Sophie Pacini - ein weiteres Talent aus München
Die 1991 in München geborene Pianistin studierte unter anderem bei Karl-Heinz Kämmerling und Pavel Gililov, bei dem sie ihr Meisterklassenstudium mit Auszeichnung abschloss. 2010 blieb sie hartnäckig genug, Martha Argerich anzusprechen und diese große Pianistin von ihrem Können derart zu überzeugen, dass sie daraufhin beim Progetto Martha Argerich in Lugano konzertieren durfte und Argerich fortan ihre künstlerische Förderin, Beraterin und auch persönliche Freundin wurde. Pacini erhielt unter anderem den „Groupe Edmund de Rothschild“ und den „Förderpreis Deutschlandfunk“ ((beide 2011, und beide mit anschließenden CD Aufnahmen verbunden, ihren ersten zwei).
Persönliche Höreindrücke:
Sophie Pacinis erste CD entstand von 22. bis 25.8.2011 in der Philharmonie Ludwigshafen. Darauf enthalten sind die Klavierkonzerte a-Moll op. 54 von Robert Schumann und Es-Dur KV 271 von Wolfgang Amadeus Mozart, eingespielt mit der Deutschen Kammerphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Radoslaw Szulc. Die große Stärke der Interpretationen (so mein Höreindruck) liegt im fließend Poetischen. Pacinis Schumann wirkt nicht aufgesetzt, sie drängt sich nicht vor, weiß aber die Ausdrucksmöglichkeiten eben vor allem poetisch sehr zu Herzen gehend auszuloten. Zumal im Wechselspiel Klavier/Orchester (2. Satz!) wird das Lyrische ungemein empfindsam herausgearbeitet, ohne ins künstlich Aufgesetzte abzugleiten. Im Virtuosen zeigt sich die junge Künstlerin durchaus zupackend. Dabei fällt sie nie in äußerlich prunkende Egozentrik. Immer achtet sie im Zusammenspiel mit dem Orchester auf die poetischen Abrundungen. Ich habe mir zum Vergleich die auch erst unlängst gekaufte berühmte Aufnahme mit Krystian Zimerman und den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan angehört (aufgenommen im September 1981 in der Philharmonie Berlin, CD DGG 439 015-2). Pacinis fließender Poetik steht hier ein bestimmterer, aufgeweckter Ansatz gegenüber, der auch mehr Pointierung ermöglicht. Zimermans Schattierungskunst ist schon vom Feinsten. Der Klangfarbenreichtum der Berliner Philharmoniker, der große Streicherton und die Bläserfarben kommen auch beeindruckend zur Geltung. Demgegenüber wirkt Pacinis Ansatz bescheidener, zurückhaltender, aber eben poetisch durchaus eindringlich. Poesie bestimmt auch ihre Aufnahme des Mozart Konzerts, die ich vor kurzem schon gehört habe.
Im Juni 2012 nahm Sophie Pacini im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks in Köln ihre zweite CD (AVI/Deutschlandfunk 8553269) auf. Sie enthält Robert Schumanns Carnaval op. 9 (1834/35), Schumanns Intermezzi op. 4 (1832) und Franz Liszts Klaviersonate h-Moll (1852/53). Ein herausforderndes Programm, das viele Schattierungen erfordert, die die junge Pianistin wieder einfühlsam musikalisch herauszuarbeiten versteht. Sie geht auch mehr aus sich heraus als auf der poetisch angelegten Klavierkonzert-CD davor.
Die 21 vielfach kurzen Stücke von Schumanns Carnaval (Préambule, Pierrot, Arlequin, Valse noble, Eusebius, Florestan, Coquette, Réplique (Sphinxes), Papillons, A.S.C.H.-S.C.H.A (Letteres dansantes), Chiarina, Chopin, Estrella, Reconnaissance, Pantalon et Columbine, Valse allemande, Paganini, Aveu, Promenade, Pause und Marche des „Davidsbündler“ contre les Philistins) erfordern besonders feinsinnigen pianistischen Facettenreichtum. Pacini lässt viele Stücke ineinander übergehen und verstärkt damit die Innenspannung des Geschehens. Sie macht die Figuren und Stimmungen lebendig, mit Herz und pointiert, ganz unterschiedlich schattiert, vielfach leichtgewichtig virtuos durchzaubert.
Die ernsteren Intermezzi erfordern eine andere genaue Schattierung, der Einführung von Peter Cossé im Beiheft folgend die kanonischen Engführungen des ersten, die Erregungen des zweiten und dritten, die skurrilen des vierten, das Hirtenlied des fünften und die Abegg-Anklänge des sechsten Stücks. Sophie Pacini spielt auch diese großartigen romantischen Klavierstücke mit einer erstaunlichen Reife.
Die Liszt Sonate, bereits einmal gehört, besticht auch beim Wiederhören ganz frisch mit Pacinis impulsiv-poetischem Ansatz, wiederum sorgfältig modelliert und schattiert, eine spannende, neu durchpulste, beachtliche Interpretation dieser 30 Minuten pianistischen „Hochleistungssports“, der einem alles abverlangt, technisch wie musikalisch.
Einen Chopin Kosmos öffnet Sophie Pacini mit ihrer dritten CD (AVI/Deutschlandfunk 8553309), aufgenommen im Dezember 2013 wieder im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks in Köln und vorgestellt neulich in München, schon allein durch die Werkauswahl, denn sie spannt einen großen Bogen aus tiefster Empfindung, Virtuosität, Geheimnis, zarter Verträumtheit, ewiger Melodie, übersteigerter Leidenschaftlichkeit, Brüchen, im Sich-Verlieren wie im Aufbrechen. Vieles gelingt wie aus dem Augenblick heraus, allerdings stets aus innerer Ruhe geholt. Da spielt keine Künstlerin, der man Lebensbrüche anhören könnte, vielmehr eine zielstrebig Selbstbewusste, technisch Versierte und hochmusikalisch die Ausdrucksmöglichkeiten Auslotende. Gerne hüllt sie auch größere Bögen in Pedalhall, damit wird etwas Salonhaftes assoziierbar. Die fabelhafte Auswahl offenbart das ganze Genie des Frédéric Chopin in seiner pianistischen Vielfalt: Ballade Nr. 4 f-Moll op. 52, Nocturne Es-Dur op. 9/2, Scherzo Nr. 2 b-Moll op. 31, Nocturne b-Moll op. 9/1 (für mich der Höhepunkt der CD, in seiner inneren poetischen Geschlossenheit einen sehr schönen Bogen spannend), Nocturne Des-Dur op. 27/2, Fantasie-Impromptu cis-Moll op. posth. 66, Nocturne cis-Moll op. 27/1, Nocturne c-Moll op. 48/1 und Polonaise Nr. 7 “Polonaise-Fanataisie” As-Dur op. 61 sowie der die Stimmung nach diesen aufwühlenden Berg-Tal-Reisen wieder sanft und doch auch irgendwie melancholisch verhangen erdende Bach/Busoni Choral BWV 639 "Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ" als Hidden Track.
Die Homepage von Sophie Pacini mit Hörbeispielen und weiteren Informationen:
"http://www.sophie-pacini.com/home/"