Konzerterfahrungen in München

  • Hallo in die Runde,

    ich habe mir gestern die zweite von drei Aufführungen von einem der Herzensprojekte von Sir Simon Rattle an seiner neuen Wirkungsstätte angehört: Mozart's Idomeneo. BRSO in recht kleiner Besetzung (Streicher 9-7-6-5-3) mit den gewohnt überragenden Bläsern des Orchesters, wie bei der Schöpfung vor drei Monaten spielten die Trompeten auf Naturtrompeten und die Hörner auf Ventilinstrumenten. Die Sängerbesetzung war schon luxuriös angekündigt (Andrew Staples, Tenor - Idomeneo; Magdalena Kožená, Mezzosopran - Idamante; Elsa Dreisig, Sopran - Elettra;
    Sabine Devieilhe, Sopran - Ilia; Linard Vrielink, Tenor - Arbace; Liam Bonthrone, Tenor - Oberpriester des Neptun; Tareq Nazmi, Bass - Stimme des Orakels). Aufgrund kurzfristiger Erkrankung von Liam Bonthrone musste Allay Clayton einspringen, der heute Abend mit Sir Simon die Zendersche Version der Winterreise geben wird. Ein großartiger Sänger, der der kleinen aber wichtigen Rolle noch mehr Gewicht geben konnte.

    Sir Simon hat eine sehr leidenschaftliche, ungemein fein austarierte und toll flexible Aufführung von Mozarts großer München-Oper nur wenige hundert Meter weg vom Ort der Uraufführung geleitet, jedem Mozart-Opern -Liebhaber kann ich es nur empfehlen, wenn die CD dazu erscheint, da mal reinzuhören. Die erste Aufführung am Samstag ist live im Radio übertragen worden, momentan kann ich keinen stream erkennen. Ich kann mir kaum eine lebendigere, liebevoller musizierte, noch perfekter gesungene Ausführung dieser Oper vorstellen.

    Ja, einige Stücke sind ausgelassen worden, aber die reine Musikspielzeit dieser Fassung mit ziemlich genau drei Stunden reicht, um sich von Mozart mitreißen zu lassen. Und wenn ich die Krone für die beste sängerische Leistung vergeben müsste, wäre es nicht eine der vier Hauptrollen, die alle 150% gegeben haben, sondern Linard Vrielink in der sonst von mir ungeliebten Rolle des Arbace. Das waren mindestens 180 % .... Eine weitere Aufführung gibt es noch morgen Abend. Es gibt Restkarten.

    Begeisterte Grüße, Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Ich habe gerade entdeckt, dass noch für ca. eine Woche der Mitschnitt der ersten Aufführung des hier zuletzt von mir besprochenen Idomeneo unter Rattle in der BR-Mediathek anhörbar ist. Dringende Empfehlung!

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Vielen Dank, Benno, für diesen wirklich aussagekräftigen Bericht (auf den ich gehofft hatte)!

    ...

    Die 6te mit Rattle, die du erwähnst, gibt es als Audio bis 30.10. noch hier:

    https://www.brso.de/konzerte/sir-simon-rattle-4/

    Ich war von seiner (ebenfalls hochgelobten) letzten Aufführung der 6ten bei den Berlinern (habe ich in der DCH gesehen) nicht völlig überzeugt, bin also gespannt auf diese BRSO-Aufführung, die ich hoffentlich noch schaffe zu hören.

    In den Quartalsinformationen des BRSO ist übrigens angekündigt, dass Mahler VI mit Rattle Im Frühjahr als CD erscheinen wird.

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Hallo zusammen,

    gestern Abend waren Alexander und ich im Prinze in München, um uns das Hagen Quartett mit einem reinen Wiener Klassik-Programm anzuhören, aber was für einem: Haydn op.76,2 d-moll (1797), Mozart KV421 d-moll (1783) und Beethoven op. 131 cis-moll (1826)

    Im Konzertbesuch-Ankündigungsfaden hatten sich einige Capricciosi gewünscht, ein so tolles Programm auch näher vor ihrer Haustür geboten zu bekommen. In München waren gestern gut ein Drittel der ca. eintausend Plätze im Prinze nicht besetzt. Davon lassen sich natürlich alte Hasen wie die Hagens nicht beeindrucken und geben unendlich viel.

