Störfaktor Klassischer Gesang ?

  • Ich könnte mir auch vorstellen, dass einer der Gründe, wieso man Gesang generell eher ablehnt, der sein könnte, dass man die Leute eh schon immer reden hört, und Gesang quasi eine andere Art des Redens ist. Man hört die Stimme immer noch.

    :D

    Das ist zumindest für mich ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt... (ewig diese Stimmen, und immer wollen sie einem irgendwas mitteilen)

    Wobei ich einem parlando von Mozart sicher lieber lausche als dem ewigen "I love you" aus dem Dudelfunk.

    Aber noch lieber einem zwar als opernhaft verschrieenen, aber für mich großartigen "Agnus Dei" aus einer Mozart-Messe. O ja, da bin ich doch auch zu klassischem Sologesang verführbar. Eigentlich sind einige der Stücke, die mich am meisten berühren, mit Gesang, auch mit Sologesang. Aber schön eingebettet in Chor und Orchester...

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Ich bin hier parteiisch. Und glaube wiederum kaum, mit Schreiben allein jemanden davon zu überzeugen, das Singen gerne zu mögen.

    Liebe Ulrica, wenn das Schreiben den einen oder anderen dazu bringt, Vokalem eine Chance zu geben, hast Du schon viel bewirkt. Die Bandbreite des Gesanges in der Klassischen Musik ist ja riesig, eben auch von natürlichem (nehmen wir mal Lieder der Berliner Schule, eine Anzahl der Mozart-Lieder u.a.) über hochvirtuos (barocke Oper) und hochdramatisch (Oper des 19. Jahrhunderts) bis zu der extremen Künstlichkeit, die man in der Moderne finden kann (eine meiner Lieblingssängerinnen ist Cathy Berberian - und wenn die von Berio ins Feuer geschickt wird ...). Dazwischen gibt es unendlich viele Varianten, da wo man im Popbereich nur einen kleinen Ausschnitt vorfindet.

    Zitat

    Was mir, ganz ehrlich, im besagten Thread, der Anlass für diesen wurde, ein wenig seltsam aufstieß, waren Formulierungen, die Gesang völlig aus dem Kanon des Akzeptablen ausschlossen. War das so kategorisch gemeint oder einfach nur verkürzt dargestellt im Sinne einer Bevorzugung der instrumentalen Elemente?

    Stellen wir das mal auf den Kopf, liebe Ulrica, und schreiben wir hier von der Vokalise, etwa der bekannten von Rachmaniniw ;+)

    Zitat

    Gesang an sich ist vielfältig und gelegentlich schließt eine Vorliebe für manche Richtungen - etwa "vibratoloser" Stil vs. voluminösen Opernstil - andere fast aus. Ja, was nu´? Alles Mist?

    Da ist der wunde Punkt der Gesangsskepsis - es gibt diesen Riesenbereich, in dem der Komponist wirken kann, es gibt auf der anderen Seite die Riesenunterschiede, die die Interpreten einbringen - wie etwa zwischen Renata Tebaldi und Maria Callas bei den gleichen Stücken Welten liegen können.[/quote]

    Zitat

    Ich konnte selbst auch lange Zeit mit vielen Opernstücken gar nichts anfangen und habe den Zugang hauptsächlich durch das eigene Ausüben gefunden. Jedoch bin ich daran nicht hängengeblieben. Der Facettenreichtum reicht tausendmal weiter als das, was ich in irgendeiner Form selber überhaupt machen kann und einiges von dem, was ich mache, hat mich früher eher von dem Genre ferngehalten.

    Jeder hat da seine Geschichte. Ich habe sehr gerne gesungen, hatte deshalb einen problemlosen Weg zum Gesang. Im Laufe meines Lebens hat sich dann der Bereich dessen, was ich schätzte mit größerer Kenntnis auch erweitert. Am Ende kam dann noch der königliche Feenstaub dazu, das Interesse an Belcanto einerseits und französischem Kunstlied andererseits - es gibt noch soviel zu entdecken ... wie etwa in der Schönberg-Box, die ich vor einiger Zeit erworben habe - und die göttliche Montserrat Figueras (und ihre Tochter ...) Wer sich bei letzteren die Ohren zuhält, versäumt zwei wundervolle weitgehend vibratolose Stimmen.

