Rattle und die Berliner – empfehlenswerte Aufnahmen

  • Der Vergleich ist sinnlos, weil man dann die Aufnahmen Rattles vor seiner Berliner Zeit heranziehen müsste und dann sieht es wieder anders aus. Chailly ist der einzige Dirigent dieser Generation, der schon in den 80ern ähnlich viel aufgenommen hat wie Rattle, allerdings meinem Eindruck nach kein so breites Spektrum. Jedenfalls stammt Zemlinsky, Hindemith usw. alles aus den 1990ern, d.h. man müsste es mit Szymanowski, Britten, Sibelius, 2. Wiener Schule und was auch immer Rattle damals aufgenommen hat vergleichen. Die Berliner hatten die Kammermusiken Hindemiths gerade mit Abbado eingespielt. Sooo gängig ist dieses Repertoire auch wieder nicht, dass man es wenige Jahre später beim gleichen Label duplizieren würde.

    Ich hätte das vielleicht noch deutlicher machen sollen: Das "timing" wirkt in zweifacher Hinsicht "gegen" Rattle: Das Ende des Booms bzw. der schon merkbare Niedergang z. Zt. seines Berliner Amtsantritts hat nicht nur die unmittelbare Auswirkung, dass sich Aufnahmen schlechter verkaufen lassen. Zusätzlich sind durch den Boom der 80er und frühen 90er die Kataloge prall mit Aufnahmen sowohl Rattles (Birmingham und Wien) als auch der Berliner Philharmoniker (haupts. Abbado und Karajan) prall gefüllt.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Vielleicht gibt es ja noch einiges nachzuholen, wie z.B. die folgende Aufnahme aus dem letzten Jahr, die im August erscheinen soll:

    .

    Zwar sind weder die Sinfonie noch das Klavierkonzert neu in der Diskographie der Berliner oder von Zimerman, aber immerhin.


    Zum anderen wäre mein Vorschlag, darüber nachzudenken, ob einerseits die Fragestellung, was Rattle mit den Berlinern "aufgenommen" hat und andererseits die Begrenzung auf CD-Veröffentlichungen die Realität angemessen widerspiegeln.

    Ich glaube - das gilt für Rattle wie für jeden anderen führenden Dirigenten -, dass da heute kaum noch einer die Wahl hat, zu entscheiden, was er für ein traditionelles Label aus dem Lager der sog. "Majors" aufnimmt. Vielmehr entscheiden allein die, ob sie eine Aufnahme machen wollen oder nicht und die Antwort auf die Frage hängt inzwischen nicht mehr von einer konsequenten Repertoirepflege ab, sondern allein von Vermarktungskriterien (vor allem in Asien). Insofern sind die Wünsche nach mehr Aufnahmen von moderner oder nicht so gängiger Musik künstlerisch berechtigt, aber eine Illusion, wenn man sich die ökonomischen Rahmenbedingungen des CD-Markts anschaut. Für die kleinen Labels, die so etwas vielleicht machen würden, sind die Berliner schlicht nicht bezahlbar und die "Großen" (sind die eigentlich noch wirklich groß im Sinne von umsatzstark?) interessieren sich fast ausschließlich noch für "Personality", aber nicht mehr für Musik (Bei der "Personality"-Vermarktung kann im günstigen Fall auch etwas Anständiges herauskommen, aber das ist dann eher ein Zufall, gewollt ist es von den Verantwortlichen der Labels nicht).

    Wenn es allerdings um das rein technischer Medium einer Aufnahme geht, muss man die zahlreichen Live-Aufzeichnungen von Konzerten mit einbeziehen, die seitens der Berliner in der sog. "Digital Concert Hall" erscheinen. Da findet man aktuell den ganzen Zyklus der Sibelius-Sinfonien mit Rattle, oder auch Lutoslawski 3 aus 2013 um nur zwei Beispiele zu nennen.

