Der Konzertsaal in München

  • Es läuft eine Petition für den Bau eines neuen Konzertsaals, möglicherweise am Finanzgarten hinter dem Landwirtschaftsministerium.
    Hier die Seite des "Konzertsaal München e.V. mit genaueren Infos.

    https://www.openpetition.de/petition/onlin…garten-muenchen

    Wer unterschreiben möchte:

    https://www.openpetition.de/petition/onlin…garten-muenchen

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Vielen Dank insbesondere an Zwielicht für seine sehr sachkundigen und differenzierten Darstellungen der Situation!

    Noch ein paar, sehr viel mehr subjektive Gedanken:

    • Das Prinzregententheater, insbesondere im gesamten Ensemble des Prinzregentenplatz gesehen, ist ein wunderbar gelungenes Denkmal der Erbauungszeit mit Jugendstil- und Klassizismus-Elementen. Der Zuschauerraum nimmt die Proportionen des Bayreuther Festspielhauses auf, d.h. wirklich exzellente Sicht von jedem Platz (den Komfort der Sitze selbst – da dies angesprochen wurde – empfinde ich deutlich hinternfreundlicher als in Bayreuth). Die Akustik ist ansprechend, aber es ist eben ein Theater, kein Konzertsaal, und von beschränkter Kapazität, die für manche Ereignisse aber genau richtig ist (daher auch chronisch festgebucht). Habe darin wunderbare Abende erlebt, z.B. mit dem Münchner Kammerorchester.
    • Der Herkulessaal hat ebenfalls ansprechende Akustik, wird gern für Solistenkonzerte oder Kammermusik gebucht, sofern nicht für Konzerte des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks fixiert oder auch für Konzerte des fantastischen Chors des Bayerischen Rundfunks u.v.m. – auch dort habe ich unvergessliche Abende erlebt. Ohne historisches Vorbild nach dem Krieg in die rekonstruierte Residenz eingebaut, ist die Architektur ein Paradebeispiel für die Restauration der 1950er – nahtlos als ob man die Pläne noch bei Albert Speer in der Schublade gefunden hätte. Ich selbst finde den Saal mit seinem überdimensionierten Treppenhaus so hässlich, dass er schon wieder was hat – mein Mann findet ihn nur deprimierend.
    • Die Philharmonie im Gasteig hat viel Häme abbekommen. Leonard Bernsteins bösen Kommentar »Burn it!« haben andere mit dem ebenfalls bösen Kommentar quittiert, Bernstein hätte halt nicht so spät für die Probenarbeit einfliegen sollen, um sich noch auf die Örtlichkeiten einstellen zu können … – aber die Klage bleibt (trotz früh nachgerüstet abgehängten akustischen Segeln): Solisten und Orchester könnten sich nicht optimal hören. Solche Äußerungen von der aufführenden Seite her nehme ich natürlich sehr ernst – von der rein rezeptiven Seite her muss ich sagen, habe ich mit dem Saal kein Problem (aber ich bin in dieser Hinsicht kein kritischer Maßstab). Ich muss allerdings feststellen, dass die Hörerfahrung je nach Platz sehr unterschiedlich ausfällt. Architektonisch ist der Saal kein großer Wurf, ebenso wenig wie der Rest des Gasteigs, der auch noch dem kleineren Carl-Orff-Saal und wichtigen anderen Kulturinstitutionen (Stadtbibliothek, Musikhochschule) Platz bietet. Wie viele Münchner empfinde ich den Gasteig als akzeptables und kapazitativ ausreichendes Arbeitspferd. Aber da ist die (ohne jede Verbesserung) ausstehende Generalsanierung (Brandschutz und allgemeine Schäden) mit ohnehin dreistelligem Millionenbedarf und jahrelanger Unbenutzbarkeit.
    • Konzertsaal am Finanzgarten Die Kapazitätsproblematik für öffentliche und private Konzertaufführungen in München lies die Bayerische Staatsregierung eine hochrangige Expertenkommission einsetzen, welche verschiedene Lösungsalternativen und Standorte unter vielerlei Hinsicht (Eignung, Kosten, Übergangsproblematik) prüfte, und die sich letztlich für den Neubau eines Konzertsaals am Standort des Finanzgartens aussprach. Die Seehofer/Reiter-»Lösung« ignoriert diesen Vorschlag vollständig; sie erscheint als eine weitere von Seehofers irrationalen Bauch-Entscheidungen.

