Bach, J. S.: Kantate Nr. 140 "Wachet auf, ruft uns die Stimme"
Diese Kantate gehört zu den bekanntesten von J. S. Bach. Sie wurde für den 27. Sonntag nach Trinitatis des Jahres 1731 komponiert, der auf den 25. November fiel. Dieser Sonntag konnte nur selten gefeiert werden: 27 Sonntage nach Trinitatis gab es nur dann, wenn Ostern vor dem 27. März lag. In Bachs Leben war das genau fünf Mal der Fall, davon zweimal in seiner Leipziger Zeit (außer am 25. November 1731 noch am 25. November 1742).
Das Evangelium des Tages war das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Mt 25, 1-13), die Epistel stand in 1. Thess. 5, 1-11. – Warum die Vergangenheitsform? Nun, die evangelischen Kirchen in Deutschland kennen den 27. Sonntag nach Trinitatis nicht mehr. Man feiert heutzutage an den drei Sonntagen vor dem 1. Advent zunächst den „drittletzten“ und dann den „vorletzten Sonntag im Kirchenjahr“; der letzte Sonntag wird dann entweder als „Totensonntag“ oder „Ewigkeitssonntag“ begangen. Der „Totensonntag“, auch „Gedenktag der Entschlafenen“, ist dem Gedächtnis der verstorbenen Gemeindeglieder gewidmet, der „Ewigkeitssonntag“ hingegen wendet den Blick auf den neuen Himmel und die neue Erde, die den Christen verheißen ist. Vielerorts wird der Gottesdienst an diesem Tage mit einer Kombination beider Themen begangen. - Diese Regelung zur Ordnung der Gottesdienste hat den unbestreitbaren Vorteil, dass die Texte von den letzten Dingen in jedem Kirchenjahr drankommen.
Mt 25, 1-13 ist zum Evangelium des Ewigkeitssonntags geworden, 1. Thess 5, 1-11 gehört zu den möglichen Predigttexten des drittletzten Sonntags im Kirchenjahr. Damit könnte man BWV 140 in der heutigen Konzeption des Kirchenjahres streng genommen für heimatlos halten. Da der zugrunde liegende Choral „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ jedoch das Hauptlied des Ewigkeitssonntags ist und auf die Epistel nicht Bezug genommen wird, passt diese Kantate bestens zu diesem Tage.
Sieben Sätze hat BWV 140:
1. Choralchor „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ – vierst. Chor, Vl I (e Violino piccolo), Vl II, Vla, Corno col Soprano, Ob I/II, Taille, B. c.
2. Rezitativ „Erschrecket, ihr verstockten Sünder!“ – Tenor, B. c.
3. Duett „Wenn kömmst du, mein Heil? – Ich komme, dein Teil.“ – Sopran, Bass, Violino piccolo, B.c.
4. Choral „Zion hört die Wächter springen“ – Tenor, Vl I/II und Vla in unisono, B. c.
5. Rezitativ „So geh herein zu mir“ – Bass, Vl I (e Violino piccolo), Vl II, Vla, B. c.
6. Duett „Mein Freund ist mein – und ich bin sein“ – Sopran, Bass, Oboe solo, B. c.
7. Choral „Gloria sei dir gesungen“ - vierst. Chor, Vl I (e Violino piccolo), Vl II, Vla, Corno col Soprano, Ob I/II, Taille, B. c.
Über das zugrunde liegende Lied von Philipp Nicolai kann man sich auf Wikipedia informieren (http://de.wikipedia.org/wiki/Wachet_auf,_ruft_uns_die_Stimme). Sein Text bezieht sich zunächst auf die Verheißung in Jes 52 (nach der Zürcher Bibel: „Wach auf! Wach auf! … Horch, deine Wächter erheben die Stimme, jauchzen zumal; denn sie schauen’s vor Augen, wie der Herr heimkehrt nach Zion“, Jes 52, 1a.8), aber natürlich auch auf das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen.
Nicolai hat nur drei Strophen gedichtet. Der unbekannte Textdichter dieser Kantate hat diese unverändert für die Sätze 1, 4 und 7 verwendet und für die Sätze 2, 3, 5 und 6 Texte nachgedichtet. Dabei hat er etliche Motive aus der Bibel übernommen, vor allem aus dem Hohelied Salomos.
Den vierten Satz hat Bach später für Orgel bearbeitet. Unter dem Titel „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ ist er in die sogenannten Schübler-Choräle eingegangen (BWV 645) und gehört in dieser Fassung zu den bekanntesten Choralvorspielen Bachs.