die der von Pizarro verkörperte Staatsräson
In dem Zusammenhang finde ich es interessant, nach dem Verhältnis zwischen Pizarro und dem Minister zu fragen: Beide verkörpern ja als Amtsträger den Staat, stehen in der Handlung aber auf zwei entgegengesetzten Seiten. Wir erfahren sehr deutlich, dass der Minister Florestan kennt und seine politischen Anliegen teilt ("Der Edle, der für Wahrheit stritt"), das heißt gleichzeitig auch, dass er ein politischer Gegner Pizarros ist. Den Hintergrund der "Fidelio"-Handlung bilden politische Machtkämpfe und Umbrüche. Aber wer ist nun eigentlich an der Macht - wenn es die Partei ist, für die Don Fernando steht (und er ist ja schließlich Minister), warum hat sich Don Pizarro dann noch als Gouverneur halten können? Florestan ist ja offenbar (nach dem Umsturz) auch bereits gesucht worden, Pizarro will ihn aus Angst vor Entdeckung töten.
Und was machen wir dann damit, dass der Minister rhetorisch nicht sich selbst mit seinen Anliegen als Entscheider inszeniert, sondern Gott: "Gerecht, O Gott, ist dein Gericht"? Der Chor wiederholt das und ergänzt noch "Du prüfest, du verlässt uns nicht"! Das ist keine moderne Rhetorik, sondern eine, die vom Mittelalter bis zum Ancien régime in der Legitimation von Herrschaft immer präsent war: Gott weiß als einziger, was richtig und falsch ist, in seinem Namen Recht zu weisen ist also die Aufgabe herrscherlichen Handelns.