    Zuletzt meine ultimativ-subjektiven, und vielleicht wirklich »Luxus«-Gedanken (aber Kunst kann man immer als Luxus abtun):

    Bayern hat einen (je nach Rechnungsart fast) ausgeglichenen Haushalt. München ist die Boom-Region Deutschlands schlechthin. Konzert-Kapazitäten sind nachweislich nicht ausreichend, Nachfrage (öffentlich und privat) ist da. Wir haben einen historisch-schönen-unzureichenden Theatersaal, wir haben einen groteskhässlichen-gutklingenden-kleineren Saal, und wir haben einen großen OK-irgendwie-passt-schon-aber-generalsanierungsbedürftigen Saal. Und ich denke, wir brauchen diese alle weiterhin! Dann haben wir diesen Finanzgarten, wo man unter Verlust eines Parkplatzes und nur wenig Park, den bisher weitgehend ignorierten Park sogar aufwertend, einen schönen, inspirierenden, wohlklingenden dedizierten neuen Konzertsaal mit ausreichender Kapazität schaffen könnte. Einen schlüssigen Plan vorausgesetzt, könnte diese Variante auch erhebliche Mittel von Firmen und Privat-Spendern der Region loseisen. Unterm Strich könnte sich die Sache auch eher rechnen als die Philharmonie zu entkernen.

    Wann wenn nicht jetzt, ist die Chance für die Realisierung einen solchen Plans? Ich bin nicht die Person, so was zu stemmen, aber ich bin dabei.

  • Konzertsaal am Finanzgarten
    Die Kapazitätsproblematik für öffentliche und private Konzertaufführungen in München lies die Bayerische Staatsregierung eine hochrangige Expertenkommission einsetzen, welche verschiedene Lösungsalternativen und Standorte unter vielerlei Hinsicht (Eignung, Kosten, Übergangsproblematik) prüfte, und die sich letztlich für den Neubau eines Konzertsaals am Standort des Finanzgartens aussprach. Die Seehofer/Reiter-»Lösung« ignoriert diesen Vorschlag vollständig; sie erscheint als eine weitere von Seehofers irrationalen Bauch-Entscheidungen.

    Herr Seehofer ignoriert nicht nur den Vorschlag der von seiner eigenen Regierung eingesetzten Expertenkommission, sondern auch seine eigene Regierungserklärung vom 12.11.2013,
    in der es wörtlich heißt:

    Zitat

    "In München und Nürnberg sollen neue Konzertsäle für unsere Orchester von Weltrang ermöglicht werden."

    => "http://www.bayern.de/wp-content/upl…e-Zukunft._.pdf"
    (S.26 - Abschnitt B. "POLITIK FÜR DIE ZUKUNFT 2013 – 2018" - Teil IV. "KULTURELLE AUSWIRKUNGEN" - Punkt 5. "Kulturstaat Bayern")

    Liebe Grüße,
    Berenice

    Colors are like music using a short cut to our senses to awake our emotions.

  • Die Kapazitätsproblematik für öffentliche und private Konzertaufführungen in München lies die Bayerische Staatsregierung eine hochrangige Expertenkommission einsetzen, welche verschiedene Lösungsalternativen und Standorte unter vielerlei Hinsicht (Eignung, Kosten, Übergangsproblematik) prüfte, und die sich letztlich für den Neubau eines Konzertsaals am Standort des Finanzgartens aussprach. Die Seehofer/Reiter-»Lösung« ignoriert diesen Vorschlag vollständig; sie erscheint als eine weitere von Seehofers irrationalen Bauch-Entscheidungen.


    Politik hat halt mit Expertise nichts zu tun. Wenn sie etwas damit zu tun hätte, bräuchten wir keine Wahlen, sondern Eignungsprüfungen, und Politiker werden ist, wie Regaleeinräumen oder Anzeigeraustragen, einer der Jobs, für die man keinerlei Qualifikationen vorzeigen muß - nicht mal Schulabschluß... ;(

    Eine unzureichende Konzertsaalsituation aufgrund fehlender Einsicht und mangelnder Unterstützung durch die örtlichen Politiker hat in München eine sehr lange Tradition.

    Daß Wagner sein Festspielhaus ursprünglich am Isarufer stehen haben wollte, was bekanntlich aufgrund Münchener Kleingeisterei gescheitert ist, sei hier nur am Rande erwähnt.

