Konzerterfahrungen in München

  • Die Sensation zu Beginn: Yuja Wang hat erstmals in einem Konzert sichtbare technische Probleme – beim Tempo des Öffnens der ersten Notenseite am Tablet am Notenpult.

    :thumbup: :megalol:

    mit einer derartigen liebevollen Schlichtheit und musikantischer Hingabe, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Die machen nicht Musik, die sind Musik.

    So habe ich die beiden in Hamburg auch erlebt, als sie das Gesamtwerk von Brahms für Violine und Klavier aufführten. Eine über die Maßen begnadete Pianistin mit einem ebenfalls herausragend guten Violinisten.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • PIANISTISCHE HÖHENFLÜGE

    Der erste Abend des Klavierfestivals 2019 der Hochschule für Musik und Theater München, Großer Konzertsaal Arcisstraße, 28.1.2019 (persönliche Eindrücke)

    Der sehr gut besuchte Eröffnungsabend stellt Studierende der Klassen Prof. Markus Bellheim und Prof. Thomas Böckheler vor. Einige konnte man bereits in den Wochen davor mit den Werken des Konzerts live erleben, aber ein Klavierfestival bei dem Eintritt verlangt wird ist schon noch etwas Anderes. Hier präsentieren sich die Besten, auf allerhöchstem Niveau.

    Nein, Domenico Scarlattis Sonaten f-Moll K 466 (Andante moderato) und C-Dur K 159 (Allegro) sind kein kleiner nebensächlicher Anheizer, sie sind empfindsame, originelle vorklassische Klaviermusik, zumal so beseelt und innig wie Chuang-Lu Kang (Klasse Prof. Thomas Böckheler) gleich die erste Sonate spielt, sich in die Musik vertiefend und damit das Publikum ganz und gar in das Wunder dieser Musik mitnehmend. Das ist mit Herz gespielt, das spürt man.

    Punktuelle Blitze und Nachklänge bringt Karlheinz Stockhausens Klavierstück Nr. 7, von Haruka Ebina (Klasse Prof. Markus Bellheim) mit derartiger Innenspannung vorgetragen, dass man nahezu gefesselt ist von dieser atonalen Tonsprache.

    Sergej Rachmaninow ist mit dem leidenschaftlichen Étude-tableau fis-Moll op. 39/3 (Allegro molto) und dem energisch heroischen Étude-tableau D-Dur op. 39/9 (Allegro moderato. Tempo di Marcia) im Konzert zu hören, und spätestens hier werden die völlig unterschiedlichen Interpretationsansätze und Charaktere der Mitwirkenden deutlich, ein faszinierendes Spannungsmoment so eines Klavierfestivals. Peter Méri (Klasse Prof. Thomas Böckheler) spielt Rachmaninows Musik mit kühler Brillanz, mit bewusster Distanz.

    In Ludwig van Beethovens Sonate Es-Dur op. 27/1 (1. Andante – Allegro, 2. Allegro molto vivace, 3. Adagio con espressione und 4. Allegro vivace) begibt sich Vincent Neeb (Klasse Prof. Markus Bellheim) hingegen ungemein empfindsam, mit viel weicherem Anschlag als sein Vorgänger am Steinway Flügel, und wenn es dann pianistisch losgeht jedes Mal aber sowas von fulminant, aber immer musikimmanent, nie rein äußerlich. Man staunt und ist hin und weg – eine musikalisch vollendete Interpretation dieser Sonate tut sich da auf. In Vincent Neeb hat die Münchner Musikhochschule ein Talent, auf das man ganz besonders aufpassen muss.

    Anderes Universum, andere Seele – jetzt gibt es Transparenz und Architektur, so erstehen die Vier Klavierstücke op. 119 von Johannes Brahms (1. Intermezzo h-moll. Adagio, 2. Intermezzo e-Moll . Andantino un poco agitato, 3. Intermezzo C-dur. Grazioso e giocoso und 4. Rhapsodie Es-Dur. Allegro risoluto), wie sie Ryuzo Seko (Klasse Prof. Thomas Böckheler) vorträgt.

    Gleich noch einmal Brahms, aber ein nochmals völlig anderer pianistischer Höhenflug folgt nun, die Variationen a-Moll über ein Thema von Paganini op. 35, Heft 2, gespielt von Rina Ikeda (Klasse Prof. Thomas Böckheler) weiter auf höchstem technischen und hochmusikalischen Level. Und zwischendurch packt sie als wüsste sie dass ein geborener Wiener im Publikum sitzt in der dafür passenden Variation herrlichste Wiener Seligkeit aus.

    Die Beiträge nach der Pause schrauben die pianistische Meisterschaft in noch unglaublichere Höhen.

    Die demonstriert gleich Mayu Kawashima (Klasse Prof. Thomas Böckheler) mit Frédéric Chopins hochvirtuos fordernder Fantasie f-Moll op. 49, einem wahren Prunkstück des Klavier-Königskomponisten.

    Haruka Ebinas zweiter Auftritt gehört wieder Karlheinz Stockhausen, diesmal dem markanten Klavierstück Nr. 9 mit seinen vielen Akkordwiederholungen und mit seinem weiteren Verlauf, den die Pianistin erneut so spannend zu interpretieren gelingt, dass man jede scheinbare Willkür der Komposition als völlig in sich stimmige Ordnung des musikalischen Systems mitempfinden kann.

    Eine ganz andere Welt tut sich nun auf, spanischer Zauber, aber wieder sowas von virtuos sich hochschraubend, die Zuhörerschaft erneut ganz in den Bann diesmal der meisterhaften Leistung von Mayuko Obuchi (Klasse Prof. Thomas Böckheler) ziehend – mit Isaac Albeniz´ »Iberia« Buch 1 (1. Evocación, 2. El Puerto und 3. Corpus Christi en Sevilla). Vor allem das dritte Stück baut da immer neue pianistische Riesenhürden auf, die auf diesem Vortragsniveau allerdings wie lockeres Schaulaufen daherkommen, so souverän wird das alles gemeistert.

    Und den Vogel schießt Magdalena Haubs (Klasse Prof. Markus Bellheim) mit Franz Liszts Mephisto-Walzer Nr. 1 (Allegro vivace (quasi presto)) ab, ein pianistischer Wahnsinn, diabolisch und supervirtuos, aber durchgehend nicht leistungsorientiert oberflächlich, sondern immer ganz und gar Musik, tollste, technisch schwerste, irrwitzig perfekt gespielte teuflisch gute Klaviermusik.

    Fazit des ersten Abends: Eine hochmusikalische genauso wie fulminante Leistungsschau, gleichzeitig ein spannendes Kaleidoskop unterschiedlichster Klaviermusik, von Scarlatti bis Stockhausen.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • SOUVERÄNER TASTENZAUBER

    Der zweite Abend des Klavierfestivals 2019 der Hochschule für Musik und Theater München, Großer Konzertsaal Arcisstraße, 29.1.2019, persönliche Eindrücke

    Wieder ist der Saal fast voll. Die besten lokal „verfügbaren“ jungen Pianistinnen und Pianisten fünf Tage lang bei ihrem souveränen Tastenzauber auf die Finger schauen zu können will man sich offenbar nicht entgehen lassen.

    Der Schreiber dieser Zeilen ist besonders gespannt auf zwei Werke, die bereits am Vortag zu hören waren (Liszts Mephisto-Walzer und Rachmaninows op. 39/9) sowie auf zwei absolute Lieblings-Klavierwerke des Schreibers (Chopins Ballade Nr. 1 und Bergs Sonate op. 1), aber auch der Rest des Programms verspricht weitere pianistische Höhenflüge sondergleichen.

    Zu Beginn, es ist diesmal ein Konzert der Klasse Prof. Antti Siirala, wuchtet Junhyung Kim Johann Sebastian Bachs/Ferrucio Busonis Chaconne aus der Partita Nr. 2 d-Moll BWV 1004 als optimale Konzertouvertüre sehr entschlossen, ernst und gewichtig und gleich einmal am technisch höchsten Level in den Saal.

    Der am Vortag den fulminanten Schlusspunkt gesetzt habende Mephisto-Walzer Franz Liszts hat mit der anderen Interpretin, Clara Siegle ist es nun, sofort auch einen anderen Charakter, er ist zwar erneut ein pianistisch irrwitziger Höllenritt, aber Clara Siegle hat einen grunsätzlich etwas weicheren Anschlag und kontrastiert noch deutlicher das möglich Poetische bis Vergeistigte zum stupend Virtuosen.

    Ganz und gar eintauchen kann man nun in die pianistische Welt von Sergej Rachmaninows Études-tableaux op.39/2 a-Moll (Lento assai). Am Vortag hörte sich Rachmaniows Klaviermusik bewusst kontrollierter an, Gabriel Reicherts Rachmaninow gibt dem Emotionalen hingegen mehr unmittelbare, leidenschaftliche Vordergründigkeit. So wird auch die Études-tableaux op.39/9 D-Dur (Allegro moderato. Tempo di Marcia) zu einem wieder ganz anderen Hörerlebnis als 24 Stunden zuvor.

    Hochmusikalisch, mit toller Innenspannung und technisch fulminant spielt Daiki Kato Frédéric Chopins Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23, nicht die einzige reife Leistung dieses Klavierfestivals, „nur“ eine weitere höchst beeindruckende.

    Samuel Barbers Sonata es-Moll op. 26 ist ein ziemlich großer Brocken vor der Pause, aber So Hyang In legt den in allen vier Sätzen wie aus einem Guss hin, so dass man vom ersten bis zum letzten Ton total gefesselt ist von dieser Klaviermusik, der 1. Satz (Allegro energico) schmerzlich abwärts ziehend, der 2. Satz (Allegro vivace e leggero) glitzernd, der 3. Satz (Adagio mesto) schicksalsschwer und der 4. Satz (Fuga. Allegro con spirito) ein polyphones Dahinsausen, schwindelerregend gut, atemberaubend gut gespielt.

    Durchatmen zur Pause. Und dann wieder Festschnallem auf der Hochschaubahn des Spitzenklavierspiels.

    Ludwig van Beethoven seltener zu hörende Sechs Variationen F-Dur op. 34 haben ein recht schlichtes Thema und warten dann mit abwechslungsreichen Charaktervariationen auf. Maximilian Flieder lotet pianistisch die technisch anspruchsvollen wie musikintensiv vertiefenden Facetten die auch dieses Werk reichhaltig bietet mitreißend aus.

    Peter I. Tschaikowskys Dumka op. 59 spannt einen Bogen vom ruhigen Beginn zum ruhigen Ende und entfaltet sich in diesem Bogen zu einem zugkräftigen Glanzstück. Yoonji Kim weiß diesen Bogen zu einem sich schlüssig abrundenden Ganzen eindrucksvoll zu spannen.

    Maurice Ravels La Valse wiederum, der nächste pianistische Trapezakt, wird zum Walzerrausch unter virtuoser Hochspannung, wofür Emanuel Roch sorgt. Das Publikum ist hin und weg von all diesen vor allem technisch bis in winzigste Details famosen Interpretationen der schwierigsten Klavierwerke.

    Alban Bergs Sonate op. 1 formt Amadeus Wiesensee auch wie aus einem Guss, in sich abgerundet, eine kontrolliere Seelenentblößung, diese mehrmals sich aufbäumenden Wogen, eine ganz eigene klavieristische Welt.

    Und noch einmal richtig abräumen kann zum Schluss Aris Blettenberg mit George Gershwins so herrlich zwischen Tschaikowsky-Nachklang und Blues hin und her springender Rhapsody in Blue in der Solo Piano Version. Er schattiert so vielschichtig wie möglich, pointiert und schwelgerisch, sich ausbreitend und dann wieder umso furioser. Mit so einem Werk hat er es aber auch leicht, das kommt immer gut und bleibt als Ohrwurm noch weiter im Ohr.

