Francis Poulenc – „Journal de mes Mélodies“

  • Francis Poulenc – „Journal de mes Mélodies“

    So lautet der Titel eines Buches, in welchem Poulenc sein Liedschaffen vorstellt und erläutert. Ich habe es gratis zu dem Band der Klavierlieder von Salabert dazu bekommen. Aber man kann es auch käuflich erwerben. Für alle an seinen Liedern interessierten bietet es eine Fülle von Informationen zur Entstehung und zu den Dichtern, welche er vertont hat.
    Poulenc hat Zeit seines Lebens Lieder komponiert, und die Vokalwerke nehmen insgesamt den größten Raum in seinem Schaffen ein. In seinen Liedern gibt es gleichsam einen Widerhall seines kompositorischen Schaffens, ähnlich wie in seiner Klaviermusik, die er auch immer wieder komponiert hat. Für diejenigen, welche sich noch nicht oder nur bislang wenig mit dem Komponisten beschäftigt haben, kann ich die sehr informative Seite "http://www.poulenc.fr" empfehlen. Dort findet man neben biografischen Details auch einen kompletten Werkkatalog und viele weitere Informationen zu diesem Komponisten.

    Katalog der Lieder für Singstimme und Klavier:

    Titel, Entstehungsdatum, Textdichter

    Le bestiaire, ou Cortège d’Orphée , 1919, Guillaume Apollinaire
    Huit Chansons gaillardes , 1926, anonym
    Vocalise (XVIIe siècle) , 1927
    Epitaphe, 1930, Charles Malherbe
    Cinq Poèmes de Max Jacob , 1931, Max Jacob
    Quatre Poèmes de Guillaume Apollinaire , 1931, Guillaume Apollinaire
    Trois Poèmes de Louise Lalanne , 1931, Guillaume Apollinaire
    Pierrot, 1933, Théodore de Banville
    Huit Chansons polonaises , 1934, Traditionelle Lyrik
    A sa guitare , 1935, Pierre Ronsard
    Cinq Poèmes de Paul Éluard, 1935, Paul Éluard
    Trois Poèmes de Louise de Vilmorin, 1937, Louise de Vilmorin
    Deux Poèmes de Guillaume Apollinaire, 1938, Guillaume Apollinaire
    La grenouillère, 1938, Guillaume Apollinaire
    Le portrait, 1938, Colette
    Priez pour paix, 1938, Charles d'Orléans
    Bleuet, 1939, Guillaume Apollinaire
    Ce doux petit visage, 1939, Paul Éluard
    Fiançailles pour rire (six mélodies), 1939, Louise de Vilmorin
    Banalités (cinq mélodies), 1940, Guillaume Apollinaire
    Colloque (pour soprano, baryton et piano), 1940, Paul Valéry
    Les chemins de l’amour, 1940, Aus “Léocadia” von Jean Anouilh
    Six Chansons villageoises, 1942, Maurice Fombeure
    Deux Poèmes de Louis Aragon, 1943, Louis Aragon
    Métamorphoses (trois mélodies), 1943, Louise de Vilmorin
    Hyde Park, 1945, Guillaume Apollinaire
    Deux Mélodies sur des poèmes de Guillaume Apollinaire, 1946, Guillaume Apollinaire
    Paul et Virginie, 1946, Raymond Radiguet
    Hymne, 1947, Jean Racine
    Le disparu, 1947, Robert Desnos
    Main dominée par le cœur, 1947, Paul Éluard
    Mais mourir, 1947, Paul Éluard
    Trois Chansons de Federico García Lorca, 1947, Federico Lorca
    Calligrammes (sept mélodies), 1948, Guillaume Apollinaire
    Mazurka “Les Bijoux de Poitrine”, 1949, Louise de Vilmorin
    La fraîcheur et le feu (sept mélodies), 1950, Paul Éluard
    Parisiana (deux mélodies), 1954, Max Jacob
    Rosemonde, 1954, Guillaume Apollinaire
    Dérnier poème, 1956, Robert Desnos
    Deux mélodies 1956, 1956, Guillaume Apollinaire
    Le travail du peintre (sept mélodies), 1956, Paul Éluard
    Vive Nadia, 1957, unbekannt
    Une chanson de porcelaine, 1958, Paul Éluard
    La courte paille (sept mélodies), 1960, Maurice Carême
    Fancy, 1962, William Shakespeare
    Nos souvenirs qui chantent (d’après un thème de Francis Poulenc), 1962, Robert Tatry
    Toréador (Chanson hispano-italienne), 1918, rev.1932, Jean Cocteau
    Cocardes, 1919, rev.1939, Jean Cocteau
    Cinq Poèmes de Pierre Ronsard, 1924–25, Pierre Ronsard
    Quatre airs chantés, 1927–28, Jean Moréas
    Quatre Chansons pour enfants, 1934–35, Jaboune
    Tel jour, telle nuit (neuf mélodies), 1936-37, Paul Éluard
    Miroirs brûlants (deux mélodies), 1938–39, Paul Éluard
    Histoire de Babar le petit éléphant, 1940–45, Jean de Brunhoff
    Montparnasse, 1941-45, Guillaume Apollinaire

