• Zumindest bei den Tempi bewegt sich Järvi in sehr gemächlichen Bahnen. Allegro, Adagio und Finale nimmt Järvi sehr gemächlich. Im Kopfsatz ist er runde fünf Minuten langsamer als Bruno Walter. Järvis Tempi sind für Bruckner-Interpretationen nicht ungewöhnlich, aber enttäuscht war ich irgendwie doch. Järvi schwelgt hier sehr im Orchesterklang, das klingt wunderschön zweifelsohne.

    Ja, seltsam, dass er bei Bruckner in ganz anderen Bahnen wandelt. Auch seine Mahler-Dritte mit dem HR-Orchester (lief im Fernsehen, Übertragung aus Kloster Eberbach) hat mir aus diesem Grund nicht zugesagt. Offenbar ein Dirigent, der sehr unterschiedliche Interpretationsstile nebeneinander praktiziert. Kommt vielleicht auch aufs Orchester an?


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Ich habe mittlerweile alle Beethoven-Symphonien unter seinem Dirigat gehört, und ich muß sagen: pappig, schnarchig, unnötig.

    Ich kenn zwar nur knapp die Hälfte der Beethoven-Sinfonien unter P. Järvi (nämlich die 1., 3., 4., und 7.) und war nach den euphorischen Rezensionen in verschiedenen Musikzeitschriften aber auch den positiven Besprechungen durch verschiedene von mir geschätze Schreiber in einem anderen Forum zunächst ziemlich enttäuscht, als ich die Einspielugen hörte (ich schrieb damals "zwei ziemlich überflüssige CDs mit Beethoven-Sinfonien [...]. Absolut uninformativ, nichts Neues eben").

    Enttäuschte Erwartungen - so ist das, wenn man sich die Neuerfindung des Rads erhofft, aber dann einfach nur ein schon bekanntes Rad ziemlich schwungvoll und rund laufen sieht.

    Heute kann ich die Interpretationen nicht mehr nicht mehr so schlecht finden.

    Also:

    Zitat

    pappig

    sind die Aufnahmen definitiv nicht. Es sind wohl wenige Einspielungen zu finden, die ähnlich transparent wären.

    Zitat

    schnarchig

    sind die Aufnahmen ebenfals definitiv nicht. Järvi ist durchgehend ganz, ganz nah an Beethovens Metronomangaben [Edit: ich sehe grade, dass Zwielicht das schon ausgeführt hat]. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal, sicher nicht. Das sind andere auch - Gardiner, Norrington etwa oder auch Heinrich Schiff, ebenfalls mit den Bremern (der ist etwa bei der Vierten nahezu gleichauf mit Järve, nur im Finale isser ein Fitzelchen langsamer).

    Zitat

    unnötig

    Ja, vielleicht. Die Interpretationen sind schon ziemlich gut, wie ich finde. Aber - ach! - es gibt ja schon so viele! Und für meinen Geschmack sticht Järvi nicht in dem Maße heraus, wie es bisweilen so kolportiert wird. Aber er hat schon etwas zu Beethoven zu sagen - nicht unbedingt revolutionär Neues (ich finde es etwa bemerkenswert, dass Järvi so protegiert wurde, während die Schiff-Einspielungen der Sinfonien 1-4, die im Zugriff und auch hinsichtlich des Klangbildes gar nicht so weit entfert liegen, weitgehend unbekannt sind), aber die Dinge werden doch so artikuliert, dass sich ein (durchaus auch wiederholtes) Hinhören lohnt.

    Adieu,
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • Die Deutsche Kammerphilharmonie unter P Järvi in London am 26.07.2010

    Hab mir folgenden Mitschnitt von France Musique reingezogen:

    Ludwig van Beethoven Symphonie n°1 en ut Majeur op 21
    Ludwig van Beethoven Concerto pour violon en ré Majeur op 61
    Ludwig van Beethoven Symphonie n° 5 en ut mineur op 67
    Hilary Hahn, violon
    Orchestre philharmonique de chambre allemand, Brême
    Direction : Paavo Järvi

    en direct du Royal Hall à Londres, dans le cadre du festival les Prom's
    MARDI 27 JUILLET 2010

    Der erste Eindruck:

    Schon wenige Sekunden vor (!) + natürlich mit Beginn des Adagios, also der Einleitung des 1. Satzes von Sinfonie Nr. 1 ist Hochspannung zu spüren. Entsprechend mit richtigem Brio wird der Hauptsatz gespielt. Die Pauken klingen hart, aggressiv, aber nicht aufdringlich, dumpf oder dröhnend. Durchsichtiges Klangbild der Instrumente. Was für ein spielfreudiges, hinreißendes Konzert braut sich da zusammen.