    Beeindruckend, ja überwältigend die pianistische Qualität, die auch an diesem Abend, jede/jeder auf allerhöchstem Niveau, zu hören war, in der musikalischen Spannbreite von Bach/Busoni bis zu Berg und Gershwin.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • KLAVIERBRAVOURPERSÖNLICHKEITEN

    Der dritte Abend des Klavierfestivals 2019 der Hochschule für Musik und Theater München, Großer Konzertsaal Arcisstraße, 30.1.2019, persönliche Eindrücke

    Als Konstante des Klavierfestivals kristallisiert sich heraus, dass hier lauter junge musikalische Persönlichkeiten auf dem höchstmöglichen technischen Level zu hören sind. Der dritte Abend, ein erneut sehr gut besuchtes Konzert der Klasse Prof. Adrian Oetiker, bestätigt es eindrucksvoll.

    Longxuan Wu rollt Johann Sebastian Bachs Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll BWV 903 zielsicher souverän ab, das ist gleich ein starkes Postulat als Opening.

    Frédéric Chopins Ballade Nr. 4 f-Moll op. 52, vom Schreiber dieser Zeilen besonders gerne wieder gehört, spielt Sangwon Lee hochmusikalisch empfunden und mit glänzender Bravour.

    Alban Bergs Sonate op. 1 war auch schon am Vortag zu hören. Mit Yena Roh, die einen spitzeren Anschlag hören lässt, erhält die Sonate einen gestocheneren Charakter, auch ein Element vergeistigter Klarheit offenbart sich mit diesem Interpretationsansatz.

    So wie Anna Handler drei Stücke aus Robert Schumanns Fantasiestücken op. 12 (3. Warum?, 4. Grillen und 6. Fabel) spielt, kann man erneut ganz eintauchen in diese subtilen Charakterbilder, das ist ganz Musik, innige Musik.

    Charakterstücke, jedes eine andere spezifische Farbe bringend, offenbaren sich auch mit den Stücken 1 (Allegro non assai, ma molto Appassionato), 2 (Andante teneramente), 3 (Allegro energico) und 6 (Andante, largo e mesto) aus den Klavierstücken op. 118 von Johannes Brahms. Pinxin Liu macht dies auch hochmusikalisch deutlich, bis zum gedankenschweren, schwerblütigen Stück 6, das vor der Konzertpause steht.

    Felix Mendelssohn Bartholdys Andante cantabile e Presto agitato h-Moll aus dem Jahr 1838 »für das musikalische Album 1839« läuft mit Chia-Lun Hsu souverän durch.

    Seongjoo Gang zaubert danach mit Frédéric Chopins Barcarolle op. 60 Gleiten-übers-Wasser-Stimmung in den Saal.

    Unglaublich nun der zum Atemanhalten pianistisch perfekte Auftritt von Ji-Eun Park mit Sergej Prokofjews extrem fordernder Sonate Nr. 2 d-Moll op. 14 (1. Allegro, ma non troppo, 2. Allegro marcato, 3. Andante und 4. Vivace), ein grandioser Höhenflug.

    Frédéric Chopins Andante spianato, Einleitung des letzten Beitrags dieses Abends, glitzert im glasklaren Wasser, ehe Dmitry Mayboroda mit der daran anschließenden Grande Polonaise op. 22 noch einmal die ganze Bravour ausbreiten kann, nach der das Publikum bei so einem Klavierfestival natürlich lechzt.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • PIANISTISCHER WAHNSINN VOM BESTEN

    Der vierte Abend des Klavierfestivals 2019 der Hochschule für Musik und Theater München, Großer Konzertsaal Arcisstraße, 31.1.2019, persönliche Eindrücke

    Wer sich mit Klaviermusik intensiver befasst und den Namen des Schwerpunktkomponisten des wieder auf viel Interesse stoßenden vierten Konzerts dieser außergewöhnlichen Reihe einordnen kann, ein Konzert der Klasse Prof. Michael Schäfer, ist umso mehr gespannt auf die hier zu erwartenden noch artistischeren pianistischen Glanzleistungen der jeweils etwa zehn Minuten langen Vortragsblöcke, exotistisch bis extravagant – der Name lautet nämlich Leopold Godowsky.

    Der erste Beitrag gibt die Richtung vor, pianistischer Wahnsinn vom Besten, Reiko Odaka spielt Franz Liszts Rhapsodie espagnole, da geht es sofort auf den Steinway Tasten wild rauf und runter, auch mit extremen Sprüngen und dazu mit einem Schuss spanischem Exotismus.

    Und jetzt legt Yihao Mao am Anfang und am Ende seines Blocks seine rechte Hand demonstrativ über die rechte Brüstung neben der Tastatur, um mit »6 in 4« zu verblüffen - Frédéric Chopins/Leopold Godowskys Etüde op. 10/3 für die linke Hand allein, Etüde op. 10/5 und op. 25/9 kombiniert für zwei Hände, Etüde op. 10/11 und op. 25/3 kombiniert für zwei Hände und Etüde op. 10/4 für die linke Hand allein – schier unfassbare technische Herausforderungen werden da noch dazu hochmusikalisch intensiviert bewältigt.

    Gewichtig sind Sergej Rachmaninows nun folgende »Drei Etüden in C«, Étude-tableau c-Moll op. 33/3 (Grave, weitflächig), Étude-tableau C-Dur op. 33/2 (Allegro, war auch am Vortag zu hören) und Étude-tableau c-Moll op. 39/7 (Lento, zuerst sperrig, dann verhalten marschierend, tolle Musik, ganze Welten durchschreitend!), grandios intensiv gespielt von Agata Kim.

    Aus der Java Suite von Leopold Godowsky stellt Yejin Koo Gamelan, Wayang-Purwa und The Bromo Vulcano and the Sand Sea at Daybreak vor, letzteres speziell ein erneuter pianistischer völliger Wahnsinn.

    Aber hurtig weiter auf der Achterbahn, vor der Pause legt Kyoungsun Park noch Igor Strawinskys Trois mouvements de Pétrouchka (Danse russe, Chez Pétrouchka und La semaine grasse) hin, hier speziell das letzte Stück irrwitzig virtuos.

    Ein ganz schöner Brocken ist Frank Martins Fantaisie sur des rhythmes flamenco, mit dem Esperanza Martín Lopez den zweiten Teil eröffnet, schon wieder supervirtuos und zwischendurch ryhthmisch mitreißend.

    Einen speziellen Reiz offenbaren Ottorino Respighis Tre preludi sopra melodie gregoriane, das erste fließend, das zweite aus Klavierkaskaden eine Melodie filternd, dann plötzlich ins ganz Meditative wechselnd, am Schluss wieder wild, das dritte dahingleitend. Eine ganz eigene Welt wird da von Ayako Wada aufgebaut, ein nahezu magischer pianistischer Zauber entfaltet sich.

    Frédéric Chopins berühmte Ballade Nr. 1 g-Moll op. 23 hat man beim Festival zwei Tage zuvor schon gehört, man denkt das sei nun in diesem Umfeld etwas Konventionelleres zum Durchatmen, aber weit gefehlt. Xiuyan Cui spielt das Poetische betont demonstrativ und wirft sich ins Virtuose derart aberwitzig wild, dass der Atem umso mehr stockt. Die Pianistin stellt sich damit als begnadet talentierte, selbstbewusst exzentrische Persönlichkeit vor.

    Zierlich wirkt SunMi Han beim Auftritt und Abgang und am Klavier sitzend, aber wie und was sie spielt, um nun noch dem supervirtuosen Konzertabend die Krone aufzusetzen, ist bärenstark und fordert höchste Kraft: Leopold Godowskys mörderisch ausführliche Passacaglia, 44 variations, cadenza and fugue, based on the opening of Symphony Nr. 8 by Franz Schubert. Man verlässt nach dieser schwindelerregend grandiosen Meisterleistung den Saal fast zitternd, völlig geplättet von so viel pianistisch hochvirtuoser Perfektion, und mit dem Cantus Firmus für den Heimweg das Schubert-Thema durch den letzten Beitrag fast brutal eingebrannt im Hirn.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • ES GEHT AUCH LEICHTGEWICHTIG VIRTUOS

    Der fünfte Abend des Klavierfestivals 2019 der Hochschule für Musik und Theater München, Großer Konzertsaal Arcisstraße, 1.2.2019, persönliche Eindrücke

    Noch dichter als an den bisherigen Abenden ist der Saal gefüllt. Das fünfte und letzte Klavierfestivalkonzert der Münchner Musikhochschule verspricht etwas leichtere Kost, eine bunte Mischung mit zum Teil seltener zu Hörendem von Haydn bis Genzmer.

    Vor der Pause treten Studierende der Klasse Prof. Margarita Höhenrieder Dornier auf, danach Studierende der Klasse Prof. Yuka Imamine.

    Durch den ganzen Abend (durch die bisherigen auch, aber nun noch deutlicher) zieht sich das Bestreben aller Mitwirkender, ganz und gar Musik zu machen, das Publikum herzhaft in die Musik mitzunehmen, in die jeweile Klaviermusikwelt, in den Charakter jedes Stücks, in die Seele der Musik, also nicht nur eine technische Leistungsschau abzuliefern, sondern immer auch zu verdeutlichen, dass Musik im Konzert mehr ist als kritisch zu betrachtender Vortrag. Es ist in höchstem Maß bewunderswert, wie die jungen Pianistinnen und Pianisten dieses Umschalten beherrschen, vom Auftreten und Verbeugen zum nach vielfach kurzen Sekunden höchster stiller Konzentration sofortigen Ganz-und-gar-Eintauchen und Mitnehmen des Publikums in die große so vielfältige, vielschichte Welt der Klaviermusik.

    Das Herzhafte und Beseelte vermitteln gleich Yeonwoo Park mit Ludwig van Beethovens durchaus sonnig stimmender Sonate Fis-Dur op. 78 (1. Adagio cantabile – Allegro ma non troppo und 2. Allegro vivace) und Hyemin Choi mit den Vier Intermezzi op. 119 von Johannes Brahms (1. Adagio, 2. Andantino un poco agitato, 3. Grazioso e giocoso und 4. Allegro risoluto), dem Konzertabend einen gegenüber dem Angespannt-Hochvirtuosen der Vortage etwas leichtgewichtigeren Grundton vorgebend.

    Clara Schumanns Romanze a-Moll aus op. 21, eine erzählerisch für sich einnehmende Träumerei, wird von Chiara Baruffi ganz gegenwärtig vorgestellt.

    Nicht nur als virtuoses Glanzstück (am Schluss dann aber selbstverständlich durchaus als solches auch) erklingt Frédéric Chopins Scherzo Nr. 3 cis-Moll op. 39 (Presto con fuoco). Yinghua Huang arbeitet hier das Sensible der Musik feinfühlig hochmusikalisch heraus.

    Huang spielt danach noch – anlässlich des 110. Geburtstags des Komponisten am 9.2.2019 angesetzt – drei Stücke aus der Suite in C von Harald Genzmer (1. Moderato, 2. Allegro und 3. Finale. Presto), Klaviermusik, die in ihrer eigenwilligen Sprödigkeit etwas an Hindemith erinnert und dann im Finale doch dem gerecht wird, was beim Klavierfestival besonders gut ankommt, höchster bestechender Virtuosität.

    Wo es geht poetisch und beseelt spielt Yun-An Lee aus Maurice Ravels »Le Tombeau de Couperin« die Sätze 1 (Prélude), 2 (Fuge), 4 (Rigaudon) und 6 (Toccata), am Schluss dann aber doch aus zunächst weich loslegender Tempokür sensationell virtuos die Toccata als weiteres Prunkstück des Klavierfestivals hinlegend.

