ALLERLEI KLAVIERWELTEN
Der 15.11.2018 brachte im Kleinen Konzertsaal im Gasteig (München) zunächst ein Ladenschlusskonzert der Musikhochschul-Klavierklasse Prof. Sylvia Hewig-Tröscher und danach ein Studiokonzert der Klavierklasse Prof. Yuka Imamine. Von 18 Uhr bis 22 Uhr konnte man da in allerlei Klavierwelten eintauchen.
Persönliche Eindrücke:
Im kürzeren Ladenschlusskonzert gab es Werke von Debussy, Mozart, Mendelssohn Bartholdy und Paderewski zu hören. Frau Prof. Sylvia Hewig-Tröscher bot jeweils kurze informative Einführungen zu den Komponisten und Werken. Bergamo, Paris, Leipzig und Polen waren die Stationen des Konzerts.
Das Prélude (Moderato) aus der »Suite bergamasque« L.75 von Claude Debussy, das laut Einführung auch Commedia dell'arte Figuren vorstellt, spielte Constantin Baedeker mit spontanem Impetus, als würde er die Musik im Augenblick erschaffen.
Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate a-Moll KV 310 fasziniert den Schreiber dieser Zeilen seit der Jugend mit ihrem dramatischen Duktus im 1. Satz und dem unheimlichen 3. Satz. Diesmal war der 1. Satz (Allegro maestoso) zu hören, gespielt von Lorenz Höß – bewusst nervös und dabei erzählerisch facettenreich, mit Expositionswiederholung. Es ist ein heikles Stück Klavierliteratur, bravourös meisterte Höß alle Klippen dieses energisch-zielstrebigen, immer wieder suggestiv erstaunlichen Sonatensatzes.
Die ausführlichen Variationes sérieuses op. 54 von Felix Mendelssohn Bartholdy mit ihrem elegischen Thema legte Dina Pérazic in der Folge großartig gefestigt hin.
Besonders gespannt war man auf das letzte Werk dieses Konzerts, Jan Paderewskis 1. Satz (Allegro) aus dem Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 17 mit Leonhard Auenhammer und Sylvia Hewig-Tröscher als „Orchester“ am zweiten Flügel. An Chopin, dessen Werkherausgabe eine der bleibend anerkannten Lebensleistungen des Komponisten, Pianisten und Staatsmannes ist, erinnert diese Art der Klavierkonzertkomposition wohl weniger, mehr an Brahms, doch es mag auch an der Fassung für zwei Klaviere liegen, dass das Werk herber und trockener daherkommt. Gleichwohl beeindruckte die tolle pianistische Leistung beider Interpreten, auch im Zusammenspiel.
Ähnlich gut besucht (vielleicht waren einige dabei, die eigentlich zur aktuell das Haus beherrschenden Münchner Bücherschau gekommen waren) war das zweite Konzert, das Studiokonzert. Auch hier, noch deutlicher, öffneten sich allerlei interessante Klavierwelten, von den Werken her wie interpretatorisch.
Mit Frédéric Chopins Nocturne op. 48/1, gespielt von Mina Lichtenberg, konnte man gleich ganz tief in königlich große Klaviermusik eintauchen.
Ein anderes Eintauchen, musikalisch wie von der Interpretenpersönlichkeit her, ermöglichten 1. Intermezzo. Adagio (h-Moll) und 2. Intermezzo. Andantino un poco agitato (e-Moll) aus den Vier Klavierstücken op. 119 von Johannes Brahms. Beseelte Klavierwelten taten sich da mit Carina Sauer auf.
Yeseul Kim spielte danach Wolfgang Amadeus Mozarts Sonate D-Dur KV 576 verblüffend reif, stark, gefestigt, unglaublich abgeklärt und weise wirkend. Die Exposition im 1. Satz wurde diesmal nicht wiederholt.
Und die nächste Welt tat sich mit zwei Sonaten von Giuseppe Domenico Scarlatti auf, mit der keck-verschmitzten Sonate D-Dur K. 491 und mit der Sonate d-Moll K. 213, die demgegenüber wie aus einer anderen Welt zu kommen scheint. Damit begann Xiaoshenshen Huang den ihr gehörenden Block vor der Pause, den sie mit der Nr. 2 Pour les tierces aus den Zwölf Etüden L.136 von Claude Debussy, schon wieder die nächste Klavierwelt öffnend, fortsetzte und mit 1. Pagodes, 2. La soirée dans Grenade und 3. Jardins sous la pluie aus Debussys »Estampes« L.100 auch souverän und interpretatorisch erstaunlich reif wirkend abrundete. La soirée dans Grenade erinnerte den Schreiber an Liveerlebnisse mit Friedrich Gulda in den 80er Jahren, Gulda hat dieses Stück gerne in Konzerten gespielt.
Die Klavierwelt ist so groß, da gibt es so viele Türen, durch die man gehen und immer neu staunen kann.
Georg Friedrich Händels Chaconne G-Dur HWV 435, gespielt erneut sehr gefestigt von Utako Endo als erstes Werk nach der Pause, öffnet eine davon. Nach kurzer langsamer Einleitung geht es flott voran, dann dahinträumend, ganz tief kann man da eintauchen in die Musik, und der Schluss läuft wieder schnell.
Utako Endo spielte auch Ludwig van Beethovens großteils grimmig energische 32 Variationen c-moll WoO 80 mit entschlossener Energie.
Nun öffnete Xintian Zhu mit Frédéric Chopins Drei Mazurken op. 56 (1. Allegro non tanto H-Dur, 2. Vivace C-Dur und 3. Moderato h-Moll) eine nächste musikalische Klaviertür, ihren erneut durchaus selbstbewusst wirkenden neuen Bogen spannend. Hier konnte man speziell ganz, ganz tief in das rätselhafte, geheimnisvolle, ausführlichere dritte Stück, das Moderato h-Moll, abtauchen.
Den Abschluss machte, die letzte Tür öffnend, Zhen Wang mit Felix Mendelssohn Bartholdys Fantasie fis Moll op. 28. Der 1. Satz (Con moto agitato) schwingt sich aus Sehnsuchtsvollem im Mittelteil kurz zu stupend Virtuosem auf, und nach dem 2. Satz (Allegro con moto) gab der 3. Satz (Presto) der Pianistin die Gelegenheit, fast etüdenhaft drauflossausend vor allem technisch und grimmig entschlossen dabei aber immer hochmusikalisch zu beeindrucken.