    Die Dt. Kammerphilharmonie ist sich auch nicht zu piekfein, fetzige Effekte auszuspielen. So z.B. im Trio des 3. Satzes werden die einleitenden + so wunderbar gemischten Bläserakkorde am Ende ein ganz klein wenig breiter gespielt bzw. minimal gedehnt (als ich es bisher mir reingezogen hatte), sobald die Violinen einsetzen. Oder am Beginn des 4. Satzes: Natürlich trifft der Anfangsakkord unerwartet den Hörer. Und extrem zögerlich spielt dann die Dt. Kammerphilharmonie die tonleiterartige Violinenfigur, betont überdeutlich das doppelte (!) pp und auch die folgende Fermate, ehe dann mit schier irrwitzigem Tempo das Allegro einsetzt. .. und .. und .. und ...

    Keine Spur von strömlinienförmiger Wiedergabe oder Gleichförmigkeit. Ganz im Gegentum. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Wiedergabe den Schwerpunkt auf Unregelmäßigkeiten, überraschende Momente, auf anarchische bzw. plebejische Züge beider Beethovenschen Sinfonien gesetzt wird. Keinesfalls fallen aber dabei der Zusammenhang, der Verlauf der Sätze auseinander. Themen bzw. thematische Bezüge werden auch nicht glattgebügelt, noch irgendwie unterm Teppich gekehrt. Wie herrlich widerborstig und kratzig klingt das fetzige Fugato des Scherzos der 5. Sinfonie.

    Dass zügige Tempi keinesfalls Oberflächlichkeit bzw. auf Kosten des sog. Beethovenschen Ernstes gehen müssen, kann der Hörer im Andante con moto (2. Satz) exemplarisch nachvollziehen. Auch das Herausarbeiten von Kontrasten (nämlich z.B. den zwischen intensiver Spielfreude + dem ausgeprägten, aggressiven Ernst im düsteren 1. Satz , + auch im 2. Satz der 5. Sinfonie) tragen zum Gelingen dieses Konzertabends bei.

    Mit dem Violinenkonzert tue ich mich noch schwer. Aber dank dieses Mitschnittes besteht die Möglichkeit, dass sich die Distanz zu dieser Komposition verringert.

    Dankbarer Konzertpublikumsapplaus. Die Deutsche Kammerphilharmonie spielt zur Belohnung ein fantastisches Allegretto scherzando aus Beethovens 8. Sinfonie als Zugabe.

    Eine hammergeile Beethoven-Sternstunde !

    Ich halte die Dt. Kammerphilharmonie unter P. Järvi momentan für eines der wichtigen Orchester in der Pflege der Beethoven-Sinfonien; der Gerechtigkeit halber seien aber noch aufgezählt: z.B. das Orchestre National de Russie unter Pletnev, das Dänisches Radio-Sinfonieorchester unter Dausgaard, das Copenhagener Chamber Orchestra unter Ryelung, das Konzerthausorchester Berlin unter Zagrosek und das Ensemble Modern unter Eötvös. Von diesen ergänzend genannten Orchestern wünsche ich mir ebenso häufige Radiopräsenz, wie die der Deutschen Kammerphilharmonie.

    Hoffentlich wird dieses Londoner Konzert zu einem späteren Zeitpunkt von einer BRD-Radiostation gesendet.

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • RE: Die Deutsche Kammerphilharmonie unter P Järvi in London am 26.07.2010

    Hoffentlich wird dieses Londoner Konzert zu einem späteren Zeitpunkt von einer BRD-Radiostation gesendet.

    :wink:

    Beethoven - zeitlos und erhaben

    BR-KLASSIK - Freitag, 6. August, um 18.05 Uhr in einem Livemitschnitt vom 27. Juli 2010 von den BBC Proms

    Neue Gelegenheit zum Mitschnitt … :wink:

    Es grüßt
    Maurice_Hol

  • Ich halte die Dt. Kammerphilharmonie unter P. Järvi momentan für eines der wichtigen Orchester in der Pflege der Beethoven-Sinfonien; der Gerechtigkeit halber seien aber noch aufgezählt: z.B. das Orchestre National de Russie unter Pletnev, das Dänisches Radio-Sinfonieorchester unter Dausgaard, das Copenhagener Chamber Orchestra unter Ryelung, das Konzerthausorchester Berlin unter Zagrosek und das Ensemble Modern unter Eötvös.