    Johann Sebastian Bachs/Ferrucio Busonis ausführliche Chaconne aus der Partita Nr. 2 d-Moll BWV 1004 (Andante maestoso, ma non troppo lento) entfaltet Riccardo Gagliardi als gewichtigen Höhepunkt vor der Pause würdig, mit Größe und zwischendurch auch mit Geheimnis.

    Ludwig van Beethovens Sonate Nr. 25 G-Dur op. 79 (1. Presto alla tedesca, 2. Andante und 3. Vivace), wegen einer markanten Passage in der Durchführung des 1. Satzes manchmal „Kuckuckssonate“ genannt, gehört nun wirklich (so könnte man meinen), zur leichteren Schülerliteratur. Was hat die bei einem Klavierfestival zu suchen? Ganz einfach, Ya Ting Tsai macht große inspirierte und inspirierende Musik daraus, frisch, pointiert, so richtig herzlich und beseelt, und vor allem auch ganz fein schattiert.

    Das setzt Utako Endo mit Joseph Haydns Klaviersonate Nr. 39 D-Dur Hob. XVI:24 (1. Allegro, 2. Adagio und 3. Finale – Presto) fort (beachtenswert der innig-perlende Adagio-Satz!), um gleich darauf mit Franz Liszts Tarantella (S.162/3) aus »Venezia e Napoli« (Années de Pèlerinage II, Supplément) umso virtuoser aufzudrehen, ein weiteres Highlight der supervirtuosen Höhepunkte des Klavierfestivals.

    Eine ganz andere, eigene Klavierwelt öffnet Xintian Zhu mit Frédéric Chopins nicht so oft zu hörenden Mazurkas op. 56 (1. Allegro non tanto (h-Moll), 2. Vivace (C-Dur) und 3. Moderato (c-Moll)). Hier gelingt einmal mehr dieses Ganz-und-gar-Eintauchen in die Musik besonders gut, was der Substanz der Stücke genauso wie der Interpretation zu verdanken ist.

    Den Abschluss des Abends wie des Klavierfestivals überhaupt macht Felix Mendelssohn Bartholdys von Zhen Wang gespielte Fantasie fis-Moll op. 28 (1. Con moto agitato, 2. Allegro con moto und 3. Presto), konsequent das Konzert mit einem eher leichtgewichtigen Prunkstück, einmal mehr pianistisch perfekt und hochmusikalisch intensiv vorgetragen, abrundend.

    Die fünf Abende des Klavierfestivals der Hochschule für Musik und Theater München brachten, so kann man bilanzieren, alles in allem eine durchwegs faszinierende Leistungsschau technischer Bravour, bei der aber die Musik, die Seele der Musik, stets auch allgegenwärtig war. Inwieweit sich hier pianistische Karrieren andeuten bleibt abzuwarten, pianistische Höchstleistungen sind das Eine, die Gesetze des Marktes mit ihren vielfach äußerlichen Faktoren das Andere.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Hallo zusammen,

    als Matinee im Nationaltheater gab es heute Beethovens (nach dessen eigener Einschätzung) größtes Werk unter der Leitung des GMD. Kirill Petrenko hatte einen mit 100 Sängern besetzten, perfekt einstudierten Staatsopernchor und ein nicht zu groß besetztes (50-iger Besetzung in den Streichern) BStOr mit David Schultheiß an der Solovioline zur Verfügung: Marlis Petersen, Okka von der Damerau, Benjamin Bruns und Tareq Nazmi gaben ein sehr kultiviertes Solistenquartett.

    Die Mehrheit der Interpretationen Petrenkos zeichen sich durch recht zügige Tempi aus, das kann man auch bei den Beschreibungen hier im Forum immer wieder lernen. Nicht so der Beginn, das Assai sostenuto des Kyrie-Beginns war auf der langsamen Seite des Möglichen, das gibt die Tempobezeichnung aber sicher her. Großartig, wie genau insbesondere die Zurücknahme der Lautstärke immer wieder funktionierte, z.B. gleich in Takt 4 oder die Rücknahme des ersten Choreinsatzes ins piano, wenn in Takt 23 der Solotenor einsetzt. Das war enorm gut gefasst und gestaltet, meistens rutscht der Chorklang an solchen Stellen weg, davon war nichts zu bemerken. Wie immer bei Petrenko klappten selbst heikelste Tempoübergänge perfekt, die Abstimmung an der Stelle war selbstverständlich und überzeugend.
    Die Gegenüberstellung von Chor und Solopassagen, z.B. im Christe ab Takt 104, war immer wieder sehr überzeugend, die Mischung, wer begleitet, wer hat Hauptstimme, klappte für meine Ohren maßstabsetzend.

    Womit der Chor der Bayerischen Staatsoper natürlich glänzen kann, ist ein perfekt besetzter, sehr stimmpräsenter Tenor, dessen metallische Färbung nicht immer so gut passte wie im Gloria ab Takt 7 (oder später beim 'Quoniam to solus sanctus' ab Takt 316. Ein wundervoller Übergang mit sehr guten Bläsersolisten im Gloria ab Takt 130 ins Meno Allegro 'Gratias agimus tibi', auch hier stimmte von der Abmischung alles prächtig zusammen, noch beeindruckender nach dem Rückfall ins Allegro vicace dann der Übergang ins Larghetto mit dem fein gestalteten 'Qui tollis peccata mundi' der Solisten. Bei der musikalischen Nachbetrachtung mit einem Bekannten fand der an mancher Stelle Marlis Petersen zu schwach, ich hingegen bin mit dieser Darstellung mit immer genau dosierten Krafteinsatz überaus zufrieden gewesen.

    Die stimmlich wie kompositorisch extrem anspruchsvollen Schlussfugen in Gloria und Credo haben für meine Ohren etwas zu viel Metall vom Chor bekommen, aber das ist sicher eine Geschmacksfrage. Hingegen wieder ganz bezaubernd das tänzerisch-beschwingte Poco più Allegro ab Takt 459. In meinen Ohren war das der Höhepunkt der Interpretation: wie hier diese extrem aufgefächerte und offene Orchestrierung einfach nur strahlend dahinglitt: eine Offenbarung. Der Übergang in den echten Freudentaumel (Presto ab Takt 525) war absolut berauschend: da muss eine Interpretation hinkommen, dass die große Masse der Aufführenden da mitkommt.

    Im Credo gefiel mir wiederum die Passage des 'et incarnatus est' wieder besonders gut, die Innigkeit dieser vom Tenor tatsächlich (wie bezeichnet) mezza voce gesungenen Passage war ein weiteres Highlight der Aufführung. Das Gleiche gilt für den extrem fein gestalteten Beginn des 'Sanctus', der hier inclusive der beiden Fugen nur von den Solisten gesungen wurde: beeindruckend zu sehen, wie das Orchester diese kleine Besetzung mit großer Transparenz begleitete. Der Übergang ins Benedictus mit dem sehr präsent, aber unaufdringlich und mit ziemlich wenig Vibrato gespielten Violinsolo war erneut ein echtes Highlight, das gleiche gilt für den Beginn des Agnus Dei mit den längeren Solopassagen für Alt-, Bass-Solo und Männerchor. Die kürzeren Kriegspassagen vor dem endgültigen Eintreten der finalen 'Dona nobis pacem'-Textpassage waren weit weniger konkret martialisch gestaltet, als ich es schon gehört habe, aber das schien mir eine schlüssige Abrundung einer Aufführung der Missa Solemnis zu sein, die weniger durch Lautstärke-Rekorde auffallen als zu Herzen gehen wollte. Es folgte sehr herzlicher, lang anhaltender Applaus.

    Erneut morgen und Mittwoch Abend an gleicher Stelle. Anscheinend ist kein Mitschnitt des BR geplant. Wie schade.

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Noch nachzutragen:

    VIRTUOS UND ABGEKLÄRT

    Ein „Concerto per due pianoforti soli“ mit Sophie und Vincent Neeb im Rubinsteinsaal bei Steinway & Sons (München), 7.2.2019, persönliche Eindrücke

    So jung es ist, so abgeklärt und professionell routiniert tritt das Münchner Pianisten-Geschwisterpaar auf und spult es sein anspruchsvolles Programm vor leider nur etwa 25 Besuchern ab.

    Igor Strawinskys Concerto per due pianoforti soli gibt sich neoklassizistisch kantig, da wird schon mal grimmig insistierend gehämmert, aber auch mitreißend gegroovt. Dem eröffnenden Con moto Satz folgen ein Notturno (Adagietto), Quatrro variazioni und als Finale Preludio e fuga. Von der ersten Sekunde an bietet das vollkommen aufeinander eingespielte Duo an den zwei Flügeln höchstmögliches virtuoses wie musikalisch differenziertes Niveau.

    Vierhändig auf einem Klavier spielen sie Franz Schuberts unglaubliche Seelenwelten auslotende gewaltige Fantasie f-moll D 940, Vincent Neeb den Baßbereich, Sophie die höheren Lagen. Man darf sich nie sicher fühlen in diesem Schubert-Kosmos, kaum meint man sich in seliger Spielfreude ausruhen zu dürfen, bricht eine apokalyptische Hölle ein, und irgendwie kommt man aus der aber wieder heraus in neuerlich freundlichere Gefilde. Es ist das einzige Werk des Konzerts, das die beiden mit Noten vor sich spielen, abwechselnd umblätternd, aber die Souveränität, der Facettenreichtum sind genauso selbstverständlich wie bei den anderen Werken.

    Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate D-Dur KV 448, vom Schreiber besonders geschätzt in einer furios-frisch herausgeputzten Amadeo-Schallplattenaufnahme mit Roland Batik und Paul Gulda aus den frühen 80er Jahren, erfüllt musikalisch-musikantisch sodann auch alle Erwartungen, lebendige klassische Konzertmusik, spritzig bis innig ausmusiziert, hörbar erneut vollkommen aufeinander abgestimmt.

    Den Abschluss machen Franz Liszts Réminiscences de Norma, die gewaltige Opernparaphrase, hier in der Fassung für zwei Klaviere, ein pianistisches Prunkstück natürlich, das großmelodiös wie hochvirtuos alle Möglichkeiten bietet, pianistische wie hochmusikalische Qualität zu demonstrieren.


    Zwei kurze Zugaben, Tänze von Schubert oder Brahms.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Auch noch ergänzend...

    DER MENSCH UND DIE SCHWÄNE

    Die Göteborger Symphoniker unter der Leitung von Santtu-Matias Rouvali in der Philharmonie im Gasteig (München), Solistin Alice Sara Ott, 20.2.2019, persönliche Eindrücke

    Jean Sibelius´ heimliche finnische Nationalhymne »Finlandia« op. 26, die Konzertouvertüre, stellt das Orchester, geleitet von seinem jungen Chefdirigenten, tourneegerecht kompakt und klangprächtig aufgezogen vor.

