Das Griller Quartet (1928 - 1961)
Bis vor kurzer Zeit war mir das Griller Quartet völlig unbekannt. Dabei galt es in seiner aktiven Zeit als eines der renommiertesten Streichquartette. „One of this century's most distinguished string quartets“ (C. Rowland in einem Nachruf auf den Primarius Sidney Griller im “Independent” 1993), das ist der Tenor der Einschätzungen der Qualität dieser Formation.
Vier Studenten der Royal Academy of Music in London gründeten 1928 das Quartett: Sidney Griller, Jack O’Brien, Philip Burton und Colin Hampton. Sie etablierten sich in Europa, gelangten aber erst durch ihre intensive Tätigkeit in den USA ab 1939 zu Weltruhm. Sie tourten mehrfach durch die USA, 1951 auch weltweit, und gaben zeitweise 200 Konzerte im Jahr. Das Quartett arbeitete mit anderen namhaften Instrumentalisten zusammen, unter ihnen Pablo Casals, Yehudi und Hephzibah Menuhin, William Primrose, Clifford Curzon und Dennis Brain, und führten neben Standardrepertoire insbesondere der Wiener Klassik auch häufig zeitgenössische Werke auf. Komponisten wie Darius Milhaud, Ernest Bloch, Roger Sessions und Arthur Bliss widmeten ihnen Streichquartette.
Im Jahr 1949 wurde die Formation „Quartet in Residence“ an der Berkeley University in Kalifornien, für ein Streichquartett damals ein Novum. Nach dem Selbstmord des Bratschisten Philip Burton löste sich das Quartett 1961 auf. Primarius Sidney Griller kehrte 1964 über Dublin an die Londoner Royal Academy zurück und übte dort eine langjährige und erfolgreiche Lehrtätigkeit aus. Zu den Kammermusikformationen, die er unterrichtete, gehören Quartette wie Alberni, Coull, Fitzwilliam und Lindsay. Von Colin Hampton, der sich in den letzten Lebensjahren insbesondere dem Komponieren widmete, gibt es autobiografische Aufzeichnungen. Zur Atmosphäre im Griller Quartet äußerte er: „Disagreements arise. Our first violin, Sidney, was not the easiest of people, and I learned early on that it was going to spoil my life unless I could forget it as soon as I left the room.” Als zumindest Mitursache für die Seelenqualen und den Selbstmord seines Bratschistenkollegen nimmt er dessen Unfähigkeit an, sich von den Missstimmigkeiten während der Quartettarbeit innerlich zu distanzieren.
Ich finde, dass man diese wohl ziemlich vergiftete Atmosphäre zumindest den Aufnahmen, die ich mit dem Ensemble besitze, nicht anhört. Der Quartettklang wird nicht vom Primarius dominiert, die Balance ist hervorragend, es wird äußerst akkurat und klar, aber dennoch mit viel Impetus, Energie und Beteiligung musiziert.
Für mich eine Entdeckung, die ich übrigens Hörempfehlungen aus diesem Forum verdanke.
Quellen:
Begleittext zur Vanguard-Aufnahme der Haydn-Quartette Op. 71 und 74
Buchbesprechung zu Colin Hamptons „A Cellist’s Reminiscences“ in San Francisco Classical Voice
Nachruf auf Sidney Griller von Christopher Rowland vom 23.11.1993 in „The Independent“