    Ich kann bei Järvi mit den Bremern nur zustimmen und, soweit ich die anderen schon kenne, ebenso. Besonders der Mitschnitt des Konzerthausorchester Berlin unter Zagrosek hat mir auch sehr gut gefallen. Ich kann mich riesig ärgern, dass ich nicht dabei war.
    Mich freut, dass dir das Copenhagen Chamber Orchestra unter Ryelung auch so zusagt. Leider scheint nur die eine CD herausgekommen zu sein, obwohl sie den ganzen Symphonienzyklus live gespielt haben sollen.

    :wink:Matthias

  • ja, das Copenhagen Chamber Orchestra ist uns noch jede Menge Beethoven schuldig ! :thumbup:
    sehr wahrscheinlich werde ich le Concert de Nations unter Savall ebenso in die Beethovenfavoritenliga mit aufnehmen, denn ich habe auch von dieser Wiedergabe der "Eroica" (ich habe mir erstmal die ersten beiden Sätze reingezogen) einen sehr guten Eindruck, etwas bläserlastiger+ etwas mehr Nachhall als bei Ryelung, Järvi + Co...

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • ich habe die letzten beiden Sätze von Beethovens S3 mit le Concert de Nations unter Savall mir reingezogen. Trotz des Nachhalls und der Bläserlastigkeit gehört auch sie ab jetzt - mit dem Copenhagen Chamber Orchestra unter Ryelund und der Dt. Kammerphilharmonie unter Järvi - zur Favoriten-Liga der Beethoven S3-Aufnahmen bzw. -Mitschnitte. Allerdings kenne ich nur den Livemitschnitt der Dt. kammerphilharmonie vom 14.12.06 und nicht die offizielle Studiokonserve aus Bremen... dass die Dt. Kammerphilharmonie unter Järvi nicht nur Beethoven sehr gut machen, sondern auch Schönberg, zeigt der fetzige Mitschnitt der Ode an Napoleon, die am gleichen Abend vor der Eroica gespielt wurde..
    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ja, seltsam, dass er bei Bruckner in ganz anderen Bahnen wandelt. Auch seine Mahler-Dritte mit dem HR-Orchester (lief im Fernsehen, Übertragung aus Kloster Eberbach) hat mir aus diesem Grund nicht zugesagt. Offenbar ein Dirigent, der sehr unterschiedliche Interpretationsstile nebeneinander praktiziert. Kommt vielleicht auch aufs Orchester an?


    Viele Grüße

    Bernd


    Ich habe mittlerweile Paavo Järvi mit der 3. und der 8. Bruckner Live sowie mit der 5. auf CD erleben können. Der Unterschied ist interessant. Die Dritte (1889) hat mich umgehauen, da war ein Drive drinnen ein Elan, Durchhörbarkeit, Details - so muss das für mich sein. Es hat zwar der Vater Nehme einspringenderweise dirigiert, aber wenn man sich in der Arte Mediathek die Aufzeichnung anschaut, hört man was ich meine. Da war trotzdem ordentlich viel Sohn zu hören, letzten Sonntag in Wien. Auch die Achte war schon eher in die Richtung. Vor allem im Finale hat Paavo Järvi das HR-RSO ordentlich vor sich hergetrieben. Das Adagio gespenstisch, langsam, aber sehr stimmig. Die beiden ersten Sätze haben weniger Eindruck hinterlassen. Wenn da die Tontechnik mitspielt, werden das sicher großartige Aufnahmen.
    Die Fünfte geht eher in die Richtung des oben geschriebenen. Zwar ist er von der Tempo-Seite eher auf der flotten Seite, jedoch fehlt mir irgendwie das selbe Gefühl wie bei den beiden anderen Symphonien. Vielleicht pappt die Tontechnik ein bisschen den Eindruck ein was die Transparenz anbelangt, aber an sich haben die Tonleute bei den anderen Aufnahmen (Mahler 2, Rott) bisher ganze Arbeit geleistet.


    Im übrigen hat Paavo Järvi in einem Interview zum Abschied von Frankfurt verraten, dass er nicht nur alle Bruckner Symphonien für CD und alle Mahler Symphonien für DVD sondern auch alle Nielsen Symphonien für CD aufgenommen hat! Die Kombination kann ich mir schon sehr gut vorstellen ich bin gespannt. Ich hoffe auch stark auf eine Veröffentlichung der großen C-Dur von Schubert, was für mich eines DER Erlebnisse im Konzertsaal war. Aber vielleicht ist hier was mit den Bremern geplant.

