Bach, J. S.: Kantate Nr. 140 "Wachet auf, ruft uns die Stimme"

  • Bach, J. S.: Kantate Nr. 140 "Wachet auf, ruft uns die Stimme"

    Diese Kantate gehört zu den bekanntesten von J. S. Bach. Sie wurde für den 27. Sonntag nach Trinitatis des Jahres 1731 komponiert, der auf den 25. November fiel. Dieser Sonntag konnte nur selten gefeiert werden: 27 Sonntage nach Trinitatis gab es nur dann, wenn Ostern vor dem 27. März lag. In Bachs Leben war das genau fünf Mal der Fall, davon zweimal in seiner Leipziger Zeit (außer am 25. November 1731 noch am 25. November 1742).

    Das Evangelium des Tages war das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Mt 25, 1-13), die Epistel stand in 1. Thess. 5, 1-11. – Warum die Vergangenheitsform? Nun, die evangelischen Kirchen in Deutschland kennen den 27. Sonntag nach Trinitatis nicht mehr. Man feiert heutzutage an den drei Sonntagen vor dem 1. Advent zunächst den „drittletzten“ und dann den „vorletzten Sonntag im Kirchenjahr“; der letzte Sonntag wird dann entweder als „Totensonntag“ oder „Ewigkeitssonntag“ begangen. Der „Totensonntag“, auch „Gedenktag der Entschlafenen“, ist dem Gedächtnis der verstorbenen Gemeindeglieder gewidmet, der „Ewigkeitssonntag“ hingegen wendet den Blick auf den neuen Himmel und die neue Erde, die den Christen verheißen ist. Vielerorts wird der Gottesdienst an diesem Tage mit einer Kombination beider Themen begangen. - Diese Regelung zur Ordnung der Gottesdienste hat den unbestreitbaren Vorteil, dass die Texte von den letzten Dingen in jedem Kirchenjahr drankommen.

    Mt 25, 1-13 ist zum Evangelium des Ewigkeitssonntags geworden, 1. Thess 5, 1-11 gehört zu den möglichen Predigttexten des drittletzten Sonntags im Kirchenjahr. Damit könnte man BWV 140 in der heutigen Konzeption des Kirchenjahres streng genommen für heimatlos halten. Da der zugrunde liegende Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ jedoch das Hauptlied des Ewigkeitssonntags ist und auf die Epistel nicht Bezug genommen wird, passt diese Kantate bestens zu diesem Tage.

    Sieben Sätze hat BWV 140:

    1. Choralchor „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ – vierst. Chor, Vl I (e Violino piccolo), Vl II, Vla, Corno col Soprano, Ob I/II, Taille, B. c.
    2. Rezitativ „Erschrecket, ihr verstockten Sünder!“ – Tenor, B. c.
    3. Duett „Wenn kömmst du, mein Heil? – Ich komme, dein Teil.“ – Sopran, Bass, Violino piccolo, B.c.
    4. Choral „Zion hört die Wächter springen“ – Tenor, Vl I/II und Vla in unisono, B. c.
    5. Rezitativ „So geh herein zu mir“ – Bass, Vl I (e Violino piccolo), Vl II, Vla, B. c.
    6. Duett „Mein Freund ist mein – und ich bin sein“ – Sopran, Bass, Oboe solo, B. c.
    7. Choral „Gloria sei dir gesungen“ - vierst. Chor, Vl I (e Violino piccolo), Vl II, Vla, Corno col Soprano, Ob I/II, Taille, B. c.

    Über das zugrunde liegende Lied von Philipp Nicolai kann man sich auf Wikipedia informieren (http://de.wikipedia.org/wiki/Wachet_auf,_ruft_uns_die_Stimme). Sein Text bezieht sich zunächst auf die Verheißung in Jes 52 (nach der Zürcher Bibel: „Wach auf! Wach auf! … Horch, deine Wächter erheben die Stimme, jauchzen zumal; denn sie schauen’s vor Augen, wie der Herr heimkehrt nach Zion“, Jes 52, 1a.8), aber natürlich auch auf das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen.

    Nicolai hat nur drei Strophen gedichtet. Der unbekannte Textdichter dieser Kantate hat diese unverändert für die Sätze 1, 4 und 7 verwendet und für die Sätze 2, 3, 5 und 6 Texte nachgedichtet. Dabei hat er etliche Motive aus der Bibel übernommen, vor allem aus dem Hohelied Salomos.

