Josef Gabriel Rheinberger: Komponist und Pädagoge

  • Josef Gabriel Rheinberger: Komponist und Pädagoge

    Eine Bemerkung vorab: ich hätte als Untertitel gerne ein knackiges Zitat verwendet, nur fand ich leider keines. Das der Untertitel nicht sehr orginell ist, ist mir bewusst. Er dürfte auf viele Komponisten zutreffen. Man sehe mir den Mangel an Kreativität nach ;+)

    Wieso ein Thread zu Josef Gabriel Rheinberger? Bewusst kennengelernt habe ich Rheinbergers Musik durch diese CD, mit der Es-Dur-Messe op. 109 und anderer geistlicher Musik:

    Es singen der Phoenix Bach Choir und die Kansas City Chorale unter der Leitung Charles Bruffys. Die beiden Ensembles singen die Musik Rheinbergers so klangschön, so sauber, das es eine wahre Pracht ist. Mag reißerisch klingen, empfinde ich aber tatsächlich so. Und wenn man Rheinbergers Musik kennenlernen möchte, ist diese Aufnahme sicher nicht der verkehrteste Einstieg, insbesondere wenn man geistliche a-cappella Musik schätzt. Letztes Stück auf dieser CD ist das - ich sage es jetzt mal so ;+) - unvermeidliche "Abendlied", op. 69,3.

    Einige Anmerkungen:

    Rheinberger wurde 1839 in Vaduz geboren und starb am 25. November 1901 in München, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte, (seit dem 13. Lebensjahr) und wo sich auch heute in der Staatsbibliothek sein musikalischer Nachlass befindet, der den Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs unbeschadet überstanden hat. Im Gegensatz zu manch anderem Komponisten ist die Quellenlage bei Rheinberger also ausgesprochen gut. Seit 1987 erscheint die Rheinberger-Gesamtausgabe, von der inzwischen 48 Bände erschienen sind, wenn ich richtig recherchiert habe. Im Bewusstsein ist Rheinberger vor allem seiner Orgel- und Chormusik geblieben. Wobei sich das Wirken Rheinbergers nicht auf dieses Gebiet beschränkte. Rheinbergers Schaffen umfasste weltliche Chormusik, Kammermusik, Klaviersonaten, ein Klavierkonzert und zwei Opern. Rheinberger war kein Anhänger des Cäcilianismus. Neben seinem kompositorischen Schaffen war Rheinberger vor allem als Lehrer tätig. zu seinen Schülern zählen:
    Engelbert Humperdinck, Ermanno Wolf-Ferrari, Horatio Parker und Wilhelm Furtwängler.

    Abgesehen von geistlicher Chormusik, sowie einigen Kompositionen für Orgel, kenne ich noch nicht sehr viel Musik von Rheinberger. Deswegen würde ich mich über die eine oder andere Empfehlung freuen ;+)

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Hallo Christian!

    Schön, dass es jetzt auch einen Faden zu Rheinberger gibt. Zu diesem Komponisten habe ich keine besonders starke, aber immerhin eine sehr spezielle Beziehung: Das erste Werk, das ich in einem Chor sang, war Rheinbergers "Stern von Bethlehem". Das Stück hat mir gut gefallen, trotzdem besitze ich bis heute (außer dem Konzertmitschnitt) keine "richtige" Aufnahme davon. Rheinberger finde ich auch deswegen interessant, weil er ja aus Liechtenstein stammt und insofern ein wichtiger kultureller Repräsentant dieses Mini-Staates ist, obwohl er - wie Du ja schon erwähnt hast - die meiste Zeit seines Lebens in München verbracht hat. Vielleicht animiert mich dieser Thread dazu, die alte Konzertaufnahme mal wieder heraus zu kruschen, bzw. mich auch mal mit anderen Werken des Komponisten zu beschäftigen.

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • Ich habe mich gerade dieses Jahr ziemlich intensiv mit der Kammermusik und Orchestermusik der deutschen Romantik befasst und bin daher in der untypischen Lage, viel von Rheinbergers Orchester- und Kammermusik zu kennen, aber nichts von seinen Orgelsachen (außer den Violinsonaten mit Orgel) und Vokalwerken. Das Niveau finde ich ziemlich gut, must-haves sind aber eher wenige dabei. Wirklich gut ist seine symphonische Dichtung "Wallenstein" (gute Themen, mendelssohnsche Instrumentierung) und das Streichquintett. Auch seine Klaviertrios und Bläserkammermusikwerke sind sehr hörenswert.

