es zwar glauben, aber..."). Im italienischen Original gibt es einen solchen Anklang nicht.

  • Ist aber nicht die Beschämung der Bräute nicht auch die eigene? Können die beiden Kerle wirklich das Spiel abbrechen? Dann stehen sie endgültig als 'Fieslinge' dar. Wenn man sich einmal auf solch ein Spiel einlässt, spielt man es dann nicht auch bis zum Ende durch, in der Hoffnung, doch noch zu siegen? Um irgendwann zu lernen, dass man sich halt verrannt hat und in Bereiche vorgestoßen ist, die man eigentlich so nicht kennenlernen wollte. Und genau da landen doch die beiden Männer. Die Frauen allerdings auch.


    ds wollte ich noch kurz erläutern. Ich meinte, von den äußeren Gegebenheiten her wäre es leicht, abzubrechen. Natürlich nicht von ihrer inneren Situation her.

    Aber wenn es Ernst wäre mit ihrer Einsicht, müßten sie zumindest daran leiden, daß sie abbrechen müßten, aber das aus Feigheit nicht fertigbringen, wenn sie es denn schon nicht fertigbringen.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Du meinst, die Inszenierung stellt das so dar? Im Libretto findet sich m. W. kein Hinweis darauf, daß Don Alfonso "Unglück in der Liebe hatte".

    gleich in seiner 2. Zeile überhaupt sagt Alfonso "ex cathedra parlo". Übersetzt finde ich das mit "ich spreche als Fachmann" oder "ich spreche aus Erfahrung". Das könnte heißen, daß er sich als den distanzierten Beobachter sieht, der nicht unbedingt selbst erlebt haben muß, was ihm am menschlichen Treiben so auffällt. Aber eine andere Deutung wäre vielleicht auch möglich?

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Aber eine andere Deutung wäre vielleicht auch möglich?

    Man kann die Stelle natürlich in allerlei Weise deuten (und dieser Thread bietet ja schon eine ganze Menge Deutungen über die Handlungen der Figuren, was mir allerdings mehr über die Phantasie der hier Schreibenden verrät als über das Stück selbst). Ich würde mich auf das beschränken, was zu lesen ist.

    Don Alfonso:
    Ho i crini già grigi,
    Ex cathedra parlo;
    Ma tali litigi
    Finiscano qua.

    Meine Übersetzung (vgl. # 64): ... was ich sage, ist unfehlbar ... Laut https://de.wikipedia.org/wiki/Kathedra bezeichnet ein Spruch "ex cathedra" "eine unfehlbar verkündete Lehrentscheidung in Fragen des Glaubens oder der Sittenlehre" durch den Papst. Da die Wendung hier in einem italienischen Text vorkommt und ich des Italienischen nicht mächtig bin, weiß ich nicht, wie das angemessen ins Deutsche übersetzt werden kann. Soweit ich es verstehe, behauptet Don Alfonso hier nicht, aus eigener Erfahrung zu sprechen, und daß er selbst "Unglück in der Liebe" gehabt haben soll, ist reine Phantasie. Aber vielleicht täusche ich mich, und "ex cathedra" verweist tatsächlich auf mehr?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Soweit ich es verstehe, behauptet Don Alfonso hier nicht, aus eigener Erfahrung zu sprechen

    Na, im Zusammenhang mit "ho i crini già grigi" (~ "ich hab' ja schon 'ne graue Mähne") würde ich das schon so verstehen. Und der Papst zu sein behauptet er ja nicht.

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Schauen wir doch mal, wie die Italiener es verstehen:
    https://www.treccani.it/vocabolario/ex-cathedra/
    Hier steht, dass [parlare] ex cathedra die Bedeutung hat von in modo dogmatico, con sussiego e perentorietà, sozusagen: in dogmatischer Weise, mit Autorität und kategorisch.

    Es steht nichts von Erfahrung da, eher die Autorität eines Gelehrten - eines vecchio filosofo eben, mit schon ergrauten Haaren.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • gleich in seiner 2. Zeile überhaupt sagt Alfonso "ex cathedra parlo". Übersetzt finde ich das mit "ich spreche als Fachmann" oder "ich spreche aus Erfahrung". Das könnte heißen, daß er sich als den distanzierten Beobachter sieht, der nicht unbedingt selbst erlebt haben muß, was ihm am menschlichen Treiben so auffällt. Aber eine andere Deutung wäre vielleicht auch möglich?