    Eine Welt ohne "Erbarme Dich", "L'amerò" und "Quando, rapito in estasi", ohne "Soave sia il vento", "Mir ist so wunderbar" und Schumann "Mondnacht" wäre schrecklich für mich, von " Se mai senti spirarti sul volto", "Che puro ciel" und "Le belle immagini" will ich gar nicht erst schreiben ...

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Das ist zumindest für mich ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt... (ewig diese Stimmen, und immer wollen sie einem irgendwas mitteilen)

    Naja, was ich damit sagen wollte war im Prinzip, dass man die menschliche Stimme sehr viel häufiger (und dabei auch sehr oft unangenehmer!) hört als eine Klarinette, eine Geige oder eine Tuba - obwohl man heutzutage leider auch schon überall mit Musik beschallt wird.

  • Insofern finde ich es auch schade, wenn man einerseits sachlich argumentiert, wieso der Operngesang schön ist, andererseits nur polemisch andere Sachen niedermacht.


    Lieber merkatz,

    möglicherweise hast du überlesen, was ich zu den Rockröhren geschrieben habe. Eine Janis Joplin rechne ich da gerne dazu. Trotzdem bleibe ich dabei, dass diese Lena nicht singen kann. Stimmlich einfach talentlos (nicht nur das, aber darüber scheiden sich die Geister ja). Und tief singt die Dame auch nicht. Vergleiche ggf, damit mal Tracy Chapman oder - älteren Datums - Alexandra (die -mit Verlaub - solide Künstlerinnen waren/sind) Das Genre an sich und Künstler, die es mit Professionalität ausüben, diffamiere ich definitiv nicht.

    Im Übrigen freut mich, dass du bezüglich Salome zu einer differenzierten Sehensweise gekommen bist. Letztlich wird man bei dem reichhaltigen Angebot an Aufnahmen und Interpreten/innen fast überall eine finden, die der eigenen Vorstellung zu einem Werk, dass einen fasziniert, nahe kommt.

    Als Altistin tangieren mich die Probleme mit dem Sopranklang ja nicht persönlich, jedoch meine ich auch, dass hohe, helle Frequenzenbeunruhigender wirken als die gedämpfter wirkende Tiefe. Die Kunst ist hier, mit einer guten Technik auch dunkle Klanganteile wirksam werden zu lassen. Auch als Alt muss man in der Oper ziemlich hoch gehen (Erda - Partie: Spitzenton as" gehalten, was nicht jeder Chorsopran kann) und ich weiß sehr gut, wie gequält das klingen kann, wenn der noch nicht sicher kommt.

    Dauerhöhe ist auch eher selten, weil eben nur gelegentliche Spitzentöne auch als effektvoll wahrgenommen werden.

    Gute Nacht einstweilen,

    Ulrica

    :wink: :wink: :sofa:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Dieser Thread entwickelt sich sicherlich in einer interessanten Weise, allerdings in einer Art, die vom Thema, wie ich finde weg führt. Der geballte Sachverstand in diesem Forum ist wirklich beeindruckend und ich haben ihn sicher nicht, nur ob er dazu dienlich ist, Menschen an die Vokalmusik heran zu führen, möchte ich eher bezweifeln.

    Ich möchte das dann auch als Apell verstehen, daß sich Leute, die mit Vokalmusik nicht viel am Hut haben, dann auch hier wirklich äußern und die Probleme, die sie mit Vokalmusik haben, versuchen mir und andern verständlich zu machen. Gerade diese Leute mit geballtem Sachverstand aus dem Feld zu schlagen, käme mir reichlich absurd vor.

    Nein, in diesem Thread geht es eben genau um die Leute, die keine klassische Vokalmusik hören und davon auch nicht das geringste verstehen. Und genau die sollten sich in diesem Thread mal deutlicher äußern, wie "sachlich richtig" solche Äußerungen sind, ist zunächst einmal völlig irrelevant. So käme man mal ins Gespräch.

    Gruß
    Malcolm

    Der Hedonismus ist die dümmste aller Weltanschauungen und die klügste aller Maximen.

  • Ich kann das alles schon irgendwie nachvollziehen.

    Ich stamme aus einer Chorleiterfamilie, bin also mit Gesang aufgewachsen und habe auch selber viele Jahre im Chor gesungen.

