Otto Klemperer - "ein hervorragend guter und trotz seiner Jugend schon sehr routinierter Musiker"

  • an einen "Sommernachtstraum" aus München kann ich mich allerdings nicht erinnern

    Musst Du auch nicht: Es war am 23.5.1969. mit Edith Mathies und Brigitte Fassbaender. EMI hat die Aufnahme anscheinend gestrichen oder ich habe mich, was vorkommen kann, geirrt. (Ich habe meine Musik komplett digitalisiert und suche dann immer nach den CDs als Beleg) Na, es gibt ja Alternativen, siehe Unger.

    Doch weiß ich, dass ich zunächst ne sehr schlecht klingende und unvollständige Aufnahme hatte. Die die ich jetzt habe, ist klanglich wunderbar. Aber eben eher Alptraum, weil bereits die Ouvertüre mit 15 Minuten zu Buche schlägt und der Hochzeitsmarsch ist nur was für HardCore Fans, eher für Rollatoren interpretiert.
    Gruß aus Kiel

    PS: Gefunden Es war nicht die EMI, obwohl ich mir so sicher war. Es ist die Hunt 2-fach CD 701, die ich habe.

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Aber eben eher Alptraum, weil bereits die Ouvertüre mit 15 Minuten zu Buche schlägt und der Hochzeitsmarsch ist nur was für HardCore Fans, eher für Rollatoren interpretiert.

    O Gott, das hört sich ja fürchterlich an!
    Wie gesagt, ich kenne den Mitschnitt nicht, kann mich auch nicht erinnern, ihn jemals in den Katalogen gesehen zu haben. Vielleicht war es ein privater Mitschnitt?

    In seiner Londoner Studio-Aufnahme benötigt Klemperer für die Ouvertüre 12.50 Min., das ist auch nicht gerade flott, aber im Vergleich zu Kubelik (11.44) und Kempe (12.05) auch nicht daneben. Leinsdorf ist mit 12.48 praktisch gleichauf mit Klemperer. Für den Hochzeitsmarsch braucht Klemperer exakt 5 Min., da ist er sogar schneller als Kempe (5.16), wird allerdings von Kubelik (4.39) und Leinsdorf (4.23) auf die Plätze verwiesen.

    LG, Fallada

  • Nachtrag: Der Hochzeitsmarsch dauert 5:45!
    Aber es gibt auch wunderbare Stellen! Das Notturno ist zauberhaft.
    Und die Hebriden Ouvertüre liebe ich genau so!
    Es war wohl ne Rundfunkübertragung des Bayrischen Rundfunks und die Hunt CD dürfte ein Mittschnit sein. Inzwischen gibt es aber andere Versionen.
    Schau mal hier https://www.allmusic.com/album/release/…en-mr0002095462
    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Aus aktuellem Anlass.

    Hallo,
    in einem anderen Thread wird über Beethovens Metronomangaben diskutiert.

    Beethoven und das Tempo: Warum so flott?

    Und dort kam der Klempererzyklus von 1957-1961 ins Spiel.
    Ich war so frei zu erwähnen, dass es in diesem Zyklus einen Bruch gibt, dass bedingt durch Klemps "Brandunfall" im September 1958 der Zyklus erst später fortgesetzt werden konnte und der alte Herr danach massiger und schwerer spielen ließ.
    Die korrekten und besser passenden Aufnahmen der 3. 5 und 7 sollten die Mono Aufnahmen vom Oktober 1955 sein und nicht die 4 Jahre (3 und 5) bzw. 5 Jahre (7) später nachgeholten sein.

    Ich versuche das einmal zu belegen.
    Dazu habe ich in einer Tabelle die Zeiten der Sinfonien 2, 3, 4, 5, 7 und 9 aufgeführt und vergleiche
    Mono 1955/Stereo 1957 mit Stereo 1959/60 und dazu die Liveaufnahmen von 1957, die zeitgleich mit den 57iger Stereoaufnahmen entstanden.
    Ich finde, man sieht deutlich, dass die Monoaufnahmen besser in die gewählten Tempi von 1957 passen als die Aufnahmen von 1959/60
    Dieses als kleine Ergänzung. Wir können also froh sein, dass EMI die Monoaufnahmen ebenfalls veröffentlichte. Wenn nun auch noch alle Testbänder der 55iger Aufnahmen, die in Stereo aufgenommen wurden veröffentlicht würden und nicht nur die 7., dann hätten wir einen Zyklus aus London mit Klemperer aus einem Guss

    Gruß aus Kiel

    Klemperer Philharmonia Orchestra.

