Der Pianist Wladimir Sofronizki
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"Der größte Pianist der Welt" - Emil Gilels über Wladimir Sofronizki
Ein Pianist, der mich in letzter Zeit immer wieder begeistert, ist der Russe Wladimir Sofronizki. Um Leben und Wirken des großen (für manche vielleicht größten aller) russischen Pianisten soll es hier gehen. Vorab einige Anmerkungen:
- Die russischen Namen habe ich, wenn auffindbar, in deutscher Schreibweise verwendet. Wenn es keine Darstellung in deutscher Sprache gab, habe ich die englische Schreibweise gewählt.
- Die Zitate sind fast alle aus dem Englischen übersetzt. Die Original-Zitate finden sich in den unten genannten Quellen und können da nachgeprüft werden. Zur besseren Lesbarkeit habe ich sie nach bestem Wissen und Gewissen in's Deutsche übertragen.
- Alle Informationen stammen aus Booklets oder dem Internet. Wenn jemand in seriöseren Quellen abweichende Informationen findet, gilt (wie auch in allen anderen Punkten): bitte korrigieren!
Leben
Wladimir Sofronizki wird am 25. April (jul.)/ 08. Mai (greg.) 1901 in St. Petersburg geboren, als Zwillingsbruder seiner Schwester Vera und jüngstes von sechs Kindern.
Seine Eltern sind beide Abkömmlinge russischen Adels. Wie genau sie in der russischen Gesellschaft stehen, lässt sich daraus aber schwer ableiten. Der Adel zieht sich von der Oberschicht bis weit in die russische Mittelschicht.
Im Stammbaum der Mutter findet sich der Maler Vladimir Lukich Borovikovsky, einer der wichtigsten russischen Portraitmaler um 1800. Väterlicherseits geht es naturwissenschaftlicher zu: Sofronitzkys Großvater ist Militärarzt, Wladimirs Vater Wladimir Nikolajewitsch Physiker und Mathematiker.
1903 zieht die Familie nach Warschau, wo Wladimir Sofronizki seinen ersten Klavierunterricht bei Anna Lebedeva-Gertzevich bekommt, einer Schülerin von Nikolai Rubinstein. Alexander Glazunow empfiehlt der Familie bald, Wladimir bei Alexander Michalowski unterrichten zu lassen. Sofronizki wird so ein »Urenkel Beethovens«, wie er selbst es nennt. »Michalowski war ein Schüler von Moscheles, und Moscheles war ein Student Beethovens, also könnte ich mich als Urenkel Beethovens sehen. […] Ich mochte ihn [Michalowski] menschlich sehr gern, fülte mich ihm seit meiner Kindheit verbunden, aber seine Unterrichtsstunden waren nicht sehr inspirierend. Sie waren nicht interessant.« Sofronizki beklagt später, dass er kaum Feedback bekam. Auch seine anderen Lehrer wird er als wenig einflussreich auf sein Klavierspiel bezeichnen.
1915 tritt er ins Konservatorium St. Petersburg (damals Petrograd) ein. Klavierunterricht erhält er nun von Leonid Nikolayev (»...ein herrlicher Musiker aber kein Pädagoge. Meine Arbeit korrigierte er fast nie.«), Unterricht in Komposition gibt ihm Maximilian Steinberg.
1917 trifft er die Tochter Alexander Skrjabins, die er 1920 heiratet. 1921 macht Sofronizki seinen Abschluss - zusammen mit einer prominenten Kommilitonin. Am selben Tag, dem 13.Mai 1921, spielen Marija Judina und Sofronizki Liszts h-Moll-Sonate in ihrem jeweiligen Abschlusskonzert, wie Judina berichtet mit drastischen Auswirkungen: »..wie das so ist bei Wettbewerben, spalteten sich die Klavierfans in zwei Lager: Bewunderer von Yudina und Sofronitzky. Die Liszt-Sonate führte zu besonders hitzigen Diskussionen. Große Artikel über uns beide, unsere bevorstehende strahlende Zukunft und die Unterschiede zwischen uns, erschienen in den Zeitungen.«
1928 zieht Sofronizki mit seiner Frau erst nach Warschau, dann nach Paris. Hier freundet er sich mit Nikolai Medtner und Sergei Prokofjew an, gibt umjubelte Konzerte.
1930 kehrt die Familie nach St. Petersburg (jetzt Leningrad) zurück, wo Sofronizki 1936 einen Lehrauftrag, 1939 eine Professur am Konservatorium erhält. Unterrichten ist allerdings mehr Pflicht als Kür, Sofronizkis Tochter Viviana überliefert den schönen Satz: »Wenn man ins Konservatorium muss, sollte man ein paar kleine Lügen bereit haben.« (»If you have to go to the Conservatoire«, he used to say, »you need to have some petty lies to the hand.«)
Die Belagerung St. Petersburgs trifft ihn hart, Sofronizkis Vater verhungert im März 1942. Konzerte gibt er in dieser Zeit dennoch, die Musik wird gierig von seinen Zuhörern aufgesogen. Auch ihm selbst hilft sie in der Not: »Vielleicht war es zu dieser Zeit, dass ich das erste Mal die Größe von Beethovens Appassionata verstand und fühlte und den heroischen Ruf von Skrjabins Dritter Sonate.«
Nur einen Monat nach dem Tod des Vaters erhält Sofronizki eine Professur am Moskauer Konservatorium. 1945 reist er das letzte Mal ins Ausland, Sofronizki spielt auf der Potsdamer Konferenz vor Stalin, Gromyko, Truman und Churchill. Über seine Rolle in der Sowjetunion habe ich wenig gefunden, eine Ausreisegenehmigung scheint er allerdings nicht erhalten zu haben. Wohl der Hauptgrund, warum er Konzerte nur noch in den Konzertsälen der Konservatorien gibt, später bevorzugt Sofronizki intimere Räume, so vor allem das Skrjabin-Museum in Moskau.
Ein angeborener Herzfehler hatte ihm Zeit seines Lebens Gelegenheit geboten, Konzerte abzusagen, »die er nicht spielen wollte, oder sogar Einladungen für Stalin oder offizielle Anlässe im Kreml abzusagen«. (Viviana Sofronizki) 1957 und 1959 jedoch fesselt ihn das Leiden ans Bett. Konzerte spielen ist ihm in dieser Zeit nicht möglich.
1961 wird bei ihm die Krankheit diagnostiziert, an der 13 Jahre zuvor seine Zwillingsschwester gestorben war: Darmkrebs mit Metastasen in der Leber. Alle Betäubungsmittel lehnt er ab mit dem Hinweis, er sei dann nicht mehr in der Lage, zu spielen.
Wladimir Sofronizki stibt am 9. August 1961 in Moskau.