Eben gewälzt

  • Wollte nur nachtragen, dass Lem in Solaris schon Religion oder Religiöses anspricht, aber ich glaube nicht wirklich was daraus macht. Allerdings kann es gut sein, dass ich nicht richtig oder nicht weit genug mitgedacht habe.

    Ich muss mir das nochmal überlegen, wie es sich damit verhält. Es gibt 2 Stellen.
    Eine dreht sich um einen früheren Solaris Wissenschaftler und seine Überlegungen zu den Grenzen des anthropomorphischen Denkens. Jegliche Erkenntnis jenseits der Grenze sei nur durch Glauben und andere religionsähnliche Aspekte zu handhaben....oder so. Es wird ein Vergleich aufgestellt zwischen den Prozessen, die religiöses Denken ermöglichen und solchen, die man anwenden könne, um Anthropomorphismus zu überwinden. Aber wie gesagt, das muss ich nochmal lesen. Die andere Stelle dreht sich um die Überlegung des Protagonisten, ob es einen unvollkommenen Gott gäbe. Und hier wird ein Vergleich zum Ozean-Alien aufgestellt. Hm.

    Kann durchaus sein, dass das alles nur daraufhinaus will, dass Religion eben auch anthropomorphisch und deshalb ebenso unzulänglich ist - ich meine es ist in der Tat so gemeint von Lem. Aber bin mir nicht 100% sicher....

    :wink:

  • Na, beides geht ja nicht. Entweder er hat was verpackt, oder er hat es nicht verpackt. Er hat es nicht. Heiner Müller erwähnt in seinen »Fünf Punkten zur Oper« die Anekdote von einer berühmten russischen Tänzerin, die gefragt wurde, was sie mit ihrem Tanz habe ausdrücken wollen. Ihre Antwort war: »Wenn ich es hätte sagen können, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht zu tanzen.« Es ist in einem Kunstwerk nicht etwas verpackt, was man auspacken könnte. Wenn das klappt, ist es kein Kunstwerk, zumindest keins, dass der Rede wert wäre. Wenn ich eine »Aussage« vom Kunstwerk isolieren und schwarz auf weiß oder wie auch immer, nach Hause tragen kann, stimmt was nicht. Und wer sein Werk auf diese Weise konzipiert, dass er eine philosophische oder politische oder sonstige Idee hat, die er dann in Kunst wickelt, ist kein Künstler, und bei seinen Bemühungen kommt auch nichts heraus.

  • Erstaunlich wenig Hardy hier. ;(

    Das reizt mich, mal wieder einen jener Romane herauszuholen, den ich seit den Tagen meines Englisch-Studiums uneingeschränkt liebe. Ist schon länger her, dass ich ihn gelesen habe. Insofern ist ein Revival ohnehin überfällig. Volià:

    :wink: Agravain

    Hab ich erst jetzt gesehen. Hardy find ich auch fantastisch: Tess, Jude the Obscure, Mayor, Return of the Native habe ich alle mit großer Begeisterung gelesen. Den Dorset Slang fand ich im ersten Buch hammerhart zu verstehen, konnte mich aber durchbeißen und verstand das Ganze am Ende problemlos.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Als Jugendlicher haben mir sowohl das Buch "Solaris" von Lem wie auch der Film von Tarkovski sehr gut gefallen. Als Vorbereitung des Besuchs Glanerts gleichnamiger Oper vor ein paar Jahren in Köln habe ich, nach einigen Jahrzehnten, das Buch noch einmal gelesen sowie den Film gesehen, und zwar mit einer gewissen inneren Erregung, da ich die jugendlichen Emotionen immer noch in mir trug.

