Johannes Brahms: Klavierquartett A-Dur Op. 26 - Die sanftmütige Schwester

  • Johannes Brahms: Klavierquartett A-Dur Op. 26 - Die sanftmütige Schwester

    Johannes Brahms hatte bei seiner ersten Reise nach Wien mit Ende zwanzig u. a. zwei neu komponierte Klavierquartette im Gepäck, die sich im weiteren Verlauf bald als Standardwerke des Repertoires etablierten.

    Die beiden Quartette weisen einige Gemeinsamkeiten auf, die über die Besetzung und die viersätzige Anlage hinaus gehen. Beide Werke enthalten beispielsweise Zingarese-Elemente, Op. 26 im langsamen und im Finalsatz, der wie auch in Op. 25 mit einer schnellen Stretta schließt. Im Kopfsatz geht Brahms auch bei Op. 26 für seine Verhältnisse fast verschwenderisch mit motivischem Material um. Auch im langsamen Satz von Op. 26 kommt es im B-Teil zu einer dramatischen Steigerung, allerdings im Charakter weniger abgehoben als die marschartige Episode in Op. 25. Auch in Op. 26 verwendet Brahms – diesmal allerdings im langsamen Satz – Dämpfer bei den Streichern als besonderes atmosphärisches Ausdrucksmittel.

    Einige Unterschiede sind allerdings augenfällig. Ist schon das erste Quartett von recht großem Umfang, handelt es sich bei Op. 26 bei Berücksichtigung der Wiederholung der Kopfsatzexposition mit einer Aufführungsdauer von etwa 50 Minuten um eines der längsten Instrumentalwerke des Komponisten. Das Werk steht in einer Dur-Tonart, und die Atmosphäre erscheint durchgehend gelassener, ruhiger als im Schwesterwerk. Manche Kommentatoren fühlen sich in Bezug auf die Darbietung des thematischen Materials stark an Schubert erinnert. Der Kopfsatz ist mit seiner Expositionswiederholung zudem konventioneller angelegt.

    Op. 26 hat vier Sätze mit den Bezeichnungen Allegro non troppo, Poco adagio, Scherzo: Poco Allegro und Finale: Allegro. Die Tempounterschiede zwischen den Sätzen sind durch die Relativierungen „non troppo“ und „poco“ damit noch weniger deutlich als schon in Op. 25. Auch dies trägt zum ausgeglicheneren Gesamteindruck bei.

    Das Werk wurde zunächst ähnlich enthusiastisch aufgenommen wie Op. 25, büßte im Verlauf aber an Beliebtheit ein. Eduard Hanslick, durchaus ein Freund von Brahms, soll das Werk als „trocken und langweilig“ bezeichnet haben.

    Ich muss zugeben, dass ich Op. 26 deutlich seltener höre als die beiden anderen Klavierquartette von Brahms. Spannend ist es in seinen Kontrasten zum düstereren und wilderen Schwesterwerk allemal.

  • Mir gefällt das zweite Quartett fast am besten, vor allem wegen der Innensätze, und da besonders wegen des Scherzos. Ich werde es mir demnächst wieder einmal anhören. Aber es ist schon ein ordentlicher Brocken.....

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Wenn Op. 26 bei mir aufliegt, dann auch am ehesten mit Ax, Stern, Laredo und Ma.
    Recht gut hat mir letzthin diese Aufnahme mit einer anderen nicht festen Quartett-Besetzung gefallen:

    Ich finde sie bei guter Balance deutlich spannender gestaltet als bspw. die Aufnahme der Capucons, die ich gestern noch einmal gehört habe:

  • Das A-Dur-Quartett bezieht sich, ungeachtet des romantischen Gestus, auf einige klassische Vorbilder. Die Arpeggio-Passagen im langsamen Satz erinnern an Schubert ("Die Stadt" oder "Am Meer") und Beethovens op.70/2), das Hauptthema des Scherzos bringen einige in Verbindung mit Bachs D-Dur-Partita, das Trio mit dem Menuett aus Haydns Quintenquartett und die groß angelegten Scherzi aus Beethovens Trio op.97 und dem Quartett op.132 sind auch nicht fern.
    Das Zingarese-Finale finde ich, das mag aber Gewohnheit sein, etwas weniger abgenudelt als das im g-moll.