    An Tonaufzeichnungen gibt es mittlerweile 3 (fast) vollständige Gesamtaufnahmen, jeweils mit einem Pianisten und unterschiedlichen Sängern.
    Die älteste wurde von EMI France in der Serie „l’Esprit francaise“ herausgegeben. Als Pianist fungiert dort Dalton Baldwin, und als Sänger treten Elly Ameling, Gérard Souzay, Nicolay Gedda, William Parker und Michel Sénechal auf.

    Seit ein paar Jahren gibt es eine Aufnahme mit dem Pianisten Malcolm Martineau, die bei signum classics erschienen ist. Auch hier ist eine illustre Sängerriege versammelt:
    John Mark Ainsley, Lorna Anderson, Sarah Fox, Jonathan Lemalu, Lisa Milne, Ann Murray, Robert Murray, Thomas Oliemans, Felicity Lott, Christopher Maltman, Wiliam Dazelay, Magdalena Molendowska.





    Die letzte erschienene Gesamtaufnahme erschien unter der Führung von Graham Johnson bei Hyperion. Einige der zuvor genannten Sänger sind auch bei Johnson mit von der Partie:
    Felicity Lott, Ailish Tynan, Agnieska Adamczak, Nicole Tibbels, Sarah Fox, Sarah-Jane Brandon, Geraldine McGreevy, Susan Bickley, Ben Johnson, Robin Tritschler, Christopher Maltman, Brandon Velarde, Ivan Ludlow, Ashley Riches, Neal Davies.



    Welcher dieser 3 Aufnahmen man den Vorzug geben sollte ist schwer zu entscheiden, denn alle haben ihre Stärken und (allerdings kleinen) Schwächen. Wer gleichzeitig zu den Interpretationen auch eine hervorragende Dokumentation haben möchte ist mit Johnson optimal bedient. Wem die Vielzahl der Sänger nicht so behagt, der ist mit der älteren EMI Aufnahme besser versorgt. Im Zweifelsfall nimmt man alle 3. Etwas verkehrt machen kann man bei keiner der Aufnahmen.

    Zwei Sänger haben das Liedschaffen von Poulenc sehr beeinflusst und er hat ihnen, ähnlich wie Richard Strauss seiner Frau Pauline, und Benjamin Britten seinem Lebensgefährten Peter Pears, einige Lieder quasi „auf den Leib“ geschrieben. Es waren die Spranistin Denise Duval und der Tenor Pierre Bernac. Beide Künstler waren mit Poulenc eng befreundet und haben sein Liedschaffen mit großem Einsatz unterstützt. Er hat auch eine ganze Reihe von Liederabenden mit beiden Künstlern gestaltet, und ist mit ihnen auf Tournee gegangen.

    Poulenc hat mit nur wenigen Ausnahmen (z.B. Pierre Ronsard) fast ausnahmslos zeitgenössische Dichter bevorzugt, und auch unter denen zwei, die er besonders häufig vertont hat. Zum einen war es sein langjähriger Freund Paul Eluard, und dann der Dichter Guillaume Apollinaire, der leider 1918 der spanischen Grippe zum Opfer fiel. Hätte er länger gelebt, dann wären sicher noch mehr Gedichte von ihm vertont worden. An Apollinaire schätzte Poulenc den lakonischen Tonfall seiner Gedichte, aber auch dessen Hang zu etwas skurrilen Texten. Er hat ihn naturgemäß nur kurz gekannt (bei dessen Tod war er gerade 19 Jahre alt) und bewunderte an ihm das unspektakuläre Auftreten (ähnlich wie bei Paul Eluard). Er hat ihn als „halb melancholisch und halb ironisch“ bezeichnet, und war von seinem plötzlich herausbrechenden Lachen beeindruckt.