    Trotzdem: Vielleicht aus Protest oder irgendwas sonst habe ich mich immer mit dem Singen schwergetan und seit frühester Kindheit versucht, Gesang aus dem Weg zu gehen.
    Was unmöglich war, da meine Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel.......ja, die sangen alle.

    Ich fand das immer unangenehm und bin meinen eigenen Weg gegangen in eine vordergründig ganz andere Richtung, der des Instrumentalisten.

    Viel später, als bereits erwachsener Mensch, habe ich meinen Irrtum bemerkt.
    Denn so gut wie alles, was ein Instrumentalist auf seinem jeweiligem Instrument erarbeitet, läßt sich von dem Vorbild des Gesanges ableiten.
    Das ist die eigentliche große Tradition, die immer aktuell war und ist.

    Heute bin ich schlauer, aber was geblieben ist, ist ein recht großes Defizit an Opern und Kunstgesang.

    Da ich an einem Opernhaus arbeite, hört sich das erst mal ziemlich blöde an.
    Einige Zeit war ich auch mit einer Liedbegleiterin liiert, und diese hat versucht, mir das Feld des Kunstliedes zu erschliessen.

    Langer Rede kurzer Sinn, ich bin heute 49 Jahre alt.
    Und obwohl ich aus einer Sängerfamilie, Chorleiterfamilie etc. komme und an einem Opernhaus arbeite, habe ich MEINEN Zugang zum klassischen Gesang erst nach dem 30. Lebensjahr gefunden.

    Bei mir hat das u.U. andere Gründe, aber jeder hat seine eigenen Gründe, warum er sich damit schwer tut.

    Ich bin heute noch kein Opernfan, und das bei meinem Arbeitsplatz.

    Na ja, und ich war ja als Kind und Jugendlicher auch nicht immer mit besonders guten Sängern konfrontiert.
    Damit meine ich nicht meine Familie, sondern die Schüler oder besser noch viele Bereiche des semiprofessionellen Singens, mit welchen ich aufgewachsen bin.

    Und, es tut mir leid, gerade in diesem Bereich gibt es die irrsinnigsten Beispiele für völlige Selbstüberschätzung, für unfreiwillige Komik..
    Beispiele für Sänger, welche alles beherschten, den großen Auftritt, den obligatorischen Schal und dessen Überwerfen...alles, bis auf das Singen.........

    Ich denke, jeder, der hier selber als Sänger im Forum unterwegs ist, weiß, was ich meine...
    Und damit bin ich aufgewachsen.........ich kann das nicht anders beschreiben.

    Schlechte Sopranistinnen, Tenöre etc..... das war und ist nichts schönes für die Ohren.
    Heute habe ich mehr Respekt vor diesen Leuten, immerhin versuchen sie, in diese Materie einzudringen und etwas zu lernen.
    Damals war ich halt jung und wußte es nicht besser.

    Wie schon gesagt, jenseits meiner 30er habe ich endlich meinen Frieden gefunden mit dem Thema Gesang.
    Und heute sieht das natürlich ganz anders aus.

    Ich bin zwar immer noch kein Opernfan, aber ich habe wenigstens keine Sperre mehr dagegen.
    Wäre ja auch blöd bei meinem Arbeitsplatz.

    Zum Schluss:

    Ich kann jeden verstehen, der es nicht so mit dem Gesang hat.
    Auf der anderen Seite kann ich nur jedem empfehlen, sich trotzdem damit auseinanderzusetzen und gegebenenfalls darauf zu hoffen, in einer späteren Zeit dann den Weg zum Gesang zu finden.
    Und wenn auch nur als Musikhörer.
    Es entgeht einem nämlich da so manches, und vor allem wird IMMER ein Mosaiksteinchen, das WICHTIGSTE nämlich, fehlen.

    Ich spreche da aus eigener Erfahrung, denn Werke mit Chor z.B. habe ich mir wirklich erst als etwa 30jähriger angefangen anzuhören.......Klingt bescheuert, ist aber so.
    Denn da war eine riesengroße Sperre, Chormusik war so überhaupt nicht meins................Und wie ich schon anmerkte: meine Eltern sind Chorleiter.
    Und zwar ziemlich gute und auch bekannte.......

    Ich bereue es heute zutiefst, genau diese Mosaiksteinchen, welche genau vor meinen Füßen lagen, mit ebendiesen getreten zu haben.
    Das war dumm, aber so war es halt.