  • Zitat


    Ich habe den Eindruck, dass er einmal in die Geschichte des Orchesters als der "unbedeutendste Dirigent" eingehen wird. Es gibt einige sehr gute Einspielungen, aber insgesamt erscheint mir das doch ein wenig zu dünn zu sein. Mir tut das weh schreiben zu müssen, denn ich bin damals von seiner Wahl absolut begeistert gewesen. Hat er aber die Erwartungen wirklich erfüllt? Ich denke, man wird es in 20 Jahren erst sagen können....

    Vielleicht nicht als Dirigent, sondern seinen Ansätzen klassische Musik zu regenerieren, sie "massenwirksam" zu machen. Ich halte z.B. Rhytm is it als Referenzaufnahme für Musikpädagogik und Musiktherapie .
    Auch wenn hier sicherlich Abstriche hingenommen werden müssen bei der Perfektion des Bildes, Tons etc., ist es erstaunlich wie die Jugendlichen sich verändern und das Musik heilen kann. (Natürlich haben das andere auch gemacht, aber diese DVD berührt....und vielleicht setzt er dieses in London fort.

    Rattle hat sicherlich nur im Ansatz die Erwartungshaltung, die man an ihn hatte, erfüllt, weil er sich nicht voll entfalten konnte und Teile des Orchester sich nie auf ihn eingelassen haben. Wenn das Orchester gespalten ist, sind die einen (der nicht-konservative Block) extrem gelangweilt zum 100 Mal Brahms einstudieren zu müssen und die anderen machen bei "modernen Komponisten" Dienst nach Vorschrift, weil sie lieber Brahms zur Perfektion bringen wollen. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass er wieder aufblüht. Mich würde interessieren, wie eine neue Sibelius-Einspielung bei ihm klingt. Szymanowski kenne ich leider von Rattle nicht.

    Vielleicht wäre daher eine Doppelspitze wirklich eine gute Lösung, aber dann müsste man auch das Orchester teilen... :wacko: Und die Stadt Berlin hat sicherlich kein Geld dafür...Ich hatte bei der Nachfolgedebatte Salonen ins Spiel gebracht, was auf heftigen Widerstand stoß, aber ich denke, dass man abkommen muss von der Idee des Universalgenies...Hengelbrock - den ich ebenso schätze- wurde ebenso abgelehnt.

    Wenn man Weltspitze sein möchte, dann bräuchte man eigentlich sogar 3 wegweisende Dirigenten, denn Bach wird nun mal besser vom Balthasar-Neumann-Ensemble gespielt, als von einem auf die Spätromantik fixierten Orchester...Auch in der Geschichtswissenschaft teilt man in Epochen und spezialisiert sich....

    Salonen bräuchte ein Orchester, dass die Moderne bevorzugt, es wagt seine Kompositionen mit Leidenschaft zu spielen und versucht einen pädagogisch/didaktischen Ansatz zu finden . Sind die Berliner sicher nicht. Wäre aber gut für Berlin.

    Mit Thielemann kann ich persönlich nichts anfangen. (Auch weil sein bevorzugtes Repertoire mich nicht interessiert.) Seine Pegida Äußerungen finde ich schon extrem, wenn sie nicht völlig aus dem Kontext gerissen wurden, aber das was er macht perfektioniert er und es gefällt daher einer Schicht des Bildungsbürgertums...

    Daher könnte ich mir für Berlin, wenn es Weltspitze sein möchte: Junghänel/Thielemann/Salonen als "Trinität" vorstellen... :jub:


    Zitat

    Rattle hätte vielleicht den Weg fortführen sollen, den er in GB bereits anfing, nämlich sich auch anderen Komponisten widmen. Doch durfte er das wirklich so frei bei den offensichtlich immer noch reichlich konservativen Mitgliedern des BPO ??? Wer damals Barenboim und heute Thielemann bevorzugt (oder zumindest in die sehr enge Auswahl bringt), scheint mir doch eher Traditionen pflegen wollen und nicht mit moderner Sichtweise an die Sache ran zu gehen.