    Guillaume Apollinaire (eigentlich Wilhelm Albert Włodzimierz Apolinary de Wąż-Kostrowicki) 1880-1918, war ein französischer Dichter italienisch-polnischer Abstammung.
    Nach Aufenthalten in Italien und Südfrankreich gelangte er um die Jahrhundertwende nach Paris, wo er bald Anschluss an die Künstlerkreise (Picasso, Derain uvam.) fand. Er betätigte sich nicht ausschließich literarisch sondern auch mit so profanen Tätigkeiten wie Bankangestellter oder als Redakteur eines Börsenmagazins. Er wurde im 1. Weltkrieg verwundet, und kehrte nach Paris zurück, wo er Opfer der zu dieser Zeit grassierenden spanischen Grippe wurde.

    Fortsetzung der einzelnen Liedbesprechungen folgt in weiteren Postings.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Ich möchte mit einem Zyklus beginnen, der auf Gedichten von Apollinaire basiert, den „Banalités“. Es handelt sich dabei um 5 eher kurze Lieder, von denen nur das letzte mit knapp 5 Minuten etwas länger ausfällt. Poulenc hatte den Text zu „Sanglots“ und „Fagnes de Wallonie“ bereits früher zum vertonen ausgewählt, legte sie dann aber bei Seite, bis er sie 1940 in Noizay (Poulencs Landsitz) wieder zur Hand nahm. Zusammen mit den anderen Texten dieser Sammlung, bei denen Paris u.a. das Motto ist (Voyage a Paris und Hotel) vertonte er sie im selben Jahr.

    Die Tonsprache dieser Lieder ist typischer Poulenc. Der Klaviersatz ist meist sehr farbig gestaltet, und durch die häufigen unmittelbaren Tonartenwechsel charakterisiert. Den Melodien unterliegt meistens eine sehr aparte Harmonik, wie wir sie auch von den Klavierwerken her kennen.

    In „Chanson d‘Orkenise“ bemüht Poulenc sich um einen volksliedhaften Ausdruck. In dem Lied geht es um einen Wanderer der Einlass in eine mittelalterliche Stadt begehrt, letztendlich aber vom Hüter des Stadttores abgewiesen wird. Nach Aussage von Poulenc handelt es sich hierbei um eine Strasse in Autun. Das Gedicht hat bei ihm einen bildhaften Eindruck hinterlassen, was eine seiner Hauptinspirationsquellen war.

    Das meiner Meinung nach beeindruckendste Lied dieses Zyklus ist „Hôtel“. Es geht dabei um eine Person, die am Fenster eines Hotelzimmers steht und hinausschaut. Ihr Ziel ist Müßiggang, und sie möchte nicht arbeiten, sondern rauchen um kleine Wölkchen in die Luft zu blasen. Die begleitenden Akkorde sind nur leicht hingetupft, wie bei einem Bild von Alfred Sisley[font='&quot']. [/font]Die Stimmung der Musik passt perfekt zu dem Text.

    „Fagnes de Wallonie“ ist eine Beschreibung des hohen Venn, einer kargen Landschaft (Hochmoor) im Grenzbereich der Eifel zu Belgien. Auch hier schafft die Musik die richtige Stimmung zum Gegenstand des Textes.

    „Voyage à Paris“ ist ein schwungvoller Walzer, der das ausgelassene Lebensgefühl in Paris beschwört. Es ist eine einzige Liebeserklärung an den Wohnort von Apollinaire und Poulenc.

    „Sanglots“ ist ein für Poulencs Verhältnisse ungewöhnlich langes Stück. Es ist in 2 unterschiedlichen Metren angelegt (Alexandriner und achtsilbiger Vers), und erhält dadurch etwas altertümliches. Der Hintergrund ist aber der, dass in dem Text 2 Ebenen ineinander verwoben sind, und so der Eindruck von 2 erzählenden Personen erzeugt wird. Die Grundstimmung ist melancholisch (die vorherrschende Tonart ist fis-Moll), und es geht um Liebe und Tod.

    Fortsetzung folgt

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)


  • An Tonaufzeichnungen gibt es mittlerweile 3 (fast) vollständige Gesamtaufnahmen, jeweils mit einem Pianisten und unterschiedlichen Sängern.
       

