Karg-Elert, Hommage to Handel

  • Karg-Elert, Hommage to Handel

    Vor rund 30 Jahren hab ich das Stück im Rahmen der Göttinger Orgeltage zum ersten Mal gehört, live von einem französischen Organisten, den Namen hab ich vergessen, aber da aus Paris sicher ziemlich bedeutend. Das Stück hat mich sofort begeistert. Als bei CPO die LP Box 999 019-1 mit Orgelwerken gespielt von W. Stockmeier herauskam hab ich damals sofort zugeschlagen. Auch wenn die anderen Werke ausgesprochen selten bei mir zu hören sind, - die Hommage entwickelten sich zum Dauerbrenner. Ich hab mir später die Werke auf CD geholt und kann sie verschleißfrei hören.

    Allerdings beschäftigt mich immer wieder die Frage wie groß ist der Anteil von Händel. Woher ist das Thema? Ist das eine Transkription eines Cembalowerks oder die Erweiterung eines Zyklus von Händel oder ein komplett neues Werk. Die Beihefte sprechen im Untertitel von

    "54 Studie in Variation Form on a Ground Bass of Handel"

    und die Plattenbeilage

    "... Op.75 II (1914) ..., einem Werk, worin der Meister schier unerschöpfliche Fähigkeiten des Variierens über einen viertaktigen Basso ostinato von Georg Friedrich Händel die raffiniertesten Blüten treibt...."

    Ist ja besser als nichts, aber soviel mehr dann auch nicht. Kann mich wer erhellen? :)

    Lothar

  • Kann mich wer erhellen?


    Das mit dem "Erhellen" ist immer so eine Sache. ;+) Aber bei der Suche nach dem Stück kann man helfen.

    Sucht man bei Gugel nach "Karg-Elert Hommage to Händel", stößt man auf die Noten in der Novello-Ausgabe bei IMSLP: "http://javanese.imslp.info/files/imglnks/…riationForm.pdf

    Im Vorwort der Noten heißt es, dass das Variationenthema der Suite in g-Moll für "Pianoforte" :D entnommen sei.

    Nun kann man sich eine Aufnahme der g-Moll-Suite aus den "Suites de Pièces pour le Clavecin" von 1720 schnappen und im Beiheft das Tracklisting mit der Satzfolge finden. Dort findet man als letzten Satz eine Passacaille. (Track 18 auf dieser CD)

    Der jpc-Schnipsel ist leider "mitten raus". Hört man die Passacaille von Beginn, so stellt man fest, dass Händels Thema im Original so aussah:

    g - es - f - B - es - c - d - G

    Karg-Elert machte daraus eine Folge fallender Quinten:

    g - c - f - B - es - A - d - G.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Zitat von »lothar« Kann mich wer erhellen?


    Das mit dem "Erhellen" ist immer so eine Sache. Aber bei der Suche nach dem Stück kann man helfen.


    hat doch funktioniert. Vielen Dank.- Noten hab ich weder von Händel noch von Karg-Elert, ich hätts nicht auflösen können, kam allerdings auch nicht auf die Idee eines Zusammenhangs.

    Lothar

  • Zitat

    Der jpc-Schnipsel ist leider "mitten raus". Hört man die Passacaille von Beginn, so stellt man fest, dass Händels Thema im Original so aussah:

    g - es - f - B - es - c - d - G

    ? :stern: ?

    Ich war immer eine Niete in Gehörbildung und bitte, mich nicht zu verhauen :hide: , falls ich völlig danebenliegen sollte, aber als Thema der Passacaille höre ich eine völlig andere Tonfolge. Es beginnt nicht auf dem g, sondern auf der Dominante D, geht dann eine kleine Sekunde aufwärts zum es, dann folgt ein Terzsprung nach unten, dann geht es wieder eine (große) Sekunde nach oben, dann wieder eine Terz nach unten, abermals eine Sekunde aufwärts und nach dem nächsten abwärts gerichteten Terzschritt eine Sekunde abwärts zur Tonika: d - es - c - d - B - c - A - G (wobei zwischen c und a am Schluss eventuell noch ein b geschaltet wird).

    Zitat

    Karg-Elert machte daraus eine Folge fallender Quinten:

    g - c - f - B - es - A - d - G.

    Fallende Quinten mag es ganz am Anfang der auch für meine Ohren großartigen "Hommage" von Karg-Elert geben (da unten in dem Orgelmulm höre ich die Intervalle nicht so deutlich :D , und der Notentext liegt mir gerade nicht vor :D). Irgendeine strukturelle Rolle spielen sie jedoch IMHO nicht. Das ist dann einfach nur ein Vorspann.

    Viele Grüße

    Bernd

  • Ich war immer eine Niete in Gehörbildung und bitte, mich nicht zu verhauen , falls ich völlig danebenliegen sollte, aber als Thema der Passacaille höre ich eine völlig andere Tonfolge. Es beginnt nicht auf dem g, sondern auf der Dominante D, geht dann eine kleine Sekunde aufwärts zum es, dann folgt ein Terzsprung nach unten, dann geht es wieder eine (große) Sekunde nach oben, dann wieder eine Terz nach unten, abermals eine Sekunde aufwärts und nach dem nächsten abwärts gerichteten Terzschritt eine Sekunde abwärts zur Tonika: d - es - c - d - B - c - A - G (wobei zwischen c und a am Schluss eventuell noch ein b geschaltet wird).