    Bereits um 1818 (nachdem der Redoutensaal in der Prannerstraße für die Ständeversammlung genutzt wurde), dauerte es 10 Jahre, bis München wieder einen entsprechenden Veranstaltungsraum zur Verfügung hatte - Konzerte fanden in dieser Zeit in Ausweichspielstätten statt. Mit dem Odeon, das auf Dekret Ludwigs I. erbaut wurde, gelang allerdings ein großer Wurf: der weltweit erste Konzertsaal, der ausschließlich als solcher konzipiert war. Das war aber auch der einzige bis zur Eröffnung der Philharmonie am Gasteig 1985 - 157 Jahre später! München ist in dieser Zeit von ca. 0,06 Mio auf 1.26 Mio Einwohner gewachsen - und das Odeon wurde bereits 1944 zerstört. Nach dem Krieg wurde es gegen große Widerstände aus der Bevölkerung nicht wieder hergestellt sondern ist seither ein INNENHOF im Bayerischen Innenministerium.

    Der wiederhergestellte Kongressaal im Deutschen Museum war ab 1948 immer nur als Provisorium gedacht - und es hat fast 40 Jahre und endlose Diskussionen gebraucht, bis schließlich der Gasteig realisiert wurde. Pläne, die zwischenzeitlich anderen Zwecken zugeführten Räumlichkeiten wieder als Konzertsaal zu nutzen, sind vor ein paar Jahren wohl endgültig gescheitert.

    Und auch der Herkulessaal war eigentlich ursprünglich nur eine Übergangslösung bis zu einem endgültigen Ersatz für das Odeon, der man heute vor allem in den Nebenräumen die vergangenen 60 Jahre durchaus ansieht, und der daher eigentlich auch saniert werden müßte. Die schicke neue Bestuhlung und die spacigen (und meiner Ansicht nach komplett überflüssigen) Beleuchtungseffekte sind da im Prinzip auch nur Camouflage. Bereits auf dem Weg zur Toilette begibt man sich auf eine Zeitreise...

    Es hat auch 20 Jahre gedauert, bis man es in München geschafft hat, das Nationaltheater wieder aufzubauen. Als Ausweichquartier diente das Prinzregententheater, das 1963 wegen Baufälligkeit geschlossen wurde. Es hat auch da wieder über 30 Jahre Diskussionen und politisches Gezerre gegeben, bis man die Hauptbühne wieder in Betrieb nehmen konnte....

    Sie haben's ja auch nicht geschafft, Wagner zu halten (bzw. waren froh, ihn los zu haben - wer weiß, was das Festspielhaus am Isarufer gekostet hätte! OK. verkürzt...) oder Bruckner in die Stadt zu holen (der liebend gerne gekommen wäre...) und wer Orlando di Lasso ist, wissen auch die wenigsten: In Salzburg weiß jedes Kindergartenkind, wer Mozart und in Leipzig, wer Bach ist...

    München halt...
    Hauptsach, mia stoin auf da Wiesn wida an neian Hektoliterrekord auf. oans - zwao - :k: :k: :k:

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Es geht für mich ja nicht nur darum, WAS entschlossen wurde - nämlich eine Lösung, mit der keiner so recht leben möchte - sondern WIE.

    Man befragt Experten, gibt schon für Überlegungen und Planungen irre viel Geld aus, nimmt auch gerne Spenden für solche Zwecke an, und dann hocken ich zwei Hanseln ins stille Kämmerlein und beschließen irgendwas. Und alle anderen nicken brav diese Pläne ab.

    Ich weiß ja, dass bayerische Demokratie für nicht-eingeweihte von Diktatur nur schwer zu unterscheiden ist. Ein bisschen mehr Transparenz, öffentliche Debatte und offenere Entscheidungsfindung hätte wahrscheinlich einen deutlich geringeren Aufschrei und sachlichere Kommentare zur Folge gehabt. Es bleibt traurig, dass München in die kulturelle Provinz katapultiert wird, nur weil zwei Leute meinen, sich ein Denkmal errichten zu müssen.

    Tschilpt die Lerche

  • Was es in München immerhin auch gab war die Tonhalle, die erste Spielstätte der Philharmoniker in der Türkenstraße. Damit sah es vor hundert Jahren mit orchestralen Spielstätten dort deutlich besser aus als heutzutage...