    Die Solistin des nun folgenden Konzerts Alice Sara Ott hat ein paar Tage vor der aktuellen Tournee, die nun von Berlin nach München geführt hat, ihre MS Erkrankung öffentlich gemacht und sich statt des ursprünglich angesetzten 2. Liszt Konzerts für das doch etwas entspanntere Konzert für Klavier und Orchester G-Dur von Maurice Ravel entschieden. Die Aufführung verläuft „ganz normal hochprofessionell“, es wird einfach auf höchstem Niveau ein farbig koloriertes Klavierkonzert des 20. Jahrhunderts gemeinsam musiziert. Alice Sara Ott spielt ihre Stärken aus, den unmittelbaren aber nicht zu energisch forcierenden Zugriff und vor allem die glasklare Transparenz des Anschlags. Ganz gehört ihr der Beginn des 2. Satzes – ein Mensch alleine, am Klavier vertieft erzählend (und ein paar Huster aus dem Publikum, bei denen man sich fragt, warum sie ausgerechnet in dieser kontemplativen Passage unbedingt ihre lautstarken dissonaten äha äha derart raumfüllend rauslassen müssen), das ist etwas sehr Persönliches, und es geht sehr zu Herzen. Aus diesem Solo heraus entwickelt sich das sanfte Spiel zusammen mit dem Orchester zum Wegträumen in eine andere Welt, eine Welt von ganz eigenem Zauber. Nach dem eulenspiegelig flinken Finale das auch ganz toll gelingt, eher fein filigran differenziert als auftrumpfend vordergründig, wird schon speziell herzlich applaudiert, und Alice Sara Ott gibt die ihr überreichten Blumen ins Orchester weiter.

    Als Zugabe schenkt uns Alice Sara Ott als empfindsame Vollblutmusikantin Chopins Nocturne Es-Dur op. 9/2. Und in der Konzertpause signiert die Künstlerin, part of the job, CDs und Programmhefte. Auf Wiedersehen und vor allem –hören am 14.5. im Prinzregententheater!

    Die publikumsfreundliche, in ihrer markanten Motivik vielfach eingängige Symphonie Nr. 5 Es-Dur op. 82 von Jean Sibelius nach der Pause bestätigt, was »Finlandia« schon versprach: Ein grandios kompaktes, vollblütig aufspielendes, perfekt studiertes und disponiertes Orchester lässt die Musik mitreißend vorbeiziehen. Im 1. Satz kämpft sich die symphonische Musik bis zum triumphalen Schluss durch, der 2. Satz spannt einen großen romantischen Bogen, und dann schwirrt, schwebt, fliegt der 3. Satz los, und man spürt förmlich wie der auch akustisch prachtvolle Schwäneflug losgeht. Punktgenau kommen die Orchesterschläge am Ende, so erwartet man es bei einem Tourneeorchester, so lösen sie es perfekt ein.

    Die Zugabe, der Valse triste von Sibelius, bringt noch einmal etwas Melancholie in die Philharmonie, etwas getröstet mit seligem Walzerschwelgen.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • EISESKÄLTE UND HERZENSWÄRME

    Merit Ostermann (Mezzosopran) und Rudi Spring (Klavier) nehmen die Hörerschaft mit bei Franz Schuberts Liederzyklus Winterreise op. 89 D 911, Café Prinzipal (München), 25.2.2019, persönliche Eindrücke

    Franz Schuberts Winterreise-Liederzyklus ist eine ganz eigene, Mitwirkende wie Zuhörerschaft ungemein fordernde Stationenreise durch eine eiskalte Seelen- und Naturlandschaft, mehr Stillstand als Bewegung von seltsamer Station zu noch seltsamerer Station. Als Jugendlicher habe ich das Werk erstmals mit einer LP-Box wahrgenommen, 2 LPs Eurodisc 300 023-435, Lied-Edition 13, Theo Adam (Bass), Rudolf Dunckel (Klavier), die Winterreise noch ergänzt mit sechs Liedern aus Schwanengesang, und faszinierend war da für mich schon die Covergestaltung, hellblauer Rahmen, und vorne drauf eine Winterlandschaft – das hat gleichzeitig für mich Eiseskälte und Herzenswärme ausgestrahlt.

    Die in Niederbayern geborene Mezzosopranistin Merit Ostermann kann bereits ein Musicalstudium an der Theaterakademie August Everding, ein klassisches Gesangsstudium bei Frau Prof. Sylvia Greenberg an der Hochschule für Musik und Theater in München mit Abschluss in der Meisterklasse und eine Ensemblemitgliedschaft am Hessischen Staatstheater Wiesbaden von 2009 bis 2014 vorweisen, und seit Mai 2015 singt sie im Chor des Bayerischen Rundfunks.

    In Rudi Spring, seit 1999 Dozent für Liedgestaltung an der Hochschule für Musik und Theater in München, hat Merit Ostermann den idealen musikalischen Partner für diese Reise am Flügel zur Seite.

    Die beiden nehmen uns sofort mit in diese kalte Welt, aber sie nehmen uns mit einer Herzenswärme mit, wie ich sie mit Musik in Wien aufgewachsen und verstärkt aus der Jugendzeit von der Schallplattenhülle her als vertraut neu erleben kann, im warmherzig-sensiblen Duktus und Klavieranschlag des Pianisten genauso wie im völlig natürlichen Gesangsvortrag der Sängerin, die von Station zu Station die Empfindungen ganz direkt, aber nie aufdringlich und auch nie theatralisch überzeichnet oder unterspielend ans Publikum weitergibt. Da ist nichts forciert, nichts stilisiert, nichts pädagogisch, didaktisch oder anders allzu bewusst als erarbeitet erkennbar, da werden einfach 24 Stationen eines Seelenstillstands neu gelebt, und wir sind mitten dabei, in kalter, einsamer, verlorener Welt, und doch geborgen in der Wärme beherzten Liedvortrags.

    Es ist sofort egal ob da ein Er singt oder eine Sie, Merit Ostermann ist die Erzählerin, das lyrische Ich auf dieser Stationenreise, und das ist sie durch und durch glaubhaft, eindringlich, bewegend, ja richtiggehend erschütternd.

    Fremd ist sie eingezogen, nimmt sie Anstoß an der Wetterfahne, zweifelt sie mit den Tränen, wandert sie durch die tote Natur, kommt sie an einem Lindenbaum vorbei, spricht sie mit der Natur (als wäre es ein Chanson von Weill/Brecht hier), findet sie sich am zugeeisten Fluss wieder, wird die Geborgenheit in der Stadt wachgerufen, verirrt sie sich, rastet sie innerlich schmerzerfüllt, sehnt sie sich nach der Harmonie des Frühlings und fühlt sie sich in der Natur immer unwohler.

    Nach den ersten zwölf der 24 Lieder machen die beiden eine Zweiminutenpause mit Abgang und neuem Auftritt, aber wie bewusst sie diese Pause kurz halten, gibt dem Ganzen eine sehr bestimmte Dimension, der Faden soll nicht zu lange unterbrochen sein.

    Das Posthorn scheint neue Energie zu geben, aber schon ist das unglückliche Altern ganz unmittelbar da und die Krähe wird zur Todesfreundin, ein Blatt fällt ab (hier tut sich plötzlich eine Hugo Wolf Welt auf an diesem Abend), Hunde verfolgen sie, die Träume erlischen, der Himmel strahlt Kälte aus, sie lässt sich von einem Licht täuschen, sinniert über einen Wegweiser ins Grab, erkennt den Friedhof als Wirtshaus, will die Seelenqual überspielen, fantasiert über Nebensonnen und schließt sich am Ende vielleicht einem auch wie aus der Welt gefallenen Leiermann an.

    Zögerlich setzt der betroffene Applaus ein, der sehr rasch eine echte Begeisterung offenbarende Intensität erreicht. Niemand kommt auf die Idee jetzt könnte noch eine Zugabe folgen, das muss auch nicht kommuniziert werden.

    Eiseskälte herrscht an diesem Februar-Montagabend in München keine mehr. Die Herzenswärme der gerade mitgelebten Schubertstunde nimmt man gerne mit in die Nacht.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • MEPHISTO KLOPFT INSISTIEREND

    Ein Klavierabend mit Francesco Cipolletta in der Klavierwerkstatt Kontrapunkt (München), 9.3.2019, persönlicher Konzerteindruck

    Der in Turin lebende Pianist Francesco Cipolletta, er sieht ein bisschen aus wie der Schauspieler Florian Mertens („Ein starkes Team“), ausgezeichnet unter anderem beim Busoni-Wettbewerb in Bozen und bei der European Piano Competition in Luxemburg, lehrt neben seiner Konzert- und Aufnahmetätigkeit Klavier am Staatlichen Konservatorium für Musik in Cuneo/Piemont.

    Sein Auftreten wie sein Klavierspiel (am Steingraeber & Söhne Flügel, der sich klanglich wohltuend vom Einheits-Steinwaystandard abhebt, gleichzeitig wärmer und herber) sind bestimmt und selbstbewusst souverän, aber nichts ist äußerlicher Selbstzweck. Der kleine Rahmen seines Konzerts schafft an sich schon eine Intimität, die der Pianist hervorragend hochmusikalisch zu verstärken versteht, indem er die Klaviermusik die er spielt wie neu erzählt, für die die die Werke noch nie gehört haben genauso wie für die die sie schon gut zu kennen glauben. Klavieristisch-pianistisch besticht die technisch tadellose, fabelhaft gute Sicherheit, die aber immer der musikalischen Dramaturgie dient, nie leeres Tastengedonner vorzeigt. Der Zugriff ist sehr direkt, auch im Poetischen, das Cipolletta genauso gekonnt und sauber abrundend auszuspielen versteht. Die Werke werden zu großen Ganzen geformt und offenbaren doch all ihre Schnitte und Brüche, ihre Kurven und Linien, ihre Steigerungsbögen und Stillstände. Der erzählerisch starke Ansatz macht jeden Konzertmoment unmittelbar gegenwärtig. Die musikalische Substanz, die der famose Pianist den Werken abtrotzt, überwältigt wieder einmal vollkommen.

    Das gilt für Frédéric Chopins Balladen (Nr.1 g-Moll op.23, Nr. 2 F-Dur op. 38, Nr. 3 As-Dur op. 47 und Nr. 4 f-Moll op. 52) mit ihren packenden Wechseln zwischen hochvirtuosen und träumerischen Passagen.

    Und es gilt genauso für Franz Liszts h-Moll Sonate, diese halbstündige pianistische Achterbahnfahrt. Gerade in Konzerten offenbart sich umso stärker die immense Herausforderung dieses Werks. Schlägt der Pianist die ersten G-Töne an, steigt er ein in die schwindelerregende pianistische Berg- und Talfahrt, er hält das Publikum damit fest und stürzt sich selbst durch alle Paradiese und Höllen dieses Werks, wenn man es faustisch auffasst (diesmal weil eben erzählerisch so stark sehr gut mitvollziehbar) durchaus mit Faust, Mephisto (wie der immer wieder insistierend klopft!) und Gretchen. Nahezu plastisch führt Francesco Cipolletta die Konfrontationen der drei Charaktere vor, hochvirtuos, rezitativisch, verträumt, verklärt, fugatorisch, gegen Ende im Prestissimofurioso und ganz am Schluss noch einmal verklärend.

    Alle Achtung, und da ist das Publikum natürlich hin und weg. Und es kriegt Zucker mit den Chopin-Zugaben, dem Impromptus Nr. 1 As-Dur op. 29 und der glockenhell lachenden Etüde op. 10/8 in F-Dur.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Hallo zusammen,

    im Rahmen eines Abonnement-Konzertes des BR-SO gab François-Xavier Roth gestern seinen Einstand, von dem ich viel Schönes berichten kann. Das hat unter anderem auch mit der ganz ungemein beweglichen Art des Dirigierens von Roth zu sein: diese Beweglichkeit ist sowohl in den Händen als auch in den einzelnen Fingern, aber auch in der Hüfte gut zu erkennen. Ein besonderes Erlebnis, weil Roth das gesamte Programm mit Musik des 20. Jahrhunderts ohne Taktstock dirigiert hat, aber dennoch allergrößtes Einverständnis der Orchesters hervorgerufen hat.

