Strauss, Richard: Vier letzte Lieder AV 150
Ich habe lange überlegt, ob ich einen Thread überhaupt starten soll, denn ein Starter sollte sich ja doch auch berufen fühlen, den weiteren Verlauf aktiv zu verfolgen und auch in der Lage sein, Substantielleres beizutragen als Listen seiner Aufnahmen. Da bin ich mir bei mir immer nicht so ganz sicher (weshalb ich auch keinen op. 61-Thread angemeldet hatte).
Nachdem ich aber gestern mal wieder einen kleinen Stapel Strauss-CDs eingelegt habe und um dem für mich nicht nachvollziehbaren Vorwurf, hier würden im Verhältnis zu viele Diskussionen um Austritte, Diskussionsstil oder gar zuviel Nabelschau betrieben aktiv entgegenzuwirken, habe ich mich entschlossen, den nachfolgenden Text hier einzustellen.
Den Text, den ich schon lange vor mir herschiebe, hatte ich auch schon im „Das Klassikforum“ eingestellt, ich habe ihn mir noch einmal durchgesehen und das eine oder andere ergänzt bzw. korrigiert.
Richard Strauss – Vier letzte Lieder [1948]
Richard Strauss schrieb die vier Lieder im Jahr 1948 im Schweizer Exil. Nachdem er am 6. Mai Im Abendrot (Text: Joseph von Eichendorff) vollendet hatte, folgten (nach Texten von Hermann Hesse) am 13. Juli Frühling, am 4. August Beim Schlafengehen und am 20. August das Lied September.
Nach seiner Rückkehr nach Garmisch im Jahr 1949 schrieb er einen längeren Brief an die Sopranistin Kirsten Flagstad, dem er wohl auch verschiedene Partituren beilegte und in dem er ihr erklärte, dass er sich freue, ihr seine vier letzten Lieder mit Orchester zur Verfügung zu stellen, die zu der Zeit in London verlegt werden sollten. Außerdem sei die Uraufführung in London unter einem „erstklassigen Dirigenten“ angedacht. Für Kirsten Flagstad bestand wohl kein Zweifel daran, dass es sich bei diesem Dirigenten nur um Wilhelm Furtwängler handeln könne. Obwohl Walter Legge, der Gründer des 1945 gegründeten Philharmonia Orchestra, wohl nicht wirklich gut mit Furtwängler auskam, war dies letztendlich die Konstellation, unter der am 22. Mai 1950 – wenige Monate nach Strauss’ Tod – in der Royal Albert Hall in London der Zyklus der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Von der Uraufführung gibt es auch einen Mitschnittt:
Kirsten Flagstad, Sopran / Philharmonia Orchestra / Wilhelm Furtwängler
Der Titel stammt nicht von Strauss selber; die vier Lieder stellen weder das Ende seines Schaffens dar – er hat wohl neben und nach diesen vier Liedern auch noch andere Werke skizziert und entworfen –, noch wurden sie von ihm als abgeschlossener Zyklus betrachtet.
Die Lieder dokumentieren nach Imbsweiler (in: Bütow et al. 1999) eine kontinuierliche, dynamische Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Abschied, auch vor dem Hintergrund des vergangenen Krieges und in Gewärtigung des eigenen, baldigen Todes. Zu diesem Thema ebenso wie zu der Feststellung von Imbsweiler, daß sich die Lieder „[…] wiewohl handwerklich einwandfrei, sich musikgeschichtlich längst obsoleten Tonfällen bedienen;“ und der vom selben Autor aufgeführten „[…] Diskrepanz zwischen ihrem selbstgenügsam spätromantischen Ton und der aktuellen Situation des Komponisten.“ wird sich im Laufe der Diskussion sicher das eine oder andere ebenso wie zu den Texten selber ergeben.
1950 erschien posthum bei Boosey & Hawkes die erste gedruckte Ausgabe. Dabei wurde eine von der Chronologie der Entstehung abweichende Reihenfolge gewählt:
- Frühling (13. Juli 1948; Text: Hermann Hesse,)
- September (20. September 1948; Text: Hermann Hesse)
- Beim Schlafengehen (4. August 1948; Text: Hermann Hesse)
- Im Abendrot (6. Mai 1948; Text: Joseph von Eichendorff)
Die Lieder werden soweit ich das gefunden habe in Werkverzeichnissen unter AV 150 oder TrV 296 geführt.
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EDIT 19.07., gegen 19:00:
Aus Gründen des Urheberrechts – Rideamus wies darauf hin, daß Hesses literarisches Werk noch unter Urheberrechtsschutz steht – nehme ich die Texte der Gedichte wieder raus, ich lasse lediglich den Gedichtanfang stehen. Und aus Gründen der Einheitlichkeit mach ich dies bei allen vier Gedichten.