    Das Thema finde ich eigentlich sehr interessant, aber die Interpretationen in allen drei Kunstdisziplinen haben mich nicht mehr annähernd in die Entzückung versetzt wie damals. Im Buch hinderte mich die nicht allzu elegante Sprache, bis zum Ende durchzuhalten, der Film vermittelte das Konkrete als allzu Konkretes (und weniger mataphysisches), und die Musik der Oper hatte zwar intensive sinnliche und "metaphysische" Momente, die aber plötzlich zwischenzeitlich von aufweckenden Jazznummern und so destabilisiert wurden.

    Kurzum: In jugendlich-schwärmerischer Zeit hat mich Solaris im positivster Hinsicht gefangengenommen und fasziniert; als nun eher mehr auf die Zusammenhänge Achtender begeistert es mich als Idee nach wie vor, aber in der Ausführung in den drei Disziplinen, weniger.

    Uwe

    Wenn alle ein klein wenig verrückter wären, dann wäre die Welt nicht so durchgedreht.

  • Hm.
    @Argonaut : Nur vorab, ich meinte es nicht so trivial, wie Du es nun darstellst. Natürlich ist da keine Nachricht komplett als Packet versteckt, die man nur auspacken muss. Ich meinte es so, wie ich es sagte: Es steckt viell drin. Ob es bewusst dahinein gelangte, weiss iich nicht. Weisst Du denn das Gegenteil bei Lem? Das wäre ja sehr interessant zu wissen.

    Na, beides geht ja nicht. Entweder er hat was verpackt, oder er hat es nicht verpackt. Er hat es nicht. Heiner Müller erwähnt in seinen »Fünf Punkten zur Oper« die Anekdote von einer berühmten russischen Tänzerin, die gefragt wurde, was sie mit ihrem Tanz habe ausdrücken wollen. Ihre Antwort war: »Wenn ich es hätte sagen können, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht zu tanzen.« Es ist in einem Kunstwerk nicht etwas verpackt, was man auspacken könnte. Wenn das klappt, ist es kein Kunstwerk, zumindest keins, dass der Rede wert wäre. Wenn ich eine »Aussage« vom Kunstwerk isolieren und schwarz auf weiß oder wie auch immer, nach Hause tragen kann, stimmt was nicht. Und wer sein Werk auf diese Weise konzipiert, dass er eine philosophische oder politische oder sonstige Idee hat, die er dann in Kunst wickelt, ist kein Künstler, und bei seinen Bemühungen kommt auch nichts heraus.


    Ja und nein. Ist mir zu pauschal. Zu undifferenziert.

    Es gibt Künstler, die nichts über ihr Werk sagen können oder nur begrenzt etwas sagen können. Es gibt Künstler, die nichts sagen wollen. Oder nur begrenzt etwas sagen wollen.
    Es gibt Künstler, die etwas sagen. Ob man die Aussage nachvollziehen kann, ist etwas anderes. Ob es alles ist, was man dazu sagen könnte , ist etwas anderes.

    Ich stimme Dir zu, dass man nicht versuchen sollte, ein Kunstwerk auf eine einzige Aussage dazu einzuschränken.

    Es gibt Künstler, die sehrwohl eine Aussage verpacken. Die nichts anderes im Sinn haben, als eine Aussage verpacken zu wollen. Und wir alle kennen ein schönes Beispiel dafür . Er hat es selber gesagt.
    Dass er es wollte, heisst nicht, dass es ihm gelungen ist. Man kann aber danach suchen und bei ihm sogar sehr viel finden. Es ist aber nie eindeutig, was man findet. Je weniger eindeutig, desto besser wahrscheinlich das Kunstwerk. Vermute ich.

    Es kommt ausserdem noch hinzu, dass es völlig auf die empfangende Person ankommt, was im Kunstwerk wirklich verpackt ist. Das ist wohl klar.
    Wie gesagt, es muss ja nicht bewusst verpackt worden sein. Und man muss es auch nicht in Worte fassen können.