    Den Auftakt machte Stück Ia aus Pierre Boulez' Livre pour cordes mit der Satzbezeichnung 'Variation. Allant. Très flexible', eine Weiterentwicklung seines Livre pour Quatuor. Dies war meine erste Begegnung mit diesem Stück und auch das erste Mal, das ich Musik von Pierre Boulez nicht mit seiner Beteiligung gehört habe. Die Streicher des BR-SO waren in 60-er Besetzung für diese weit aufgefächerte Partitur versammelt, im Programmheft stand etwas von einer bis zu 16-stimmigen Aufteilung der Partitur. Für mich war die Sinnlichkeit der Interpretation, das Immer-Wieder-Aufblitzen von Schönheit die größte Überraschung. Boulez' eigene Interpretationen waren ebenso geprägt von Klarheit und Präzision wie der Ansatz von Roth, aber trauten sich in meiner Erinnerung nicht, die gute alte Schönheit zuzulassen. Ein toller Einstieg.

    Zum Klavierkonzert Nr. 3 von Béla Bartók war eine deutlich kleinere Streicherbesetzung gefordert, dafür kam eine fast klassische Bläserbesetzung hinzu, lediglich Schlagwerk, Basstuba und drei Posaunen unterscheiden die Besetzung von einem Konzert der 1840'er Jahre. Als Solist war der ebenfalls in Köln tätige Pierre-Laurent Aimard gewonnen worden, den ich noch nicht als Solisten in einem Orchesterkonzert erleben durfte. Für jemanden, der einen so intellektuellen und professionellen Ruf gerade für die Musik des 20. Jahrhunderts hat, ging Aimard mit ungemein viel Engagement und Verve an das Konzert heran. Natürlich war die Interaktion zwischen Orchester und Klavier tadellos, die Bukolik des ersten Satzes erreichte mich genauso wie die Innerlichkeit und der von Nachtschatten getrübte Mittelteil des Adagio religioso. Das etwas auftrumpfende, freundlich daherpolternde Ende des Konzertes, in dem Blech und Schlagwerk zum ersten Mal überhaupt in Erscheinung treten, hatte unendlich viel Charme.

    Auf den großen Beifall, auch aus dem Orchester, reagierte Aimard mit einem vermutlich sehr selten als Zugabe ausgewählten Stück: dem ersten Stück aus den zwischen 1951 und 1953 noch in Ungarn entstandenen Klavierstücken Musica ricercata von Gyorgi Ligeti Sostenuto – Misurato – Prestissimo. Aber es passte natürlich sehr gut in das ausschließlich im 20. Jahrhundert angesiedelte Konzertprogramm: der insistierende Charakter des ständig Taktwechseln unterworfenen Stücks wurde in Aimards Spielart wunderbar frech-ironisch deutlich. Erneut großer Beifall für Aimard, bevor es in die Pause ging.

    Nach der Pause dann die gesamte »L’oiseau de feu«-Ballettmusik von Igor Strawinsky. Hier war die Bühne nun vollends gefüllt, mit gut hundert Spielern darf nun das gesamte Orchester ran, auch einige Akademisten. Wieder begeisterte die ungeheure Präzision der Ausführung, insbesondere die Holzbläsersoli waren enorm beeindruckend. Toll, wie die gesamte Bandbreite der Dynamik immer wieder voll ausgenutzt wurde, insbesondere bei den leisen Passagen, viele Streichertremoli entwickelten sich beeindruckend lange im kaum hörbaren Bereich. Da war offensichtlich lange und sehr präzise gearbeitet worden. Aber die Emotionen kamen bei der Aufführung nicht zu kurz. Fans von akustisch überbordendem Musizieren werden vermutlich ein mangelndes 'Fetzigkeitslevel' hervorheben. Aber das war auf jeden Fall nicht 'nicht gekonnt', sondern schlicht nicht gewollt. Mich hat das alles sehr erreicht und überzeugt, meine charmante Begleitung stimmte mit mir überein: außerordentlich beeindruckendes Programm, wir werden versuchen, mehr Roth (live) zu hören.

    Heute Abend erneut live auf BR-Klassik und danach 30 Tage lang auch auf br-klassik.de abrufbar. To whom it may concern ...

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Ich ärgere mich ja ein wenig über mich selbst, dass ich Roth mit "seinem" Orchester noch nicht im Konzert erlebt habe (in der Oper natürlich schon). Mein Eindruck ist, dass er das (durch seinen Vorgänger Markus Stenz konsolidierte) Gürzenich-Orchester auf eine neue Stufe gehoben hat, vor allem, was die (insb. dynamische) Präzision zwischen den Instrumentengruppen angeht. Wirkt sich inzwischen auch aus, wenn andere Dirigenten am Werk sind. Das Konzert werde ich mir sicher mal anhören, danke für den Tipp!

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • EINE GANZE WELT IN DREIEINHALB MINUTEN (1)

    Zum Liedforum 2019 der Hochschule für Musik und Theater München, 1. bis 3. April 2019, Großer Konzertsaal Arcisstraße (1) - Persönliche Eindrücke

    »Prima le parole!« ist das Motto der drei Klavierkunstliedkonzerte, deren Liedvielfalt, gebaut um Jubilare, musikalisch wie textlich, viel mehr Publikum verdient hätte als der jeweils eher halbleere denn halbvolle Saal. Mitwirkende sind Studierende der Liedklassen Rudi Spring, Prof. Fritz Schwinghammer, Prof. Donald Sulzen und Tobias Truniger sowie der Kurse Französisches Lied Prof. Céline Dutilly und Slawisches Lied Evgenia Grekova und Hans-Christian Hauser, die künstlerische Leitung obliegt Prof. Donald Sulzen.

    Jedes der drei Konzerte beginnt mit einer Uraufführung. Am 1.4.2019 hören wir Johannes Schachtners (*1985) »Der mystische Trompeter« (2019), die Deklamation eines Gedichtes von Walt Whitman in einer Übersetzung von Gustav Landauer, mit dem volltönenden Bass Frederic Jost und Amy Brinkman-Davis am Klavier (Klasse Prof. Donald Sulzen). Das Klavier grundiert teilweise den lautstark und pathetisch wie eine klassische Ballade in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts deklamierten Text, dann spielt es wieder reizvoll eine zweite Stimme zur Gesangslinie. Im Anschluss an die Aufführung bespricht Prof. Sulzen mit dem Komponisten Vertiefendes zum Werk und seiner Entstehung.

    Die beiden nun angesetzten Franz Schubert Lieder fallen leider aus, aber der Schreiber dieser Zeilen hört sie später zu Hause von CD nach, mit Dietrich Fischer-Dieskau und Gerald Moore (aus der Schubertlied-Gesamtbox, DGG). »Der Sänger am Felsen« D 482 (Caroline Pichler) (1816) singt seine einsame Klage, und mit »Auf dem Wasser zu singen« op. 72 (Friedrich Leopold zu Stolberg) (1823) tut sich erst recht eines jeder Wunder der Musikgeschichte auf, wo nur das Staunen bleibt, dass es so etwas gibt. Bewegt schwebt man mit, Natur und Seele, in Text und Musik vollendet fließend miteinander verwoben, das Strophenende jeweils in Dur, dann der Neuansatz wieder in Moll (allein diese Schattierung!), eine ganze Welt in dreieinhalb Minuten, ein kostbarster kleiner Schatz der Musikgeschichte.

    Flore van Meerssche und Hiroko Utsumi (Klasse Prof. Fritz Schwinghammer) setzen fort – mit den ersten beiden von vier Carl Loewe Liedern, »Die Lotosblume« op. 9, Heft I, Nr.1 (Heinrich Heine) (1828) und »Der Fischer« op. 43/1 (Johann Wolfgang von Goethe) (1835). »Die Lotosblume« entpuppt sich auch gleich als wunderschönes Liedkleinod, harmonisch und melodisch von ganz eigenem Zauber. Den Heine-Text haben auch Robert Franz und Robert Schumann vertont. Man wird mit solchen Konzerten unter anderem angeregt, diese weiteren Vertonungen kennenlernen zu wollen. Zu Hause kann ich das Lied mit Yvi Jänicke (Mezzosopran) und Cord Garben (Klavier) aus der cpo Loewe CD Komplettbox gleich noch einmal hören. Goethes »Der Fischer« hat Loewe fließend belebt vertont, man notiert zu Hause, die Aufnahme mit Edith Mathis und Cord Garben vor sich, gelegentlich auch die Balladenvertonungen mit der schicksalhaften Geschichte vom ewig Weiblichen das „ihn“ hinabzieht von Johann Friedrich Reichardt, Franz Schubert und Richard Strauss vergleichend kennenlernen zu wollen.

    Wechsel zu Céline Akçağ und Amy Brinkman-Davis am Klavier (Klasse Prof. Fritz Schwinghammer), die Loewe Lieder 3 und 4, »Die Blume der Ergebung« op. 62, Heft II, Nr. 6 (Friedrich Rückert) (1837) und »Meine Ruh ist hin« op. 9, Heft III, Nr. 2 (Johann Wolfgang von Goethe) (1822). »Die Blume der Ergebung« hat auch gleich wieder diesen Zauber eines kleinen Kunstliedschatzes, gerne bestätige ich den Eindruck zu Hause noch mit Gabriele Rossmanith (Sopran) und Cord Garben (Klavier). (Aber – aber? – Rudi Spring würde hier rufen: „Schumann!“ Noch ist genug Platz in der Schatzkiste.) Und Loewes Gretchen am Spinnrade? Sie „spinnt“ innig verhalten bis aufgekratzt, und beim Kuss gibt es auch hier einen „Herzstillstand“. Schubert hat man dabei schon immer vergleichend im Ohr, die Louis Spohr Vertonung merkt man sich vor, und die Aufnahme mit Edith Mathis und Cord Garben vertieft später zu Hause auch hier den Höreindruck.

    Russisch volkstümlich, russisch gewichtig, abwechselnd nun - Zwei Lieder nach Gedichten von Jakov Polonskij, Pjotr I. ˇCajkovskijs »Hinterm Fenster im Schatten schimmern« op. 60/10 (1886, eher volkstümlich) und Sergej V. Rachmaninovs »Die Musik« op. 34/8 (1912, gewichtig) mit Thomas Kiechle und Ryuzo Seko am Klavier (Klasse Evgenia Grekova) sowie Nikolaj Rimskij-Korsakovs »Echo« op. 27/2 (Sergej A. Andrejevskij nach François Coppée) (1883, wieder gewichtig) und Sergej I. Tanejevs »In der Stunde des Verlustes« op. 32/1 (Jakov Polonskij) (1911, nun wieder volkstümlicher, wie eine Märchenliederzählung wirkend), mit Benedikt Eder und Volha Amialyanchyk am Klavier (Klasse Evgenia Grekova).

    Großer Hans Pfitzner Schwerpunkt im ersten Teil nach der Pause, was leider ausfällt kann immerhin zu Hause mit Julie Kaufmann (Sopran) und Donald Sulzen (Klavier) aus der cpo Pfitzner CD Liedbox ergänzt und das live Gehörte vertiefend auch noch einmal gehört werden. Leider fällt gleich der erste Block aus, aus den Frauenporträts »Alte Weisen« op. 33 (Gottfried Keller) (1923) »Mir glänzen die Augen« (ansatzweise pointiert), »Ich fürcht’ nit Gespenster« (geheimnisvoll), »Du milchjunger Knabe« (keck) und »Wandl’ ich in dem Morgentau« (traurig). Anna Maria Palit und und Chia-Lun Hsu (Klasse Prof. Donald Sulzen) stellen, auch aus den „Weisen“, »Singt mein Schatz wie ein Fink« und »Wie glänzt der helle Mond so kalt und fern« vor. Vor allem »Wie glänzt der helle Mond so kalt und fern« ist atmosphärisch stark, eine Todesvision, ernst und dann keck.