    Ein bißchen off-topic:

    "Bachs Musik bevorzuge ich generell auch in HIP-Interpretationen und wenn Rattle die Bach-Passionen nur klassisch konzertant im Konzertsaal aufgeführt hätte, also ohne Sellars szenische Interpretationen, hätte ich mir diese Aufnahmen wahrscheinlich nicht gekauft, d. h. ich besitze davon nur die Matthäuspassion, weil ich skeptisch war/bin, ob sich bei der Johannespassion nicht zu vieles bei Sellars szenischer Interpretation wiederholt. Wenn es darum geht, sich Bachs Passionen nur anzuhören, greife ich lieber zur HIP-Fraktion ab und zu finde ich diese sog. Ritualisierung von Sellars dann doch ganz schön"

    Bei mir ist es so, dass ich z.B. bei Musik, die ich nicht mag "szenische Interpretationen" oder einfach nur ein Bild gebrauchen könnte, weil ich bei Mahlers Sinfonien oft schnell ausschalte, wenn ich aber die Emotionen der Sänger etc. sehe, habe ich eine Orientierung. Das ist aber bei Bachs OVPP Aufnahmen anders, da stören mich Bilder und es kommt mir wie eine unnötige Verdopplung/Erklärung vor...Ich weiß doch genau was abläuft und will mich eigentlich ganz auf die Musik konzentrieren.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)

  • Schaut man einfach mal nach, was in der „Digital Concert Hall“ binnen der nächsten 12 Monate in der Kombination der Berliner mit Rattle angekündigt wird, findet man Folgendes:

    Walton - Facade;
    Brahms - Violinkonzert (Tetzlaff), Debussy - Images; Enescu - Rumänische Rhapsodie;
    Jonathan Dove (Uraufführung);
    Britten - Bridge-Variations; Schostakowitsch 4;
    Bernard Herrmann - Psycho; Schönberg - Glückliche Hand, Nielsen - Pan und Sinfonie 4;
    Beethoven-Zyklus im Oktober;
    Debussy - Pelleas et Melisande;
    Poulenc - Figure humaine, Koechlin - Bandar log, Ravel - Daphnis;
    Milhaud - La Création; Richard Ayres - Noncerto; Stravinsky - Dumbarton Oaks;
    Roussel - Festin; Szymanowski - Violinkonzert 2; Rameau - Orchesterstücke aus Boreade;
    Wagner - Tristan.

    Das „Gängige“ ist da nach meinem Eindruck nicht dominierend. Es werden - wenn nichts dazwischen kommt - aber alles „Aufnahmen“ sein, die man getrost zu Hause anhören (und sehen kann). Ob die dann einen Ewigkeitsanspruch erfüllen können, ist natürlich offen und eher unwahrscheinlich. Doch die hier vorherrschende Begrenzung auf CD-Veröffentlichungen gibt das Bild unzulänglich wieder, ich möchte fast sagen, sie verfälscht es.

  • also die Mucke tendiert m.E. eher durchgehend zum "Gängigen".
    Kaum etwas, was einen Hörer "verstören" vermag.
    Erfreuliche Ausnahme bildet Schönbergs "Glückliche Hand"....

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Zitat

    Vielleicht nicht als Dirigent, sondern seinen Ansätzen klassische Musik zu regenerieren, sie "massenwirksam" zu machen. Ich halte z.B. Rhytm is it als Referenzaufnahme für Musikpädagogik und Musiktherapie .
    Auch wenn hier sicherlich Abstriche hingenommen werden müssen bei der Perfektion des Bildes, Tons etc., ist es erstaunlich wie die Jugendlichen sich verändern und das Musik heilen kann. (Natürlich haben das andere auch gemacht, aber diese DVD berührt...

    Im Grunde hat Leonard Bernstein sowas schon 50 Jahre vorher gemacht. Hier etwas Neues zu sehen, kann ich nicht.