    Folgende Einspielungen habe ich:

     


    Die Interpretationen würde ich qualitativ samt und sonders im Mittelfeld einordnen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Von Rheinberger stammen die beiden wohl bedeutendsten Messen für Männerchor aus dem 19. Jhd.:
    (Liszts Requiem samt Messe c-moll und Franz von Suppé wären noch zu nennen ... )

    Missa B-Dur op. 172
    Missa F-Dur op. 190

    Erstere hat er auch für Bläser + Männerchor gesetzt.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Da ich heute die im Eröffnungsposting zu diesem Thread vorgestellte Aufnahme der Kansas City Chorale unter der Leitung Charles Bruffys rauf- und runter höre, habe ich mich an diesen Thread erinnert und küsse ihn mal wach :D :D

    Was ich gar nicht oft genug hören kann, ist bekannte Abendlied. Bruffy schlägt hier ein vergleichsweise langsames Tempo an - und wer einmal selbst gesungen hat, der weiß, dass es für den Chor gar nicht so einfach ist, dann die Spannung zu halten. Das gelingt dem Chor hier wirklich grandios. Besonderes Highlight ist der Schluss: "Denn es will Abend werden". Feine dynamische Abstufungen, Transparenz und Spannung bis zum Schluss, bis der letzte Ton dann im Nichts schwebend verklingt. Einfach schön .... :verbeugung1: :verbeugung1:

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Von Rheinberger stammen die beiden wohl bedeutendsten Messen für Männerchor aus dem 19. Jhd.:
    (Liszts Requiem samt Messe c-moll und Franz von Suppé wären noch zu nennen ... )

    Missa B-Dur op. 172
    Missa F-Dur op. 190

    Erstere hat er auch für Bläser + Männerchor gesetzt.

    Da haben wir wieder den schon öfters angesprochenen Bias, dass es in der Rezeption eine starke Hierarchie der Gattungen gibt und man es mit Spitzenleistungen in Chor- und Orgelmusik nach 1750 in der Wahrnehmung von Klassikhörer*innen bestenfalls noch zum Rang eines "Kleinmeisters" bringt. Ich würde mal forsch behaupten, dass Rheinberger wahrscheinlich zu den Top 3 der Chorkomponisten im gesamten 19. Jahrhundert gehört (Abendlied, Messe Es-Dur, die beiden von dir angesprochenen Messen, die Missa Crucis G-Dur, Stern von Betlehem...) und mindestens zu den Top 10 der Orgelkomponisten. Das bildet sich aber in Konzerten und CD-Einspielungen nicht wirklich ab.

    Aber Rheinbergers Musik war ja schon den Cäcilianern zu gut...

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Da haben wir wieder den schon öfters angesprochenen Bias, dass es in der Rezeption eine starke Hierarchie der Gattungen gibt und man es mit Spitzenleistungen in Chor- und Orgelmusik nach 1750 in der Wahrnehmung von Klassikhörer*innen bestenfalls noch zum Rang eines "Kleinmeisters" bringt.

    Definitiv.

    Wer etwas werden wollte, musste Opern schreiben. Oder wenigstens Sinfonien. Das waren die gesellschaftlich relevanten Gattungen. Wen interessierte schon ein Streichtrio, wenn nicht gerade "Beethoven" dran stand?

    Ich würde mal forsch behaupten, dass Rheinberger wahrscheinlich zu den Top 3 der Chorkomponisten im gesamten 19. Jahrhundert gehört (Abendlied, Messe Es-Dur, die beiden von dir angesprochenen Messen, die Missa Crucis G-Dur, Stern von Betlehem...) und mindestens zu den Top 10 der Orgelkomponisten.

    Chorkomponisten:
    - Mendelssohn
    - Schumann
    - Cornelius
    - Bruch
    - Brahms
    - Hugo Wolf
    - ...

    Top 3? Hmmm ... müsste man mal schauen ...

    Orgelkomponisten
    - Franck
    - Lemmens
    - Lefébure-Wély
    - Guilmant
    - Widor
    - Boellmann
    - Vierne
    - Ritter
    - Merkel
    - Mendelssohn
    - Schumann
    - Liszt
    - Reubke
    - Brahms
    - Reger hat das Wichtigste noch im 19. Jhd komponiert

    ... wird auch eng ...

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Siehste mal ... heute ist das Standard bei der Aufnahmeprüfiung ...

    Gruß
    MB

    :wink:

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  • Joseph Rheinberger hielt die Bachschen Orgeltriosonaten für unspielbar.

    Echt? Seine Orgelsonaten sind aber auch nichts für Anfänger :D
    Die hätte ich jetzt spieltechnisch auf die gleiche Stufe wie die Bach'schen Triosonaten gestellt.

    :wink:

  • Die hätte ich jetzt spieltechnisch auf die gleiche Stufe wie die Bach'schen Triosonaten gestellt.

    Hmmm ... die "Magnificat"-Sonate habe ich mal gespielt - die fand ich wesentlich weniger aufwändig als eine Bachsche Triosonate - und beim Vortrag deutlich weniger heikel ... :versteck1:

    Gruß
    MB

    :wink:

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  • Ich muss sagen, ich nehme Rheinberger vor allem als Kirchenkomponisten wahr, einfach weil ich dort, in der Kirche, bisher am häufigsten mit seinen Werken in Berührung gekommen bin, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Liturgie. Bei Konzerten im Dom habe ich seine Geistlichen Gesänge oder seine Kammermusik mit Orgel gehört, in der Liturgie schonmal eine seiner Messvertonungen im praktischen Gebrauch.

    Am tollsten finde ich aber seine Florentinische Symphonie (die als zweite Symphonie gezählt wird, weil der oben schon erwähnte "Wallenstein" als Nr. 1 zählt). Wer sich an den ganz großen Symphonikern satt gehört hat und auf der Suche nach Entdeckungen oder Alternativen aus der zweiten Reihe ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollte unbedingt mal in diese Symphonie hineinhören: da ist sie, die Entdeckung!

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

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