    Den vierten Satz hat Bach später für Orgel bearbeitet. Unter dem Titel „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ ist er in die sogenannten Schübler-Choräle eingegangen (BWV 645) und gehört in dieser Fassung zu den bekanntesten Choralvorspielen Bachs.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Satz 1 – Choralchor „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (Es-Dur, 3/4)

    Dies ist der prächtigste Satz der ganzen Kantate. Es liegt eine Ritornellform vor. Der um das Corno verstärkte Sopran singt stets den cantus firmus in punktierten Halben.

    Ritornell 1 [Vier Takte in punktiertem Rhythmus - Freudenrhythmus? -, dann vor allem Sechzehntelbewegung]
    Choralzeile 1 [Sopran beginnt, dann imitatorische Bewegung in den drei Unterstimmen]
    (zwei Takte Zwischenspiel)
    Choralzeile 2 [Sopran beginnt, dann imitatorische Bewegung in den drei Unterstimmen]
    (drei Takte Zwischenspiel)
    Choralzeile 3 [Alle vier Stimmen beginnen gemeinsam]
    Ritornell 2 [Wie Ritornell 1]
    Choralzeile 4 [wie Zeile 1]
    (zwei Takte Zwischenspiel)
    Choralzeile 5 [wie Zeile 2]
    (drei Takte Zwischenspiel)
    Choralzeile 6 [wie Zeile 3]
    Ritornell 3
    Choralzeile 7 [imitierende Einsätze der der Unterstimmen, dann Sopran]
    (zwei Takte Zwischenspiel)
    Choralzeile 8 [wie Zeile 7]
    Choralzeile 9 [„Halleluja“ - ausgedehntes Fugato der drei Unterstimmen mit Motivik aus dem Ritornell, dann Sopran]
    (vier Takte Zwischenspiel)
    Choralzeile 10 [Alle vier Stimmen beginnen gemeinsam]
    (drei Takte Zwischenspiel)
    Choralzeile 11 [wie Zeile 10]
    (ein Takt Zwischenspiel)
    Choralzeile 12 [wie Zeile 11]
    Ritornell 4

    Satz 2 – Rezitativ „Er kommt, er kommt“ (c-moll)

    Secco-Rezitativ. Auffällig sind die Spitzentöne bei „Höhe“, „Hügeln“ und „dort“.

    Satz 3 – Duett „Wenn kömmst du, mein Heil? – Ich komme, dein Teil.“ (c-moll, 6/8)

    Das erste Duett zwischen Jesus und der „Braut“, der gläubigen Seele. Es liegt eine Ritornellform vor. In seiner achttaktigen Länge erklingt das Ritornell nur am Anfang und am Ende des Duetts, die Binnenzwischenspiele sind kürzer gehalten. – Hier ist die solistische Violino piccolo mit ihrem silbrigen Klang zu hören. Reinste Jesusminne voller Sehnsucht und Innigkeit.

    Satz 4 – Choral „Zion hört die Wächter singen“ (Es-Dur, c)

    Abermals eine Ritornellform. Die hohen Streicher spielen die Ritornellmotivik, die mit derjenigen des Choralchors verwandt ist, fast durch den ganzen Satz, interpoliert von den Choralzeilen im Tenor.

    Satz 5 – Rezitativ „So geh herein zu mir“ (Es-Dur -> B-Dur)

    Hier spricht Jesus selbst – wie in der Matthäus-Passion werden seine Worte von den hohen Streichern samt B. c. begleitet. Die Harmonik ist exquisit, vor allem bei „betrübtes“ und „die Angst, den Schmerz“.

    Satz 6 – Duett „Mein Freund ist mein – und ich bin sein“ (B-Dur, c)

    Nun, da die gläubige Seele zu Jesus gekommen ist, ist der sehnsuchtsvolle Ton des ersten Duetts einem geradezu tänzerischem, jedenfalls freudig-bewegtem Gestus gewichen. – Abermals eine Ritornellform mit Wiederholung des ganzen Ritornells am Ende.

    Satz 7 Choral „Gloria sei dir gesungen“ (Es-Dur, c)

    Prächtiger vierstimmiger Satz.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Drei Aufnahmen

    Karl Richter, 1978 (?)