    Haydns Quintenquartett und Mozarts großes d-moll-Quartett haben Wiederholungen nur im Kopfsatz erfahren, beide Interpretationen waren ungemein konzis, feinstest abgestimmt - aus-gedacht im Sinne von: viele Fragen, die das Stück stellt, wurden nicht nur angeschnitten, sondern im Sinne der Interpreten stimmig beantwortet. Unglaublich intensiv und sehr beeindruckend. Für meine Ohren der Höhepunkt in diesen beiden Interpretationen war: das sehr bewusste immer-wieder-zurück-ins-piano-und-pianissimo-Gehen. Ungemein reich und toll musiziert. Jeder Verzicht auf Routine. Aber, ich bin ehrlich, es wirkte dadurch auch wahnsinnig unfrei, wenig musikantisch. Ich gebe zu, dass ich auch nicht wüsste, wie man die unglaubliche Spiel- und Denkkultur dieser Interpretation rettet, um dann wieder in eine Frische zu kommen, die auch schon dazu gehört ...

    All diese Bedenken waren dann bei Beethoven weg: das hatte drive, der grimmige Humor, die große Freiheit dieser Komposition, gerne Konventionen über Bord zu werfen, das Zarte, das Schroffe, das Verspielte und das streng Konstruierte, alles war da. Sehr beglückend in meinen Ohren. Großer Beifall, keine Zugabe - was soll nach einem solchen Programm auch kommen?

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Danke für den schönen Bericht, Benno! Sehr nachvollziehbar, was du über den "Interpretationskonflikt" beim Haydn und beim Mozart schreibst.

    Eine Schande, dass ich die Hagens noch nie live erlebt habe. Einmal war es fast soweit, aber dann wurde das Konzert leider krankheitsbedingt abgesagt.

  • Lieber Peter Jott,

    ich erinnere mich richtig: Berlin? Dann ist das doch ganz einfach: https://www.boulezsaal.de/de/event/hagen-quartett-104156

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Auch von mir vielen Dank lieber Benno für Deine Eindrücke! Stimme sehr gerne vollinhaltlich zu. Ich hätte nur enthusiastisch Schwärmerisches hinzuzufügen, das behalte ich aber privat. Beethovens op. 131 hat das Hagen Quartett übrigens auch schon am 9.10.2008 in München im Herkulessaal live präsentiert. Ich hoffe, 2024/25 kommen sie wieder nach München.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Lieber Alexander, ich hätte gerne Deine enthusiastisch schwärmerischen Ergänzungen gelesen. Das schreibt kaum jemand so toll wie Du! Insofern, von meiner Seite her sehr gerne!

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Prinzregententheater München, 29.1.2024, Hagen Quartett, ein weiterer persönlicher Konzerteindruck, auf Wunsch:

    Das ist die höchste Kunst vollendeten, perfekt aufeinander abgestimmten, vibratolos klangschönen Streichquartettspiels - im Tiefernsten, im Witz, in Dramatik, in Lyrik, in Musikalität. Was für ein Piano! Was für eine Detaildifferenzierung! Spontaneität fehlt hier freilich, alles ist bis in winzigste Nuancen durchgeprobt und wird abgerufen, auf sensationell hohem Niveau. Und was sind das für unglaubliche Kunstwerke aus der Wiener Klassik! Joseph Haydns Streichquartett d-moll op. 76/2 Hob. III/76, das „Quintenquartett“, mit den titelgebenden fallenden Quinten im 1. Satz, der freundlich melancholische 2. Satz mit den beiden Variationen, das strenge Menuett und das rhythmisch-elanvolle Finale – wie gerne und gespannt hört man es auf diesem Niveau. Wolfgang Amadeus Mozarts Streichquartett Nr. 15 d-moll KV 421, aus Mozarts expressiver d-Moll Welt mit ihren Tonabstiegen, das melancholische Andante, das schroffe Menuett mit dem nahezu wienerischen Trio, und dann noch der geistvolle Final-Variationssatz – Streichquartettkultur vom Feinsten! Aber dann erst, der zweite Teil, Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr. 14 cis-moll op. 131, dieses 40minütige durchlaufende, siebensätzige unglaubliche Mammut-Streichquartett, gleich zu Beginn irgendwohin führend, dann durch Scherzi und langsame Sätze werfend, bis zum grimmigen Schluss, vom Hagen Quartett in München ja auch schon am 9.10.2008 im Herkulessaal live präsentiert, es wird zum atemberaubend intensiven Höhepunkt, eine magische Konzertstunde unter Hochspannung. Danach ist keine Zugabe möglich, nur begeisterter, hochverdienter, diese künstlerische Hochklasseleistung würdigender Applaus.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Lieber Peter Jott,