    Nun, es gibt mindestens noch eine weitere Gesamtaufnahme:


    Felicity Lott, Cathrine Dubosc, Gilles Cachemaille, Francois Le Roux,
    Pascal Roge
    (rec. 1992 -1998?)


    Ich besitze diese CD-Box und freue mich auf Diskussionen über das Liedschaffen von Poulenc.

    Gruß petit_concours
    :wink:

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Lieber pt concours, vielen Dank für den Hinweis. Diese Edition hatte ich in der Tat übersehen. Es gibt sie momentan recht günstig zu kaufen. Vielleicht ein preiswerter Einstieg für diejenigen welche die Lieder von Poulenc kennenlernen möchten.

    Zu den Banalités wäre noch zu ergänzen, dass sie bei Martineau nicht dabei sind. Warum kann ich nicht sagen, immerhin handelt es sich hier um ein zentrales Werk.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • .. nun lass doch die Mods mal in Ruhe Weihnachten feiern. Du hast es ja schon angemerkt das wir hier im falschen Jahrhundert sind :troest:

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Rogé (DECCA)

    Zitat

    Ich besitze diese CD-Box und freue mich auf Diskussionen über das Liedschaffen von Poulenc.

    Und ich demnächst. Bislang ist mir das Liedschaffen von Poulenc hochgradig entgangen.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Poulencs Mélodies sind auch in dieser preiswerten Box zu finden, die man nur empfehlen kann:

    Dort sind, was die Mélodies betrifft, einige Aufnahmen aus der EMI "L'esprit français" Box übernommen, aber es wurden auch Aufnahmen mit Poulenc-Interpreten von Rang eingefügt wie Pierre Bernac (mit Poulenc am Klavier), Mady Mesplé, den Pianisten Jacques Février und Gabriel Tacchino, dazu modernere Aufnahmen, um die Vollständigkeit zu erreichen, allesamt mit guten Interpreten. Bernac-Schülerin Jessye Norman ist auch vertreten.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Zwei Sänger haben das Liedschaffen von Poulenc sehr beeinflusst und er hat ihnen, ähnlich wie Richard Strauss seiner Frau Pauline, und Benjamin Britten seinem Lebensgefährten Peter Pears, einige Lieder quasi „auf den Leib“ geschrieben. Es waren die Spranistin Denise Duval und der Tenor Pierre Bernac. Beide Künstler waren mit Poulenc eng befreundet und haben sein Liedschaffen mit großem Einsatz unterstützt.

    Bernac war Bariton. Er hat nicht nur Poulenc gesungen, aber auch u.a. eine sehr schöne Dichterliebe mit Robert Casadesus am Klavier eingespielt.
    Mit aller Vorsicht, die solche Vergleiche mit sich bringen, war Bernac eher von der Fischer-Dieskau Seite, sehr textorientiert, während die Prey-Seite von Camille Maurane exemplarisch vertreten war, der eher die Melodie in den Vordergrund stellte.
    Bernac war nicht nur "eng befreundet" mit Poulenc; das Tandem Poulenc/Bernac ist in allen Belangen mit Britten/Pears vergleichbar.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Bernac war nicht nur "eng befreundet" mit Poulenc; das Tandem Poulenc/Bernac ist in allen Belangen mit Britten/Pears vergleichbar.

    Meines Wissens haben sie jedoch keinen gemeinsamen Haushalt geführt. Ich habe das Thema Homosexualität nicht angesprochen, da es mir gleichgültig und für die künstlerische Beurteilung ohne Belang ist.

    Die Eigenart von Bernacs Gesang, wie von Philbert beschrieben, kommt in dieser Aufnahme der "Banalités" ganz gut heraus. Es wirkt fast schon ein wenig maniriert. Seine französiche Diktion ist jedoch den Liedern in jedem Fall mehr angemessen als die von vielen seiner angelsächsischen Kollegen. Das ist leider ein Manko bei etlichen Einspielungen, obwohl gerade Graham Johnson bei den mit ihm arbeitenden Sängern viel Wert auf klare Artikulation legt.

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    Bernac war Bariton

    Oh je, ein arger Faux Pas! Aber das kommt schon mal vor bei so viel Text. Ich bitte um Nachsicht.
    Pierre Bernac war übrigens ein Pseudonym. Er wurde 1899 im selben Jahr wie Poulenc als Pierre-Louis Bertin geboren, und änderte zu Beginn seiner Karriere 1925 seinen Namen.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)


  • Alles ist gut.