Wolfgang
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Zunächst aber noch einmal die Texte der Lieder.
1. Frühling (Hermann Hesse)
Widmung: Dr. Willi Schuh und Frau
In dämmrigen Grüften
träumte [...]
2. September (Hermann Hesse)
Widmung: Mr. & Mme Seery (Maria Jeritza)
Der Garten trauert,
kühl sinkt [...]
3. Beim Schlafengehn (Hermann Hesse)
Widmung: Herrn und Frau Dr. Adolf Jöhr
Nun der Tag mich müd gemacht,
soll mein [...]
4. Im Abendrot (Joseph von Eichendorff)
Widmung: Dr. Ernst Roth
Wir sind durch Not und Freude
Gegangen [...]
Quellen:
- Bütow, S., Meisel, P. & Raab, M. (Red.) (1999): Richard Strauss und die Moderne. Konzertzyklus der Münchner Philharmoniker zum 50. Todestag des Komponisten.– 381 S., zahlr. Abb.; München (Münchner Philharmoniker).
- Strauss: Four Last Songs.– The Boosey & Hawkes Masterworks Library (2001)
- Versch. CD-Beihefte
Von den Vier letzten Liedern existieren zahlreiche Aufnahmen. Ich habe mal versucht, eine Liste zusammenzustellen, die allerdings nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, aber die Vielfalt der auf dem Markt (bisher) erhältlichen Aufnahmen zeigt.
- Kirsten Flagstad, Philharmonia Orchestra London, Wilhelm Furtwängler (1950)
- Sena Jurinac, Stockholm Philharmonic Orchestra, Fritz Busch (1951)
- Elisabeth Schwarzkopf, Philharmonia Orchestra London, Otto Ackermann (1953)
- Lisa Della Casa, Wiener Philharmoniker, Karl Böhm (1953)
- Elisabeth Schwarzkopf, Philharmonia Orchestra London, Herbert von Karajan London (1956, Konzertmitschnitt)
- Elisabeth Schwarzkopf, Concertgebouw Orchestra, George Szel (1964, Konzertmitschnitt)
- Hanne-Lore Kuhse, Gewandhaus Orchester Leipzig, Václaw Neumann (1964)
- Evelyn Lear, Wiener Philharmoniker, Karl Böhm (1964)
- Elisabeth Schwarzkopf, Radio-Symphonieorchester Berlin, George Szell (1965)
- Martina Arroyo, Kölner Rundfunk Symphonie-Orchester, Günter Wand (1967, Konzertmitschnitt)
- Gundula Janowitz, RAI, Sergiu Celibidache (1969)
- Elisabeth Grümmer, Berliner Philharmoniker, Richard Kraus (1970)
- Birgit Nilsson, Swedish Radio Symphony Orchestra, Leif Segerstam (1970, Konzertmitschnitt)
- Mirella Freni, Bologna Symphony Orchestra, Václav Smetacek (1973)
- Leontyne Price, New Philharmonia Orchestra London, Erich Leinsdorf (1973)
- Anneliese Rothenberger, London Symphony Orchestra, Andre Previn (1974)
- Gundula Janowitz, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan (1974)
- Elisabeth Söderström, BBC Symphony Orchestra, Pierre Boulez (1976, Konzertmitschnitt)
- Montserrat Caballé, Orchestre Philharmonique de Strasbourg, Alain Lombard (1977, Konzertmitschnitt)
- Heather Harper, Royal Philharmonic Orchestra, Norman del Mar (1981)
- Lucia Popp, London Philharmonic Orchestra, Klaus Tennstedt (1982)
- Jessye Norman, Gewandhausorchester Leipzig, Kurt Masur (1982)
- Anna Tomowa-Sintov, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan (1983)
- Magdalena Hajóssyová, Slovak Philharmonic Orchestra, Libor Pešek (1983)
- Elly Ameling, Concertgebouw Orchester Amsterdam, Wolfgang Sawallisch (1983)
- Eva Marton, Toronto Symphony Orchestra, Andrew Davis (1985)
- Kiri Te Kanawa, London Symphony Orchestra, Andrew Davis (1985)
- Heather Harper, London Symphony Orchestra, Richard Hickox (1987)
- Arleen Augér, Wiener Philharmoniker, André Previn (1988 )
- Kiri Te Kanawa, Wiener Philharmoniker, Georg Solti (1990)
- Felicity Lott, Scottish National Orchestra, Neeme Järvi (1992)
- Cheryl Studer, Staatskapelle Dresden, Giuseppe Sinopoli (1993)
- Charlotte Margiono, Radio Filharmonisch Orkest Holland, Edo de Waart (1993)