    ich erinnere mich richtig: Berlin? Dann ist das doch ganz einfach: https://www.boulezsaal.de/de/event/hagen-quartett-104156

    Gruß Benno

    Danke, Benno für diesen Hinweis, der mich selbst nochmal zum Googlen animiert hat.

    Das Hagen Quartett mit Haydn, Beethoven und Ravel | Berliner Philharmoniker
    Die Berliner Philharmoniker online: Konzertkalender, Ticketverkauf, Musiker, Geschichte, Education, Aufnahmen, Digital Concert Hall
    www.berliner-philharmoniker.de

    Reizt mich vom Programm vielleicht sogar noch ein bisschen mehr, wobei ich andererseits den Boulez-Saal dem Kammermusiksaal für Streichquartett noch vorziehe. :/

  • Herzlichen Dank an Benno und Alexander für Eure plastischen Berichte, solche Kritiken lese ich gern! Das ist Begeisterung, die sich ohne Weiteres auf mich überträgt, auch wenn mir hier nur bleibt zu lesen und nicht zu hören.

    :clap::clap:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Das ist Begeisterung, die sich ohne Weiteres auf mich überträgt, auch wenn mir hier nur bleibt zu lesen und nicht zu hören.

    finde ich auch! Leider habe ich das Hagen Quartett tatsächlich auch noch nie live erlebt - gerade letztes Jahr waren sie hier und ich habe es verpasst. :(

  • Hallo zusammen,

    gestern Abend haben Martha Argerich und Lilya Zilberstein mit ihrem aktuellen Klavierduo-Programm in München Station gemacht. Alexander war auch da, ich hoffe, er kann mein geringes pianistisches Verständnis etwas positiv korrigieren.

    Das Programm ging von Mozart (KV 608 in der Busoni-Bearbeitung und KV 123a von 1772 für Klavier zu vier Händen) über Schumann, Milhaud, den aktuellen Jubilar Smetana bis zu den Symphonischen Tänzen von Rachmaninow in der Fassung für zwei Klaviere. Lang nicht mehr habe ich ein so abwechslungsreiches Programm mit v.a. Nebenwerken gehört, das ein Publikum so mitgerissen hat. Und das lag nicht nur daran, dass sehr viele Martha-Groupies im Saal waren, natürlich war das so.

    Der jugendliche Mozart hatte einen Schwung und einen Enthusiasmus, dabei aber auch recht fein gespielt, das war nicht so daher gedonnert, wie man das vielleicht hätte befürchten können. Dagegen war die Busoni-Fassung von KV 608 dann schon deutlich ins Monumentalere gestoßen, aber auch hier war eine wunderbare Klarheit und Differenziertheit zu erkennen.

    Die reine Klavierfassung von Schumanns op. 46 habe ich wohl noch nie gehört, hier fand ich, dass (mir) die eigentlich hinzu gehörenden Instrumente (Hörner und Violoncelli) für die Farbigkeit fehlten. Scaramouche von Milhaud ist natürlich absolut mitreißend, die Rahmensätze hatten Witz, Biss und Schmissigkeit, dass es eine wahre Freude war.