    Zitat

    Salonen bräuchte ein Orchester, dass die Moderne bevorzugt, es wagt seine Kompositionen mit Leidenschaft zu spielen und versucht einen pädagogisch/didaktischen Ansatz zu finden . Sind die Berliner sicher nicht. Wäre aber gut für Berlin.

    Ich hatte Salonen und Bychkov im Übrigen als sinnvolle Alternativen erwähnt. Beide hätten einige Punkte, die für sie sprechen würden. Salonen dürfte vielleicht dabei noch moderner als Bychkov sein. Er wäre sicher eine Bereicherung für das Orchester und Berlin. Doch seine persönliche Zukunft dürfte anders geplant sein (u.a. mehr komponieren). Bychkov wäre wohl sogar frei von festen Verpflichtungen, ein nicht unwesentlicher Grund im Moment.

    Zitat

    .Hengelbrock - den ich ebenso schätze- wurde ebenso abgelehnt.


    In DEM Fall wohl weniger aus künstlerischen Gründen sondern, weil er noch nie die BPO dirigiert hat. Auch ich könnte mir einen Mann dieses Zuschnittes gut als Chef vorstellen. Doch bei der momentanen Zusammensetzung des Orchesters dürfte das absolut unwahrscheinlich sein - leider !! In Hamburg wird man sich darüber freuen.


    Fakt ist, im Moment gibt es für keinen Dirigenten der Welt eine breite Mehrheit im Orchester. Meine Meinung zur Zeit ist, dass es 2018 keinen neuen Chefdirigenten geben wird, dafür aber einige neue Kandidaten als Gastdirigenten. Man wird dann genau hinschauen und hinhören, wer ca. 2020 in Frage kommen könnte, was den Posten angeht. Vielleicht auf Grund der einfach nicht vorhandenen idealen Dirigenten die beste Lösung für alle.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Zitat

    Im Grunde hat Leonard Bernstein sowas schon 50 Jahre vorher gemacht. Hier etwas Neues zu sehen, kann ich nicht.

    Dass es nichts Neues ist, habe ich doch selbst im Zitat gesagt, aber so etwas braucht Kontinuität. Man kann nicht erwarten, dass 1 Projekt etwas ändert. Man muss dauerhaft so etwas etablieren und in einen Rahmen bringen. Rattle hat dazu doch noch Zeit. Ein anderer Gedanke, wenn er in London ein besseres Verhältnis zu seinem Orchester hat, kann er evtl. aus einem 2. Klasse Orchester ein Weltspitzenorchester machen...Dann werden seine Berliner Jahre als interim gesehen...Vielleicht ist er noch nicht an seinem persönlichen Höhepunkt...

    Zitat

    Ich hatte Salonen und Bychkov im Übrigen als sinnvolle Alternativen erwähnt.

    Ja, stimmt...Aber dagegen gab es sofort heftigen Widerstand und es sind im Forum schon wenige, die begeistert sind. Mit Bychkov habe ich mich noch gar nicht beschäftigt. Muss ich mal tun. Wie gesagt: Salonen würde ich mir persönlich wünschen, wenn das Orchester diesen Weg mitgehen würde...Aber Utopie...

    Zitat

    Fakt ist, im Moment gibt es für keinen Dirigenten der Welt eine breite Mehrheit im Orchester. Meine Meinung zur Zeit ist, dass es 2018 keinen neuen Chefdirigenten geben wird, dafür aber einige neue Kandidaten als Gastdirigenten. Man wird dann genau hinschauen und hinhören, wer ca. 2020 in Frage kommen könnte, was den Posten angeht. Vielleicht auf Grund der einfach nicht vorhandenen idealen Dirigenten die beste Lösung für alle.

    Gibt es keinen perfekten Dirigenten oder ist das Orchester einfach nicht mehr zeitgemäß (nur noch 2. Klasse) und verschließt sich hinter einer nicht aufrechterhaltbaren Tradition?