    Ähm, ...ich hätte die Mélodies eigentlich bei Kunstlied eingeordnet, und nicht bei Vokalmusik (und deshalb auch zuerst nicht wiedergefunden). Bei der Vokalmusik würde ich Threads über die Motteten, Madrigale oder oratorische Formen (Gloria, Stabat mater, etc.) erwarten...

    :hide:
    petit_concours

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Ähm, ...ich hätte die Mélodies eigentlich bei Kunstlied eingeordnet, und nicht bei Vokalmusik (und deshalb auch zuerst nicht wiedergefunden). Bei der Vokalmusik würde ich Threads über die Motteten, Madrigale oder oratorische Formen (Gloria, Stabat mater, etc.) erwarten...

    :hide:
    petit_concours



    War ein Versehen. Jetzt ist alles nicht nur gut, sondern knorke.

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • .. Du bist ebenfalls knorke! :kiss:

    Wat würdn wir bloss ohne unsere Mods machen? Da wärn ma ja uffjeschmissn

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Neben Apollinaire war es insbesondere Paul Éluard (Eugène Émile Paul Grindel 1895-1952), der Poulenc mit seinen Gedichten zu einer Reihe von Liedern inspiriert hat. Diesem Dichter und seiner späteren Frau Nusch war Poulenc freundschaftlich sehr verbunden. Éluard war Mitbegründer der Gruppe der Surrealisten um André Breton.
    Er war ebenfalls Mitglied des französischen Widerstands im 2. Weltkrieg, und politisch dem linken Lager zuzuordnen, ebenso wie der mit ihm befreundete Louis
    Aragon (von dem Poulenc 2 ergreifende Lieder vertont hat). Von ihm stammt auch der Text zu „Figure Humaine“, in welchem sich Éluard mit dem Krieg und den
    Abgründen des menschlichen Seins auseinandersetzt. Es gehört zu den ergreifendsten vokalen Schöpfungen von Poulenc.

    Zunächst möchte ich hier 2 Lieder vorstellen, die unter dem Titel „Miroirs brûlants“ (Brennende Spiegel) erschienen sind. Poulenc fand die beiden hier vertonten Gedichte in dem Band „Mesure“, den Éluard kurz zuvor herausgegeben hatte. Er war mit Bernac in die Bourgogne gefahren um dort ungestört arbeiten zu können. Das erste Lied „Tu vois le feu du soir“ ist eine Naturschilderung mit einem Sonnenuntergang, welchen Poulenc genauso wie beschrieben in seinem Domizil erlebt zu haben glaubte. Es ist ein sehr poetischer Text, und Poulenc hat dazu eine hinreissende Musik voller Melancholie entworfen.

    Das nächste Lied „Je nommerai ton front“ hat einen komplett anderen Charakter. Die unruhige Singstimme wird von teilweise rasenden Läufen auf dem Klavier begleitet. Das Lied ist eine hasserfüllte Anklage, und nach Bernacs Worten eher untypisch für Éluard wie Poulenc, die im entwerfen von Liebesliedern erfolgreicher wären.

    Etwa zur selben Zeit ist der Zyklus „Tel jour telle nuit“(Wie der Tag so die Nacht) entstanden. Er gehört wohl zu den bekanntesten und auch besten Liederreihen von Poulenc. Die einzelnen Gedichte sind untereinander verklammert und das letzte der 9 ist eine Art Zusammenfassung (ähnlich wie in „La Bonne Chanson“ von Fauré). Die einzelnen Lieder sind allesamt Personen aus dem Umfeld von Poulenc gewidmet.

    I.“ Bonne journée“ kommtgravitätisch daher, mit einer wunderbar weit ausgeschwungenen Melodie. Nach Poulencs Worten handelt es sich um einen einzigen und besonderen guten Tag. Die guten Tage waren ihm zu banal. DasLied soll mit einer leisen Freude gesungen werden.

    II. „Une ruine coquille vide" ist wieder ein ruhiger Gesang mit weit geschwungenen Intervallen. Der Gestus ist durchaus impressionistisch, mit den leicht hingetupften Tönen im Klavier. Bernac hat das Gedicht folgendermassen gedeutet: „Man hat die Imagination von mächtigen Efeumassen, die von einer alten Mauer herabhängen“

    III.“ Le front comme un drapeau perdu” ist ein rascher Gesang, kurz hingeworfen wie ein Aphorismus. Es sollte einen scharfen Kontrast zu den beiden vorangegangenen Liedern bilden. In diesem Gedicht, bei dem es sich um eine Art Anti-Liebeslied handelt, und das eher Beklemmungen auslöst, zeigt sich Éluard von seiner pessimistischen Seite. Poulenc legte besonderen Wert darauf, auch diese Facette seines Freundes zu zeigen.