    Nach der Pause kamen die Brüder Daniel und Anton Gerzenberg zu zwei Smetana-Stücken zu zwei Klavieren zu acht Händen (Sonatensatz e-moll und Rondo C-dur) hinzu, lustigerweise wurde immer in anderer Paarung gespielt, die leicht erwartbare Paarung: ein Klavier die Herren, das andere die Damen kam nur bei einer der zahlreichen Zugaben zum Einsatz.

    Der Höhepunkt im Konzert waren für mich sicher die Symphonischen Tänzen von Rachmaninow in der Fassung für zwei Klaviere. Hier stimmte von der Farbigkeit des Anschlags, den tollen Tempi, den ungemein intim gespielten ruhigen Phasen für meine Ohren alles. Und, Alexander und ich stimmten hierin überein in unserem kurzen Austausch nach einem (mit Pause und zahlreichen) fast drei Stunden langen Konzert: eigentlich ist op. 45 von Rachmaninow in der Fassung für zwei Klaviere das gelungenere Werk als die Orchesterfassung. Wenn es so toll gespielt wird wenigstens.

    Alexander, bitte übernimm ...

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Alexander, bitte übernimm ...

    Stimme bei allem zu! Bitte aber um Verständnis, komme erst im Lauf der nächsten Tage hier zum detaillierteren Posten. Bitte um etwas Geduld.

    Bis dahin BR und SZ:

    Kritik - Martha Argerich und Lilya Zilberstein: Die Königin am zweiten Klavier | BR-Klassik
    Martha Argerich tritt gern im Duo auf, etwa mit Lilya Zilberstein. Im Münchner Herkulessaal spielten die beiden Musik von Mozart, Schumann und Rachmaninow.…
    www.br-klassik.de
    Martha Argerich und Lilya Zilberstein im Münchner Herkulessaal
    Zwei Pianistinnen mit großer Bühnenwirkung: Argerich und Zilberstein geben ein dreistündiges Konzert. Keine Sekunde ist langweilig.
    www.sueddeutsche.de

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Zwei der acht Hände, die für Euch gespielt haben, gehören übrigens einem (leider nicht mehr aktiven) Mitglied unseres Forums…

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Zwei der acht Hände, die für Euch gespielt haben, gehören übrigens einem (leider nicht mehr aktiven) Mitglied unseres Forums…

    Lieber music lover,

    das hätte ich natürlich nicht gewusst. Schöne Information!

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Hier nun wie gewünscht auch meine Eindrücke:

    FULMINANTE KLAVIERREISEN

    Martha Argerich, Lilya Zilberstein, Anton und Daniel Gerzenberg im Herkulessaal der Münchner Residenz, 28.2.2024

    Gesteckt voll ist der Herkulessaal, auch die Bühne ist voll besetzt. Gespannte Erwartung. Es ist dieses Knistern, das besondere, außergewöhnliche Konzerte auszeichnet, und das sich sofort mit dem Auftritt von Martha Argerich und Lilya Zilberstein im herzlich-enthusiastischen Auftrittsapplaus entlädt.

    Wolfgang Amadeus Mozarts Fantasia f-moll K 608 »Orgelstück für eine Uhr« in der Bearbeitung für zwei Klaviere von Ferruccio Busoni spielt Lilya Zilberstein am linken Flügel, Martha Argerich am rechten. Da mischen sich fast Bach´sche Strenge und Busoni-Statik doch ganz und gar mit Mozarts genialer Kompositionskunst. Gekonnt steigert sich das drauflos spielende souveräne Klavierduo furios zur Applausexplosion hin.

    Mozarts Sonate D-Dur K 381/123a für Klavier zu vier Händen setzt beide ans linke Klavier, Martha Argerich hat den Bass, Lilya Zilberstein den oberen Bereich. Diese Sonate in der Jugendzeit oft familiär und mit Freunden vierhändig gespielt habend, hört der Schreiber hier, was da pianistisch alles noch herauszuholen ist, im mitreißenden Drive der Ecksätze genauso wie im beseelt weisen langsamen Satz.