    Satz55 Mono/57 Stereo59 StereoDelta zu 5957 LiveDelta 55/57 zu Live
    Eroica115:4816:415,29%
    214:3816:5413,41%
    306:2306:342,79%
    412:2413:267,69%
    AVG7,30%
    V108:0408:5810,04%08:030,21%
    210:0511:1510,37%09:482,81%
    305:4006:149,09%05:351,47%
    411:0613:2016,75%11:020,60%
    AVG11,56%1,27%
    VII112:5014:058,88%12:282,86%
    209:2610:025,98%09:073,36%
    308:2208:311,76%07:506,37%
    407:5507:560,21%07:56-0,21%
    AVG4,21%3,09%
    II113:2712:583,59%
    213:0811:2712,82%
    304:0003:398,75%
    407:1306:544,39%
    AVG7,39%
    IV112:2812:043,21%
    210:0110:000,17%
    305:5105:335,13%
    407:3707:291,75%
    AVG2,56%
    ix117:0316:441,86%
    215:3815:231,60%
    315:0114:224,33%
    424:30:0023:393,47%
    AVG2,81%

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Hallo Doc,
    nochmals danke für diese Aufstellung. Ich könnte bei meiner Betrachtung leider nur die Eroica von 1955 als Ersatz berücksichtigen, da ich die anderen nicht besitze. Wahrscheinlich würde das tendenziell nichts wesentlich verändern.

    Nachfolgend die ermittelten Metronomzahlen bei den zwei Aufnahmen der Eroica:

    Sinfonie Nr.33-I. Allegro
    (3/4)
    (T. 5-36) 3/4 = 60
    3-II. Adagio
    (2/4)
    (T. 3-15) 1/8 = 80
    3-III. Allegro
    (3/4)
    (T. 7-47)
    3/4 = 116
    3-IV. Allegro
    (2/4)
    (T. 16-26) 1/2 = 76
    3-IV. Poco Andante
    (2/4)
    (T. 349-56) 1/8 = 108
    3-IV. Poco Andante
    (2/4)
    (T. 381-87) 1/8 = 108
    3-IV. Presto
    (2/4)
    (T. 431 ff.) 1/4 = 116
    Beethoven608011676108108116
    Klemperer 195545,861,7104,255,066,977,197,3
    Klemperer 195944,653,6105,454,0--70,386,8


    Obwohl bei Dir die Spielzeiten beim Kopfsatz und beim Finale deutlich variieren, sind bei mir die Metronomzahlen im Kopfsatz fast gleich und auch beim anfänglichen Allegro des Finale. Ich habe natürlich nur genau markierte Taktbereiche für meine Auswertung benützt (oben in Klammern angegeben). Da es beim Kopfsatz keine Tempoänderungen gibt und keine Fermaten, kann man auch eine mittlere Metronomzahl aus der Gesamtspielzeit ermitteln. Bei 691 Takten (er hat keine Wiederholung gespielt) wären das dann 691/15,8=43,7 bei der 1955er-Aufnahme und 691/16,5=41,9 bei der 1959er-Aufnahme. Er hat also im Verlauf des Satzes dann etwas nachgegeben und das führt zu dem ∆ von 5%. .
    Beim Poco Andante im Finalsatz habe ich jetzt schnell noch 2 verschiedene Bereiche angeschaut, aber nur für die mir digital vorliegende 1955er-Aufnahme (5.-6. Spalte). Da gibt es eine deutliche Beschleunigung für die Tutti-Passage ab T. 381
    :wink:

    Edit: die Spaltenüberschriften sind etwas schwierig, gut zu formatieren. Hier ist es etwas eingeschränkt gegenüber Excel...

