Danke @leverkuehn für die Erklärung von Henneberg !
Interessanterweise sagte ich ja ähnlich, dass die von mir empfundenen Schwächen durch die Musik mehr als ausgeglichen werden. Schön das nun von Henneberg formuliert zu lesen.
Die Ponelle Inszenierung unterstützte mMn dann dieses Vorhaben, und ich stimme dir zu, dass es Marthaler nicht besonders gut gelungen ist seines dazu zu tun .
Ich würde mir nicht zutrauen, den 2. Teil als teilweise dramaturgisch schwach oder sprachlich platt zu bezeichnen
Ja, ist natürlich anmassend. Aber interessant darüber nachzudenken.
Sprachlich platt fand ich wirtklich nur die Stellen, die ich erwähnte. Es handlelt sich dabei nur um wenige Momente. Den überwiegenden Rest finde ich aber sehr gelungen in dieser Hinsicht. Vielleicht mein Fehler das nicht deutlich zu sagen.
Dramaturgisch schwach finde ich auch nur wenige Momente - wie beschrieben in meinem letzten Beitrag - und mir ging eigentlich die Eskalation der Grausamkeiten zu schnell. Man verliert dadurch zB in dieser Szene nach der Pause einen grossen Teil des Unterschieds zwischen den Charakteren Edmunds und Cornwalls. Beide sind sie ambitioniert, aber der eine ist hinterfotzig und intelligent, der andere impulsiv und egozentrisch. Shakespeare stellt uns damit zwei verschiedene Charakterzeichnungen und deren Motivation und Umgang mit Grauasmkeit und Moral vor. Letztendlich geht es wieder um die Natur des Menschen. Bei Henneberg geht dieser Aspekt natürlich nicht 100% unter, aber er kommt etwas zu kurz. Ich sagte aber auch, dass mMn diese Art von Kürzung um mehrfaches durch die Musik und dann noch zusätzlich bei Ponelle durch die Inszenierung gutgemacht wird.
Die Gleichzeitigket der Szenen 2-4 im zweiten Teil halte ich dagegen für sehr geglückt.
Ja, das kann ich inzwischen auch so sehen. Interessant auch was Henneberg dazu sagt.
Das Herumkriechen von E. am Boden vor dem Zweikampf
Die Sache mit Edmunds wabbelden Beinen am Schluss ist interessant und ich glaube sie nun zu verstehen. Edmund ist ganz am Anfang in der Museumsszene an der Wand mit einem Gurt befestigt. Als der Gurt geöffnet wird, sackt er auch erstmal in sich zusammen. Der Gurt wird später verwendet, um Gloster zu fesslen während seine Augen ausgestochen werden. Der Gurt hat also eine negative Bedeutung und wir sehen Edmund in ihm gefesselt - interessanterwiese positioniert seitlich hinter und tiefer als Gloster und Edgar. Soll also seine gesellschaftliche Position als "Bastard" ausdrücken, meine ich.
Dass er nun in sich zusammensackt, sobald er davon erlöst wird, soll mMn demonstrieren, welchen Effekt solch eine gesellschaftliche Fesselung hat. Er braucht eben erst eine Weile, um sich danach wieder aufrichten zu können. Wenn man ihn dann aber am Ende ähnlich "legless" oder "spineless" wabbeln sieht, obwohl er doch gegen Frankreich gesiegt hat, bedeutet das nun eventuell, dass er 1. im Inbegriff ist seine neu erworbene Position zu verlieren und 2. dass er in den Augen der Anwesenden - hauptsächlich Albany - schon immer einen moralisch anzuzweifelfelden Charakter hatte - in Albanys Sicht leider von der Natur durch seine Illegitimität gegeben. Bei Shakespeare beschimpft Albany Edmund in der letzten Szene einige Zeilen bevor er ihn des Verrats beschuldigt mit den Worten: "half blooded fellow."
Die Inszenierung baut mit der Wabbelei die Brücke vom Ende des Dramas zu seiner Position am Anfang. Er war, ist und bleibt ein "Bastard" . Bleibt natürlich die Frage, wie man als Publikum damit umgeht.