    Der pianistische Höhenflug setzt sich mit Robert Schumanns Andante und Variationen B-Dur op. 46 in der Fassung für zwei Klaviere beredt wie beherzt fort, Martha Argerich nun am linken Flügel, bis zum ruhigen, wehmütigen Ende.

    Mit Darius Milhauds Scaramouche op. 165b für zwei Klaviere lässt sich vor der Pause gekonnt und wohlverdient erst recht abräumen, Martha Argerich nun wieder am rechten Flügel. Nach dem fulminant gespielten 1. Satz (Vif) will sich schon Applaus Bahn brechen, er versteht aber rasch, dass es noch nicht so weit ist. Zauberisch entwickelt sich der poetische Dialog des 2. Satzes (Modéré), und der 3. Satz (Brazileira) ist der erwartet mitreißende Superhit.

    Für Bedřich Smetanas Sonatensatz e-moll für zwei Klaviere zu acht Händen sowie für dessen Rondo C-Dur gesellen sich nach der Pause Lilya Zilbersteins Söhne Anton und Daniel Gerzenberg dazu, die beiden Damen bei der Sonate nun jeweils in den oberen Klavierbereichen, Martha Argerich wieder rechts, beim Rondo wechselt Lilya Zilberstein dann aber links in den Bassbereich. Die acht Hände sorgen vollgriffig für einen fülligen Klavierklang. Vergrößerte virtuose Hausmusik hört man da, im großen konzertanten Sonatensatz wie auch danach im Rondo.

    Sergej Rachmaninows Symphonische Tänze op. 45 in der Fassung für zwei Klaviere (Martha Argerich wieder rechts) lässt die pianistischen Funken erst recht sprühen, im Virtuosen atemberaubend, und in den ruhigeren Abschnitten in andere Welten entführend. Wie die beiden Damen die Musik in den Saal meißeln, das hat bei aller komplexer Sperrigkeit weiter durchgehend eine mitreißende Kraft und vollblütige Präsenz, vom „Mittag“ über die „Abenddämmerung“ bis zur „Nacht“.

    Die logische Folge: Standing Ovations!

    Die Zugaben kann man sich vorab schriftlich aus der Wiener Konzerthaus Homepage holen, wo nach den dort gespielten Konzerten dieser Service angeboten wird. Die Komponisten werden aber in München auch live ausgerufen.

    Sergej Rachmaninows La nuit ... L'amour, die Suite Nr. 1 »Fantaisie-Tableaux« op. 5 für zwei Klaviere, Martha Argerich weiter rechts, setzt gewichtig, aber auch impressionistisch durchzogen den Höhenflug fort.

    Die logische Folge: Standing Ovations!

    Nun nochmal alle vier! Edvard Griegs In der Halle des Bergkönigs aus der Peer Gynt Bühnenmusik op. 23 (Martha Argerich nun links im oberen Bereich) wird vom Publikum gleich freudig erkannt, und alle lassen sich nur zu gerne mitreißen bei dieser suggestiven Ohrwurm-Steigerung.

    Die logische Folge: Standing Ovations!

    Bei Ludwig van Beethovens 2. Satz Allegretto aus der Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 bleiben alle vier im Einsatz, Martha Argerich nun links im Bassbereich, Lilya Zilberstein rechts im Bassbereich. Mit acht Händen lassen sich die Verdichtungen auch dieses Werks äußerst wirkungsvoll auf zwei Klavieren verlebendigen.

    Die logische Folge: Lang anhaltende Standing Ovations und die letzte Umgehung der Klaviere mit Verbeugungen in alle Richtungen.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Lieber AlexanderK, vielen Dank für Deine Ergänzungen. Ich muss ja zugeben, dass mich die letzte Zugabe, 7. Symphonie Beethoven, Zweiter Satz, zuerst sehr überrascht hat, aber ich die Ausführung dann ganz wunderbar fand. Sicher betont diese Fassung das spätromantische Larger-than-life-Verständnis von Beethoven, aber letztlich kommt es ja drauf an, wie es gespielt worden ist. Und das wirklich toll.