    Edith Mathis, Sopran
    Peter Schreier, Tenor
    Dietrich Fischer-Dieskau, Bass
    Münchener Bach-Chor
    Münchener Bach-Orchester
    Karl Richter

    Dass Richter das Legato mag und in Rezitativen die Akkorde ausspielen lässt – geschenkt. Hinlänglich bekannt, hinlänglich kritisch gewürdigt. Doch die Tempi in dieser Kantate können auch einem wohlwollenden Hörer die Schuhe ausziehen. Sage und schreibe 9:41 Minuten kriechen Chor und Orchester „dem Bräutigam entgegen“. Sie waren wohl noch schlaftrunken vom Ruf des Wächters. Spaß beiseite: Richter hatte vielleicht – in bester Absicht – die gewaltige Schar der erlösten Seelen vor Augen, die ihren Bräutigam in höchster Andacht erwarten. Das wäre dann Richters persönliche Vorstellung vom Jüngsten Tag. Bach hat in der Partitur ein anderes Bild gemalt: Taktvorzeichnung und Sechzehntelnoten legen durchaus einen anderen Gestus der Musik nahe als das weihevolle Schleichen des Richter-Teams.

    Schreier wiederum ist die Aufnahme schon alleine wert, ob im Rezitativ Nr. 2 oder im Choral Nr. 4. Sein „Wacht auf“ hat Impetus, das Singen von „Rehen und jungen Hirschen“ ist agil. - In Arie Nr. 3 ist ein langsames Tempo in der Partitur vorgeschrieben. Ok. Leider lädt Edith Mathis ihren sehnsuchtsvollen Part dramatisch auf, als ob es nicht die kluge Jungfrau mit Lampe und Öl sei, sondern Isolde, die auf das Verlöschen der Fackel wartet. - Der Choral Nr. 4 hat mit 5:56 abermals ein rekordverdächtig langsames Tempo. Die Bearbeitung des Satzes für Orgel solo (BWV 645) hat Richter im Jahr 1966 in 4:41 eingespielt – geht doch! Also kannte Richter auch die reiche Artikulation, die Bach dabei der rechten Hand (= Partie der Violinen und Violen im Kantatensatz) zukommen ließ. Warum dann dieses dichte Legato in den Streichern? Schreier ist zu bewundern, dass er in diesem Tempo nicht verhungert. - Fischer-Dieskau singt das Rezitativ Nr. 5 herrlich verinnerlicht. - Nun, da Braut und Bräutigam zusammen gekommen sind (neue Rechtschreibung), lässt Richter im Duett Nr. 6 tatsächlich etwas Bewegung zu. Ausgezeichnete Oboe! (Das Internet will wissen, dass es Manfred Clement gewesen sei.) - Im Schlusschoral hört man nochmal, dass die Tenöre nicht den letzten Grad chorischer Klangkultur erreichen. Aber ok – bis aufs Legato ...

    Helmuth Rilling, 1983/84

    Arleen Augér, Sopran
    Aldo Baldin, Tenor
    Philippe Huttenlocher, Bass

    Gächinger Kantorei Stuttgart
    Württembergisches Kammerorchester Heilbronn
    Helmuth Rilling

    Gut, man könnte jetzt mäkeln, dass Rilling so viel zu schnell wäre, wie Richter zu langsam war. Ich bin nicht ganz sicher. Würde das Orchester die Noten nur etwas kürzer nehmen und mit leichterer Tongebung agieren, so könnte das doch richtig gut klingen.

    Aldo Baldin singt das Rezitativ Nr. 2 mit strahlender Stimme! Gäbe es nicht Schreiers vertiefende Ausdeutung des Textes … Arleen Augér lässt ihrem Part im Duett Nr. 3 mehr Verinnerlichung zukommen als Edith Mathis. Finde ich stimmiger. Schade nur, dass die Continuo-Streicher ihren Part so sehr auf der Legato-Seite abliefern, zudem lustlos. - Der Choral Nr. 4 wird von den Chortenören gesungen. Tempo und Artikulation gefallen mir ausgezeichnet, die im Text genannte „Freude“, das „Licht“, der „aufgehende Stern“ teilen sich mit. – Auch Huttenlocher gelingt die Verinnerlichung in Nr. 5 – Sehr lebendig nimmt Rilling das Duett Nr. 6, temposeitig vielleicht an der Oberkante, aber ok! Augér und Huttenlocher mischen sich nicht ganz optimal, für Sopran und Bass ist das halt schwierig. -