  • Helena Kuchar: Jelka – Aus dem Leben einer Kärntner Partisanin


    Eine umfassende geschichtliche Darstellung des Widerstandes in Kärnten durch die Partisanen gegen die Nationalsozialisten ist noch nicht geschrieben, aber man kann ja auf mehrere Einzelwerke zurückgreifen. Heute abend habe ich dieses Buch gelesen, das Thomas Busch und Brigitta Windhab in den frühen 1980er Jahren nach Tondbandprotokollen verfasst haben. Die Ich-Erzählerin ist Helena Kuchar (1906–1985), die als einfache Frau (sie hatte keine Schule besucht), als autochthon (!) slovenische Kärntnerin zuerst die Wirtschaftskrise der 1930er miterlebt, aufgrund ihrer slovenischen Abstammung in nationalsozialistische Verfolgung gerät, sich schließlich den Partisanen anschließt, in die Fänge der Gestapo gerät, wie durch ein Wunder mehrmals knapp dem Tode entrinnt, den Krieg überlebt und auch nach Kriegsende weiterhin aufgrund ihrer slovenischen Abstammung, zu der sie sich offen bekannte, Nachteile erfährt.

    Das Erscheinen dieses Buches in der Mitte der 1980er Jahre rief in Kärnten Protest hervor, dazu ein kurzer Auszug aus dem Vorwort zur Neuauflage 2009: „Wenig überraschend erhielten wir zahlreiche meist anonyme Briefe und Anrufe mit Schmähungen und Drohungen. Es kam sogar zu einer Klage gegen Helena Kuchar und uns als Verfasser, durch die unter anderem eine Beschlagnahme des Buches erwirkt werden sollte. In seiner Ehre verletzt fühlte sich ein als rechtsextrem bekannter Sohn des ehemaligen NS-Gauleiters Friedrich Rainer. Der Prozess in Klagenfurt endete mit einem Freispruch für die Beklagten und damit, dass gegen den Kläger, der vor Gericht die Existenz von Konzentrationslagern geleugnet hatte, Erhebungen wegen Wiederbetätigung aufgenommen (und bald danach wieder fallen gelassen) wurden.“. Nichtsdestoweniger wird auch auf die positive Resonanz dieses Buches hingewiesen, das auch eine (längst überfällige) Debatte über die Vorkommnisse in Kärnten in Zeiten des Krieges wenigstens zu einem kleinen Teil auslöste. Dem Drava-Verlag ist auf das herzlichste zu danken, dass er dieses so wichtige und eindringliche Zeitdokument 2009 neu auflegte. Ich kann jedem nur empfehlen, dieses Buch zu lesen (in Kärnten sollte es zur schulischen Pflichtlektüre gehören), die 19,80 Euro sind jeden Cent wert.

    Die Erzählweise ist ziemlich das genaue Gegenteil von der Peter Handkes: Handke schwafelt gern und beschreibt für die Handlung Irrelevantes sehr genau bzw. lässt er nicht selten eine Handlung überhaupt vermissen. Genau umgekehrt ist es hier: Die Ich-Erzählerin Helena Kuchar (Partisanenname „Jelka“) erzählt in ungekünstelter Sprache linear (nur einen Vorverweis habe ich bemerkt: dass die 18jährige Mici, die als geheimer Kurier für die Partisanen arbeitet, im Konzentrationslager ermordet werden wird, wird erwähnt) ihr Leben mit Schwerpunkt 1942–1945; es ist somit klar eine persönliche dokumentarische, anschaulich geschilderte Einzeldarstellung aus der Sicht nur eines Menschen, und in dieser Hinsicht unterscheidet sich das Buch von den großartigen Romanen Drago Jančars, die zwar dasselbe Thema behandeln, aber natürlich meisterhaft aufgebaut sind, literarisch ausgefeilt verschiedene Erzählstränge und Perspektiven meisterhaft verknüpfen und in einen großen historischen Zusammenhang betten.

