Ich war gestern spontan in München in einem Konzert in der Münchner Residenz. Jawohl, das geht.
Angekündigt war das Einstimmungskonzert auf die im Oktober stattfindende Residenzwoche, in deren Rahmen auch immer einige Konzerte mit alter Musik stattfinden. Meist sind dort aufstrebende Künstler aus dem Münchner Umland zu hören, so auch gestern. Angekündigt waren Triosonaten und Kantaten von Vivaldi, Felice dall'Abaco und Handel mit dem HIP- Ensemble Concerto München und der Mezzosopranistin Vero Miller.
Das Ensemble bestand aus zwei Geigen, Cello, Kontrabaß, Cembalo/Orgel und spielte zwei kleinere Konzerte Vivaldis: zu Beginn das Concerto für Violine und Orgel d-moll RV 541: schwungvolle, freundlich-überzeugende Musik und Interpretation mag ich das Ganze beschreiben.
Anschließend Handels 1707 in Rom geschriebenes Salve Regina HWV 241, es ist dies einer dieser unglaublich eigensinnigen Geniestreiche, die Handel in Rom als Kirchenmusik geschrieben hat. Vero Miller hat eine wunderbar voll und tief timbrierte Stimme, der Stimmsitz ist fast immer perfekt. Gestalterisch würde ich manches anders machen, wenn ich denn noch Mezzosopran singen könnte ( was über dreißig Jahre nicht mehr geht). Aber für eine Sängerin von gerade einmal Mitte Zwanzig war das eine sehr gute Visitenkarte. Und wie so vieles aus der römischen Kirchenmusik Handels ist das sauschwere Musik, sowohl virtuos, als auch sehr viel Innigkeit und Zartheit allen Beteiligten abverlangend: im Gegensatz zu anderen Vertonungen des Textes verklingt das Stück beinahe im Nichts: keine große Schlussgeste, sondern völliges Zurücknehmen der immer durchsichtiger werdenden Struktur. Und das war schon sehr überzeugend dargestellt.
Zum Abschluss des ersten Teils dann eine Triosonate des Münchner Hofkomponisten Evaristo Felice dall'Abaco: Nr. 11 in G-dur aus dem 1712 in Paris veröffentlichen op. 3. Diese dreisätzige Sonate ist ziemlich virtuos in den beiden Geigenstimmen, besonders die abschließende Ciaconna hat mir in der Interpretation sehr gut gefallen.
Nach der Pause eröffnete die Continuogruppe mit Vero Miller mit Ausschnitten aus der Kantate La Lucrezia HWV 170. Das im August 1709 in Rom kopierte Stück ist wieder eine ziemliche Klippe für eine junge Mezzosopranistin. Vermutet wird eine Entstehung für Margareta Durastanti, die Sängerin, mit der Händel am längsten zusammengearbeitet hat: seine erste Agrippina, die vor dem Eintreffen von Senesino auch bei der berühmten ersten Opernakademie in London noch die männlichen Hauptrollen sang. Auch hier gilt, dass sich Vero Miller sehr gut geschlagen hat: manche lautstärke-mäßigen Ausbrecher waren meinen sehr kundigen Ohren zu unkontrolliert. Wenn es gelänge, die für Lautstärke verwendete Kraft in Intensität der Emotion zu verwandeln, darf man sich auf viele Begegnungen mit der aus Ulm stammenden Sängerin freuen.
Vivaldis Konzert für Violoncello c-moll RV 401 war wieder allein den Instrumentalisten vorbehalten. Hier durfte man den Eindruck haben, dass der Solist mit seiner eigenen Leistung nicht recht zufrieden war, angesichts der vielen virtuosen Passagen war das aber für mich als Zuhörer kaum nachzuvollziehen.
Den Abschluss des Hauptprogramms bildeten zwei Gesangsstücke: Cavallis Arie 'Ardo sospiro' klang für eine Oper der 1640'er Jahre erstaunlich modern, im Programmheft stand, dass sie von Vivaldi für dessen Oper 'Tamerlano' Verwendung fand. Und die kleine Kantate 'Fileno, idolo mio' von Agostino Steffani, der in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. auch einen längeren Abschnitt seines Lebens am Münchner Hof zubrachte. Auch hier war Vero Miller wieder eine überzeugende Interpretin, es gab großen Beifall im höchstens zu 50 Prozent gefüllten Saal. Als Zugabe gab es eine ziemlich überzeugende Interpretation des Lamentos der Purcell'schen Dido: 'When I am laid to earth'. Dem 'remember me' mag ich gerne nachkommen ....
Gruß Benno