    Weiter mit Hans Pfitzner, Vier Lieder nach Gedichten von Conrad Ferdinand Meyer op. 32 (1923) mit Gabriel Rollinson und Miku Hisamatsu am Klavier (Klasse Tobias Truniger), »Hussens Kerker« (blickt auch düster auf den Tod), »Säerspruch« (leidenschaftlich), »Eingelegte Ruder« (wieder so ein verstecktes Liedwunder, einsam innig, dazu die „tröpfelnde“ Begleitung!) und »Lass scharren deiner Rosse Huf« (entfesselt, er fleht, sie möge bleiben), zu Hause dann noch einmal alle vier mit Robert Holl (Bass) und Rudolf Jansen (Klavier).

    Leider fallen die Three Poems by Walt Whitman (1925) von Ralph Vaughan Williams - »Nocturne«, »A clear midnight« und »Joy, shipmate, joy!« - aus.

    Was für ein stilistischer Kontrast etwa zu den russischen Beiträgen davor aber nun: Den Abschluss des ersten Konzerts macht Kurt Weill, »O Captain! My Captain!« (1941, trotzig) und »Beat! Beat! Drums!« (1942, ein energischer Antikriegsmarschsong), beide aus »Four Walt Whitman Songs«, vorgetragen wie alles an diesen drei Abenden facettenreich und lebendig von Ansgar Theis und Amadeus Wiesensee am Klavier (Klasse Prof. Donald Sulzen).


       

    Man ist mittendrin in der Klavierkunstliedwelt, gespannt auf den zweiten Konzertabend.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Goethes »Der Fischer« hat Loewe fließend belebt vertont, man notiert zu Hause, die Aufnahme mit Edith Mathis und Cord Garben vor sich, gelegentlich auch die Balladenvertonungen mit der schicksalhaften Geschichte vom ewig Weiblichen das „ihn“ hinabzieht von Johann Friedrich Reichardt, Franz Schubert und Richard Strauss vergleichend kennenlernen zu wollen

    Die schöne Vertonung von Tomášek sollte man auch nicht vergessen;

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Vielen Dank für diesen Impuls! :top:

    EINE GANZE WELT IN DREIEINHALB MINUTEN (2)

    Zum Liedforum 2019 der Hochschule für Musik und Theater München, 1. bis 3. April 2019, Großer Konzertsaal Arcisstraße (2) - Persönliche Eindrücke

    Als er 21 Jahre alt war, fiel Rudi Spring (*1962) ein Else Lasker-Schüler Gedichtband in die Hände. Bereits 1983 vertonte er erstmals ein Gedicht der Lyrikerin. In seinen Erläuterungen zum am zweiten Liedforums-Abend am 2.4.2019 gebotenen Werk, wie am Vortag in einem Gespräch mit Prof. Sulzen, zitiert Rudi Spring Gottfried Benn, der sogar speziell auf den Uraufführungstext bezugnimmt - »Mein Volk« op. 92 C Nr. 2 (Else Lasker-Schüler) (2018), vorgetragen vor und nicht nur weil es mit eineinhalb Minuten so kurz ist auch nach dem Gespräch von der beseelt ausdrucksstark singenden Anna-Lena Elbert (die im Rahmen des Gesprächs auch den Text ohne Musik vorstellt) und Miku Hisamatsu am Klavier – ein exaltiert-empfindsamer musikalischer Aufschrei, kurz und prägnant. Man wünscht sich gleich eine CD Aufnahme des Liedes in dieser Konstellation.

    Jetzt gilt es, die Klavier-Kunstliedkomponistin Clara Schumann zu entdecken, mit Keiko Obai und Haruka Ebina am Klavier (Klasse Prof. Fritz Schwinghammer). »Was weinst du, Blümlein« op. 23/1 (Hermann Rollett) (1853, lebendig), »Die stille Lotosblume« op. 13/6 (Emanuel von Geibel) (1843, lyrisch fließend, gleich wieder in die Schatzkiste) und, man denkt an Mahler, aus »Liebesfrühling«, gemeinsam mit Robert Schumann komponiert (Friedrich Rückert) (1841) die Nr. 4 »Liebst du um Schönheit«, melodisch einprägsam – was für eine sensible Komponistin ist das doch auch, sofort will man da mehr kennenlernen.

    Eric Price und Haruka Ebina am Klavier (Klasse Prof. Fritz Schwinghammer) stellen ihren Liedblock, es handelt sich um drei Lieder nach Gottfried Keller, um, wir hören zunächst den »Abendregen« op. 70/4 (1875) von Johannes Brahms und der Schreiber staunt einmal mehr über diese markante Kompositionsweise von Brahms, dem Schwebenden stets Bodenhaftung zu behalten. Zu Hause später vertiefen aus der EMI CD Box Dietrich Fischer-Dieskau und Daniel Barenboim den Liedeindruck. Kräftig und entschieden kommt der »Winterabend« op. 59/7 (1948) von Hermann Reutter (1900–1985), empfindsam melodiös erzählend das »Abendlied« aus »Unter Sternen« op. 55 (1941–43) von Othmar Schoeck (1886–1957).

    Den Komponisten Gideon Klein (1919–1945) lerne ich mit diesem Liedforum-Konzert erstmals kennen. Mich erinnert seine Liedsprache an die irisierend-farbige Janáček-Welt. Elisabeth Freyhoff und Chia-Lun Hsu am Klavier (Klasse Hans-Christian Hauser) stellen aus den Drei Liedern op. 1 (1940) (original auf tschechische Übersetzungen komponiert) »Vodotrysk« / »Springbrunnen« (Erik Adolf Saudek nach Johann Klaj) und »Ukolébavka« / »Wiegenlied« (1943) (Bearbeitung eines hebräischen Liedes) vor.

    Die nun vor der Pause noch folgenden Johannes Brahms Lieder kann ich alle zu Hause mit Dietrich Fischer-Dieskau und Wolfgang Sawallisch noch einmal hören, im Konzert wie danach warte ich auf und kriege ich die feste Brahms-Bodenhaftung mitgeliefert im Originalpaket. Es gibt insgesamt sechs Lieder nach Gedichten von Klaus Groth, die ersten drei mit Susan Zarrabi, und Hiroko Utsumi am Klavier (Klasse Tobias Truniger) und die restlichen drei mit dem Uraufführungsbassisten des ersten Konzerts Frederic Jost, und mit Hiroko Utsumi am Klavier (Klasse Tobias Truniger). Hinein in die Brahms-Welt: »Komm bald« op. 97/5 (1885), »Dein blaues Auge« op. 59/8 (1873, für die Schatzkiste, melodisch eindringlich), das »Regenlied« op. 59/3 (1873, ein kleines großes Charakterlied zum Thema Regen) und dann, alle auch stimmlich mit Josts kräftigem Bass bestärkt, Heimweh I: »Wie traulich was das Fleckchen« op. 63/7, Heimweh II: »O wüsst ich doch den Weg zurück« op. 63/8 (merke ich mir wieder für die Schatzkiste) und Heimweh III: »Ich sah als Knabe Blumen blühn« op. 63/9 (beherzt), alle die Kindheit verklärend, ein gesanglich wie substanziell ganz starker Eindruck.

    Leider fällt der erste Block nach der Pause, ein Walt-Whitman-Mosaik, aus, Paul Hindemiths »Sing on there in the Swamp« (1943), Charles Ives´ »Walt Whitman« (1921) und »The Last Invocation« (1918) von Frank Bridge (1879–1941).

    Es geht gleich weiter mit Albert Roussel (1869–1937) – Deux Poèmes op. 50 (René Chalupt) (1933–34): »L’heure du retour« / »Die Stunde der Rückkehr« beschwörend und »Coeur en péril« / »Herz in Gefahr« innig bekenntnishaft vorgetragen von Thomas Kiechle und Ryuzo Seko am Klavier (Klasse Prof. Céline Dutilly) und danach gleich Deux Poèmes chinois op. 12 (Henri Pierre Roché nach englischen Übertragungen altchinesischer Gedichte des Sinologen Herbert Giles), »À un jeune Gentilhomme« / »An einen jungen Edelmann« (1907) und »Amoureux séparés« / »Getrennte Liebende« (1908) sowie aus den Deux Poèmes chinois op. 35 (1927) »Réponse d’une épouse sage« / »Antwort einer besonnenen Gattin« (H. P. Roché nach H. Giles), mit der Rudi Spring Uraufführungssopranistin Anna-Lena Elbert und Volha Amialyanchyk am Klavier (Klasse Prof. Céline Dutilly) – irisierende Chinoiserien in den Saal zaubernd.

    Als Zyklus bieten Freya Apffelstaedt und Chia-Lun Hsu am Klavier (1-3) sowie Maria-Grazia Insam, und Kota Sakaguchi am Klavier (4 und 5, beide Klasse Prof. Donald Sulzen) Five Poems of Walt Whitman (1957) von Ned Rorem (*1923), Lieder mit einer eindringlich spröden Musiksprache, »Sometimes with One I Love«, »Look Down, Fair Moon«, »Gliding O’er All«, »Reconciliation« und »Gods« (beklemmend – ein Soldat und der Tod!).

    Fließend-glitzernd gleitet »Unter Sternen« aus »Unter Sternen« op. 55 (Gottfried Keller) (1941–43) von Othmar Schoeck dahin, im virtuosen Klavierpart gebettet, wohingegen Carl Loewes »Der Zauberlehrling« op. 20/2 (Johann Wolfgang von Goethe) (1832) die vielleicht eher von Dukas und aus Disneys Fantasia bekannte Ballade von den Besen die außer Kontrolle geraten wieder einmal beherzt lebendig macht, mit Niklas Mallmann und Miku Hisamatsu (Klasse Rudi Spring) am Klavier.

    Erst recht lebendig-beherzt erschallen Loewe-Lieder, wenn sie Frederic Jost schmettert, mit Amy Brinkman-Davis am Klavier (Klasse Prof. Donald Sulzen) – der singende Vatermörder »Edward« op. 1/1 (Johann Gottfried Herder) (1818) nach einer schottischen Vorlage, und, spannende Alternative zum wohlbekannten Schubert-:Lied, »Erlkönig« op. 1/3 (Johann Wolfgang von Goethe) (ersch. 1824). Zwischen diese beiden Loewe Beiträge flechten Jost und Brinkman-Davis als Überraschung auch noch Loewes op. 1/2 ein,»Der Wirtin Töchterlein« (Ludwig Uhland) (1823).

    Zu Hause höre ich gerne auch die zuletzt gebotenen Loewe Lieder noch einmal, wieder aus der cpo CD Box, op. 20/2 mit Christian Elsner (Tenor) und Cord Garben, op. 1/1 (hier reizen auch die Vertonungen von Schubert und Cajkovskij) und op. 1/3 mit Christoph Prégardien (Tenor) und Cord Garben sowie op. 1/2 mit Kurt Moll (Bass) und Cord Garben.

    Klavierkunstliedsucht entfacht, am Heimweg Class:aktuell 2019/1 durchgeblättert, eine neue Clara Schumann Lied CD entdeckt, gleich bestellt, und (endlich) auch eine Schoeck Lieder Komplettbox dazu bestellt, und gespannte Vorfreude auf den dritten Liedforum-Abend.

