Mich wundert, dass bis jetzt die m. E. maßstäbliche DVD noch nicht genannt worden ist : Ponnelle ( Regie ), Abbado ( Dirigent), mit Hermann Prey ( Barbiere ), Teresa Berganza ( Rosina ), Luigi Alva ( Conte ), Enzo Dara ( Bartolo ). Paolo Montarsolo ( Basilio ) u. a.
Ja, das wundert mich auch. Durch diese Aufführung habe ich den "Barbier" kennen gelernt, als Videokassette und vor dem Familienfernseher im Wohnzimmer. Der Videorecorder ist inzwischen verschwunden, die Kasette war ohnehin nur geliehen und die DVD habe ich mir nie gekauft, ich habe aber trotzdem den Eindruck, ich würde Ponnelles Inszenierung heute noch in- und auswendig kennen.
Besonders begeistert hat mich an dieser Inszenierung zum einen, wie genau Ponnelle auf die Musik hört und sie in szenische Aktion umwandelt. Man mag zur szenischen Verdoppelung musikalischer Elemente stehen wie man mag, ich halte davon sehr viel, vor allem wenn es auf so witzige und passende Art geschieht wie hier bei Ponnelle. Jede Bewegung, jede Personenanordnung, jeder Umgang mit den Requisiten ist genau auf die Musik abgestimmt, dadurch entsteht eine ungeheure Wirkung (zumindest für mich).
Der andere Punkt, der mich sehr begeistert hat, betrifft die Figuren. Selten habe ich es erlebt, dass es einem Regiesseur gelingt, mit so sicher Hand in kürzester Zeit wirklich Persönlichkeiten zu schaffen. Mit wenigen gezielt eingesetzten Details verleiht Ponnelle jeder Figur unverwechselbares Profil, selbst den kleineren Rollen (wunderbar zum Beispiel die frustrierte Haushälterin)! Er hat auch Sängerdarsteller zur Verfügung, die das alles mittragen und ausgestalten können. Den Darstellern gebührt hier sicherlich ein ähnliches Lob wie dem Regiesseur.
Michael Hampes Inszenierung aus Schwetzingen habe ich auch auf DVD. Ich finde sie sehr gut, ich sehe sie auch beim mehrmaligen Zusehen mit großem Vergnügen, aber letzendlich kommt sie mir doch immer ein wenig "wiederaufgewärmt" vor. Ponnelle ist der Sonntagsbraten, Hampe wärmt ihn am Montag noch einmal zum Mittagessen auf. Die gelungenen Witze, die szenische Verdoppelung musikalischer Vorgänge (z. B. die sich nach und nach schließenden Türriegel) sind bei Ponnelle abgeguckt, teilweise wirklich kopiert, Hampes eigene Ideen bleiben blaß und harmlos, er kommt an einen Ponnelle nicht heran. Hampes Darsteller sind sehr gut (vor allem Carlos Feller und Robert Lloyd möchte ich als Schauspieler herausheben), können aber in einer Bühnenaufführung nicht so präzise und ausgefeilt spielen wie in einer Studioinszenierung, wo Szenen immer wieder wiederholt werden können, bis jeder Handgriff, jeder Blick exakt sitzt. Zudem spielen sie natürlich viel "größer", weil sie ein Publikum erreichen müssen, das 20 oder 30 Meter entfernt ist, nicht nur die Kamera direkt vor ihnen. Als DVD-Zuschauer ist man aber hautnah dran an ihren Gesichtern...