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)


  • Da steht geschrieben:

    "Werke von der Barockzeit bis zur Wiener Klassik sollen vorrangig im Herkulessaal zur Aufführung kommen, Werke von der Romantik bis zur Moderne im Gasteig."

    :faint:

    Künftig finden wir vor der Residenz sowas:

    [Blockierte Grafik: http://www.audiamus.com/capriccio/NoBrahms.jpg]

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Da könnte ich mich jetzt schon wieder aufregen.

    Wie will man das denn trennen? Was ist denn mit bunten, abwechslungsreichen Programmen?!?
    "Meine Damen und Herren, nach den wunderbaren Mozart-Sinfonie darf ich Sie bitten, sich in der Pause zum Gasteig zu begeben, damit wir die Strawinski-Symphonie angemessen aufführen können."
    Albern.

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Ich weiß ja, dass bayerische Demokratie für nicht-eingeweihte von Diktatur nur schwer zu unterscheiden ist


    Ich halte zwar die Entscheidungen im speziellen Fall wie alle hier für verfehlt, aber das geht zu weit.
    Kann das sein, daß Du nicht weißt, was Diktatur ist? Was soll dieses Bayernbashing? Oder glaubst Du ernsthaft, in Bayern gingen mehr Idioten zur Wahl als anderswo? Immerhin ist Bayern ja offenkundig wirtschaftlich erfolgreicher als etwa NRW, Bremen und andere "Nordstaaten".
    Bayerische Landespolitik ist die Konsequenz aus konstanten Mehrheiten, die sich im speziellen Fall sogar überwiegend traditionell aus Direktmandaten zusammensetzt. Das kann man begrüßen oder nicht - aber Diktatur ist was anderes. Und - notabene - München ist da ebenso involviert wie das Land und dort herrscht ebenso tradidionell eine andere Partei - und beide sind sich politisch eigentlich prinzipiell nicht grün...
    Was wir hier gerade erleben ist wohl eher ein Anfall von Populismus von beiden Seiten: Klassikbetrieb ist bekanntlich ein Minderheitenanliegen. Und daß bei der umstrittenen Entscheidung das Hamburger Planungsfiasko ebenfalls ein Rolle gespielt hat, kann man gerne annehmen.
    Aber vermutlich sind ausserhalb Bayerns alle Landes- und Kommunalpolitiker hochkompetent, entscheidungsfreudig, kooperationswillig über Parteigrenzen hinweg, fragen immer erst nach, was denn die Opposition oder wer auch immer gerne hätte, sind im Konflikfall um einen rational begründbaren Ausgleich bemüht, der alle zufriedenstellt und werden selbstverständlich von ausschließlich hochintelligenten Wählern mit ausgeprägtem politischen Bewußtsein gewählt...
    ich krieg grad schlechte Laune.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Da könnte ich mich jetzt schon wieder aufregen.

    Wie will man das denn trennen? Was ist denn mit bunten, abwechslungsreichen Programmen?!?
    "Meine Damen und Herren, nach den wunderbaren Mozart-Sinfonie darf ich Sie bitten, sich in der Pause zum Gasteig zu begeben, damit wir die Strawinski-Symphonie angemessen aufführen können."
    Albern.

    Ich mag getrennte Epochen.
    :D

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Ich kann Bustopher hier nur zustimmen. In gewisser Weise ist die Konzertsaalentscheidung sogar ein Musterbeispiel für einen Interessensausgleich in einer pluralistisch organisierten Gesellschaft. Die Stadt München trägt den Gasteig bzw. hat ihn geleast. Leider ist der ganze Komplex offenbar renovierungsbedürftig, was in jedem Fall eine Riesensumme verschlingen wird, die selbst eine relativ wohlhabende Kommune vor Probleme stellen dürfte. Die Stadt München war demzufolge (im Interesse der vielbeschworenen Steuerzahler) immer gegen einen neuen Konzertsaal, weil sie befürchtet hat, dass viele Veranstalter den Gasteig dann meiden werden und die Kosten für die Stadt dadurch noch weiter ansteigen. Jetzt hat die Stadt das große Los gezogen, weil der Freistaat ihr einen erheblichen Teil der Kosten abnehmen wird.