    -----------------------------------------------------------------------------------------------
    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Prima.
    Es macht anscheinend manchmal Spaß und Sinn, sich Feinstrukturen mit statistischen Methoden zu nähern.
    Mein Ansatz ist simpler:
    Am Ende möchte ich dafür plädieren, dass in Zukunft der einst(?) referenzielle Zyklus Klemperers aus
    den 1955 und 1957 Aufnahmen zusammengesetzt sein sollte.
    Die große Warner CD Ausgabe lässt dieses zu, da dort alle Aufnahmen (sogar die 1968iger 7.te) versammelt sind und "DAS IST GUT SO"
    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Eine neue Klemperer-Box ist auf dem Markt:

    Der Inhalt:

    Beethoven: Symphonien Nr. 2-9 (Nr. 6-8 in zwei Einspielungen); Missa solemnis D-Dur op. 123; Konzertarie op. 65 "Ah, perfido!"; Die Geschöpfe des Prometheus-Ballettmusik op. 43 (Auszüge); Klavierkonzert Nr. 3; Leonore-Ouvertüre Nr. 3
    Mozart: Symphonien Nr. 25, 29, 41; Klavierkonzert Nr. 22; Serenade Nr. 13 "Eine kleine Nachtmusik"; Violinkonzert Nr. 5; Oboenkonzert KV 314;
    Don Giovanni-Ouvertüre; Maurerische Trauermusik KV 477; Motette KV 165 "Exsultate, jubilate"; Konzertarie KV 505 "Ch'io mi scordi di te?"
    Bach: Orchestersuite Nr. 2; Kantate BWV 202 "Weichet nur, betrübte Schatten"
    Mahler: Symphonien Nr. 2 & 4; Kindertotenlieder; Lieder eines fahrenden Gesellen
    Bruckner: Symphonien Nr. 4 & 6
    Mendelssohn: Violinkonzert op. 64; Die Hebriden-Ouvertüre op. 26 (in zwei Einspielungen); Ein Sommernachtstraum op. 61 (mit der Ouvertüre op. 21)
    Brahms: Haydn-Variationen op. 56a
    Schubert: Symphonie Nr. 4
    Strauss: Till Eulenspiegel op. 28
    Strawinsky: Symphonie in drei Sätzen
    Janacek: Sinfonietta op. 60
    Bartók: Violakonzert
    Schönberg: Verklärte Nacht
    Hindemith: Nobilissima Visione-Suite
    Klemperer: Symphonie Nr. 1
    Henkelmans: Flötenkonzert
    de Falla: Nächte in spanischen Gärten
    Gluck: Chaconne aus Orfeo e Euridice
    Wagner: Ouvertüre zu Die Meistersinger von Nürnberg

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Nachdem der letzte Beitrag hier im Juni erstellt wurde (auf Initiative von Hudebux gibt es in seinem Thread "Musikstadt Zürich" eine aktuelle Beschäftigung mit dem in Zürich beigesetzten Klemperer), möchte ich mit dem nachfolgenden Video (in englischer Sprache)

    Klemperer the Immoralist

    The great conductor Otto Klemperer (1885-1973) interviewed by John Freeman (1915-2014) in 1961 (From the BBC "Face to Face" TV series)

    zur "Wiederbelebung" des lohnenden Themas Otto Klemperer ermuntern. Köstlich, wie O.K. in dem Interview z.B. die unterschiedlichen Interpretations-Auffassungen zwischen sich und Bruno Walter formuliert.

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    Die nicht ganz 30 Minuten seien wärmstens empfohlen für alle Freundinnen und Freunde des 1973 verstorbenen "Giganten" der Klassik und Moderne, dessen 2. Symphonie ich übrigens sehr schätze.

    Auch der Beitrag von BR Klassik zum 50.Todestag im Juli 2023 ist sehr lesenswert:

    BR-KLASSIK
    https://www.bing.com/ck/a?!&&p=e8b3…wMC5odG1s&ntb=1

    Viel Freude dabei und - vielleicht - Erkenntnisgewinn!


  • Nachdem wir heute den guten Klemperer, zwischen Zürich und dem Hessenland, schon ausführlich behandelt haben, hier nun die Langversion des hervorragenden Films rund um sein letztes Konzert. Es lohnt sich in jeder Hinsicht!

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  • Hatte meine Frage unter "Zitateraten" gestellt, wurde aber von Felix zu Recht darauf hingewiesen, dass sie da nicht richtig untergebracht war. Deshalb stelle ich - als glühender Klemperer-Verehrter - an alle Freundinnen und Freunde des Maestros die Frage nun nochmal hier und bitte gleichzeitig um Verzeihung, aber was ich glaube, das kann schon einmal passieren, oder? Nach einem so langen Leben und nach des Tages Müh' und Last...zumal der Beethoven da so ist, wie er ist!