    Das Buch ist natürlich nichts für schwache Nerven, weil die Grausamkeit und die Verbrechen ohne jede Sentimentalität eben so geschildert werden, wie sie waren – aber eben genau deshalb soll man es lesen! Kürzlich habe ich erfahren, dass in Christiane F.s „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ eine Vergewaltigungsszene zensiert wurde, und das ist in „Jelka – Aus dem Leben einer Kärntner Partisanin“ nicht der Fall, wobei die für mich erschütternste Szene die bestialische Ermordung eines Dreizehnjährigen (der wohl kein größeres Verbrechen begangen hatte als als Kärntner Slovene geboren zu werden, dessen Eltern sich den nationalsozialistischen Machthabern gegenüber nicht anpassungsfähig zeigen) durch das Freilassen und Loshetzen einer Hundemeute im Gefängnis war. Aber auch davon abgesehen spart die Erzählerin nicht mit Details aus dem Krieg, von denen aber unbedingt gelesen gehört, denn unser Ziel mögen (insbesondere in Corona-Zeiten!) nicht selbstdarstellerische und gewalttätige Demonstrationen gegen Rassismus sein, sondern ein reflektiertes Verhalten, wie wir Kriegszustände fortan vermeiden und uns gegen totalitäre Ideologien jeder Richtung wehren können (das fängt schon mit dem unsäglichen und saudummen Gendern an, das immer tiefgreifender unsere Sprache verunstaltet und mit Ideologie belastet). Ein äußerst eindrucksvolles Anschauungsbeispiel dafür, was passiert, wenn das abstakt Böse heraufzieht, schon da ist, der Riss breiter wird und von diesem Riss die Welt bebt und weggleitet (so Drago Jančar in Kapitel 76 des „Nordlichts“ in bezug auf den Zweiten Weltkrieg), liefert dieses Zeitdokument der Kärntner Partisanin, das ich JEDEM dringend ans Herz lege.

    Im Anhang befindet sich eine 15seitige Übersicht über die Ereignisse 1918–1955 in Jugoslavien, Österreich und Kärnten, die dem (nicht in allen Details sattelfesten) Leser dabei helfen, die beschriebenen Ereignisse geschichtlich einzuordnen.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Es gibt Künstler, die nichts über ihr Werk sagen können oder nur begrenzt etwas sagen können. Es gibt Künstler, die nichts sagen wollen. Oder nur begrenzt etwas sagen wollen.
    Es gibt Künstler, die etwas sagen. Ob man die Aussage nachvollziehen kann, ist etwas anderes. Ob es alles ist, was man dazu sagen könnte , ist etwas anderes

    Die "Aussage" eines Kunstwerkes spricht nicht aus dem, was der Künstler darüber sagt oder nicht sagt, sondern aus dem Werk. Und wenn er etwas darüber (oder über irgendetwas anderes) sagt, ist das übrigens niemals "alles, was man dazu sagen könnte".

    Es gibt Künstler, die sehrwohl eine Aussage verpacken. Die nichts anderes im Sinn haben, als eine Aussage verpacken zu wollen. Und wir alle kennen ein schönes Beispiel dafür . Er hat es selber gesagt.

    Vielleicht kann ein hilfsbereiter Moderator diesen Teil in einen der Rätsel-Threads verschieben?

  • Die "Aussage" eines Kunstwerkes spricht nicht aus dem, was der Künstler darüber sagt oder nicht sagt, sondern aus dem Werk. Und wenn er etwas darüber (oder über irgendetwas anderes) sagt, ist das übrigens niemals "alles, was man dazu sagen könnte".

    Sehe ich etwas differenzierter, denn ich gehe weiter:
    Im Endeffekt hängt die "Aussage" eines Werks vom Individuum ab, der das Kunstwerk empfängt. Von seinem Verständnis des Werks. Das ist die allerletzte Instanz:. Was der Empfänger damit macht und was er darin erkennt. In diese Rezeption spielen aber sehr viele Dinge hinein, und dazu gehört auch, was der Schaffende des Kunstwerks eventuell dazu geäussert hat. Es ist im Grunde grenzenlos, was in die Rezeption hineinspielt oder hineinspielen kann.