    Hallo Malcolm, ob Du es glaubst oder nicht, das ist eine ernst gemeinte Antwort an diese Deine Bitte:

    Zitat

    Ich möchte das dann auch als Apell verstehen, daß sich Leute, die mit
    Vokalmusik nicht viel am Hut haben, dann auch hier wirklich äußern und
    die Probleme, die sie mit Vokalmusik haben, versuchen mir und andern
    verständlich zu machen.

    Gruß,
    Michael

    P.S. Ich selber kann überhaupt nicht mehr singen, ich kann keinen Ton mehr halten, ich habe es selber alles zerstört und es ist weg.
    Dabei war ich mal Gründungsmitglied im Landesjugenchor NRW..............

  • Zur - wie ich das in dem einen oder anderen Beitrag verstanden habe - mehr oder weniger strikten Ablehnung von "klassischem Gesang" - und zwar unabhängig von "Sopran klingt schrill" - habe ich eine durchaus hinterfragbare und provokante aber vielleicht (von der extremen Vereinfachung abgesehen) nicht ganz falsche Theorie: Ich kann es nicht so gut und daher lehne ich es ab.

    Warum hören dann dieselben Leute womöglich virtuose Violinkonzerte mit Genuß?

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Ich lehne nicht generell klass. Gesang ab, mag aber Gesang nur dann, wenn es sich um sehr melodisch liedhaften Gesang handelt.
    D.h. Beethoven und Schuber-Lieder ja, aller Gesang bis ca Rossini oder Verdi Puccini auch (bei letzteren aber auch nur bestimmte Sachen)
    Aber bei H Wolf, R Strauss, R Wagner usw bis heute (von Chorausnahmen abgesehen) habe ich erhebliche Probleme, während reine Orchestermusik (oder Kammermusik) bis in die Moderne sehr reizvoll sein kann.

    Die Stimme ist ein Instrument wie jedes andere und man mag nun oft bestimmte Instrumente und andere nicht oder weniger. Sopran zB ist schon problematisch, Alt dagegen oft sehr schön.

    Trotzdem insgesamt favorisiere ich Musik ohne Gesang eindeutig.Zusätzlichen Text zur Musik finde ich oft nur störend, es lenkt ab von der eigentlichen Musik.Zudem sind die Texte oft ... problematisch ...

    Dazu kommt auch, ich habe wie hier schon öfter geäussert nie Musikunterricht gehabt (zweiter bzw dritter Bildungsweg) und ich kann auch nicht singen (bzw nur falsch) In der Volksschule musste ich bei den Gesangsstunden Samstags in der Aula draussen bleiben und mit anderen Nicht-Sängern Mathe machen.
    Aber wie gesagt begrenzt mag ich auch Gesang. (es darf nur nicht zu dramatisch sein). Figaros Hochzeit und die Zauberflöte sind einfach wunderschön

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum (Nietzsche)
    In der Tat spuckte ... der teuflische Blechtrichter nun alsbald jene Mischung von Bronchialschleim und zerkautem Gummi aus, welchen die Besitzer von Grammophonen und Abonnenten von Radios übereingekommen sind Musik zu nennen (H Hesse)
    ----------------------------
    Im übrigen bin ich der Meinung, dass immer Sommerzeit sein sollte (gerade im Winter)

  • Auch wenn das vermutlich nur ein Faktor unter mehreren ist, so favorisiere ich seit Jahren die hier auch schon angedeutete These, dass seit etlichen Jahrzehnten viele Menschen durchgehend mit verstärktem Populärgesang sozialisiert worden sind und deswegen klassischen Gesang als "gewöhnungsbedürftig" empfinden.
    Der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier.
    Halblautes Hauchen in ein Mikrophon ist selbstverständlich ebensowenig "natürlich" wie virtuose Koloraturen der italienischen Oper oder Wagnersche Deklamation. Die Vielfalt traditoneller/ethnischer Gesangsstile lässt vermuten, dass man gar keine bestimmte Art zu singen als "natürlich" auszeichnen kann.
    Nur sind die meisten von uns eben erst einmal anderes gewohnt.
    Es ist ja auch schlicht Blödsinn, dass Vibrato ein besonderes Kennzeichen klassischen Gesangs wäre, das anderswo fehlt. Gerade bei einer unausgebildeten "Naturstimme" wie etwa der von mir immer noch manchmal sehr geschätzten Joan Baez hört man bei entsprechenden Stellen ein weitgehend unkontrolliertes Vibrato und das bei größtenteils melodisch leicht singbarer Musik UND Mikrophonverstärkung.