    Gestern Abend war ich beim BRSO, eigentlich sollte Robin Ticciati ein Programm Ellington - Strawinski - Rachmaninow spielen, der musste kurzfristig absagen, statt seiner dirigierte Joshua Weilerstein Strawinski Violinkonzert (mit Vilde Frang) und Schostakowitsch 5. im Herkulessaal.

    Der Strawinski gelang ganz intensiv, das Verspielte und Freche der Partitur gelang großartig, Vilde Frang hatte mit ihrem warmem Ton nie Schwierigkeiten sich durchzusetzen. Das war eine sehr gelungene Aufführung, sie bedankte sich mit einer Zugabe Violine Solo aus der italienischen Barock(?)zeit, ich habe den Namen leider nicht verstanden. Wieder war eine verspielt-musikantische Präzision mit großer Klarheit und Tonschönheit kombiniert. Erneut gab es großen Beifall aus Orchester und Publikum.

    Der Schostakowitsch nach der Pause war dann ungemein spannend disponiert und ausgeführt, ich war erstaunt, wie toll Weilerstein das Stück mit dem Orchester präsentiert hat. Ganz tolle Staffelung in ganz verschwindend leises Orchesterspiel, die gewohnt großartigen Bläser haben ihr Schärflein dazu beigetragen. Aber in der Steigerung zum fortissimo und drüber hinaus fand ich noch erheblich Luft nach oben. Es gibt halt Stellen, wo nach einem fortissimo noch eine Steigerung drin sein muss. Das konnte das Orchester nicht darstellen, weil fortissimo immer 'con tutta forza' gespielt wurde. Dennoch würde ich sagen, dass das eine der besseren Aufführungen von Schostakowitsch 5. war, die ich live erlebt habe. Aber natürlich wird jeder Kenner von großartigen russischen Aufführungen (oder unter russischen Dirigenten im Westen) darauf hinweisen dürfen, dass das an vielen Stellen viel zu gesund, viel zu ungebrochen rüberkam. Weilerstein ist 37 Jahre alt, d.h., er kann und wird an dieser Musik wachsen können, dirigiertechnisch fand ich das außerordentlich überzeugend und klar dargestellt.

    Heute Abend wird das heutige Konzert in BR Klassik wiederholt, das kann man sich schon sehr gut anhören.

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Letzten Freitag bei den Münchner Philharmonikern unter Santtu-Matias Rouvali:

    JEAN SIBELIUS: Symphonie Nr. 7 C-Dur op. 105

    Rouvali begeistert mit seinem Sibelius Zyklus bei den Schweden, umso gespannter war ich auf die Siebte, da die Aufnahme noch aussteht. Und Wow, was eine Interpretation! Hier wählen manche Dirigenten einen klanglich atmosphärischen Zugang, zähflüssig und schwer. Andere versuchen über viele Tempowechsel das konzentrierte Material durch Varianz und Abwechslung vielseitig wirken zu lassen. Vielseitigkeit in der Einheit und umgekehrt ist bei Sibelius' 7. im schillerschen Sinne ja das Ziel. Rouvali schaffte aber einen Mittelweg. Der Anfang und das Skalenmotiv wurde noch richtig gemolken, bereits im anschließenden Choral gab es wunderbar gestaltete Akzente und Steigerungen. Im Abschnitt nach dem ersten Posaunenthema fing die Musik unglaublich organisch an zu fließen, Rouvalis Dirigat ist so klar und überzeugend, dass wunderbare accerlerandi gelangen. Auch extrem abrupte Tempowechsel gelangen mühelos. In der zweiten Hälfte der Symphonie (der quasi Scherzo-Teil) wunderbar schwunghaft und positiv, wieder mit tollen Akzenten und Betonungen in den Streichermotiven. Der Ausklang der Symphonie kehrte dann zur Ruhe und Breite des Anfangs zurück.

    Ich kann nicht warten auf die kommende Aufnahme!

    „Music is a nexus. It's a conduit. It's a connection. But the connection is the thing that will, if we can ever evolve to the point if we can still mutate, if we can still change and through learning, get better. Then we can master the basic things of governance and cooperation between nations.“ - John Williams

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