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)

  • Zitat

    Gibt es keinen perfekten Dirigenten oder ist das Orchester einfach nicht mehr zeitgemäß (nur noch 2. Klasse) und verschließt sich hinter einer nicht aufrechterhaltbaren Tradition?

    Es gibt keinen perfekten Dirigenten. Das Orchester ist nicht schwächer geworden, absolut nicht. Es steht und fällt aber (eigentlich) mit seinem Chefdirigenten, denn ER hat normal die größte Anwesenheit, was die Dirigenten angeht. Das Orchester kann auch modern spielen, doch es scheint insgesamt dazu einfach noch nicht bereit zu sein. Rattle kann da machen was er will. Ein Musiker hat mehr Macht als jeder Dirigent. Will er nicht spielen, tut er es nicht.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Ich habe mich völlig falsch ausgedrückt...Ich hätte eigentlich fragen müssen, ob ein Orchester 1. Klasse noch so wirken kann, wie vor 30 Jahren, wenn a) das Publikum wegbricht.. (Berlin zieht noch das Bildungsbürgertum an, aber eben wie lange?) B) Nur ein bestimmtes Repertoire hervorragend spielt, sich aber der Moderne verschließt..Das macht es für mich zu einem Orchester 2. Klasse-..., denn auch unter dem perfekten Dirigenten ist die 200 Brahms Ein deutsches Requiem Aufnahme nicht unbedingt originell...Außer man hätte einen neuen Einfall und besetzt die Romantiker solistisch :-I

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)

  • Ich habe mich völlig falsch ausgedrückt...Ich hätte eigentlich fragen müssen, ob ein Orchester 1. Klasse noch so wirken kann, wie vor 30 Jahren, wenn a) das Publikum wegbricht.. (Berlin zieht noch das Bildungsbürgertum an, aber eben wie lange?) B) Nur ein bestimmtes Repertoire hervorragend spielt, sich aber der Moderne verschließt.

    Weder bricht den Philharmonikern das Publikum weg noch verschließen sie sich der Moderne. Hört doch einfach mal auf, an Euren Lieblings-Legenden zu stricken.

    Christian

  • oder ist das Orchester einfach nicht mehr zeitgemäß (nur noch 2. Klasse)


    Ich werfe nochmal meine Vermutung in den Ring, daß es einfach mehr 1.Klasse-Orchester gibt und viele davon heute ein breiteres Repertoire an Stilen draufhaben als vor 30 Jahren.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Wie gesagt: Salonen würde ich mir persönlich wünschen, wenn das Orchester diesen Weg mitgehen würde...Aber Utopie...

    Was wäre denn der "Weg" von Salonen? Habt Ihr Euch mal angeschaut, was er bei seinem derzeitigen Orchester in London so treibt? Er dirigiert seine Schwerpunkte, viel klassische Moderne (insb. Strawinsky und Sibelius), aber auch einiges an Klassik und Romantik (Beethoven, Brahms). Alte Musik und Zeitgenössisches: Fehlanzeige. Abgesehen davon, dass Salonen beim Philharmonia Orchestra viel weniger Konzerte leitet als Rattle in Berlin (höchstens ein Drittel, grob geschätzt): auch sein Repertoire scheint mir derzeit wesentlich enger gefasst zu sein.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Zitat


    Ich werfe nochmal meine Vermutung in den Ring, daß es einfach mehr 1.Klasse-Orchester gibt und viele davon heute ein breiteres Repertoire an Stilen draufhaben als vor 30 Jahren.

    Das sehe ich genau als das Problem an...Und bei dem Spezialisierungsgrad wird evtl. sogar alles bis Mozart besser von Orchestern gespielt, die "alte Instrumente" beherrschen...

    Zitat

    Weder bricht den Philharmonikern das Publikum weg noch verschließen sie sich der Moderne. Hört doch einfach mal auf, an Euren Lieblings-Legenden zu stricken.