    Was macht Otto Klemperer im 2. Satz der 7. Beethoven

    (13 Sekunden lang von 15:47 - 16:00) :?:

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  • Interpretations-Vergleich 5. Beethoven

    Diese "Ruhe" bei

    Klemperer 1969 - 39:52

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    (Ihr könnt die Augen schließen!)

    gegen die "Unruhe" bei

    Toscanini 1952 - 28:55

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    (Augen auf!)

    In Wahrheit natürlich weder Ruhe noch Unruhe, sondern Spannung pur, jeder auf seine Art. Und gleichermaßen überzeugend, oder?

  • 5. Beethoven:

    ...oder O.K. mit dem NPO 1970 - jetzt "nur" noch 36:05

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  • Wäre Furtwängler nur Komponist geblieben, dürfte er an Verarmung gestorben sein. Grundsätzlich hat er sein Handwerk verstanden, aber als Sinfoniker waren andere Dirigenten eine Klasse besser, etwa Bruno Walter, Rafael Kubelik, Felix von Weingartner, Alexander von Zemlinsky, oder Emil Nikolaus von Reznicek

    Nicht zu vergessen: Otto Klemperer (hier seine etwa 24-minütige 2. Sinfonie aus dem Jahre 1967):

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    Zu Klemperer als Komponist noch diese Angaben von Werner Unger:

    1961 - Klemperers Konzerte erfahren nach wie vor zurückhaltende, teilweise aber auch offene Kritik. Das gilt auch für seine Erste Sinfonie (in zwei Sätzen), uraufgeführt am 22.Juni in Amsterdam mit dem Concertgebouworkest.

    Klemperer beginnt /Anfang 1968 wieder zu komponieren: Variationen zu einer Gavotte von Rameau, Sinfonie Nr. 2 (Ende 1967), Opern: Der verlorene Sohn, Das Ziel (Anfang 1968).

    1968 - Klemperer’s 2. Sinfonie wird in den Abbey Road Studios privat aufgeführt (zusammen mit dem Chorstück J’accuse, komponiert im Jahre 1933).

  • "Vom ersten Takt an die Pranke des Löwen"

    Durch die Verlegung meines fälschlich unter "Furtwängler" eingestellten Beitrags über den Komponisten Klemperer in diesen Thread, in dem ich ja auch schon Beiträge verfasst habe, nahm ich mir jetzt einmal die Zeit, mich hier umfassender umzuschauen und möchte meinen - nicht vorhandenen - Hut ziehen vor

    Doc Stänker

    für seine ungeheure Fleißarbeit, sowohl qualitativ als auch quantitativ, die er hier zum Thema Otto Klemperer vollbracht hat. Dafür zolle ich ihm meinen Respekt. Dabei habe ich noch nicht einmal alles gelesen. Dies werde ich aber noch tun.

    Zum Verständnis für Klemperer

    - zu dessen Beisetzung ich ( aus Verehrung für seine monumentalen Interpretationen ) nach vorherigem Kontakt mit seiner Tochter Lotte 1973 nach Zürich reiste -

    hat Doc Stänker mit seinen zahlreichen, bemerkenswerten Beiträgen im Forum in hervorragender Weise beigetragen. Danke dafür!

  • Zitat

    von Hudebux

    Das ist sehr spannend! Vielleicht kannst Du an geeigneter Stelle mehr davon berichten?

    Auf Wunsch von Hudebux hatte ich im Thread "Musikstadt Zürich" Anfang Dezember 2023 über meine "Beziehung" zu Otto Klemperer berichtet (was natürlich für die Freunde von Klemperer hier besser aufgehoben ist):

    "Ich hatte in den 1970er Jahren schriftlich Kontakt mit Otto Klemperers Tochter Lotte und sie antwortete mir u.a. auf meine entsprechende Frage, dass ihr Vater besonders die h-moll-Messe und die Matthäus-Passion liebe. 1973 flog ich nach Zürich, um Klemperers Beisetzung auf dem Friedhof "Oberer Friesenberg" beizuwohnen. Als junger Journalist verfasste ich darüber für das Feuilleton meiner damaligen Redaktion der "Allgemeinen Zeitung" in Mainz einen Beitrag unter dem Titel "Otto Klemperers Heimgang". Über die Beerdigung gab es ansonsten nur eine kurze dpa-Meldung.