    Brahms Fischer-Dieskau: amazon ASIN B000005GQ9

     

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • EINE GANZE WELT IN DREIEINHALB MINUTEN (3)

    Zum Liedforum 2019 der Hochschule für Musik und Theater München, 1. bis 3. April 2019, Großer Konzertsaal Arcisstraße (3) - Persönliche Eindrücke

    Der Uraufführungskomponist des dritten Liedforum-Abends ist nicht persönlich anwesend, sehr wohl war aber der Text des Liedes bereits am Vortag zu hören. Sebastian Schwabs (*1993 in München) »Abendregen« (Gottfried Keller) (2019), man hat vielleicht noch den Brahms im Ohr, erklingt nun spätromantisch, fast durchgehend erstaunlich harmonisch, mit ein paar heftigen schrägen Akkorden zwischendurch. Die Uraufführung besorgen Manuel Adt und Kathrin Klein am Klavier (Klasse Prof. Donald Sulzen).

    Am Vortag auch angestochen für die Clara Schumann Klavierkunstlieder, bestätigen das anmutige »Geheimes Flüstern hier und dort« op. 23/3 (Hermann Rollett) (1853), das herzrührende »Ich stand in dunklen Träumen« op. 13/1 (Heinrich Heine) (1840, wieder so etwas für die Schatzkiste des „Unbedingtmerkenmüssens“) und die leidenschaftliche, am Klavier virtuos gesetzte Nr. 2 »Er ist gekommen in Sturm und Regen« aus »Liebesfrühling« (Friedrich Rückert) (1841), gemeinsam mit Robert Schumann komponiert, vorgetragen von Flore van Meerssche und Hiroko Utsumi am Klavier (Klasse Prof. Donald Sulzen), sich auf die vertiefte Befassung mit dieser Liedwelt umso mehr freuen zu dürfen.

    Das nun folgende Jubilar-Mosaik mit Thomas Kiechle und Ryuzo Seko am Klavier (Klasse Rudi Spring) beginnt energisch mit Paul Hindemiths »Das Köhlerweib ist trunken« (Gottfried Keller) (1936) und stellt, blockübergreifend nun Pfitzner ins Zentrum rückend, zwei weitere Hans Pfitzner Lieder vor, die »Widmung« op. 6/4 (Paul Cossmann) (ersch. 1894) mit schönem melodischem Bogen und das »Mailied« op. 26/5 (Johann Wolfgang von Goethe) (1916), wieder leidenschaftlich bewegt. Zu Hause freue ich mich, diese Lieder mit Christoph Prégardien und Michael Gees (Klavier) aus der cpo Pfitzner Lieder CD Box gleich noch einmal, nun die Texte mitlesend, hören zu können.

    Pfitzner also weiter, nun mit der so großartig reif wie beseelt singenden Anna-Lena Elbert und Kota Sakaguchi am Klavier (Klasse Prof. Fritz Schwinghammer), das empathische Zitherlied »Der Bote« op. 5/3 (Joseph von Eichendorff) (ersch. 1894), für die persönliche Schatzkiste das innig melodiöse »Ist der Himmel darum im Lenz so blau? op. 2/2 (Richard Leander) (ersch. 1893), der »Verrat« op. 2/7 (Alexander Kaufmann) (ersch. 1893) der kecken Wasserlilie und wieder innig, voller Zauber, schon wieder für die private Schatzkiste, der textliche Uraltklassiker »Unter der Linden« op. 24/1 (Walther von der Vogelweide; neuhochdeutsch von Karl Pannier) (1909), den der Schreiber dieser Zeilen um 1980 durch die „Liederlich Spielleut´“ erstmals vertont wahrnehmen durfte.

    Mit Pfitzner beginnt auch der nächste Block mit Benedikt Eder und Volha Amialyanchyk am Klavier (Klasse Rudi Spring), der „In der Nacht“ spielt. Hans Pfitzners »Nachtwanderer« op. 7/2 (Joseph von Eichendorff) (ersch. 1895) ist grimmig und energisch, am Ende versinken wir im Morgentau im Grab. »Unruhe der Nacht« stammt aus »Unter Sternen« op. 55 (Gottfried Keller) (1941–43) von Othmar Schoeck, noch angespannter, auch pianistisch herausfordernd. Carl Loewes »Gutmann und Gutweib« op. 9, Heft VIII, Nr. 5 (Johann Wolfgang von Goethe) (1833) changiert spannend zwischen Kabarettchanson, Märchenerzählung und Lehrstunde.

    Selbstbewusste Klavier-Kunstlieder der Wiener Klassik lerne ich mit den Sechs Liedern nach Christian Fürchtegott Gellert op. 48 (1798–1802) von Ludwig van Beethoven kennen - 1. »Bitten«, 2. »Die Liebe des Nächsten«, 3. »Vom Tode«, 4. »Die Ehre Gottes aus der Natur«, 5. »Gottes Macht und Vorsehung« und 6. »Bußlied«. Das düstere »Vom Tode« wirkt wie bei Florestan im Kerker. Manuel Adt und Kota Sakaguchi am Klavier (Klasse Prof. Fritz Schwinghammer) haben die Liedreihenfolge leicht umgestellt.

    Zwei Lieder nach Richard Dehmel sind die letzten Pfitzner Beiträge des Konzerts und Liedforums 2019, vorgetragen von Martin Burgmair und Amy Brinkman-Davis am Klavier (Klasse Prof. Rudi Spring), mit Geheimnis »Die stille Stadt« op. 29/4 (1921) und trotzig »Der Arbeitsmann« op. 30/4 (1922) – das gibt es ja auch von Richard Strauss vertont!

    Dramatische, psychologisch aufgeladene Monologe, die eine intensive Aura ausstrahlen, lernt man nun mit »I heard, I dream’d« – Drei Liedern nach Gedichten von Walt Whitman (2008) von Christoph Weinhart (*1958) kennen, »When I Heard the Learn’d Astronomer«, »I Heard You Solemn-Sweet Pipes of the Organ« und »I dream’d in a Dream«, wieder von der großartigen Anna-Lena Elbert gesungen (Stimme und Ausdruck gehen bei allen, aber hier ganz besonders zu Herzen), am Klavier Esperanza Martin-Lopez (Klasse Prof. Donald Sulzen).

    Das Finale gehört Hector Berlioz und noch einmal Flore van Meersche mit Hiroko Utsumi am Klavier (Klasse Prof. Céline Dutilly). Der innig-beherzt-betroffenen Ballade »La Mort d’Ophélie« / »Ophelias Tod« (Ernest Legouvé) (1842) folgt passend zugkräftig eine kleine große Szene in Musik, »Zaïde. Bolero« (Roger de Beauvoir) (1845).

    Loewes »Gutmann und Gutweib«, dies noch ergänzend, höre ich zu Hause mit Yvi Jänicke (Mezzosopran) und Cord Garben noch einmal, die weiteren Pfitzner Lieder mit Julie Kaufmann/Donald Sulzen, Iris Vermillon/Axel Bauni, Christoph Prégardien/Michael Gees und Robert Holl/Rudolf Jansen.

    Und dann werden im Netz CDs mit Beethoven Liedern gesucht, Peter Schreier, Olbertz/Schiff...

    Die Schatzkiste wird bald viel zu klein sein, da muss eine größere her, zeitlich, örtlich und überhaupt. ;)

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • OFFENE KLAVIERWELTEN UND KLANGRÄUME

    Masako Ohta tritt „In Dialogues“ mit ihrem „Poetry Album“, Schwere Reiter (München), 16.4.2019, ein persönlicher Konzerteindruck

    Ihre im Februar 2018 erschienene CD „Poetry Album“ hat die Pianistin Masako Ohta schon an verschiedenen Orten live vorgestellt, nun bietet sie die Vorstellung um eigene Improvisationen erweitert an. Im sehr gut besuchten Raum, der mehr Werkstattcharakter, Studiocharakter hat als das Flair eines klassischen Konzertsaals, der auch weniger abdichtet als andere Säle, womit teilweise abgedämpfter Straßenlärm hereindringt (was aber weniger stört als man annehmen könnte), fasst die bescheiden auftretende Masako Ohta am Steingraeber & Söhne Flügel ihr Programm in Blöcke zusammen, jeweils dem Klaviervortrag kurze herzliche und teilweise durchaus persönliche mündliche Werkeinführungen voranstellend. Es wird aber kein wissenschaftliches Konzert, es stellen sich auch nicht die Fragen interpretatorischer Vergleiche, der Erinnerung an bedeutende Aufnahmen der gespielten Stücke.

    Mit jedem Stück öffnet Masako Ohta einen Klavierraum, in den man, so man offen dafür ist, eintauchen kann. Alles wirkt natürlich, nicht mutwillig forciert, nicht belehrend verdeutlicht. Ein inniges geborgenes Verweilen, Staunen, manchmal auch Erschrecken ob unerwarteter Wendungen in den verschiedenen Stücken ist möglich.

    Masako Ohta strahlt im Wesen und im Spiel eine große Ruhe aus, eine innere Balance, eine sensible Ausgeglichenheit, die sich aufs Publikum überträgt. Hat sie die Stücke zu Ende gespielt, lebt die Substanz weiter, klingt sie in der Stille nach. Die Stille gehört hier noch zu den Stücken. Es hat aber nichts Weihevolles, Zelebriertes, es ist einfach der natürliche Nachklang.

    Die Pianistin hält genau die Abfolge der CD ein, also taucht derjenige der CD wie Konzertprogramm bereits kennt erneut in die Klavierwelten und Klangräume von György Kurtág, François Couperin, Johannes Brahms, Clara Schumann, Johann Sebastian Bach, Arvo Pärt, Maurice Ravel, Toru Takemitsu, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann ein, auf bekannte (wie Bachs 1. Präludium oder Beethovens Für Elise) wie doch eher weiter noch nicht so verinnerlichte Stücke treffend, ansatzweise aufwühlend wie bei Kurtág und Ravel, dann wieder völlig versunken und meditativ wie bei Pärt.

    Die erste Improvisation setzt Masako Ohta nach dem Brahms Intermezzo op. 119/1, sie mutet irgendwie impressionistisch an, und sie changiert eigenartig zwischen der Assoziationsmöglichkeit das könnte schon wohlüberlegt und vorher durchdacht sein und dann aber doch ganz aus dem Augenblick entstanden. Auf jeden Fall kann man sich diese paar Minuten auch gut als ausgeschriebenes Klavierstück vorstellen, so in sich geschlossen wirkt es nach dem Verklingen des letzten Tons.

    Das Fluidum des Konzerts atmet eine derartige Offenheit und Natürlichkeit, dass die Stille im Ausklang nach Pärts Alina die Verkehrsintensivierung draußen (offenbar schaltet die nahe Kreuzungsampel gerade wieder einmal auf Grün) organisch mitnimmt und dies alles nahtlos übergeht in Masako Ohtas zweite ins Programm eingeflochtene Improvisation, in der sie den Resonanzraum des Klaviers ins freie Spiel einbezieht. Sie beendet diese Improvisation mit einem einzelnen stehenden, ausklingenden Ton in der Mittellage und entlässt uns damit „frei schwebend“ in die Konzertpause.

    Nach der Ravel Sonatine und vor den drei Takemitsu-Stücken stellt Masako Ohta auch hier die den letzteren zugrundeliegenden Gedichte sowohl auf Japanisch als auch auf Deutsch vor.

    Und so stilistisch überraschend wie sie direkt von Takemitsu zu Beethovens Für Elise wechselt, schließt sie an dieses wohlbekannte nicht nur durch Millionen Kinderfinger gegangene gerade wieder mit Lang Lang medial enorm hochgespülte hier von Masako Ohta gleichwohl ungemein hochmusikalisch und reif gespielte Stück ihre letzte wieder eher frei und doch erneut etwas in sich geschlossen wirkende offizielle Improvisation des Konzertabends an.