    Wie gesagt: Den Berlinern bricht das Publikum -noch- nicht weg, aber sieh' dir mal regionale Orchester an und wie viele Menschen dahin gehen und welcher Altersdurchschnitt klassische Konzerte besucht.


    Zitat


    Was wäre denn der "Weg" von Salonen?

    Er versucht zu mindestens neues Publikum durch z.B. Installationen etc. zu gewinnen. Das er nicht alles abdeckt, habe ich bereits in meinem Scherz von der Trinität: Hengelbrock/Thielemann(schauder)/Salonen angedeutet...Evtl. müsste da noch eine Nr.4 hin...

    Vielleicht ist einfach sowohl der Dirigent, der alles kann, als auch das Orchester, das jede Epoche spielt, nicht mehr zeitgemäß---??? Vielleicht sollten die Berliner ein Spitzenrotationsprinzip einführen... Zu Vermarktungszwecken ist ein Dirigent schon sehr sinnvoll...

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)

  • Das sehe ich genau als das Problem an...Und bei dem Spezialisierungsgrad wird evtl. sogar alles bis Mozart besser von Orchestern gespielt, die "alte Instrumente" beherrschen...

    Warum ist es ein Problem? Höchstens für Orchester, die auf Teufel komm raus das "beste Orchester der Welt" sein wollen (oder deren Werbestrategen...)... Die Vermarktung scheint doch für die BPh immer noch ganz gut zu funktionieren.
    Allerdings könnte ich mir vorstellen, daß der eine oder andere Dirigent sich sagt: Die Qualität krieg ich so ähnlich auch woanders, aber u.U. weniger Stress und mehr Offenheit für Neues.

    Mir fiele jetzt auf Anhieb kein Grund ein, warum beispielsweise ein P.Jäärvi von den HR-Symphonikern zu den Berlinern wechseln wollen sollte, außer ein bißchen Renommée... Ein kreativer Kopf könnte sich das u.U. schon überlegen, ob das den Druck wert ist und den doch vermutlich größeren Konservativismus bei einer so mit Tradition vollgesogenen Institution.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Mir fiele jetzt auf Anhieb kein Grund ein, warum beispielsweise ein P.Jäärvi von den HR-Symphonikern zu den Berlinern wechseln wollen sollte, außer ein bißchen Renommée...

    Das wird schon allein deswegen schwierig, weil Järvi seit bald zwei Jahren nicht mehr als Chefdirigent beim hr-Sinfonieorchester weilt... Auf welchem Wissensstand (nicht nur) in diesem Thread argumentiert wird, ist bisweilen atemberaubend.

    Und warum nochmal ist Järvi nach seiner eher durchwachsenen Frankfurter Zeit ein besonders innovativer Dirigent - jedenfalls so innovativ, dass ihn die Berliner Philharmoniker lähmen würden?


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Auf welchem Wissensstand (nicht nur) in diesem Thread argumentiert wird, ist bisweilen atemberaubend.

    Tschuldigung, ich verfolge das nicht so... In der Sache (d.h. unabhängig vom konkreten Stand "wer ist grad wo") finde ich solche Fragen trotzdem bedenkenswert.

    Und warum nochmal ist Järvi nach seiner eher durchwachsenen Frankfurter Zeit ein besonders innovativer Dirigent - jedenfalls so innovativ, dass ihn die Berliner Philharmoniker lähmen würden?

    Die Frage stellt sich für mich andersrum: Was haben die Berliner, was sie für jeden Dirigenten so viel attraktiver machen würde als eines der zahlreichen anderen sehr guten Orchester.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Zitat

    Das wird schon allein deswegen schwierig, weil Järvi seit bald zwei Jahren nicht mehr als Chefdirigent beim hr-Sinfonieorchester weilt... Auf welchem Wissensstand (nicht nur) in diesem Thread argumentiert wird, ist bisweilen atemberaubend.

