Wagner: "Die Walküre" - Staatstheater Nürnberg, 05.04.2014 (Premiere)
Jetzt hat es doch wieder viel länger gedauert, als ich dachte. Aber nun bring ich's hinter mich, wenn auch in erheblich kürzerer Form als beim "Rheingold" ... ;+)
Am 5. April hatte also der zweite Teil des neuen Nürnberger "Rings" unter der Regie von Georg Schmiedleitner und der musikalischen Leitung von GMD Marcus Bosch Premiere. Um das Fazit gleich vorwegzunehmen: Gesanglich legte die Produktion gegenüber dem "Rheingold" erfreulicherweise zu, szenisch war sie dagegen - trotz einzelner schöner Stellen und einem starken Schlussbild - eher ein Rückschritt. Denn der vielversprechende Ansatz aus dem Vorabend, den "Ring" als eine ökologische Katastrophe zu erzählen, verläuft sich bereits am 1. Tag im Nirgendwo. Zwar residiert Wotan in einem Beton-Bunker und im Bühnenhintergrund sind als eine Art Analogie zum Plastikfalschenteppich aus dem Rheingold Berge von Autoreifen zu sehen, doch die konzeptionelle Saat, die im Rheingold gestreut wurde, wird leider nicht konsequent weiterentwickelt, sondern verkümmert als Randnotiz neben dem Drama der Figuren. Das ist bedauerlich, denn ein wirklich großer "Ring" ist für mich mehr als die Summe seiner Teile, verfügt über eine Kernidee, die die gesamte Tetralogie durchzieht. Vielleicht liege ich auch falsch und Schmiedleitner schafft den großen Bogen doch noch - nach der "Walküre" habe ich daran jedoch ernsthafte Zweifel. Erschwerend kommen - für Schmiedleitner sehr ungewöhnlich - auch noch einige handwerkliche Schwächen dazu. So geht z.B. das Eingreifen Brünnhildes und Wotans in den Siegmund-Hunding-Zweikampf am Ende des 2. Aktes vor einer riesigen Projektion der zwei Kombatanten im düsteren Bühnenhintergrund unter. Dem 3.Akt, der sich ja ganz essentiell um Brünnhildes Aufbegehren gegen Wotan durch dieses Eingreifen dreht, wird somit die kontextuelle Grundlage geraubt. Auch die "Abstellmulde" für Wotans Speer über dem Soffleuse-Kasten wirkt etwas hilflos: Dort wird der Speer regelmäßig "zwischengelagert", wenn nicht mit ihm hantiert wird. Schmiedleitners Inszenierung ist nicht wirklich schlecht, sie ist stellenweise für sich genommen sogar gut (das trashige Riesen-Billbord-Plakat mit der Aufschrift "Wir rufen Dich!" passt z.B. sehr gut zu den wilden Walküren im 3.Akt) und meistens auch unterhaltsam, aber bemerkenswerte Ideen und Erkenntnisse im Hinblick auf einen konzeptionellen Überbau sind schwerlich zu finden, bzw. einfach nicht klar herausgearbeitet.
Dass die Premiere trotzdem ein Erlebnis wurde, hat die Produktion der musikalisch-sängerischen Seite zu verdanken. Das lag zum einen an Marcus Boschs temperamentvollem, aber doch transparentem Dirigat, meiner Meinung nach seine beste Leistung seit Amtsantritt in der Frankenmetropole (das "Rheingold" war aber auch schon klasse). Einzig die Winterstürme waren mir etwas zu gehetzt. Sängerisch wurden vor allem die Akte 2 und 3 zum Hochgenuss, das Highlight des Abends war sicherlich die phänomenale Leistung von Rachael Tovey als Brünnhilde - diese Brünnhilde hat ohne wenn und aber internationales Format, man ist fast geneigt, von "Weltklasse" zu sprechen. Vom zarten Piano bis zur strahlend-kraftvollen, dennoch jugendlich-dramatisch gefärbten Höhe erwies sie sich als stimmlicher Glücksfall für die Rolle. Dass Tovey körperlich zur Fraktion der recht stämmigen Brünnhilden zählt und in ihrem Aktionsradius dadurch manchmal etwas eingeschränkt ist, sei da gerne verziehen. Auch schauspielerisch wusste sie zu überzeugen. Eine weitere grandiose Gesangsleistung lieferte Antonio Yang als Wotan, der im "Rheingold" noch den Alberich gab. Man mag sich kaum vorstellen, was dieser Wotan hätte sein können, wenn Yang darstellerisch auf gleichem Niveau agiert und der Figur mehr Facetten und Tiefe verliehen hätte ... Das dritte Glanzlicht des Abends war die Fricka von Roswitha Christina Müller, die einmal mehr mit ihrem herrlichen Mezzo und keckem Spiel zu begeistern wusste. Ein eingeschränktes Lob verdiente sich Ekatarina Godovanets als Sieglinde, die ihre Partie gut bewältigte, der jedoch bei den Ausbrüchen manchmal die letzte Power fehlte, um einen wirklich vom Hocker zu reißen. Ihr Spiel mutete zudem mitunter etwas zu diffus-somnambul an, die Ausgestaltung des Textes nicht optimal. Solide präsentierte sich der im "Rheingold" noch als Wotan agierende Randall Jakobsh in der Rolle des Hunding, einzige sängerische Enttäuschung des Abends war Vincent Wolfsteiner als Siegmund. Während er als Loge mit seiner hemdsärmeligen Art und seinem oft etwas kehlig-engem Ton gut passte, konnte er mich als Siegmund nicht wirklich überzeugen.
Summa summarum: Aufgrund der z.T. herausragenden sängerisch-musikalischen Leistungen ist ein Besuch der Nürnberger "Walküre" sehr zu empfehlen, die Inszenierung ist durchwachsen und im Hinblick auf die Gesamt-Konzeption des Rings etwas enttäuschend, insgesamt aber dennoch sehenswert.