    Masaaki Suzuki, September 2011

    Hana Blažíková, Sopran
    Gerd Türk, Tenor
    Peter Kooij, Bass

    Bach Collegium Japan
    Masaaki Suzuki

    Suzuki lässt den Eingangschor einen Tick langsamer spielen und singen als Rilling. Das verleiht diesem eine Würde, die mir bei den Gächingern zu sehr auf der Strecke blieb. Die Sechzehntel wirken nicht gehetzt, auch nicht bei den „Halleluja“-Koloraturen im Chor. Der Freudigkeit des Zugs der Erlösten tut dies keinen Abbruch, sie erhält sozusagen nur eine andere Färbung, die ich dem Schauen der Ewigkeit für angemessen halte. Zudem ist das Orchesterspiel wunderbar leicht und luftig. Der Chor ist sowohl dem Münchener Bachchor als auch den Gächingern an Stimmausgleich und Beweglichkeit überlegen. - Der Chor ist 4/4/4/4 besetzt, die Streicher 3/3/2/1/1. Die „Corno“-Stimme im Eingangs- und Schlusschor wird mit einer Zugtrompete gespielt, die den Sopran in der Tat mit Silberglanz verstärkt.

    Gerd Türk lässt etwas weniger Höhenglanz als Schreier oder Baldin hören. Die Differenzierung leidet darunter nicht – gefällt mit gut. - Das erste Duett (Nr. 3) wird sehr verinnerlicht genommen, temposeitig ziemlich genau zwischen Richter und Rilling. Die reiche Binnendifferenzierung wird von Hana Blažíková und Peter Kooij eher angedeutet, was diesen Satz nur umso berührender macht. – Im Choral Nr. 4 wird das „vor Freuden springen“ zumindest erkennbar. Mit leichtem Ton und guter Artikulation nehmen die hohen Streicher ihr Ritornell-Thema. Gerd Türk „macht“ fast nichts, singt den Choral einfach, singt ihn gut, einfach gut. – Auch Peter Kooij nimmt sein Rezitativ Nr. 5 in keiner Weise veräußerlicht. - Duett Nr. 6 wird als freudiger Gegensatz zu Nr. 3 gestaltet. Auch hier erfreuen lebendige Artikulation und leichtes Spiel.

    In der Summe ist die Suzuki-Aufnahme mein Favorit für dieses Werk, was aber auch an der "Konkurrenz" liegen mag. – Die Aufnahmen mit Gardiner (1990 und Pilgrimage) sowie Koopman würden mich interessieren …

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Danke, lieber Yukon! Meine alte DG-CD (BWV 140 gekoppelt mit dem Magnificat) nennt nur (P) 1979.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Die Aufnahmen mit Gardiner (1990 und Pilgrimage) sowie Koopman würden mich interessieren …


    Die Gardiner-Aufnahme ist ganz hervorragend! Ich habe sie soeben noch einmal angehört, um sie wieder präsent zu haben und meine Erinnerung hat nicht getrogen. Das, was ich an Gardinders Einspielungen allgemein bewundere, nämlich Transparenz gepaart mit Brio, ist wie immer vorhanden. Diesmal sind aber auch die Solisten, Ruth Holton und Stephen Varcoe, bestens disponiert. Ruth Holton hat einen hellen, schlackenlosen und jungen Sopran, also so wie man eine "Seele" gern hören möchte. Stephen Varcoe ist ein nicht zu massiver, flexibler Bass. Der Monteverdi Chor (SATB = 6/4/4/4) ist in Höchstform wie immer....

    Die Tempi sind flott aber nicht gehetzt.

    I - Choral: 6'17

    II - Rezitativ (T): 0'52

    III - Duett (S/B): 5:32

    IV - Choral (T): 3'49

    V - Rezitativ (B): 1'27

    VI - (Duett (S/B): 5'03

    VII - Choral: 1'35

    Ich habe von dieser Kantate auch die Einspielungen von Rilling, Werner, Richter, Suzuki und Mauersberger. Gardiner gefällt mir am besten, Richter am wenigsten. So weit ich das vergleichen kann, ziehe ich Gardiner Suzuki immer wegen des größeren Schwungs vor (ich habe aber nur ein paar einzelne CDs des Suzuki-Zyklus).