    Stimmt. Siehe Unten

    Zitat

    Und warum nochmal ist Järvi nach seiner eher durchwachsenen Frankfurter Zeit ein besonders innovativer Dirigent - jedenfalls so innovativ, dass ihn die Berliner Philharmoniker lähmen würden?

    Warum durchwachsen? Ich denke, er hat durchaus gute Arbeit abgeliefert, dabei Hans Rott und Carl Nielsen in Frankfurt eingeführt, einige durchaus gute Aufnahmen abgeliefert. Ich finde nicht, dass er schlecht war für Frankfurt. Was fandest Du weniger gut? Kannst Du Beispiele geben? Hast Du überhaupt Järvi in Frankfurt auch mal erlebt? Ich schon....

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Die Frage stellt sich für mich andersrum: Was haben die Berliner, was sie für jeden Dirigenten so viel attraktiver machen würde als eines der zahlreichen anderen sehr guten Orchester.

    Zunächst mal kriegt der Chef ein ziemlich gutes Gehalt. Jedenfalls ein wesentliches höheres als beim Hessischen Rundfunk. Ist ja auch schonmal was.

    Man darf auf Tournee im Wiener Musikverein, in der Carnegie Hall, bei den Londoner Proms, den Salzburger Festspielen, in Luzern dirigieren. Mit dem hr-Orchester eher nicht.

    Überhaupt ist die Berliner Philharmonie ein erfreulicherer Konzertsaal als die Alte Oper.

    Dass bei den Berliner Philharmonikern die eine Hälfte Musik nach Mahler nicht mag, während die andere Hälfte Brahms und Beethoven hasst, muss man dann wohl in Kauf nehmen. Ebenso, dass die von historischer Aufführungspraxis noch nie was gehört haben. Obwohl da Leute wie Harnoncourt, Gardiner, Goebel, Antonini und Haim dirigiert haben/dirigieren. Muss wohl an den Ohrenstöpseln liegen.


    Warum durchwachsen? Ich denke, er hat durchaus gute Arbeit abgeliefert, dabei Hans Rott und Carl Nielsen in Frankfurt eingeführt, einige durchaus gute Aufnahmen abgeliefert. Ich finde nicht, dass er schlecht war für Frankfurt. Was fandest Du weniger gut? Kannst Du Beispiele geben? Hast Du überhaupt Järvi in Frankfurt auch mal erlebt? Ich schon....

    Ja, klar hab ich ihn in Frankfurt erlebt, sonst würde ich das hier nicht schreiben. Und ich fand beispielsweise seine schönklangverliebten Bruckner- und Mahler-Interpretationen wenig interessant. Überhaupt habe ich kaum den Dirigenten wiederentdeckt, den ich von seinen Auftritten und Aufnahmen mit der Bremer Kammerphilharmonie so sehr geschätzt hatte.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Järvi hat vor allem einen ganz eigenen Klang mit den Frankfurtern geschaffen - sehr transparent, sehr klar aufgeschlüsselt, farbig und präzise. Diesen Klang kann er auch bei Gastorchestern durchsetzen, wie ich erst kürzlich mit den Wiener Symphonikern feststellen konnte.

    Ob die Berliner allerdings so etwas wollen, ist eine andere Frage.

    Was ich aber mal aufwerfen möchte: Es wird stets das moderne Repertoire als Grad aller Dinge angeführt. Warum sollen nicht auch mal selten gespielte Romantiker dafür hergezogen werden? Wer dirigiert Rott? Wer Nielsen? Vielleicht mal Ries? Von den ganz großen Dirigenten? Vielleicht mal der frühe Dvorak? Die 2. Schubert lockt ja heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor.

    Wenn ich F10 auf meinem Computer drücke, schweigt er. Wie passend...

  • Habt Ihr Euch im Faden geirrt? In diesem Thread geht es um Sir Simon Rattle und seine Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern. Eure Diskussionen um Järvi, Salonen, Hengelbrock und Bychkov sind von diesem Thema denkbar weit entfernt.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

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