    Man sollte bei all dem auch nicht unterschlagen, dass es andererseits auch Hörer gibt, die einen sehr deutlichen Schwerpunkt auf Vokalmusik, besonders Oper legen und Musik ohne Gesang oft tendenziell als weniger interessant oder gar langweilig bis spröde empfinden. Ich glaube nicht, dass man hier allgemeine Antworten geben kann. Wie auch sonst spielen bei diesen persönlichen Geschmacksunterschieden viele unterschiedliche Faktoren hinein.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Die Stimme ist ein Instrument wie jedes andere und man mag nun oft bestimmte Instrumente und andere nicht oder weniger.

    Wenn die Stimme ein "Instrument wie jedes andere" ist, warum gehört sie zu geschätzt 90% der Populärmusik unabdingbar dazu? Wer mal den Unterschied bemerkt hat in der Aufmerksamkeit eines erst zu erringenden Publikums wie Beispielsweise auf der Straße oder bei einem Fest, der weiß, daß für sehr viele Menschen Musik erst dann präsent ist, wenn jemand - singt. Reine Instrumentalmusik überhaupt ernst zu nehmen, ist ein Schritt, der vielleicht mit Abstraktion zu tun hat, jedenfalls eine Kulturleistung.

    Halblautes Hauchen in ein Mikrophon ist selbstverständlich ebensowenig "natürlich" wie virtuose Koloraturen der italienischen Oper oder Wagnersche Deklamation.

    Dann probiers doch mal aus: Du wirst bemerken, daß Dir das eine nicht viel Mühe macht, Du für das andere aber u.U. Jahre der Übung brauchst. Okay, das betrifft mehr das Wort "künstlich" (steckt Kunst drin) als "natürlich", aber der Zusammenhang dürfte klar werden.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Dann will ich mich auch noch mal äußern, da ich ja wohl 'schuld' an diesem Thread bin, weil ich woanders geschrieben habe, dass ich es lieber ohne Gesang mag. Wobei das natürlich erst mal nur auf klassische Musik beschränkt war.
    Ich habs in dem Thread schon erwähnt, mir kommt klassischer Gesang oft künstlich vor. Als ob man auf biegen und brechen auch noch das letzte aus der Stimme rausholen muss. Es wirkt übertrieben auf mich.
    Ich hatte auch Nightwish erwähnt und wurde entsetzt gefragt, ob ich denn diesen Pseudo-Operngesang mehr möge. Ja mag ich! Wobei ich mich jetzt auf die Stücke beziehe, wo Tarja Turunen gesunden hat, die neueren Sachen höre ich gar nicht. Tarja Turunen ist eine ausgebildete Mezzosopranistin, die weiss also, was sie tut. Ich finde es angenehm, wie sie ihre Stimme auch auf ihren Solo CD's einsetzt. Das hat nicht dieses übertriebene. Ich denke aber mal, wenn sie Opern singt, wird sie auch noch anders singen.
    Zu dem Argument, dass Singen etwas natürliches ist, was der Mensch seit anbeginn tut: Ja das glaube ich auch. Wie ich schon schrieb, ich singe selbst ganz viel und habe Spaß daran. Ich glaube aber nicht, dass der klassische Gesang die einzig 'richtige' Art zu singen ist. Das ist eine Form die sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Würde man sagen, dass nur diese Art zu singen richtig ist, würde man ja all die Naturvölker oder Kulturen abwatschen, die nie diese Gesangsform entwickelt haben. Singen die alle falsch? Wer legt denn fest, was richtig und was falsch ist?

    Ich werde mich auch dem klassischen gesang nicht völlig verschliessen. In dem anderen Thread ging es mir aber daraum für mich einen Zugang zur Klassik zu finden. Und der wird erst mal ohne Gesang sein.
    Das Argument, ich seie diese Art von Gesang nicht gewöhnt, zieht übrigens bei mir nicht, da meine Mutter Opernarien rauf und runter hörte. Ich kenne das also von Kindheit an.