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Die Gardiner-Aufnahme ist ganz hervorragend! Ich habe sie soeben noch einmal angehört, um sie wieder präsent zu haben und meine Erinnerung hat nicht getrogen. Das, was ich an Gardinders Einspielungen allgemein bewundere, nämlich Transparenz gepaart mit Brio, ist wie immer vorhanden. Diesmal sind aber auch die Solisten, Ruth Holton und Stephen Varcoe, bestens disponiert.


    Lieber Trichomonas musicalis,

    vielen Dank für den Tipp!

    Gardiners Bach reißt mich mal mit (WO, h-moll-Messe), mal ist's mir zu viel des Schwungs (Mt-Passion). Der Solisten wegen tippe ich darauf, dass Du die 1990er Aufnahme hast, oder? Die gibt's momentan gekoppelt mit BWV 147, der Motette BWV 118 und dem "Actus tragicus" BWV 106 für kleines Geld (bei amazon sogar noch 'nen Euro billiger):

    Kommt gleich auf die Liste für den nächsten Monat ...

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Die Aufnahme von John Eliot Gardiner vom März 1990 (St. Andrew's Church, Fontmell Magna, Shaftesbury, Dorset, UK) gefällt mir auch sehr gut und ich kann mich meinem Vorredner da voll und ganz anschliessen. Lediglich beim Tenor der Aufnahme, Anthony Rolfe-Johnson, stört mich das für meinen Geschmack starke Vibrato.

    Vor wenigen Jahren hatte ich mal im Radio eine interessante Aufnahme mit dem Balthasar-Neumann-Chor und -Ensemble unter der Leitung von Thomas Hengelbrock aufgenommen. Die Solisten dieser Live-Aufnahme sind Heike Heilmann, Henning Kaiser und Stefan Geyer. Ort und Datum dieser Aufnahme hatte ich mir nicht vermerkt, jedenfalls scheint es sie nicht auf CD zu geben.

    Die Tempi sind folgende:
    01: 05:55 / 02: 01:00 / 03: 06:09 / 04: 03:12 / 05: 01:13 / 06: 05:23 / 7: 01:41

    Die Chöre, vor allem der Eingangschor, kommen sehr zackig in sehr straffen-zügigen Tempi daher, fast marschartig. Das ist schon gewöhnungsbedürftig aber nicht uninteressant. In den Duetten läßt es Hengelbrock dann aber etwas behutsamer angehen. Gut haben mir die Solisten gefallen und Chor und Orchester des Balthasar-Neumann-Ensemble singen und musizieren auf exzellentem Niveau. Insgesamt eine spannende Aufnahme, an der sich aber die Geister scheiden werden.

    Ebenfalls ein Radio-Mitschnitt ist diese:

    (AD: 12/2007, Großer Saal, Musikverein Wien)

    Spielzeiten:
    01: 06:56 / 02: 00:58 / 03: 05:52 / 04: 03:57 / 05: 01:29 / 06: 06:33 / 7: 01:53

    Diese Aufnahme ist das totale Kontrastprogramm zur Gardiner- und erst recht zur Hengelbrock-Aufnahme. Der Eingangschor kommt wuchtig, mächtig daher. Wer dabei nicht aufwacht, dem ist nicht mehr zu helfen. Das hat irgendwie auch seinen Reiz, nach dem ich mich da eingehört habe. Der Bassist der Aufnahme, Anton Scharinger, geht aber für mich gar nicht, weil er mir zu mächtig klingt, zu opernhaft. Den vierten Satz "Zion hört die Wächter singen" läßt Harnoncourt nur vom Tenorsolisten, Kurt Streit, singen, dessen Stimmer mir auch zu sehr "flackert". Insgesamt eine kuriose Aufnahme an der nur die originalen Instrumente "hip" sind. Ansonsten klingt das für mich von dem Tempi her mehr nach den 1960er/70er-Jahren.

    Mein Favorit in Sachen BWV 140 ist Masaaki Suzukis Aufnahme, die Mauerblümchen bereits vorstellte und ich mich seinen Worten anschliessen kann. Dicht dahinter kommt Gardiners 1990er-Aufnahme.

    Lionel

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Die Gardiner-Aufnahme ist ganz hervorragend! Ich habe sie soeben noch einmal angehört, um sie wieder präsent zu haben und meine Erinnerung hat nicht getrogen. Das, was ich an Gardinders Einspielungen allgemein bewundere, nämlich Transparenz gepaart mit Brio, ist wie immer vorhanden.