    Es steht nichts von Erfahrung da, eher die Autorität eines Gelehrten - eines vecchio filosofo eben, mit schon ergrauten Haaren.

    ok, das wäre damit wohl abgehakt.

    Ich finde aber noch eine Stelle, die in Richtung eines "Traumas" seitens Alfonso deuten könnte.

    Es ist die ganz kurze Soloszene (I,7) des Alfonso nach den Gute-Reise-Wünschen. Den Text:

    ALFONSO
    [Rezitativo]
    Ich bin kein schlechter Komiker! Schon gut so! Zum Rendezvous erwarten
    mich die Freunde, die für Mars und Venus wie die Helden sich schlagen.
    Jetzt ohne Zaudern eile ich zu ihnen. Welch Gebaren, welch übertriebener
    Jammer! Desto besser für mich, sie fallen desto eher: Wer wie sie sich
    gebärdet, pflegt am schnellsten seinen Sinn zu verändern.

    Ihr armen Toren!
    Schon habt Ihr die Zechinen halb verloren!
    Der pflügt im Meere,
    Der streut in Sand den Samen aus
    Und sucht im Netze
    Sturmeshauch zu fangen auf,
    Der arglos seine Hoffnung
    Auf Weibertreue setzt.


    ... würde ich jetzt nicht unbedingt in dieser Richtung verstehen, aber wie ist es mit der Musik nach dem Rezitatv? Jedenfalls wird sie anscheinend gern als Zornesausbruch des Alfonso interpretiert, und das Notenbild scheint mir dies auch nahe zu legen. Oder wird hier doch das unverläßliche, bewegte, meeres- und sturmgleiche Frauenherz gemalt? Oder beides?

    Ich finde allerdings, so eine Psychokiste würde den Alfonso eher verkleinern, da es auf Rache hinausläuft, und widerspräche seinen sonstigen Maximen.

    (die Stelle ist übrigens in der hier in den neueren Beiträgen angesprochenen Inszenierung gestrichen).

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Eben gehört, eben geguckt: Eine sehr junge und sehr großartige "Cosi fan tutte" als Liveübertragung von den Salzburger Festspielen. Guckt mal rein, wer etwas für Mozarts Opern übrig hat:
    https://www.arte.tv/de/videos/0986…von-w-a-mozart/

    nur noch wenige Tage bis zum 31. zu sehen.

    Die Aufführung hat ja teilweise ziemliche Begeisterung ausgelöst, ist teilweise aber auch eher reserviert aufgenommen worden.

    Mancher positiven Einschätzung kann ich gut zustimmen, habe aber auch Einwände.

    Zunächst ein paar nicht ganz so wichtige, mehr punktuelle Einwände:

    Nicht gepaßt hat mir die ja des öfteren anzutreffende Unart, die Ouvertüre zu bebildern bzw. schon in die szenische Aktion hineinzuziehen.

    Hier sieht man die beiden Schwestern schon während der Ouvertüre in einem zärtlichen Verhältnis zueinander, dazu kommt Alfonso. Verstehen tu ich das nicht - ok, das wird an mir liegen.

    Es zerstört den im Stück vorhandenen Auftrittseffekt, daß nämlich die Schwestern erst auftreten, nachdem von ihnen schon intensiv die Rede war.

    Spiegelbildlich dazu finde ich es auch verfehlt, wenn während des Schlußensembles noch alle möglichen Interaktionen der Beteiligten stattfinden, die noch etwas zum Verhältnis der Figuren zueinander sagen sollen. (Da bin ich also anderer Meinung als Fairy Queen, die sich ja "mehr Mut" bei einem Fortspinnen der Handlung wünschte).

    Ein weiterer Punkt wäre, daß die Inszenierung für mich ein wenig einen Schlag ins zu Edle hat.

    Man kann ja einiges lesen über ironische Elemente in Mozarts Musik. Eine Komponente, die sich mir eigentlich am stärksten aufdrängt, die aber anscheinend recht wenig Erwähnung findet, ist der manchmal ans Synchronschwimmen erinnernde Doppelungseffekt - zwischen den beiden Männern, zwischen den beiden Frauen. Der Text bietet da reichlich Gelegenheiten, die Mozart weidlich nutzt. Das hätte m.E. die Inszenierung etwas mehr unterstreichen können, auch wenn das ganze dadurch etwas klamottiger wird (nur ein wenig - Zwillingslook könnte übertrieben ausfallen). Aber m.E. funktionieren die Verkleidungsgeschichten (nach den Mozartbiographen Jahn/Abert "je unwahrscheinlicher, desto besser") nur in einer nicht zu edlen, nicht zu ernsthaften Umgebung.


