Der Thread ist aus einer Diskussion über den Königin Elisabeth-Wettberwerb 2015 heraus entstanden. LG Federica
Ich halte es für einen Mangel an Respekt, wie im Finale mit ihnen umgegangen wird. Sie haben unter großer Anspannung den Concours bewältigt und jetzt wird noch was draufgepackt, manche stehen da neben sich, bewahren mit Mühe die Fassung - und dabei wird ihnen kein Moment der Diskretion gegönnt. Die Kamera ist immer dabei, im Vorfeld, der Pause und nach dem Auftritt und genau so bei der Preisverleihung. Statt die jungen Menschen in dieser Situation zu schützen, werden sie vorgeführt. Die Situation in diesem Vorzimmer und später auf der Bühne, aufgereiht wie auf der Hühnerleiter, ist so demütigend wie absurd.
Ja, besser kann man das nicht beschreiben. Ich habe diesen Wettbewerb deshalb - und wegen des erzwungenen Konklaves vor dem Finale - schon immer zwiespältig gesehen. Einerseits ist er einer der ganz großen Wettbewerbe, vergleichbar mit Moskau oder (bei Klavier) Warschau, dessen Preisträger wenigstens auf eine gewisse Karriere hoffen können. Andererseits hat er etwas Voyeuristisches, dem sich offenbar auch ein Teil des Publikums hingibt: Ein Freund von mir war vor ein paar Jahren beim Finale vor Ort und hat angeekelt erzählt, dass bei jedem Fehlgriff eines Kandidaten ein leichtes Raunen durch den Saal ging, das man bei den Übertragungen nicht, aber auf der Bühne sehr wohl hören kann.
Man kann eine gewisse Härte bei Wettbewerben prinzipiell nicht vermeiden, und trotz aller Kritik an dem System an sich gibt es bis heute keine bessere Alternative. Die neulich hier in anderem Zusammenhang geäußerte These, Wettbewerbe widersprächen der Kunst, ist meines Erachtens weltfremd und hier im Forum vor allem reichlich heuchlerisch, weil ja hier ständig verglichen, bewertet, empfohlen oder abgelehnt wird. Wettbewerb im weiteren Sinne gehört zum Dasein eines Profimusikers, und im Zweifelsfall kann man wenigstens darauf hoffen, dass eine hochkarätig besetzte Fachjury zu gerechteren "Urteilen" kommt als so mancher Rezensent. Ohne Härte ist also auch dieser Wettbewerb nicht möglich, nur könnte man von Veranstalterseite aus sich darum bemühen, wenigstens die Rahmenbedingungen so menschlich wie möglich zu gestalten, statt die Sensationsgier auch noch gezielt anzustacheln. Eine Kamera hat im Bühnenvorraum einfach nichts zu suchen. Sie verlegt sozusagen die Schwelle zum Auftritt von der Bühnentür nach hinten zum Künstlerzimmer und verhindert damit die immens wichtige Entspannungsphase zwischen den einzelnen Stücken.
Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen die gesamte Struktur der Preisverleihung überdenken und die Kameras aus dem Vorraum der Bühne verbannen.
Daran glaube ich nicht.
Christian