  • Im Endeffekt hängt die "Aussage" eines Werks vom Individuum ab, der das Kunstwerk empfängt.

    Das ist kein Widerspruch zu dem, was ich geschrieben hatte: Die Aussage "spricht" aus dem Werk. Das impliziert, dass sie zu jemandem spricht.

    Es ist im Grunde grenzenlos, was in die Rezeption hineinspielt.

    Eben, und deshalb ist das Bild von der "verpackten" Aussage, die man folglich nur "auspacken" muss, um sie zur Hand zu haben, schief.

  • Eben, und deshalb ist das Bild von der "verpackten" Aussage, die man folglich nur "auspacken" muss, um sie zur Hand zu haben, schief.

    Ich sagte schon, dass das eine grobe und eigentlich unfaire Tivialisierung meiner Aussage ist. Das habe ich so nicht gesagt und nicht gemeint, was man daraus erkennen kann, was ich sonst noch so alles dazu geschrieben habe.

    Ich meinte und meine immernoch, dass in einem Werk viel drin steckt / stecken kann.

    Das "Verpacken" war eine umgangssprachliche Äusserung, die sagen sollte, was wohl auch einge andere ausser Dir und Argonaut wohlwollend entgegengenommen haben, dass man einige Ideen in Solaris eigentlich auch als Sachbuch hätte abhandeln können. Es wurde aber als ScFi vermittelt. Ob die Ideen bewusst vermittelt werden wollten, weiss ich nicht, habe ich auch mehrmals schon gesagt. Es steckt aber dennoch in Solaris drin. Und man kann es finden, wenn man sucht, oder per Zufall sofort erkennen usw.
    Übrigens ist ein Grossteil der Ideen über Anthropomorphismus ganz klar ausgedrückt und bedarf keiner Interpretation. Man kann also davon ausgehen, dass Lem das Thema schon ganz bewusst abhandeln wollte. Deshalb kommt ja auch beim Lesen die Frage auf, warum er nicht gleich ein Sachbuch darüber geschrieben hat. Auf jeden Fall ist mir die Idee gekommen.

    Das ist kein Widerspruch zu dem, was ich geschrieben hatte: Die Aussage "spricht" aus dem Werk. Das impliziert, dass sie zu jemandem spricht.

    Das sagts Du jetzt! Deine Aussage beschränkte sich zunächst auf das Werk, und Du hattest den Empfangenden nicht erwähnt, allerdings den Schaffenden. Du sagtest ausdrücklich vorher:

    Die "Aussage" eines Kunstwerkes spricht nicht aus dem, was der Künstler darüber sagt oder nicht sagt, sondern aus dem Werk.

    Du kannst natürlich gerne im Nachhinein ausweiten, was Du eigentlich meintest. Nämlich, so wie ich jetzt verstehen soll, dass der Begriff "das Werk" sehr viel mehr bedeutet, als nur das Werk, sondern auch das Umfeld. Wie ich von Anfang an behauptete.
    Dass Umfeld kann man, muss man aber nicht mit einbeziehen, und es ist individuell bestimmt.

    Schau mal, was Du hier geschrieben hast.

    Und schließlich hat César Franck diese Sonate nach eigenem Bekunden als eine Art Lebensprotokoll eines Liebespaares konzipiert (und Eugène Ysaÿe zu dessen Hochzeit geschenkt), innerhalb dessen dieser dritte Satz das drohende Scheitern der Liebe symbolisiert (wobei nicht ganz klar ist, mit wie viel Augenzwinkern er dieses "Programm" vorgestellt hat). Mir reicht das wie gesagt alles dennoch nicht aus, um sicher zu sein, aber mehr als eine "schwache, schemenhafte Ähnlichkeit" ist das allemal. Und auch mehr als alle vermeintlichen Anspielungen auf das Mädchen-Thema im Quartett. Im Grunde ist es aber auch völlig egal, ob das "Absicht" ist oder nicht: Wenn man beim Spielen bzw. Hören diesen Zusammenhang herstellt, ist er auch vorhanden, sonst eben nicht.