    Einen für mich viel wichtigeren Einwand habe ich gegen die Rollenkonzeption des Alfonso. (Ich kritisiere ausschließlich die Regie, nicht die Leistung des Sängers/Schauspielers).

    Diese erscheint mir völlig verfehlt.

    Alfonso ist als durch und durch zwiespältige Existenz angelegt. Getrieben von Haßliebe zur Weiblichkeit, leidet er mal unter dem, was er angerichtet hat, mal gerät er in Panik, wenn seine Pläne zu scheitern drohen. Wohlwollend, gleichzeitig neidzerfressen. Er ist das Gegenteil von dem, was er als seine Maximen verkündet. Dafür ist er auch viel zu erregt bei der Sache.

    Mal spielt er den zärtlichen Papa, dann ist er darauf bedacht, die Frauen auch so richtig vorzuführen. Das ist so mies, daß m.E. die der Opera buffa zuzubilligende Morallosigkeit entschieden überstrapaziert wird.

    Und dann die Heulerei beim Un' aura amorosa (auch bemerkt von Rosamunde hier). Er zerfließt vor Selbstmitleid, steckt sogar Despina und Gugliemlo an, die plötzlich so komisch ernst dreischauen, als ob sie alle gerührte Zuschauer in der Oper wären.

    (ich halte auch musikalisch das Un' aura amorosa in dieser Aufführung für verfehlt. Es ist ein 3/8-Andante, Harmoniewechsel typischerweise ganztaktig, das deutet m.E. eher auf einen leichten, zärtlichen Serenadenton als auf ein gefühlstiefes Adagio (wohl eher zurückhaltend, vielleicht sogar etwas introvertiert, quasi "für sich" vorzutragen - die Violinen haben "con sordino"!) Der Text spricht m.E. auch eher für eine solche Auffassung: zwar ist vom "Herzen" die Rede, aber ganz unpersönlich, und wessen das Herz bedarf, das wird in Genußmetaphern ausgedrückt).

    wird seine Erscheinung im Verlauf der Handlung mE keineswegs betroffener, sondern rein äusserlich unordentlicher. Er vernachlässigt sich selber wie jemand, der niemanden hat, für den er sich im besten Licht präsentieren möchte. Ganz typisch für jemanden, der in Sachen Liebe schon lange aufgegeben hat. Er lässt sich gehen, verwahrlosen.

    Richtig. Wobei er einerseits "in Sachen Liebe abgeschlossen" haben mag, andererseits aber auch gerade nicht diesbezüglich mit sich ins Reine gekommen ist

    Ich sehe es auch so, dass in dieser Inszenierung zumindest Ferrando zutiefst getroffen ist, von dem, was er angerichtet hat. Er geht deshalb mE am Ende kurz mit einem Messer auf Don Alfonso los und sticht auch zu.

    soweit ich gesehen habe, hat Dorabella irgendwie ein Messer, Alfonso nimmt es ihr weg, später entreißt Ferrando es ihm und will sich auf die Frauen stürzen, läßt aber angesichts von deren Schuldbekenntnis doch davon ab.

    ich sehe das nicht so, daß Ferrando zutiefst getroffen ist, von dem, was er angerichtet hat. Getroffen ist er, aber wenn von sich selbst, warum geht er dann auf die Frauen los?


    Nun mag man einwenden, warum das alles nicht so - das mache doch den Alfonso interessant.

    Gegenfragen:

    Könnte eine solche zerissene Existenz plausiblerweise die Fäden der Handlung so gut in den Händen halten, wie es in Cosi der Fall ist? Sollte der nicht andauernd an sich selbst scheitern?

    Und was sagt Mozarts Musik dazu? Ist da dergleichen komponiert?

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • :versteck2:
    (kann man sich hier wieder blicken lassen? .....)

    :D

    Vielen Dank, zabki, ich komme vielleicht auf Deine Hauptfragen zurück, wenn ich darüber nachgedacht habe. Erst wollte ich nur die Geschichte mit dem Messer nochmal durchgehen, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das so in allen Einzelheiten für Deine Hauptfragen wichtig ist.
    Dennoch:

    Das Messer erscheint bei 2hrs 0 mins in Ferrandos Hand auf der Bühne. Er kommt rein und sagt: ...."mit dieser Waffe stich mir ins Herz...." Es wechselt dann die Hände zu Fiordiligi, weil sie ihn ja damit erstechen soll.