    Die Tempi sind flott aber nicht gehetzt.
    I - Choral: 6'17

    Ich hadere ziemlich mit dieser Aufnahme Gardiners, da ich just das Tempo des Eingangschorals tatsächlich als ausgesprochen gehetzt empfinde und darum hörend kaum über ihn hinauskomme. Der Rest gefällt mir - wenn ich micht recht entsinne - gut, aber das?

    Doch schon Schweitzer scheint der Ansicht gewesen zu sein, dass man hier ruhig ein sehr flottes Tempo anschlagen darf:

    „Der erste Chor schildert das Erwachen. Ein merkwürdiges Läuten erklingt von allen Seiten; der Bräutigam kommt; die Jungfrauen fahren erschreckt aus dem Schlummer auf; die eine reißt die andere empor: [...]. Um die richtige Wirkung hervorzubringen, sind die synkopierten Noten in den aufstrebenden Sechzehnteln stark harauszuarbeiten. Ein ‚Zuviel’ dürfte hierin kaum zu befürchen sein; je ungestümer die Akzente, desto klarer kommt die Bedeutung des Motivs dem Hörer zu Bewußtsein.“ (Schweitzer 1908, S. 624)

    Ich mag ja - Schweitzer hin oder her - daneben liegen, aber ich sehe den Charakter des Satzes doch eher von den letzten Verszeilen bestimmt:

    Wohl auf, der Bräutgam kömmt;
    Steht auf, die Lampen nehmt! Alleluja!
    Macht euch bereit
    Zu der Hochzeit,
    Ihr müsset ihm entgegen gehn!

    Gardiner orientiert sich an Schweitzer, bei ihm wird nicht "gegangen", bei ihm rennen die Jungfrauen förmlich. Ich höre das lieber bewegt als rasant, lieber erwartungsvoll als ungestüm. Das in meinen Ohren schlüssigste Tempo schlägt übrigens Rotzsch an, zu dessen Aufnahme ich darum immer greife, wenn ich diese Kantate hören möchte:

    :wink: Agravain

  • Angeregt durch diesen Thread höre ich mir diese Kantate auch gerade an, und zwar ein Konzertmitschnitt von Ton Koopman und seinem Amsterdam Baroque Orchestra & Choir mit folgenden Solisten:
    Sopran - Lisa Larsson
    Tenor - Lothar Odinius
    Bass - Klaus Mertens

    "

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    "

    Mir gefällt diese Aufnahme sehr gut - trotz der Verwendung von Barockinstrumenten finde ich sie schön schlank und frisch. Allerdings höre ich sie hier gerade das erste Mal in meinem Leben so richtig bewusst.

    Viele Grüße - Allegro

    "Musik ist ... ein Motor, Schönheit, Intensität, Liebe, Zauber, alles in allem: ein Elixir." Lajos Lencsés

  • Lieber Agravain,

    vielen Dank für den Tipp!

    Die Einzel-CD ist auch in einer größeren Box zu haben, die ganz ausgezeichnet besprochen wurde:

    Bei jpc etwas günstiger, dort noch weitere Stimmen dazu.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Hallo, liebe Bachfreunde,

    auch ich habe gestern den Hörtag mit BWV 140 verbracht -obwohl ich das Werk in 6 Aufnahmen habe, beschränkte ich mich nach dem Prinzip der kneippschen wechselden Güsse ;+) auf mehrfaches Hören der Richter - und der Gardiner-Aufnahme ( DG).

    Dabei kann ich Mauerblümchens aussagen zu den Tempi nur bestätigen- hier übertreibt es Richter wahrlich mit der Entdeckung der Langsamkeit! Im Ganzen war Gardiner mir da viel näher.

    doch trotzdem möchte ich die Richter Aufnahme nicht missen: Schreier und Fischer-Dieskau gefallen mir in Timbre und Ausdruck wesentlich besser, als Gardiners Solisten, beim Sopran gefäält mir Edith Mathis durchaus, aber Ruth Holton hat eine so schöne, schlanke Stimme, dass der Punkt klar an Gardiner geht.

    Die Oboe finde ich - wie Mauerblümchen- bei Richter vorzüglich und ich habe noch ein Kleinod entdeckt, dass bei Gardiner fehlt- die wunderbaren Orgelklänge im Continuo. DAS ist bei den meisten Richter-Aufnahmen für mich der Punkt, an dem ich alle mir mißfallenden Details vergesse und nur diesem faszinierenden Sternenfunkeln im Hintergrund lausche. Da geht mir das Herz auf! :juhu: :juhu: :juhu: Leider weiß ich nicht, wer bei BWV 140 die Orgel spielt.