  • Man sollte bei all dem auch nicht unterschlagen, dass es andererseits auch Hörer gibt, die einen sehr deutlichen Schwerpunkt auf Vokalmusik, besonders Oper legen und Musik ohne Gesang oft tendenziell als weniger interessant oder gar langweilig bis spröde empfinden.

    Ja. Mich z.B. Ich höre viel mehr Vokalmusik (alle Sparten, Oper, Chormusik, Lied...) als Instrumentalmusik, ohne dass ich letztere irgendwie ablehnen würde. Aber erstere interessiert mich einfach mehr (und spricht mich vielleicht auch unmittelbarer an), deshalb habe ich eben in diesen Bereichen mehr Konserven und gehe in diesen Bereichen öfter in Konzerte und Aufführungen.

    Was die schrillen und vibratösen Sopranistinnen betrifft, so ist der Stimmklang (und um den geht es hier, keinesfalls um die absolute Tonhöhe!) ja in Wahrheit von Sängerin zu Sängerin verschieden und eine Verallgemeinerung meiner Meinung nach nicht angebracht. Es gibt auch Sopranistinnen mit ausnehmend warmem Timbre und sehr kontrolliertem Vibrato, und ich finde auch nicht alle Sopranistinnen Sänger gut anzuhören. Ich würde fast so weit gehen zu behaupten, die Sängerinnen, die in manchen (bzw. sogar vielen) Leuten Fluchtreflexe auslösen und für ein negatives Bild des klassischen Gesanges sorgen, sind nicht die wirklich guten Sängerinnen (vgl. auch Michaels Beitrag, der diese meine These stützt).

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Ich habs in dem Thread schon erwähnt, mir kommt klassischer Gesang oft künstlich vor. Als ob man auf biegen und brechen auch noch das letzte aus der Stimme rausholen muss. Es wirkt übertrieben auf mich.

    Naja, das hängt m.E. maßgeblich davon ab, um welche Art Vokalmusik es sich handelt. Ich würda da "die Klassik" nicht über einen Leisten schlagen.

    Die Gregorianik wurde ja bereits erwähnt, auch die Renaissance sowie das Barock und die Hochklassik beherbergen zahllose Vokalwerke (hier wurden ja etliche genannt), die der "Natürlichkeit" der menschlichen Stimme entgegenkommen, wo die Stimme im Zusammenspiel mit den Instrumenten (die ja auch i.d.R. viel zarter im Klang waren: Laute, Cembalo, Streicher, Blockflöten u.s.w.) diese ergänzt.

    Für mich ist in jenen Fällen Leichtigkeit und ein schlanker Klang ausschlaggebend. Da gibt es sicherlich auch für Dich noch viel zu entdecken - wirf also die Flinte nicht gleich ins Korn ;+) .

    Ganz anders ist das natürlich bei den "Materialschlachten" des 19. Jahrhunderts: Riesenorchester mit scharfem Blech etc., über die sich eine menschliche Einzelstimme erst einmal "hinwegsetzen" muß. Das erfordert natürlich bestimmte Techniken, die u.U. artifiziell oder gar penetrant wirken (mir geht es bsp.weise so bei Wagner... :hide: ).

    :wink:

    Magus

    "Whenever we hear sounds, we are changed, we are no longer the same..." Karlheinz Stockhausen 1972

  • Dann probiers doch mal aus: Du wirst bemerken, daß Dir das eine nicht viel Mühe macht, Du für das andere aber u.U. Jahre der Übung brauchst. Okay, das betrifft mehr das Wort "künstlich" (steckt Kunst drin) als "natürlich", aber der Zusammenhang dürfte klar werden.


    Es geht ja um die Rezeption, nicht um die Produktion von Gesang!
    Selbst wenn man halblaut für sich oder ein Wiegenlied für ein Kind singt, macht man das nicht so wie Marylin für JFK!
    Auch traditionelle Volkslieder oder Folksongs schmachtet man normalerweise nicht ins Mikro.