    Sie lässt es dann bei 2 hrs 2mins links neben der linken Tür fallen. Da bleibt es liegen bis 2hrs17:40 , wo Dorabella es während der hastigen Aufräumaktion aufhebt. Don Alfonso nimmt es ihr schnell ab und behält es, meist hinter dem Rücken, aber auch mal so, dass Ferrando es sehen kann.

    Bei 2hrs 21mins nimmt Ferrando es ihm wutentbrannt, sozusagen im Affekt ab, sticht ihm (wie ich es zu sehen meine) in die Seite und stösst ihn zu Boden. Alfonso hält sich deshalb klar sichtbar noch die Seite. So sehe ich das, obwohl es zugegebenermassen so schnell geht, dass man sich nicht ganz sicher sein kann, on Ferrando wirklich zusticht. Oder entreisst er nur Don Alfonso das Messer und dieser hält sich nur die Seite, weil er einen Ellenbogen in die Ripoen bekommen hat? Allerdings geschieht das ganz zu den Worten:
    ...nennt den Schuft....strömen wird sein Blut. Ich glaube also, es könnte sein, dass Ferrando hier Don Alfonsos Blut in der Tat strömen lässt.

    Als nun Ferrando das Messer hält nachdem er Don Alfonso zu Boden gestossen hat, geht er in seiner Wut nur einen Schritt vorwärts auf die Frauen zu, hält aber sofort inne als die beiden singen "zu tief bin ich gefallen.....Dein Eisen soll meinen Busen durchstechen..." Ferrando lässt dabei den Arm mit dem Messer langsam entspannen und wirft schliesslich bei 2hrs 22:25 das Messer weg.

    Für mich ist es deshalb in dieser Inszenierung eher so, dass Ferrando Don Alfonso als den Schuft ansieht und gegenüber den Frauen eine ganz andere Haltung einnimmt. Ich glaube man kann an dem Einhalten und dem Wegwerfen des Messers erkennen, dass er seine eigenen Schuld-Anteil an dem ganzen Schlamassel erkannt hat - in dieser Inszenierung. Wie es bei Mozart ist.....da scheiden sich die Geister.

  • Das Messer erscheint bei 2hrs 0 mins in Ferrandos Hand auf der Bühne. Er kommt rein und sagt: ...."mit dieser Waffe stich mir ins Herz...." Es wechselt dann die Hände zu Fiordiligi, weil sie ihn ja damit erstechen soll. Sie lässt es dann bei 2 hrs 2mins links neben der linken Tür fallen. Da bleibt es liegen bis 2hrs17:40 , wo Dorabella es während der hastigen Aufräumaktion aufhebt. Don Alfonso nimmt es ihr schnell ab und behält es, meist hinter dem Rücken, aber auch mal so, dass Ferrando es sehen kann.

    Bei 2hrs 21mins nimmt Ferrando es ihm wutentbrannt, sozusagen im Affekt ab, sticht ihm (wie ich es zu sehen meine) in die Seite und stösst ihn zu Boden. Alfonso hält sich deshalb klar sichtbar noch die Seite. So sehe ich das, obwohl es zugegebenermassen so schnell geht, dass man sich nicht ganz sicher sein kann, ob Ferrando wirklich zusticht. Oder entreisst er nur Don Alfonso das Messer und dieser hält sich nur die Seite, weil er einen Ellenbogen in die Ripoen bekommen hat? Allerdings geschieht das ganz zu den Worten:
    ...nennt den Schuft....strömen wird sein Blut. Ich glaube also, es könnte sein, dass Ferrando hier Don Alfonsos Blut in der Tat strömen lässt.

    Als nun Ferrando das Messer hält nachdem er Don Alfonso zu Boden gestossen hat, geht er in seiner Wut nur einen Schritt vorwärts auf die Frauen zu, hält aber sofort inne als die beiden singen "zu tief bin ich gefallen.....Dein Eisen soll meinen Busen durchstechen..." Ferrando lässt dabei den Arm mit dem Messer langsam entspannen und wirft schliesslich bei 2hrs 22:25 das Messer weg.

    da kann ich fast völlig zustimmen.