    Wie schon im Lehrinstitut Bencic vertieft Masako Ohta die Stimmung noch einmal mit der ersten Zugabe, der großen Erzählung der Sarabande aus Bachs Partita B-Dur, eine kleine große Ewigkeit in den Raum stellend, ehe sie mit der zweiten Zugabe noch einmal das Klavier ganz öffnet, nicht nur bildlich und akustisch, auch optisch, denn die letzten Klavierräume des Abends werden noch einmal auch aus dem Resonanzraum des Klavier, teilweise durchaus rhythmisch, geholt. Und ein letztes Mal an diesem Abend der offenen Klavierwelten und Klangräume gehört die Stille nach dem Ausklingen des letzten Tons noch ganz zum eben Gehörten.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Hallo zusammen,

    ich mag berichten von einem gestern besuchten Konzert des BR-SO im Münchner Gasteig.

    Alban Berg Konzert für Violine und Orchester "Dem Andenken eines Engels"
    Gustav Mahler Symphonie Nr. 5 cis-Moll

    Daniel Harding, Dirigent
    Leonidas Kavakos, Violine - Artist in Residence
    Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

    Es war dies die dritte Live Mahler V in wenigen Jahren, auch das Berg'sche Violonkonzert habe ich schon einige Male live genießen können, zuletzt vor einigen Jahren mit den Münchner Philharmonikern und dem gleichen Solisten.
    Leonidas Kavakos hat seine Sicht auf das Stück auch im Programmheft dargelegt, ich fasse das hier kurz zusammen. Er sieht in diesem Stück ein Selbstporträt, in dem auch Bergs persönliche Sterblichkeit thematisiert wird.

    Den Anfang des ersten Satzes beschreibt Kavakos als Welt voller Frieden, Ruhe und Reinheit, hier will Kavakos ein Porträt der kleinen Manon Mahler erkennen.
    Auch für das Volkslied vom 'Vogerl auf'm Zwetschgenbaum' sieht Kavakos einen direkten Bezug auf Bergs persönliche Kenntnis der jungen Frau, deren Spitzname Miazale gewesen sein könnte.

    Den aggressiv-lauten Beginn des zweiten Satzes sieht Kavakos als Schilderung von Wut und Verzweiflung (natürlich über den Tod der jungen Frau). 'Über allem steht die große Frage "Warum?"' In der beklemmenden Atmosphäre sieht Kavakos eine Schilderung eines asthmatischen Anfalls.
    In diese aggressiven Passagen dringen dann die ersten Takte des Bach-Chorals 'Es ist genug', auf die die Solovioline erst mit deciso, dann mit doloroso, zuletzt mit dolce antwortet.
    Diese Wandlung in der Reaktion auf den Bach-Choral sieht Kavakos als den entscheidenden Moment des Konzerts. Auf der Basis der in die Welt des Schmerzes eingedrungene Glaubensbotschaft stellt sich die Stimmung des Anfangs wieder ein.

    Sicher muss man Kavakos' Interpretation nicht in allen Details folgen, aber es hilft sehr genau, seiner Interpretation des Konzerts zu folgen. Ich fand den Text sehr hilfreich, auch wenn ich mich nicht darauf festlegen wollte, dass alles exakt genau so von Berg intendiert ist.
    Man durfte den Eindruck haben, dass alle Aufführenden diesem Interpretationsansatz zu folgen bereit waren, was bei der Qualität der Aufführenden zufolge in einer sehr schlüssigen Aufführung kulminierte.

    Für den großen Beifall auch aus dem Orchester bedankte sich Kavakos mit einem Stück aus den Bach'schen Solostücken.

    Nach der Pause saß das Orchester in nahezu Hunderter-Besetzung auf der Bühne, Streicher in 60'iger-Besetzung. Bei meiner letzten Mahler V mit dem BR-SO unter Jansons hatte ich den Eindruck einer sehr routinierten Aufführung eines erfahrenen Dirigenten mit einem Orchester zu sitzen, das genau weiß, was kommt. Sehr gut gespielt, aber eben nicht 'Bewahrung des Feuers', wie das von Mahler einmal genannt worden ist.

    Die gestrige Aufführung war durch recht langsame tempi geprägt, aber durch eine ungeheure Intensität des Musizierens und große Leidenschaft. Akustische Ausfälle, Kiekser in den Hörnern, oder dergleichen, habe ich (praktisch) nicht gehört. Auffallend war, dass es keinerlei Spannungseinbrüche gab wie noch in der Jansons-Aufführung am gleichen Ort. Was ich noch nicht erlebt habe in einer Aufführung dieser Symphonie, dass der Spieler der im Scherzo sehr prägnanten ersten Hornstimme seiner solistischen Aufgabe auch dadurch Nachdruck verliehen hat, dass er diese Passagen im Stehen gespielt hat. Carsten Carey Duffin, der noch sehr junge erste Hornist des Orchesters, hat diese Passagen sehr präzise und tonschön gespielt. Für eine überragende Aufführung könnten diese Passagen noch mehr Übermut haben (ich habe hier die CSO-Aufnahme unter Abbado im Ohr).

    Das Adagietto war tempomäßig wieder auf der langsamen Seite, aber obwohl nur eine Harfe dem großen Streicherchor gegenüber stand, klappte auch hier die Klangbalance ziemlich gut. Im Gegensatz zum Übergang vom ersten in den zweiten Satz kam der Schlusssatz auch wirklich attacca nach dem Adagietto.
    Ich war erstaunt zu erkennen, wie begeistert das Orchester unter Harding agierte, er ist ein häufiger Gast beim BR-SO, die Interaktion ist sehr überschwänglich.

    Heute und morgen noch einmal live im Gasteig, heute ab 20:03 Uhr auch live in BR Klassik. Und im September steht Mahler II auf den Pulten für diese sehr fruchtbare Partnerschaft.

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • ABTÖNUNGEN IM DÄMMERLICHT

    Alice Sara Ott holte ihren am 15.1.2019 abgebrochenen „Nightfall“ Klavierabend am 14.5.2019 im Münchner Prinzregententheater verkürzt nach – und auch das was sie dann doch nicht im Konzert spielt, hört man sich halt danach von der CD an - persönliche Höreindrücke

    Sehr herzlich wird Alice Sara Ott vom fast gesteckt vollen Saal begrüßt. Sie wendet sich am Klavier sitzend mit einem Mikrophon in der Hand zunächst mit ein paar Worten ans Publikum. Für sie beginnt seit dem 15.1. eine neue Reise. München sei ihr Zuhause. Sie fragt, wer schon am 15.1. dabei war, fast der ganze Saal zeigt auf. Das gibt der Stimmung gleich einen ungemein positiven Schub. Als sie ihr Konzert am 15.1. hier geben sollte erhielt sie die MS Diagnose. Den Konzertabbruch wird sie nie vergessen, aber vor allem vergisst sie all die positiven Erinnerungen aus dieser Zeit nicht, den allgemeinen Zuspruch und die zuversichtlich stimmende ärztliche Betreuung seither, die versucht, die Schübe unter Kontrolle halten zu können und ihr zu ermöglichen, ihrer Berufung weiter nachgehen zu können. Sie ersucht um Verständnis das technisch extrem anspruchsvolle Ravel-Paradewerk Gaspard de la nuit im Konzert auszusparen und das Programm in einem einstündigen Block kompakter zu präsentieren. Es geht ihr auf der Nightfall betitelten CD und im dazu gehörenden Konzertprogramm (die Bühne, in blaues Licht gehüllt, versucht, dies auch optisch zu verdeutlichen) um die zwielichtige Dämmerungsstunde zwischen Tag und Nacht.

    Und dann beginnt sie zu spielen. Und dabei vermittelt sie durchgehend gekonnt, hier nicht zu einem Interpretationsvergleich mit großen Kolleginnen und Kollegen mit pianistisch prunkvollem Muskelspiel antreten, sondern ganz einfach eine Stimmung weitergeben zu wollen, eben diese Dämmerlichtstimmung, mit den Abtönungen, den Schattierungen der gebotenen Werke, Claude Debussys Suite bergamasque mit den konzertant bis tänzerisch vorbeiziehenden Sätzen Prélude, Menuet und Passepied und mittendrin dem zauberischen Clair de lune, Debussys träumerischer Rêverie, Erik Saties populären Gnossienne Nr. 1, Gymnopédie Nr. 1 und Gnossienne Nr. 3, den ebenso populären Chopin Nocturnes b-Moll op. 9/1 und Es-Dur op. 9/2 sowie Chopins pianistisch dann doch herausfordernderer in ihrer Melodik und Brillanz so ungeheuer packender Ballade Nr. 1 op. 23 g-Moll.

    Alice Sara Otts pianistische Handschrift ist der klare, nichts verwischende, direkte, vollgriffige und dabei durchaus fein abtönende Zugriff. Manierismen sind ihre Sache nicht, Überbetonungen, allzu hinweisende Verdeutlichungen hat sie nicht notwendig. Ihre hohe Musikalität unterstreicht sie ausgerechnet bei den vermeintlich kinderleichten Satie-Stücken, die die gewünschte Stimmung ganz besonders zu evozieren vermögen, umso intensiver. Und bei der Chopin-Ballade lässt sie dann doch durchblitzen, technisch aber allemal souverän ganz oben mitzuspielen, nach wie vor.

    Ein paarmal haben einzelne Konzertbesucher versucht, zwischendurch anzuapplaudieren, das ist jedes Mal gleich abgeebbt. Nach dem Schlussakkord der fulminant gebotenen Chopin-Ballade entlädt sich der begeisterte Jubel umso befreiter und wird mit einer sofortigen Standing Ovation verstärkt. Ein paarmal wird die Künstlerin begeistert zurückgeholt, dann nimmt sie noch einmal das Mikrophon zur Hand und sagt sie sei am Ende ihrer Kräfte, aber eine Zugabe gibt es noch, kurz, schlicht und wehmütig, Chopins Walzer a-Moll op. posth. Kk4B No.11.

    Die CD (Nightfall, DGG 00289 483 5187, aufgenommen im März 2018 im Meistersaal in Berlin), im Nachklang des Konzerts ganz gehört, bietet als „dämmerlichtig zwielichtig zauberischen“ Rahmen zu Beginn Debussys Rêverie und am Ende Ravels Pavane pour une infante defunte, nach der Rêverie die auch im Konzert zu hören gewesene Suite bergamasque und die drei Satie Stücke und eben die immense Herausforderung von Ravels Gaspard de la nuit als pianistisches Highlight. Alice Sara Ott evoziert hier – heutzutage wird erwartet, im Konzert „die CD geboten zu bekommen“ – genauso von Anfang bis Ende die Stimmung der „blauen Stunde“, es gilt, sich ganz fallenzulassen in diese Atmosphäre, sich vom Zauber der Stimmung mittreiben zu lassen. Clair de lune, die Satie Stücke – Zwielicht pur, auch hier. Und der pianistisch volle klare Zugriff der Pianistin macht Ravels superschweres dreiteiliges Brillanzstück einmal mehr schwindelerregend mitreißend. Die Wassernixe Ondine im Klangrausch, fahl und unheimlich der Totenherzschlag am Galgen und dann die irrwitzige Sprunghaftigkeit des unberechenbaren Kobolds, vor allem das erste und dritte Stück schon mit dem Notenmitlesen zum Hören aberwitzig virtuos – diese Pianistin muss sich alles andere als vor anderen verstecken.

    Ihr Vater erlitt wie die Künstlerin im Booklet schreibt vor den Aufnahmen einen Herzinfarkt von dem er sich Gott sei Dank erholte. Sie selbst ist nun auf ihrer neuen Reise wohin auch immer diese führen wird. Schön wäre es weiter mit ganz viel Klaviermusik.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

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