    Ich halte es auch für ein grundlegendes Missverständnis, dass aufgrund der Verstärkung "mehr Energie für den emotionalen Ausdruck" übrigbliebe. Der emotionale Ausdruck soll doch nicht durch etwas zusätzliches, sondern durch die musikalische sängerische Gestaltung! Hauchen und Stöhnen ist nur sehr bedingt sängerische Gestaltung ;+)

    Ich kenne "Nightwish" nur sehr oberflächlich. Mich wunderte es eben, weil das auch kein typischer Popgesang ist, sondern näher am klassischen, wenn auch kein wirklicher Pseudo-Operngesang, das war nicht gut formuliert.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Vielen Dank schon mal für Euer bisheriges Feedback ! Nur scheint der Graben sogar eher noch tiefer zu sein als von mir befürchtet, denn aus einigen Beiträgen geht hervor, dass man zwar klassischen Gesang schätze, jedoch möglichst ohne Vibrato. Die menschliche Stimme möge quasi instrumental geführt werden ( Emma Kirkby ). Möglicherweise liegen hier unterschiedliche Interpretationen des Begriffs " Vibrato " vor. Ein Ton mit natürlichem Vibrato gilt als schön. Ein vibratoloser Ton hingegen wird zumeist als langweilig und unästhetisch empfunden. Sechs bis sieben dezente Schwankungen um den jeweiligen Ton schmeicheln dem Ohr des Zuhörers, denn sie machen die Individualität der Sängerstimme aus und somit zum akustischen Unikat, vergleichbar dem Fingerabdruck. Wird der Hub um den Ton größer, sprechen wir von Tremolo oder gar Wobble. Beides ist in der Tat unerträglich und deutet auf eine falsche Gesangstechnik hin bzw. auf ein altersbedingtes Manko. Wir sprechen hier ausschließlich vom klassischen Gesang, liebe Tasha, und nicht vom Singen der Naturvölker. Deren Gesang dürfte sich bei der Übertragung auf die Vokalwerke der so genannten Klassik überaus absurd anhören, nicht wahr ? Das Bestreben der Gesangspädagogik ist letztlich darauf fixiert, über eine anfägliche " Künstlichkeit " zur höchst entwickelten " Naturstimme " zu gelangen, wofür z. B. Fritz Wunderlich als überzeugender Garant zu nennen wäre. Klassische Musik und der klassische Gesang bilden eine untrennbare Einheit in der abendländischen Musiktradition, auf die wir sehr stolz sein dürfen !

    Ciao. Gioachino

    miniminiDIFIDI

  • (mir geht es bsp.weise so bei Wagner... :hide: ).

    Wobei die Frage, ob es sich da um Gesang im engeren Sinne handelt, ja auch noch nicht abschließend ausdiskutiert ist...
    Als Teil des Gesamtkunstwerks bei Wagner jedenfalls macht das ja Sinn ...

    Ich halte es auch für ein grundlegendes Missverständnis, dass aufgrund der Verstärkung "mehr Energie für den emotionalen Ausdruck" übrigbliebe. Der emotionale Ausdruck soll doch nicht durch etwas zusätzliches, sondern durch die musikalische sängerische Gestaltung!

    Du wirst doch nicht abstreiten, daß ein Großteil dessen, was den speziellen Charakter des klassischen Operngesang ausmacht, mit dem Erreichen einer Tragfähigkeit zu tun hat, die fürs Singen mit großem Orchester nötig ist. ?

    Ein Ton mit natürlichem Vibrato gilt als schön. Ein vibratoloser Ton hingegen wird zumeist als langweilig und unästhetisch empfunden. Sechs bis sieben dezente Schwankungen um den jeweiligen Ton schmeicheln dem Ohr des Zuhörers, denn sie machen die Individualität der Sängerstimme aus und somit zum akustischen Unikat, vergleichbar dem Fingerabdruck. Wird der Hub um den Ton größer, sprechen wir von Tremolo oder gar Wobble.

    Tja, wo da die Grenze ist, bleibt wohl subjektiv...
    Ein kontrolliertes dem Ausdruck dienliches Vibrato erkenne ich daran, daß es nicht immer gleich schnell und stark ist, z.B..

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Lieber Gioachino,

    du hast natürlich Recht, dass das, was gemeinhin, d.h. umgangssprachlich als "Vibrato" bezeichnet wird, oft eher ein Tremolo ist. Aber ich glaube, auch ein ausgeprägtes Vibrato, wie es viele Verdi- und Wagner-Sängerinnen auch in ihrer Glanzzeit haben, reicht schon aus, um viele Hörer zu verschrecken (und ehrlich gesagt, höre ich auch lieber Stimmen mit wenig Vibrato - aber natürlich nicht ohne).

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

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