    :wink:

  • Das sagts Du jetzt! Deine Aussage beschränkte sich zunächst auf das Werk, und Du hattest den Empfangenden nicht erwähnt, allerdings den Schaffenden. Du sagtest ausdrücklich vorher:

    Ja, und das impliziert wie gesagt, dass das Werk zu jemandem spricht. Dass dieser jemand es mit eigenen Sinnesorganen wahrnimmt, ist eine Banalität, die nebenher auch noch gegen Deine Metapher vom "Verpacken" spricht: Hätte der Autor da einfach etwas für den Leser "verpackt", dann müsste es nach dem Auspacken wieder so vorhanden sein wie davor. Das ist nicht der Fall, wie Du selbst bestätigt hast. Also ist die Metapher wohl unglücklich gewählt.

  • @Argonaut, @ChKöhn, was ist für euch das Ziel bei der Interpretation eines Kunstwerkes?

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Ja, und das impliziert wie gesagt, dass das Werk zu jemandem spricht. Dass dieser jemand es mit eigenen Sinnesorganen wahrnimmt, ist eine Banalität, die nebenher auch noch gegen Deine Metapher vom "Verpacken" spricht: Hätte der Autor da einfach etwas für den Leser "verpackt", dann müsste es nach dem Auspacken wieder so vorhanden sein wie davor. Das ist nicht der Fall, wie Du selbst bestätigt hast. Also ist die Metapher wohl unglücklich gewählt.

    Äh...... 8| :D .
    Wir können gerne beide immer wieder dasselbe sagen.

    Ich darf wohl jetzt einfach mal davon ausgehen, dass jemand Deines Kalibers meine Erklärungen verstanden hat und das Trivialisieren meiner "Verpackung" und dem "Auspacken" dieser nun beendet werden kann.

    Kommen wir doch zum Wesentlichen 8o , und das ist wie Du Deine C Franck Aussage, die ich zitiert habe in Deine Ansicht einbetten möchtest. Diese war, dass nur "das Werk" spricht, und für Dich schliesst das nun - nach dem letzten Stand - auch den Rezipienten ein. Das ist natürlich, was ich von vorne herein sagte.
    Was ist nun aber weiterhin mit dem Schaffenden und seinem Umfeld? Gehört der nun auf einmal auch dazu?
    Dann wären wir ja einer Meinung. Hallelujah :) .

    :wink:

  • Was ist nun aber weiterhin mit dem Schaffenden und seinem Umfeld? Gehört der nun auf einmal auch dazu?

    Ich verstehe die Frage nicht. Und ich warte auch immer noch auf die Lösung des Rätsels, welche Künstler "nichts anderes im Sinn" hätten als "eine Aussage verpacken zu wollen". Ein einziger würde mir schon reichen.

  • Im Endeffekt hängt die "Aussage" eines Werks vom Individuum ab, der das Kunstwerk empfängt.

    Wenn dieser Satz richtig wäre, hinge die sog. »Aussage« eines Werkes nicht von diesem Werk ab. Da habe ich doch starke Zweifel.