- Lucia Popp, London Symphony Orchestra, Michael Tilson Thomas (1994)
- Joanna Borowska, Cracow Radio Symphony Orchestra, Friedrich Haider (1995)
- Britt-Marie Aruhn, Stockholm Royal Orchestra, Siegfried Koehler (1995)
- Renée Fleming, Houston Symphony Orchestra, Christoph Eschenbach (1996)
- Barbara Hendricks, The Philadelphia Orchestra, Wolfgang Sawallisch (1996)
- Sylvia Sass, Hungarian State Orchestra, Ervin Lukacs (1996)
- Hellen Kwon, Orquesta Filarmonica de Gran Canaria, Adrian Leaper [1998]
- Karita Mattila, Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado (1999)
- Adrianne Pieczonka, Orchestre Philharmonique de Nice, Friedrich Haider (1999)
- Jane Eaglen, London Symphony Orchestra, Donald Runnicles (1999)
- Deborah Voigt, New York Philharmonic Orchestra, Kurt Masur (1999)
- Soile Isokoski, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Marek Janowski (2001)
- Melanie Diener, Tonhalle Orchester Zürich, David Zinman (2002)
- Elisabeth Meyer-Topsøe, Copenhage Philharmonic Orchesstra, Hans Norbert Bühlmaier (2002)
- Anne Schwanewilms, The Hallé Orchestra, Mark Elder / BBC MM270 (2004)
- Michaela Kaune, NDR Radiophilharmonie Hannover, Eiji Oue (2004)
- Nina Stemme, Royal Opera House Orchestra, Covent Garden, London, Antonio Pappano (2006)
- Anja Harteros, Sächsische Staatskapelle Dresden, Fabio Luisi (2007)
- Barbara Krieger, Berliner Symphoniker, Heiko Matthias Förster [2008]
- Ricarda Merbeth, Staatskapelle Weimar, Michael Halász [2008]
- Renée Fleming, Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann [2008]
Aufnahmen, bei denen ich nicht alle Daten gefunden habe
- Christl Goltz, ... Heinrich Hollreiser (1956)
- Jessye Norman, Münchner Philharmoniker, Sergiu Celibidache
- Eleanor Steber, ... , James Levine
Aufnahmen mit Klavierbegleitung
- Ljuba Welitsch, Paul Ulanowsky (1953)
- Gabriele Fontana, Erich Werba (1986)
- Barbara Bonney, Malcolm Martineau (1999)
- Konrad Jarnot, Helmut Deutsch (2005)
- Waltraud Meier, Joseph Breinl [2008]
Eine recht umfangreiche Liste mit darüber hinaus gehenden Angaben wie Reihenfolge, Zeiten oder Label gibt es hier:
"http://www.gopera.com/lieder/recordings/strauss_vll.html"
Allerdings scheint sie seit 2005 nicht mehr ergänzt worden zu sein.
Ich kenne oder besitze nur einen Bruchteil dieser Aufnahmen, sodaß ich nicht sagen kann, welche meiner Vorliebe für nicht „übersentimentale“, dabei manchmal schnell kitschig wirkende Aufnahmen am nächsten kommt (wobei ich mir nicht sicher bin, ob nicht so manches bei Strauss, unabhängig von der Interpretation dem Kitsch zuneigt). Aber Vorlieben werden sich vielleicht im weiteren Verlauf herauskristallisieren.
Ich bin schon zu Schulzeiten ein denkbar schlechter Textdeuter gewesen und auch bei der Kombination von Text und Musik tue mich schwer mit dem, was Fairy im Nuits-Thread als die „Innenansicht der Materie“ bezeichnet hat und daher läuft bei mir eine „Wertung“ meiner Aufnahmen bisher immer noch mehr über den Klang von Aufnahme und Stimme und weniger über die Umsetzung textlicher Details in Musik.
Daher überlasse ich die Vorstellung der einzelnen Gedichte sowie der Mittel, mit denen Strauss dies umzusetzen versucht, gerne anderen, berufeneren Mitgliedern in unserer Runde.
Ich hoffe, daß ich dann aber doch auch die Zeit finde, mich bei der Vorstellung der einen oder anderen Aufnahme wieder einzubringen.
So, und jetzt habe ich hoffentlich keine Anmeldung auf einen solchen Thread übersehen, das täte mir wirklich leid.
Viele Grüße,
Wolfgang