    In dem Moment allerdings, wo Ferrando dem Alfonso das Messer entreißt, geht es so schnell, daß ich da nicht richtig mitkomme. Ich neige aber doch mehr zur Meinung, daß Ferrando nicht zusticht, aus folgenden Gründen:

    Text und Musik bieten keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß F. den A. agressiv angeht - "Blut soll in Strömen fließen / in Blut will ich mich baden" (so nach der Übers. im rororo-Bändchen zur Cosi, von "Schuft" scheint im orig. Libretto nichts zu stehen) bezieht sich da m.E. eindeutig auf die Wut von G. + F. auf ihre Verlobten.

    Nun, das heißt natürlich nicht, daß die Regie sowas nicht eingebaut hätte. Aber auch dagegen spricht m.E.:

    - es wäre der falsche Zeitpunkt, der richtige wäre beim bzw. anstatt des gemeinsamen "Cosi fan tutte" gewesen
    - F. läuft direkt aus seiner Wut auf D. heraus auf A. zu - wie ich das sehe, will er das Messer, aber nicht gegen A.
    - da eine Komödie kein Märchenspiel ist, sondern einen gewissen Realismus wahrt, müßte doch A. zumindest schwerverletzt sein, wenn er so direkt mit dem Messer attackiert wird
    - von der Körperhaltung her ist F. zu keinem Zeitpunkt völlig gegen A. gerichtet; nach halber Drehung aber wohl gegen die Frauen, auch in der Haltung des Messers
    - wenn die Inszenierung hier eine Attacke gegen A. vorsähe, sollte das auch die Kamera etwas deutlicher zeigen.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Text und Musik bieten keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß F. den A. agressiv angeht - "Blut soll in Strömen fließen / in Blut will ich mich baden"

    Ich ging nur nach den Untertiteln. Das steht "nennt den Schuft" "strömen soll sein Blut". Wenn man also nach den Untertiteln geht, gibt es einen Hinweis, dass Alfonso an dieser Stelle in dieser Inszenierung von Ferrando als der Schuft angesehen wird. Auf den ersten Blick schon komisch, dass das Libretto so freizügig übersetzt wurde.

    Ich habe allerdings eine englische Übersetzung gefunden und da steht an derselben Stelle auch:
    "Let us find the villains and their blood shall flow."

    Eine andere Übersetzung lautet aber:
    "ah let the revelation be made...."

    Hier ist die Stelle auf Italienisch:

    Ferrando e Guglielmo
    alle ragazze
    Giusto ciel! Voi qui scriveste;
    Contradirci omai non vale:
    Tradimento, tradimento!
    Ah si faccia il scoprimento
    E a torrenti, a fiumi, a mari
    Indi il sangue scorrerà!
    vanno per entrare nell'altra camera; le donne li arrestano[/i]"

    Keine Frage, dass da nichts von Schuft steht, allerdings: wie soll man sonst die Zeile (ah si faccia il scoprimento) verstehen, als dass man nach dem schuldigen Betrüger suchen wolle, dessen Blut dann fliessen soll.
    Interessant also dann, dass im Libretto sich F und G anschicken, denjenigen suchen zu gehen oder auf jeden Fall das Zimmer zu verlassen. Es ist nicht im Libretto vorgesehen, dass sie der Frauen Blut fliessen lassen wollen, sonst wären sie ja im Raum auf sie losgegangen. (Oder soll man glauben, dass sie nur den Raum verlassen wollen, um ein Messer zu holen? Ich meine das kann nicht sein, denn die Degen der usprünglichen Verlobten hat Despina ja schon vor einiger Zeit hereingeholt, man hätte also was zur Hand, um Blut fliessen zu lassen, wenn man es wollte. Und ein Messer wäre dem Libtetto nach auch zur Hand).

    In der Inszenierung nun benimmt sich von beiden Männern auch nur F einige Momente lang so, als ob er im Sinn hat mit dem Messer auf die Frauen loszugehen. Aber er hält sehr weit davon entfernt damit ein.

    - F. läuft direkt aus seiner Wut auf D. heraus auf A. zu - wie ich das sehe, will er das Messer, aber nicht gegen A.

    - Ja stimmt: er will das Messer. Aber ich finde man kann nicht davon ausgehen, dass er es nicht auch auf Don Alfonso abgesehen hat. Ich glaube er erkennt Don Alfonso als den Hauptschuldigen an und sticht deshalb zu. Das kann man aber anders sehen.