    Wenn der Freistaat bzw. die Staatsregierung diktatorisch handeln würde, könnte sie einfach ein Areal aus ihrem Besitz als Bauplatz für einen neuen Konzertsaal ausweisen. Die beiden vielversprechendsten Orte werfen aber erhebliche Probleme auf, weil man sich in einem Rechtsstaat befindet: Gegen die Nutzung des Kogressaals hat der Verwaltungsrat des Deutschen Museums sein Veto eingelegt, der Finanzgarten hingegen steht unter Landschaftsschutz - offensichtlich scheut man in der Staatsregierung auch die Bürgerproteste, die unweigerlich kommen werden, wenn man anfängt, Bäume für den neuen Saal abzuholzen.

    Auch geht es immer um den Interessensausgleich zwischen München und dem Rest des Freistaats, der einer erheblichen dreistelligen Millionensumme, die wieder mal in die Hauptstadt reingebuttert wird, äußerst skeptisch gegenübersteht. Der nicht ganz neue und nicht ganz falsche Vorwurf: Der Freistaat Bayern pumpt bereits enorme Summen in Münchner Kulturinstitutionen (man vergleiche das mal mit der jämmerlichen Kulturpolitik anderer Bundesländer, z.B. NRW), jetzt könnten auch mal andere Städte gefördert werden.

    Nun haben sich halt die höchsten Repräsentanten von Staats- und Stadtregierung auf eine andere, vermeintlich kostengünstigere Lösung geeinigt, die man (ich) falsch, mutlos, kulturfern, nicht durchgerechnet, ins Blaue geplant usw. finden kann - deren Zustandekommen in einer repräsentativen Demokratie aber bestimmt nicht diktatorisch o.ä. zu nennen ist. Man hätte mehr Leute am Gesprächsprozess teilnehmen lassen können, Seehofer hätte den Mund nicht jahrelang so vollnehmen müssen wie geschehen. Aber so läuft das Spiel leider überall.

    Mit der Formel böse Politiker vs. gute Kulturschaffende wird man der Problematik eh nicht gerecht. Die unterschiedlichen Interessen ziehen sich ja wie ein Riss auch durch die Münchner Orchesterlandschaft. Nicht umsonst hat Mariss Jansons gestern zum erstenmal explizit die Münchner Philharmoniker angegriffen, weil diese den Bau eines neuen Konzertsaals nicht nur nicht unterstützt, sondern möglicherweise sogar hintertrieben haben. Die konkurrierenden Orchester mit ihren unterschiedlichen Trägerschaften machen die Situation nicht einfacher.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Zitat des Tages

    Zitat


    In München und Nürnberg sollen neue Konzertsäle für unsere Orchester von Weltrang ermöglicht werden.

    Horst Seehofer, Regierungserklärung von 12. November 2013

    Quelle: Bayerische Staatsregierung, "http://www.bayern.de/wp-content/upl…e-Zukunft._.pdf"


    Ah ja, und dann noch dieses:


    Zitat

    Heubisch zur bayerischen Kulturpolitik: „Vorhandenes bewahren und Neues entwickeln sind untrennbar miteinander verbunden.”

    21. Dezember 2011

    Bayerns Kunstminister Wolfgang Heubisch betont, dass eine lebendige Kulturpolitik sich nicht allein auf die Pflege und Bewahrung des Bestehenden beschränken darf, sondern auch neue Ideen und Projekte nach vorne bringen muss. Angesichts eines hohen Sanierungsbedarfs im Kulturbereich hatten die bayerischen Grünen quasi einen Planungsstopp für neue Kulturprojekte, wie das Museum der Bayerischen Geschichte und einen neuen Konzertsaal in München, gefordert. Heubisch: „Es wundert mich schon sehr, wenn ausgerechnet die Grünen innovative Kulturprojekte sowohl in den Regionen als auch in München boykottieren. Damit outen sie sich als Kulturverhinderer. In Bayern gibt es glücklicherweise eine lange Tradition, das kulturelle Erbe zu pflegen und zugleich in die Zukunft zu investieren. Diesen Weg werden wir fortsetzen.”

    Pressemitteilung der Bayerischen Staatsregierung von 21. Dezember 2011

    Quelle: Bayerische Staatsregierung, "http://www.bayern.de/heubisch-zur-b…den/?seite=1579"

    was kümmert mich mein Geschwätz von gestern...