    Übrigens es geht mir nicht alein um das alte Streitthema Orgel vs. Cembalo im Continuo derKantaten, ich habe auch Einspielungen mit orgel, die mich gar nicht berühren. Es ist der typische Richtersche Orgeleinsatz, den ich nur mit dem ,, Sternenfunkeln" unzureichend beschreiben kann...


    Gruß

    Oolong

    Oh, Mensch bedenke: auch ein Fenghuang Dancong oder ein Da Hong Pao ist kein Huang Zhi xiang Dangcong!

  • Prinzipiell schätze ich die Bachaufnahmen Richters sehr, auch wenn sie natürlich von den Tempi und den eingesetzten Mitteln alles andere als "historisch informiert" sind. Richters Matthäuspassion, die Solokantaten für Bass mit FiDi und einzelne andere Kantaten wie BWV 61 sind bis heute meine liebsten Einspielungen dieser Werke geblieben. Aber die Aufnahme von BWV 140? ?(
    Gestern habe ich noch in meine beiden Aufnahmen von BWV 140 von Fritz Werner reingehört (in der Box sind jeweils eine Aufnahme aus 1958 und 1970), um diese mit Richter und Gardiner zu vergleichen. Erwartungsgemäß liegen die Tempi und der gewissermaßen gravitätische Musizierstil näher bei Richter, dennoch pulsiert das ganze deutlich mehr. Die ältere Aufnahme aus 1958 ist allerdings dermaßen von Vibrato durchzogen (sowohl Soloinstrumente als auch Sänger), dass ich Probleme habe, sie heute noch mit Genuss anzuhören. Übrigens: die ältere Werner-Aufnahme hat die Orgel als Continuo, die jüngere das Cembalo. An der Orgel sitzt niemand geringere als Marie-Claire Alain!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Gardiner orientiert sich an Schweitzer, bei ihm wird nicht "gegangen", bei ihm rennen die Jungfrauen förmlich. Ich höre das lieber bewegt als rasant, lieber erwartungsvoll als ungestüm. Das in meinen Ohren schlüssigste Tempo schlägt übrigens Rotzsch an, zu dessen Aufnahme ich darum immer greife, wenn ich diese Kantate hören möchte:


    Gerade diese Aufnahme von Rotzsch habe ich leider nicht! Den Kauf der Box hatte ich mir bereits einmal überlegt, aber ich habe schon zu viel auf Einzel-CDs. Sein BWV 21 ist für mich unübertroffen!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Aber die Aufnahme von BWV 140? ?(


    Ist einfach zu beschaffen - schau mal hier:


    Bilder einfügen klappt heute nicht, weder amazon noch jpc :shake: :cursing: Also:Serie Eloquence, für kleinstes Geld!

    Gruß

    Oolong

    [Lieber Oolong, habe mir erlaubt, das gewünschte Bild sichtbar zu machen: Mit Deiner Farbcodierung hast Du den JPC-Code gestört. Hoffentlich so in Deinem Sinn. :gurni: Gurnemanz]

    Oh, Mensch bedenke: auch ein Fenghuang Dancong oder ein Da Hong Pao ist kein Huang Zhi xiang Dangcong!

  • Lieber Gurnemanz,

    hab herzlichen Dank für Deine freundliche Hilfestellung! :prost: Ich bin und bleibe eben ein veraltetes Modell... :-OOOO-


    Gruß

    Oolong

    Oh, Mensch bedenke: auch ein Fenghuang Dancong oder ein Da Hong Pao ist kein Huang Zhi xiang Dangcong!

  • Lieber Oolong,

    ich habe die Einspielung ja! Und zwar schon sehr lange (sicher mehr als 10 Jahre). Ich finde nur die Interpretation etwas ?( .
    Aber ich verstehe natürlich, was Dir an Richter gefällt - wie gesagt, im Allgemeinen mag ich seine Interpretationen auch.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Dieser vollständige Mitschnitt der Kantate gefällt mir ausgezeichnet:

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    Lisa Larsson, Sopran
    Lothar Odinius, Tenor
    Klaus Mertens, Bass
    The Amsterdam Baroque Orchestra & Choir
    Ton Koopman

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

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