    - da eine Komödie kein Märchenspiel ist, sondern einen gewissen Realismus wahrt, müßte doch A. zumindest schwerverletzt sein, wenn er so direkt mit dem Messer attackiert wird


    - Man kann es so deuten , als sei Don Alfonso verletzt. Er liegt lange am Boden und hält sich die Seite.

    - von der Körperhaltung her ist F. zu keinem Zeitpunkt völlig gegen A. gerichtet; nach halber Drehung aber wohl gegen die Frauen, auch in der Haltung des Messers


    - F geht dirket auf Don Alf zu. Ob er nur das Messer will, oder auch zustechen, wissen wir nicht. Ja, er ist danach schon einen Moment lang auf die Frauen ausgerichtet, allerdings geht er nicht auf sie zu, sondern lässt den Arm ziemlich bald sinken und dreht sich dabei weg von ihnen.

    - wenn die Inszenierung hier eine Attacke gegen A. vorsähe, sollte das auch die Kamera etwas deutlicher zeigen.


    - ja , die Kamera war dafür an der falschen Stelle, das stimmt. Aber kann man soviel Vertrauen in die Kameraregie haben, dass diese Tatsache etwas bedeutet?

    Ich gebe Dir alledings Recht, sagte ich ja schon im vorherigen Beitrag: Es ist nicht eindeutig zu sagen, ob Ferrando mit dem Messer zusticht oder nicht, aber es ist 1. bezeichnend, dass er ihn auf jeden Fall zu Boden stösst und 2. zwar auf dei Frauen losgehen will, aber es nicht tut.

    Also für mich bleibt es dabei, dass Don Alfonso von F und von der Inszenierung als Hauptschuldiger angesehen wird. Und dass sein Motiv in seinen eigenen schlechten Erfahrungen oder Schwächen in Sachen Liebesbeziehungen zu finden ist.


    Könnte eine solche zerissene Existenz plausiblerweise die Fäden der Handlung so gut in den Händen halten, wie es in Cosi der Fall ist? Sollte der nicht andauernd an sich selbst scheitern?

    Gute Frage......Nach meiner bescheidenen professionellen Erfahrung zu gehen sind Menschen nicht auf allen Gebieten ihrer Existenz "zerissen", sonder meist nur auf einigen wenigen oder nur einem einzigen. Man kann ganz gut in der Welt ohne anhaltende Liebesbeziehung funktionieren . Man kann auch ganz gut funktionieren, wenn man glaubt alle Frauen sind untreu. Don Alfonsos Intellekt ist nicht betroffen oder geschmälert von so einem Glauben. Er kann durchaus so eine Show wie die hier planen und durchziehen, denn sein eigenes Handicap hindert ihn nicht daran. Allerdings merkt man in dieser Inszenierung, wie ihn sein Plan selbst mitnimmt und er dabei überhaupt nicht glücklich wird. Ich würde sagen, er durchlebt sein eigenes Trauma doppelt und dreifach immer wieder und sticht sich damit immer wieder in die eigene Wunde. Allein dadurch, dass er den anderen antut, was ihm selber mal geschehen ist.

    Wie gesagt, das scheint mir die Inszenioerung sagen zu wollen. Wie das bei Mozart sein soll habe ich damit nicht gesagt.

  • Rosamunde: danke für die Stellungnahme!

    nur kurz ein paar Bemerkungen hauptsächlich zum Libretto, nicht zur Inszenierung.

    für das Verständnis des Librettos ist es m.E. wichtig sich klar zu machen, daß sich A., Fe., G., D. (wieder?) im "Spielmodus" befinden, d.h. daß sie D. + Fi. was vorspielen - wie sie es zumindest in der Anfangsphase der Handlung getan hatten (was zwischendurch los war, mal offen gelassen).

    Danach ist es ganz unplausibel, daß sie dem A. ernstlich was wollen, denn dessen Rolle kennen sie ja während der ganzen Zeit. Der richtige Augenblick für so etwas wäre der Zeitpunkt gewesen, an dem sie ihre Pleite erkannt hatten, und das wäre gerade der Zeitpunkt, an dem sie mit A. zusammen das "Cosi fan tutte" anstimmen (übrigens ganz schulmeisterlich: A. spricht es vor und fordert Fe. + G. auf, es mit ihm zusammen zu wiederholen).

    es soll alles aufgedeckt werden, und es soll Blut fließen, der "Betrüger" ist Erfindung der Übersetzung. (und - im Libretto zumindest - ist das "Blut fließen" nicht ernst gemeint - vgl. den "Spielmodus" in dem Fe. + G. sich befinden).