    Wenn ich F10 auf meinem Computer drücke, schweigt er. Wie passend...

  • Zitat

    Im übrigen hat Paavo Järvi in einem Interview zum Abschied von Frankfurt verraten, dass er nicht nur alle Bruckner Symphonien für CD und alle Mahler Symphonien für DVD sondern auch alle Nielsen Symphonien für CD aufgenommen hat!

    Dann hoffe ich vor allem auf die Nielsen-CDs. Die Vierte hat mir in Frankfurt sehr gut gefallen von ihm. Auch sein Rott auf CD ist eine exzellente Einspielung. Schade, dass er aus Frankfurt weg gegangen ist. Mal schauen, ob sein Nachfolger auch so erfolgreich sein wird. Järvi hat dem Orchester zu neuer Reputation geführt. Daran habe ich keinen Zweifel.

    VG, Maurice

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Der Rott ist eine der absoluten Großtaten auf CD der letzten Jahre.
    Ich habe mal beim Dussmann 3 oder 4 Aufnahmen verglichen. Keine reicht auch nur im Ansatz an Järvi/Frankfurt heran! Die anderen Aufnahmen klingen mir zu achtungsheischend "Seht her, wir führen ein ganz seltenes, besonderes Forschungsprojekt auf, wie sind wir nicht toll". Järvi kleckert nicht, er klotzt und sieht die Symphonie auf Augenhöhe mit Bruckner und Mahler und nicht unter dem musikhistorischen Glassturz. Außerdem ist das Orchester auf einem viel höheren Niveau als bei den anderen Einspielungen, ebenso die Tontechnik.
    Er ist ja in Interviews so weit gegangen, Mahler als Plagiator zu bezeichnen. Das mag der Begeisterung Rott gegenüber geschuldet sein, zeigt aber IMO wie ernst er Rott nimmt und ebenso viel Herzblut in Rott investiert wie in Mahler, den er ja nicht müde wird, als Lieblingskomponist zu bezeichnen.

    Schade, dass er aus Frankfurt weg ist. Schade auch, dass er die nächsten Jahr hauptsächlich in Japan sein will. Das NHK-SO verirrt sich, glaube ich, selten auf Tourneen nach Österreich (Deutschland?). Mit den Parisern war er auch noch nicht in Wien, was ich weiß.

    Wenn ich F10 auf meinem Computer drücke, schweigt er. Wie passend...

  • Zitat

    Ich habe mal beim Dussmann 3 oder 4 Aufnahmen verglichen. Keine reicht auch nur im Ansatz an Järvi/Frankfurt heran!

    Das sehe ich ein wenig anders. Ich dürfte vermutlich alle Einspielungen haben, die es zur Zeit gibt. Selbst eine, die es nicht gibt habe ich davon. Meiner Meinung nach ist die Segerstam-Einspielung absolut erstklassig. Durch sie habe ich das Werk kennen und schätzen gelernt.

    Die Münchner Einspielung ist auch keine schlechte Wahl, de CPO-Einspielung kann ich auch nicht als schlecht empfinden, Friedemann Layer ist sicher der nicht so bekannte Außenseiter mit seinem französischen Orchester, aber auch hörenswert. Kein Highlight, aber keinesfalls schlecht. Wen haben wir noch? Die Ersteinspielung wurde mit einem Orchester eingespielt, dass keine Offenbahrung ist, aber man kann Gerhard Samuel dafür nur danken, dass er sich an das Werk getraut hat. Dann kenne ich noch eine Einspielung vom Staatstheater Mainz unter Carole Rückwandt.

    Paavo Järvi ist aber in der Tat richtig klasse !!

    VG, Maurice :wink:

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Ich habe Paavo Järvi und das HR-Sinfonieorchester hier in Frankfurt in den letzten Jahren sehr oft live gehört und meine Eindrücke waren sehr unterschiedlich, sehr gemischt, und ich war mir oft über die Qualität und den Rang der eben gehörten Darbietung im Unklaren. Will heissen: begeistert war ich nur sehr selten, enttäuscht bis ernüchtert des öfteren.

    Den stärksten Eindruck hat er in der Tat mit Carl Nielsens Sinfonien hinterlassen. Gerade eine Darbietung der selten gespielten Zweiten Sinfonie "Die vier Temperamente" ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Hier hatte das Orchester einen selten zu hörenden Drive. Seit dieser Aufführung mag ich die Sinfonie lieber als vorher.
    Insofern ist es begrüssenswert, dass sie auf CD erscheinen sollen.