    Lotte Klemperer war tief bewegt bei der Beisetzung. Kränze namhafter Künstler zeigten die große Anteilnahme. Der Rabbiner zitierte auf Wunsch des Verstorbenen die Schrift: "Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag".

    Klemperer lernte ich gemeinsam mit meinem Bruder schätzen, zunächst auch aus Protest gegen unseren Vater, der in der Nazi-Zeit Furtwängler erlebt hatte und, noch immer dieser dunklen deutschen Vergangenheit "verbunden", später auf den Hochglanz-Sound des Herbert von Karajan schwor. Da setzten wir Kinder den knorrigen Klemperer entgegen. Den Juden Klemperer! Auch als politisches Zeichen. Später dann nur noch aus musikalischen Gründen. Dass unser Vater ihn im Nachhinein als Interpreten auch schätzen lernte und liebte, versöhnte uns als seine durch ihn zur Klassik gestoßenen Kinder etwas mit ihm."

    Und danach hatte ich meinen Zeitungsartikel über die Beisetzung Klemperers in Zürich 1973 wiedergegeben:

    Otto Klemperers Heimgang

    Beisetzung des berühmten Dirigenten auf dem jüdischen Friedhof in Zürich

    Noch in der Stunde des Todes hatte Otto Klemperer Größe und Bescheidenheit bewahrt. Es war schmerzlich und beglückend zugleich, als auf dem israelitischen Friedhof Oberer Friesenberg hoch über Zürich der Rabbiner zu Beginn der Beisetzungsfeier sagte: "Auf Wunsch des Verstorbenen werden keine Ansprachen gehalten." Zu gerne hätte man noch einmal vernommen, was den außergewöhnlichen, vom Leid geprüften Menschen Klemperer ausmachte. Nur Teile aus der Heiligen Schrift hatte sich der gläubige Dirigent erbeten. Worte, deren Klang sein Herz immer wieder bewegte, so wie es der Rabbiner sagte: "Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag, der gestern gegangen ist."

    Ehrfurchtsvoll erhoben sich die Trauergäste - unter ihnen Vertreter des Musiklebens, Dirigenten, der deutsche und der israelische Generalkonsul -, als die sterblichen Überreste in die mit Blumenarrangements ausgelegte Halle gebracht wurden. Von der Stadt her drang der Klang der Glocken zu dem im Wald gelegenen Friedhof. Die Sätze aus dem 90. Psalm waren bezeichnend für Leben und Leiden des vielgeachteten Künstlers. Dann bewegte sich der Zug der Trauergäste, an der Spitze Lotte Klemperer, die Tochter des Meisters, zur letzten Ruhestätte. Ein Meer von Blumen war Ausdruck tiefempfundener Liebe und Achtung für "O.K.", wie sich der wohl gewichtigste Mahler-, Bruckner-, Beethoven-, Brahms- und Mozart-Interpret gerne selber nannte.

    Die Akademie der Künste Berlin, der Oberbürgermeister der Stadt Köln, das Opernhaus Zürich, die Stadt Wien, die Wiener Philharmoniker, die Konzerthausgesellschaft, der Philosoph Ernst Bloch, die Sängerin Lotte Lehmann, Frau Katja Mann und viele andere hatten ihre Anteilnahme zum Ausdruck gebracht. Besondere Bedeutung maß man der Kondolation des Bundespräsidenten Heinemann sowie des Kulturministers der DDR bei. Otto Klemperer, nicht nur hervorragender Interpret der Klassiker, sondern auch Wegbereiter der Moderne, war (wie berichtet) im Alter von 88 Jahren nach einer Woche ohne Bewusstsein in seinem Züricher Heim sanft entschlafen.

    "Nach seinem letzten Auftritt 1971 in London war im Januar 1972 eine Lungenentzündung der Anfang vom Ende", sagte uns seine Tochter, die dem 1885 in Breslau geborenen Klemperer in den letzten Jahren eine unersetzliche Begleiterin war. Klemperer, als Dirigent und Komponist geschätzt, zählte zu den großen Dirigenten des 20.Jahrhunderts.

    B.M.RIEDLE

    Einmal editiert, zuletzt von Bernd (5. Januar 2024 um 09:37) aus folgendem Grund: Formatierung

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