    IV.“Une roulotte couverte en tuiles” schildert die Trostlosigkeit der Armut mit ziemlich drastischen Mitteln. Éluard war Kommunist und demzufolge jemand der sich berufen fühlte gegen das soziale Elend anzugehen, und zwar mit seinen Mitteln als Dichter. Poulenc wählt hier eine schroffe Klangsprache, die ganz anders geartet ist als seine volltönenden Weisen.

    V. „A toutes brides“ kommt daher wie ein Spuk, mit grotesken Einsprengseln des Klaviers und hohlen Quinten, die eine Violine assoziieren sollen, und wieder weit auseinanderliegenden Intervallen. Den Titel könnte man mit „Volldampf voraus“ übersetzen, und genau so hört es sich auch an. In gewisser Weise ist dieses Lied ein Reflex auf das vorangegangene und eine Vorbereitung für das folgende.

    VI. „Une herbe pauvre“schreitet gravitätisch wie eine Pavane. Aber das Lied bietet wieder nurTrostlosigkeit (spärliches Gras). Poulenc liebte dieses Gedicht besonders, under sah darin einen „göttlichen Geschmack“ des Dichters. Es ist dies eines der Beispiele fürPoulencs Kunst mit einfachsten Mitteln einen großen Eindruck zu erzeugen, und es ist eines der Lieder wegen denen ich Poulenc über alle Maßen verehre.

    VII. „Je n’ai envie quede t’aimer“ soll nach Poulencs Willen in einer durchgängigen Bewegung und einemeinzigen Impuls gesungen werden. Éluard hat hier ein bezauberndes Liebesliedfür seine Frau „Nusch“ geschrieben. Poulenc war ja eine zwiespältige Person,und er selbst bezeichnete sich als „halb Mönch halb Schelm“. Diese Charaktere spiegeln sich auch in seiner Musik. Hier tendiert er eindeutig zum Schelm, und im Kontrast zu den ernsteren Liedern dieses Zyklus breitet sich hier so etwas wie Charme aus.


    VIII. „Figure de force brûlante et farouche“ schreit das “feurige Ungestüm” wild heraus. Die Musik ist fast schon brutal und unterstreicht damit die Botschaft der ersten Zeilen. Dann plötzlich schlägt die Stimmung um, und führt zu einer kontemplativen Passage, die so auch in einer Sakralkomposition stehen könnte.

    IX. “Nous avons fait la nuit” beschliesst den Zyklus in der gleichen Stimmung wie er begonnen hat. Hier erleben wir wieder den Klangmagier mit seinen
    wunderbaren Harmonien, die obgleich nahezu ohne Modulation gegeneinander gestellt, doch so unvermeidlich wirken. Dies ist wieder eine Hommage von Éluard an seine Frau Nusch, in welcher er ihr unergründliches Wesen beschreibt. Wer sich die Fotografien von ihr ansieht die Man Ray oder Dora Maar gemacht haben, ahnt etwas davon. Sie war ohne Frage eine herbe Schönheit. Leider ist sie nicht alt geworden, sie starb 40-jährig an einem Gehirnschlag.

    Dieses in jeder Hinsicht grandiose Werk schließt mit einem längeren Epilog im Klavier, ähnlich wie bei„Frauenliebe und -Leben“ von Schumann.


    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Bonsoir,

    ich habe heute durch Zufall eine weitere (allerdings noch im Enstehen befindliche) GA mit den Mélodies von Poulenc entdeckt (Vol.2 & 3 sind 2013 erschienen?!):

    Holger Falk, Alessandro Zuppardo
    Diesesmal wird wohl nicht nur der Pianist, sondern auch der Sänger bei allen Liedern gleich sein.
    Interessant auch, dass hier die Lieder nach Gedicht-Autoren auf die CDs verteilt wurden (Vol.1 Apollinaire, Vol.2 Eluard / de Vilmon)

    Cordialement
    petit_concours

    :wink:

    @Audi: Dufte! ;+)

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

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