    Zitat

    Interessant also dann, dass im Libretto sich F und G anschicken, denjenigen suchen zu gehen oder auf jeden Fall das Zimmer zu verlassen. Es ist nicht im Libretto vorgesehen, dass sie der Frauen Blut fliessen lassen wollen, sonst wären sie ja im Raum auf sie losgegangen. (Oder soll man glauben, dass sie nur den Raum verlassen wollen, um ein Messer zu holen? Ich meine das kann nicht sein, denn die Degen der usprünglichen Verlobten hat Despina ja schon vor einiger Zeit hereingeholt, man hätte also was zur Hand, um Blut fliessen zu lassen, wenn man es wollte. Und ein Messer wäre dem Libtetto nach auch zur Hand)

    A. befindet sich aber gar nicht in dem Zimmer. Sie wollen in das Zimmer, um als "Albaner" zurück zu kommen und ihr Enthüllungs- und Rachspielchen weiter zu treiben - genau das tun sie ein paar Zeilen später ja auch.

    Zitat

    In der Inszenierung nun benimmt sich von beiden Männern auch nur F einige Momente lang so, als ob er im Sinn hat mit dem Messer auf die Frauen loszugehen. Aber er hält sehr weit davon entfernt damit ein.

    wie gesagt, dem Libretto nach war das sowieso nicht ernst gemeint. Wie die Inszenierung das sieht, weiß ich nicht.

    Zitat

    - Ja stimmt: er will das Messer. Aber ich finde man kann nicht davon ausgehen, dass er es nicht auch auf Don Alfonso abgesehen hat. Ich glaube er erkennt Don Alfonso als den Hauptschuldigen an und sticht deshalb zu. Das kann man aber anders sehen.

    s. oben

    Zitat

    - ja , die Kamera war dafür an der falschen Stelle, das stimmt. Aber kann man soviel Vertrauen in die Kameraregie haben, dass diese Tatsache etwas bedeutet?

    ich sehe das auch nicht als Beweis, sondern als Indiz (wie die andern Punkte auch).

    Zitat

    Ich gebe Dir alledings Recht, sagte ich ja schon im vorherigen Beitrag: Es ist nicht eindeutig zu sagen, ob Ferrando mit dem Messer zusticht oder nicht, aber es ist 1. bezeichnend, dass er ihn auf jeden Fall zu Boden stösst und 2. zwar auf dei Frauen losgehen will, aber es nicht tut.

    Also für mich bleibt es dabei, dass Don Alfonso von F und von der Inszenierung als Hauptschuldiger angesehen wird. Und dass sein Motiv in seinen eigenen schlechten Erfahrungen oder Schwächen in Sachen Liebesbeziehungen zu finden ist.

    wohl möglich. Aber es "funktioniert" nicht, auch in der Inszenierung wäre das Cosi fan tutte der richtige Zeitpunkt gewesen, mit A. abzurechnen.

    Zitat

    Gute Frage......Nach meiner bescheidenen professionellen Erfahrung zu gehen sind Menschen nicht auf allen Gebieten ihrer Existenz "zerissen", sonder meist nur auf einigen wenigen oder nur einem einzigen. Man kann ganz gut in der Welt ohne anhaltende Liebesbeziehung funktionieren . Man kann auch ganz gut funktionieren, wenn man glaubt alle Frauen sind untreu. Don Alfonsos Intellekt ist nicht betroffen oder geschmälert von so einem Glauben.

    sein Intellekt ist nicht betroffen, aber daß er zielbewußt und erfolgreich handeln kann in einer Sache, in der er so traumatisiert und widersprüchlich sein soll, halte für unplausibel.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • der Zeitpunkt, an dem sie mit A. zusammen das "Cosi fan tutte" anstimmen (übrigens ganz schulmeisterlich: A. spricht es vor und fordert Fe. + G. auf, es mit ihm zusammen zu wiederholen).

    da gibts dann ja auch noch einen feinen Zug von Mozart:

    das "Cosi-Motiv" in der Ouvertüre vertont also nicht bloß den Titel der Oper, sondern auch den Untertitel.

    Was vom Dirigat der Salzburger Aufführung durch Tempowechsel ziemlich kaputtgemacht wird.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

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