    Und wen's interessiert: der betreffende Auszug aus der Presemitteilung zur gestrigen Kabinettssitzung:

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)


  • Ich halte zwar die Entscheidungen im speziellen Fall wie alle hier für verfehlt, aber das geht zu weit.
    Kann das sein, daß Du nicht weißt, was Diktatur ist? Was soll dieses Bayernbashing? Oder glaubst Du ernsthaft, in Bayern gingen mehr Idioten zur Wahl als anderswo? Immerhin ist Bayern ja offenkundig wirtschaftlich erfolgreicher als etwa NRW, Bremen und andere "Nordstaaten".
    Bayerische Landespolitik ist die Konsequenz aus konstanten Mehrheiten, die sich im speziellen Fall sogar überwiegend traditionell aus Direktmandaten zusammensetzt. Das kann man begrüßen oder nicht - aber Diktatur ist was anderes.


    Für die Hebung Deiner Laune bin ich nicht zuständig.
    Ein Erlebnis, das ich persönlich in einer Münchner Wahlkabine hatte: Bei der Kommunalwahl zeichnete sich der Wahlzettel durch immense Ausmaße aus. Es war schlicht unmöglich, in den begrenzten Wahlkabinen den Zettel ausreichened zu studieren, geschweige denn "geheim" zu bearbeiten.
    Daraufhin sagte ich zu einem der Herren an der Urne, einem offenkundig älteren Ureinwohner, ob man da nicht mal an größere Kabinen denken könne. Die Antwort: "So weit rechts braucht's gar net lesen". Das verstehe ich jetzt auch nicht unter Demokratieverständnis.
    Und das Verhalten von Seehofer empfinde ich persönlich auch nicht demokratisch. Sicher ist die Aussage der Lerche provokant und polemisierend, wäre aber dann auch nicht die erste dieser Art.
    Hat ja auch funktioniert, bist ja abgegangen wie eine Rakete.

    Das war auch kein Bayern-bashing, sondern Bayern-Politik-bashing...

    Lucius Travinius Potellus
    Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety. (B.Franklin)

  • Lieber bustopher,

    ich lebe jetzt lang genug hier, um genug Einblick in "meinen" Freistaat zu haben.
    Ja, ich zweifle am Verstand von Wählern, wenn eine Partei, die Wahlbetrug begeht, mit noch mehr Stimmen wiedergewählt wird.
    Ja, ich verzweifle, wenn Personen, die sich hinstellen und das Gegenteil von dem tun, was sie die ganze Wahl hindurch behauptet haben, und immer noch wiedergewählt werden.
    Und ich bin fassungslos, wenn man Artikel wie "http://sz.de/1.2346351" liest (Hinweis: Volksbefragung).

    "Die Diktatur (von lateinisch dictatura) ist eine Herrschaftsform, die sich durch eine einzelne regierende Person, den Diktator (...), oder eine regierende Gruppe von Personen (z. B. Partei, Militärjunta, Familie) mit unbeschränkter politischer Macht auszeichnet." (Zitat aus Wikipedia). Passt ja doch ganz gut, oder?

    Wie ich auch bereits erwähnte, hätten vielleicht viele Leute viel eher mit dem verabschiedeten Beschluss (komisch, dass man sowas immer verabschiedet, so wie man Post aufgibt) leben können, wenn der ganze Entscheidungsprozess transparenter gewesen wäre. Ich verstehe auch die Panik vor einer zweiten Elbphilharmonie nicht. Man hätte ja auch beweisen können, dass Bayern in der Lage ist, Großprojekte zu bewältigen (falls ich richtig informiert bin, klappt das mit dem Mittleren Ring ganz gut). Stattdessen kneift man lieber, um dann nach 2018 den Nachfolgern zu überlassen, die Scherben aufzukehren.

    *trällert* die Lerche

  • Danke nochmals an alle Beitragenden, und nochmals insbesondere an Zwielicht, dessen Posting mich die Problematik dieses Passus nochmal nachlesen lies:

    Nicht umsonst hat Mariss Jansons gestern zum erstenmal explizit die Münchner Philharmoniker angegriffen, weil diese den Bau eines neuen Konzertsaals nicht nur nicht unterstützt, sondern möglicherweise sogar hintertrieben haben. Die konkurrierenden Orchester mit ihren unterschiedlichen Trägerschaften machen die Situation nicht einfacher.