    Ich habe das Stück seinerzeit durch den im anderen Thread erwähnten Mitschnitt mit Richter und dem Borodin-Q. kennengelernt. Ketzerischerweise würde ich zumindest zum Kennenlernen diese Aufnahme aber eher nicht empfehlen. Sie ist klanglich nicht sehr angenehm, oft etwas grob, ziemlich direkt aufgenommen und ich meine, es gäbe auch einige Intonationsprobleme und im Finale haute Richter ein paarmal daneben. Allerdings ist sie von denen, die ich gehört habe, mit Abstand die intensivste Aufnahme, sofern man das dem Stück angemessen findet und über die klanglichen Schwächen hinweghören kann.
    Ich müsste in die anderen nochmal reinhören; Rubinstein/Guarneri, die ich bei den beiden anderen (und dem Quintett) hervorragend finde, sind mir hier etwas zu entspannt (wobei man das durchaus werkgerecht sehen kann), an Domus habe ich keine Erinnerung und die des erweiterten BeauxArts fand ich ganz gut (besser als ihr zu reserviertes g-moll), besitze sie aber nicht mehr.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • das Hauptthema des Scherzos bringen einige in Verbindung mit Bachs D-Dur-Partita

    kammermusikführer.de ergänzt: "Das Scherzo sollte man wörtlich verstehen: als Scherz, denn es nichts anderes als eine Zitatensammlung. Sein Thema stammt aus Bachs 4. Cembalopartita, ein Überleitungsmotiv aus Schuberts B-Dur-Klaviertrio, das 2. Thema aus Schumanns A-Dur-Streichquartett."

  • Ich habe das Stück seinerzeit durch den im anderen Thread erwähnten Mitschnitt mit Richter und dem Borodin-Q. kennengelernt. Ketzerischerweise würde ich zumindest zum Kennenlernen diese Aufnahme aber eher nicht empfehlen. Sie ist klanglich nicht sehr angenehm, oft etwas grob, ziemlich direkt aufgenommen und ich meine, es gäbe auch einige Intonationsprobleme und im Finale haute Richter ein paarmal daneben. Allerdings ist sie von denen, die ich gehört habe, mit Abstand die intensivste Aufnahme, sofern man das dem Stück angemessen findet und über die klanglichen Schwächen hinweghören kann.

    Ich habe mir die Live-Aufnahme aus Tours vom 8. Juli 1983 mit Swjatoslaw Richter und drei Mitgliedern des Borodin-Quartetts nun fünfmal angehört und auf Deine Einwände hin überprüft. Dass Richter im Finale ein paarmal danebengehauen haben soll, kann ich nicht bestätigen. Bei sehr genauem Hinhören habe ich vielmehr im ersten (nicht im vierten) Satz bei 8:59 min. (Fehlgriff) und bei 9:53 min. (minimale Unsauberkeit) geringste Kleinigkeiten ausgemacht, die man bei Richters Klavierspiel - der Live-Situation geschuldet - bemängeln kann. Aber in den übrigen Sätzen fiel mir nichts auf. Und die Klangqualität der Aufnahme finde ich eigentlich super. Die "klanglichen Schwächen", die Du herausstellst, nehme ich nicht wahr. Mit gelegentlichen Intonationsproblemen bei den drei Streichern hast Du allerdings Recht.

    Möglicherweise haben Du und ich - wegen unserer unterschiedlichen Wahrnehmung des Klangbildes - unterschiedliche Editionen dieser Einspielung. Sie kam zunächst bei Philips heraus
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    und zwar noch von Richter persönlich autorisiert. Dass er eine Aufnahme mit gröberen Patzern im Finale, die Du anführst, zur Veröffentlichung freigegeben haben soll, ist geradezu undenkbar. So dermaßen selbstkritisch wie er war.

    Die russische Wiederveröffentlichung bei Olympia ist die Edition, die ich in der Sammlung habe
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    Diese Edition (möglicherweise gegenüber der Philips-CD klanglich überarbeitet, so dass Du und ich zu unterschiedlichen Beurteilungen gelangen?) kann ich allein schon deswegen anraten, weil hier eine rare Richter-Einspielung der vier Klavierstücke op. 119 von Brahms beigegeben wurde, die sonst nirgends greifbar ist. Ates Tanin listet diese op. 119-Aufnahme sogar nach wie vor als "PT" (also privately taped = nicht offiziell veröffentlicht), weil ihm möglicherweise die Olympia-Edition des Klavierquartetts Nr. 2 nicht geläufig ist. Man hört hier die früheste verfügbare Live-Aufnahme aller Klavierstücke op. 119 durch Swjatoslaw Richter, nämlich vom 8. Januar 1959 aus Moskau. Hauntingly beautiful, kann ich nur sagen. Und wegen dieser Beigabe ist die Olympia Edition für Richter-Sammler ohnehin ein Muss.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Ich habe mir heute das Quartett wieder in der Aufnahme vom Heimbacher Festival angehört und war abermals ganz angetan. Swjatoslaw Richter hin Borodins her, das Starquartett Lars Vogt, Christian Tetzlaff, Hartmut Rohde und Heinrich Schiff legt hier eine Interpretation des Werkes hin, die restlos überzeugt und in der keine Sekunde Langeweile aufkommt, obwohl das Werk doch sehr ausgedehnt ist. Mir ist op. 26 tatsächlich das liebste von Brahmsens Klavierquartetten.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Als da waren ... Rudolf Serkin & Busch Quartett , Victor Aller & Hollywood String Quartet , The Festival Quartet ( Babin , Graudan , Primrose , Goldberg ) . Alle hörenswert , und trotz ihres Alters - und ihrer Diversität - für mich noch relevant . Alle irgendwo nachhörbar .

     

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

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