    Auch Bruckners Sinfonien scheinen Ihm zu liegen bzw. etwas zu bedeuten. Hier zeigt er durchaus persönliches Engagement und sorgt für Aufführungen, die über das Mittelmass hinausragen. Ob man sie nun unbedingt auf CD braucht, wage ich stark zu bezweifeln. An Günter Wands Qualitäten und geistige Durchdringung reicht er ohnehin nicht heran, auch Stanislaw Skrowaczewski ist ein wesentlich interessanterer Brucknerdirigent (nächste Saison macht er mit dem HRSO die Neunte).

    Stark ist Järvi auch bei Prokofiev. Das Zweite Klavierkonzert mit Alexander Melnikov war eine echte Sternstunde, genauso die Sechste Sinfonie vor längerer Zeit.

    Ebenso sind estnische Komponisten wie Pärt und Tubin mit Ihm immer hörenswert - sie wurden nur leider viel zu selten aufgeführt.

    Mahler-Sinfonien unter seiner Leitung waren ganz OK, haben aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sibelius 6.+7.Sinfonie waren gähnend langweilig, unpersönlich und lediglich korrekt. Und genauso waren viele andere Werke unter Ihm. Fehlerfrei gespielt, nett anzuhören, professionell abgehakt und gleich wieder vergessen. Der HR hats im Archiv und gut ists.

    Auf Tourneen will das Orchester natürlich einen besonders guten Eindruck hinterlassen und hängt sich dementsprechend rein. Es geht ja auch um viel Geld und Reputation. Gerade Tourneen nach Japan sind wohl von allergrösster Bedeutung, da es der weltweit wichtigste Klassikmarkt ist.

    Ich denke, dass es Zeit für einen Wechsel beim Orchester ist. Das Publikum weiss, was es i.d.R. bei einem Järvi-Konzert serviert bekommt: solide, gut gemachte Aufführungen ohne grosse Besonderheiten oder Inspiration. Langeweile auf hohem Niveau.

    Mit Andres Orozco-Estrada kommt jetzt zum Glück ein ganz anderer Typus als Chef hierher. Sein Antrittskonzert vor einigen Wochen hat mich ziemlich begeistert, und es ist zu hoffen, dass es so weitergeht. Er scheint ein Dirigent zu sein, der viel Wärme und Empfindung in seine Aufführungen legt, mit den Werken lebt und stark auf das Orchester eingeht. Das Programm mit Haydn, Prokofiev, Cerha und Rachmaninov hat zudem einen weiten Rahmen abgesteckt.

  • Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

    Zu den besonderen Leistungen Paavo Järvis gehört zweifelsfrei seine künstlerische Leitung der „Deutschen Kammerphilharmonie Bremen“, einem der interessantesten Orchester Deutschlands.

    Die Musiker haben nämlich eine Auflösung des Klangkörpers verhindert, indem sie eine Neugründung als Gesellschaft wagten, in der jedes der Mitglieder auch Gesellschafter ist.

    Unter Järvis Leitung hat das Orchester unter anderem mit seiner Beethoven-Einspielungeine hohe künstlerische Qualität erreicht.

    Ab kommenden Freitag werden wir „die Bremer“ wieder als Residenzorchester des Festivals „Kissinger Sommer“ in der wunderbaren Akustik des Max-Littmann-Saales erleben dürfen.

    Als Dirigent: Natürlich Paavo Järvi.

  • Paavo Järvis Sicht auf Beethoven findet sich hier in einer Übersetzung in der FAZ:

    https://www.faz.net/aktuell/feuill…t-16898598.html

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Noch mehr Paavo Järvi: hier ein aktuelles Interview in der NZZ zu Corona und wie sich die 'Klassik-Welt' dadurch verändert: wie immer gilt auch hier: nicht alles wird schlechter, wenn man bereit ist, sich auf neue Herausforderungen einzulassen .... Die Info, dass ein Drittel der Klassikhörer ohne Impfstoff nicht mehr ein Live-Konzert zu besuchen plant, kannte ich noch nicht ...

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • weil wir keinen Faden zu Rachmaninow haben, packe ich das mal hierher:

    «Wenn du glaubst, du bist der coolste Typ im Raum, bist du im falschen Raum»
    Dirigenten sind Einzelkämpfer – denkt man. Aber die Zürcher Musikchefs Paavo Järvi und Gianandrea Noseda sind Freunde. Mit einem gemeinsamen Projekt von…
    www.nzz.ch

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

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