    Es ehrt Jansons sehr, das auffällige Schweigen der Philharmoniker bisher nicht angesprochen zu haben, aber wenn Philharmoniker-Intendant Paul Müller laut SZ-Bericht tatsächlich »immer am Tisch« mit Reiter/Seehofer saß, und die BR-Symphoniker nicht, erscheint das als ein besorgniserregender Versuch, einen Keil zwischen die zwei Münchner Spitzenorchester zu treiben.

    Weiteres Thema, das ich in diesem Zusammenhang anfügen möchte: Es gibt in München zu wenig Konzert-Raum auch für populäre Musik großen Maßstabs. Ich hab großartige Konzerte zum Beispiel von Dee Dee Bridgewater, Dianne Reeves, Liza Minnelli, Dionne Warwick, Annie Lennox in der Philharmonie erlebt – sollten derartige Konzerte in Zukunft in München nicht mehr möglich sein, wenn die Philharmonie für Nicht-Klassik nicht mehr zur Verfügung stünde, wäre das ein elementarer Verlust. (Den grässlichen Hall-Brei der Olympiahalle kann auch modernste Beschallungstechnik bis heute nicht durchdringen, und die Halle ist in dieser Größe die einzige Alternative in München.) Aber auch beliebte Projekte wie der »Herr der Ringe live« bergen ein großartiges Potential, junges Publikum über Filmmusik für orchestrale Musik im Allgemeinen zu gewinnen. Es muss nicht immer die vermeintlich »hohe Kunst« sein, die initial begeistert.

    München braucht mehr großen Konzert-Raum von Qualität, da beißt die Maus kein’ Faden ab!

  • Ich verstehe auch die Panik vor einer zweiten Elbphilharmonie nicht.

    Die kann ich durchaus nachvollziehen - angesichts der Tatsache, dass es mittlerweile in Deutschland kein Großbauprojekt der öffentlichen Hand mehr gibt, indem nicht die Mafia ihr Händchen im Spiel hätte. Das Geschäft mit Betrug am Bau ist längst einträglicher und weniger riskant als das Drogengeschäft.

    Liebe Grüße,
    Berenice

    Colors are like music using a short cut to our senses to awake our emotions.

  • Die kann ich durchaus nachvollziehen - angesichts der Tatsache, dass es mittlerweile in Deutschland kein Großbauprojekt der öffentlichen Hand mehr gibt, indem nicht die Mafia ihr Händchen im Spiel hätte. Das Geschäft mit Betrug am Bau ist längst einträglicher und weniger riskant als das Drogengeschäft.

    DANN darf ich aber auch nicht über eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen nachdenken, das könnte ein zweiter BER werden (wobei der Verdacht besteht, dass bei den Gutachten die aktuellen Zahlen geschönt wurden). Die Pläne einer zweiten Stammstreckenröhre sind nicht ganz vom Tisch (trotz Gutachten, die eine Kostenexplosion prophezeien).
    Irgendwo habe ich auch wieder davon gelesen, dass der Hauptbahnhof oberirdisch "umgestaltet" werden soll (die Quelle finde ich gerade nicht).

  • Liebe "Lerche",
    mein Post sollte kein Argument gegen einen neuen Konzertsaal sein, nur auf ein weiteres Problem hinweisen, dem m.M.n. in Deutschland noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

    Dass München einen akustisch wie größenmäßig adäquaten "klassischen Konzertsaal" brauchen kann, steht für mich außer Frage.

    Jammerschade, dass die Philharmonie am Gasteig (1985 Eröffnung des großen Konzertsaals) diese Bedürfnisse nie zur Zufriedenheit erfüllen konnte.
    "Rein ästhetisch" scheint mir der große Gasteig-Saal nämlich sehr gelungen und "handwerklich" auch nach 30 Jahren von bester Qualität.
    Wäre die grundsätzliche Architektur gelungen, bräuchte es da m.M.n. noch längst keine "Generalsanierung" ...

    Glückliches Leipzig mit seinem akustisch exzellenten neuen Gewandhaus (Eröffnung 1981) ...

    Interessant scheint mir die von "Musenginst" (post 37) erwähnte gute Eignung des großen Gasteig-Saals als " Konzert-Raum für populäre Musik großen Maßstabs" -
    Vielleicht DIE "Lösung", die Valenzen freigibt für einen "echten" Neubau?

    Liebe Grüße,
    Berenice

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