    Diese Oboisten ... voll melodiefixiert ... :hide:

    In der Oberstimme kann man in der Tat d - es - c - d - B - c - A - G entdecken ... aber bei einer Passacaille liegt das Thema normalerweise im Bass. :hide: :hide: So auch bei Händel.

    Wobei Händel - und das merke ich erst jetzt - das Thema mal in der anfänglichen Form g - es - f - B - es - c - d - G verwendet und mal in der quintenlastigen Form g - c - f - B - es - A - d - G.

    Fallende Quinten mag es ganz am Anfang der auch für meine Ohren großartigen "Hommage" von Karg-Elert geben (da unten in dem Orgelmulm höre ich die Intervalle nicht so deutlich , und der Notentext liegt mir gerade nicht vor ). Irgendeine strukturelle Rolle spielen sie jedoch IMHO nicht. Das ist dann einfach nur ein Vorspann.

    Nö, auch Karg-Elert hat eine Passacaglia geschrieben und verwendet das Thema in den allermeisten Variationen im Bass.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Zitat

    ... aber bei einer Passacaille liegt das Thema normalerweise im Bass....

    Liebes Mauerblümchen, das war selbst mir nicht unbekannt.....

    Zitat

    In der Oberstimme kann man in der Tat d - es - c - d - B - c - A - G entdecken ...

    Mir hat die Sache keine Ruhe gelassen, und ich habe mir den Beginn des Satzes noch mehrfach angehört (in der Klavierinterpretation durch Ragna Schirmer). Die Tonfolge d - es - c - d - B - c - A - G finde ich aber nicht im Diskant, sondern irgendwo weiter unten. Vielleicht sollte ich mal zum Ohrenarzt gehen? :D

    Und darüber hinaus fresse ich einen Besen nebst Stiel, wenn genau diese Tonfolge nicht das Thema ist, über das Karg-Elert seine "Hommage" geschrieben hat (hoffentlich brauche ich bald nicht auch noch einen Internisten und einen Chirurgen :D)! Dieses Thema grinst mir jedenfalls dort an allen Ecken und Enden entgegen! Höre dir Karg-Elerts op. 75b bitte noch einmal daraufhin an! Ich verzweifle sonst an mir selber! ?(

    Viele Grüße

    Bernd

  • Lieber Bernd,

    das erinnert mich an eine Zeitungskritik zu einer frühen Aufführung von Schönbergs op. 31, wo der Rezensent von "Schönbergs Variationen über B-A-C-H" fabulierte, worauf Schönberg lakonisch meinte, er selbst sei bisher der Auffassung gewesen, dass das Thema seiner "Variationen für Orchester" die Takte 34 bis 57 seien, die er in der Partitur auch so bezeichnet hat. (B-A-C-H kommt allerdings mindestens zweimal sehr auffällig vor.)

    Vielleicht bist Du ja auch nicht der "melodienfixierte Oboist", sondern ich der pedal- und somit bassfixierte Hobbyorganist, der in allem, was mehr als einmal im Bass erscheint, ein Passacaglia-Thema erkennen will ... ;+)

    "http://petrucci.mus.auth.gr/imglnks/usimg/…WV_432_scan.pdf

    Wie komme ich also drauf, dass das Thema im Bass liegt? Zum einen, weil "Passacaille" drüber steht, was ich mit "Thema im Bass" verbinde.

    Nun kann man aber auch - und einige Musikwissenschaftler tun das - den Begriff "Passacaglia" so weit fassen, dass man darunter nicht "Variationen über einen Bass" versteht, sondern "Variationen über eine Harmoniefolge". Wenn Händel das auch so aufgefasst hätte, dann hätten wir beide unrecht, und Diskant und Bass wären einfach Teile der variationenbegründenden Harmoniefolge. D. h., wir hätten unser Korn der Erkenntnis schon für das Weizenfeld der Wahrheit gehalten.

    Ich bin nicht ganz sicher - aber ich meine, "damals" wäre "Passacaglia" doch klar die "Variation über einen Bass" ("Variations on a ground") gewesen, wohingegen die Ciacona eher die variierte Harmoniefolge war. Exemplarisch bei Bach in seiner Passacaglia für Orgel und in seiner Ciacona für Violine solo.

    Zu Händel: Wenn "Passacaglia" also mit "Thema (zumindest anfangs) im Bass" zu übersetzen ist, dann ist g - es - f - B - es - c - d - D - G das Thema.

    Mit den Möglichkeiten des Barocks gibt es nicht so viel Auswahl für die Harmonik. "g" könnte mit g-moll oder zur Not als Sextakkord mit Es-Dur harmonisiert werden, ein C-Dur/c-moll kommt kaum in Frage (Quartsextakkord - Dissonanz, höchstens als Vorhalt). Dito ist das "es" wohl Bestandteil von Es-Dur oder c-moll. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo oben "d" und "es" vorkommen, ist also hoch, und genauso kann man die anderen von Dir genannten Töne finden. Kaum kompositorischer Wille, sondern harmonischer Zwang des Bassthemas.

    Sieh nochmal in die Noten: Die von Dir gehörte Tonfolge findet man anfangs im Diskant auf "1" und "3". In den Mittelstimmen kann man terzparallel b - c' - a - b - g - a - ... hören, meinst Du das?

    In den Karg-Elert höre ich nochmal rein. Wie gesagt: die Harmonik bedingt, dass d - es - c - d - b - c - a - b irgendwo meistens schon zu hören sein wird.

    Gruß
    MB

    :wink:

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