    Übrigens ist es vollkommen egal, ob man davon sprichst, es »stecke viel drin«, oder es sei »viel darin verpackt«. In beiden Fällen geht die Auffassung davon aus, dass das Werk eine Hülle für etwas darin sei, das man entdecken und herausnehmen kann. Das entspricht der Auffassung der realsozialistischen Kulturpolitik und der Ästhetik, die als deren Grundlage gezimmert wurde. Da sprach man von der »Dialektik von Inhalt und Form«, und stellte sich vor, dass für einen präkonzipierten Inhalt die angemessene Form gefunden werden muss, wobei sich nebenbei ergab, dass es auch Form ohne Inhalt geben kann, was dann als Formalismus abgelehnt werden konnte. Immerhin war diese Auffassung gut geeignet, die »Kunst ist Waffe«-Ideologie zu stützen und hatte gut handhabbare Kriterien, um die Ergebnisse der Kunstproduktion als richtig und falsch zu bewerten. Das Problem ist nur, dass der künstlerische Prozess so nicht funktioniert. Das Kunstwerk ist nicht die Hülle für einen »Kern der Sache«, der dann die »Aussage« wäre. Wenn man die »Hülle« wegnimmt, hat man es ebenso verloren, wie wenn man den »Kern der Sache« herauspräpariert. Der Tanz jener Tänzerin ist erst dann als Kunstwerk sinnvoll, wenn sich der Sinn nicht mehr von diesem Tanz trennen lässt.


    Und ich warte auch immer noch auf die Lösung des Rätsels, welche Künstler "nichts anderes im Sinn" hätten als "eine Aussage verpacken zu wollen". Ein einziger würde mir schon reichen.

    Ich zähle mal ein paar auf, die mir einfallen: Hans Marchwitza, Max Zimmering, Theodor Körner, Konstantin Fedin und einige andere, die zu Recht vergessen sind. Auch Richard Euringer soll nicht unerwähnt bleiben… Und auch die zahllosen Verfertiger von sozialistischen (oder auch nationalsozialistischen oder einfach patriotischen, staatstragenden) Propagandaoratorien, -kantaten, -opern, .sinfonien, -balletten usw. gehören in die Liste. Ob sie so etwas meint?

  • Ich verstehe die Frage nicht. Und ich warte auch immer noch auf die Lösung des Rätsels, welche Künstler "nichts anderes im Sinn" hätten als "eine Aussage verpacken zu wollen". Ein einziger würde mir schon reichen.

    Also: reboot. Wir wollen uns doch nett unterhalten, oder ?

    Du sagtest, dass nur das Werk Aufschluss über seine Aussage geben könne. Inzwischen kommt es auch Deiner Meinung nach auf den jemand an , der das Werk rezipiert. Gut, finde ich auch.

    Ich finde aber, und das ist jetzt schon das x. mal, dass ich das sage, es kommt auf das gesamte Umfeld des Werkes an, also auch auf den Schaffenden und was er dazu selber gesagt hat, nur als ein kleines Beispiel des Umfelds. Aber das bedeutet nicht, dass man irgendetwas (ausserhalb des eigentlichen Werkes im engeren Sinne) konsultieren muss, um eine Aussage zu finden, nur dass man es kann. Und dass das alles die Rezeption und damit die Aussage des Werks beeinflusst.

    Du erwähntest nun unter C Franck Sonate die Enstehungsgeschichte und fragtest Dich, ob man sie heranziehen könne bei Deiner sehr interessanten Tristan Beobachtung, die mir wirklich ernsthaft gefallen hat.
    Wie bettest Du nun diese Sache ein in Deine Bemerkung hier im Thread, dass die Aussage des Werks nur im Werk selber zu finden sein dürfe? Du hast doch selber bei C Franck, nachdem Du was von Tristan gehört hast, nach rechts und links geschaut, um weiter Indizien zu finden, dass Dein Gehörtes Sinn machen könne. Du hast aber auch, und das finde ich besoders gut, selbstkritisch gesagt, dass Du nicht unbedingt danach gehen wirst. Du hast Zweifel angemeldet, und diese habe ich in meinem Zitat mitkopiert, weil ich sie gut fand. Denn wie wir alle sagten, auch @Argonaut, nichts ist selbst dann eindeutig, wenn man etwas im Umfeld findet. Aber es ist ein Aspekt des Werkes, der Dich, selbst wenn Du es bewusst nicht willst, dennoch beeinflusst in Deiner Rezetion des Werkes. Du kannst es nicht "ungewusst" machen. You can't undo the knowledge once you have it.

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