Kirill Petrenko - Der König Midas unter den Dirigenten?

  • Wer Petrenko in den nächsten mindestens drei Jahren hören möchte, muss sich wohl - mit Ausnahme ganz weniger Gastdirigate (kommende Spielzeit: Tel Aviv/Jerusalem und Wien) und einer kolportierten Tournee des Bayerischen Staatsorchesters 2016 - nach München begeben oder sich auf gelegentliche Rundfunkübertragungen des BR kaprizieren.

    Petrenko geht vom 5. bis zum 21. September diesen Jahres mit dem Bayerischen Staatsorchester auf Tournee. Es gibt Konzerte in Mailand (Scala), Luzern (Lucerne Festival, KKL), Dortmund (Konzerthaus), Bonn (Beethovenfest, Beethovenhalle), Paris (Théâtre des Champs-Élysées), Luxembourg (Philharmonie), Berlin (Musikfest, Philharmonie), Wien (Musikverein) und Frankfurt (Alte Oper). Gespielt werden Werke von Wagner, Strauss, Ligeti, Bartók und Tschaikowsky in verschiedenen Kombinationen. Solisten sind Diana Damrau (Strauss, Vier letzte Lieder) und Frank Peter Zimmermann (Bartók, erstes Violinkonzert). Genauere Angaben finden sich hier:

    "https://www.staatsoper.de/staatsorcheste…pa-tournee.html"


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Hui, ich bin leider jetzt erst auf diesen von Zwielicht so fantastisch zusammengestellten Thread aufmerksam geworden...Hut ab davor, Petrenko ist trotz allem Wirbel ja immer noch eine kleine Enigma :verbeugung1:
    Das liegt sicher auch an seinem eigenen Anspruch, ein "Antimaestro" zu sein, was natürlich widersprüchlich ist: Die Musik kommt bei ihm ganz einfach an erster Stelle. Insofern eine hochinteressante Wahl der Berliner Phil., auf jedenfall eine Entscheidung zu Gunsten des künstlerischen Anspruchs.

    Ich kenne seine Aufnahmen in der Digital Concert Hall zwar auch, möchte aber hier etwas von meinen Konzerterfahrungen in München berichten. Ich habe bisher folgende Events miterleben dürfen (und für die Münchner ist jedes Konzert/jede Opernaufführung mit ihm mittlerweile genau das, ein Event):

    • Gleich das 1. Akademiekonzert mit Mahlers 3. Symphonie
    • Ravels La Valse, Hector Berlioz‘ Symphonie fantastique und Karl Amadeus Hartmanns Gesangsszene nach Worten aus Sodom und Gomorrha mit Christian Gerhaher als Solisten
    • Wagners Götterdämmerung (bei der Walküre ist er leider ausgefallen/wurde durch Simone Young erzetzt)
    • Elgars Violinkonzert mit Julia Fischer und Sibelius' 5. Symphonie

    Ausnahmslos jedes dieser Konzerte gehört zu den besten Erfahrungen, die ich bisher gemacht habe. Oft gibt es ja eine Art "Starphänomen" oder einen gewissen Mythos, der die objektive Urteilskraft gegenüber gewissen Künstlern beeinträchtigen kann (ob zum Guten oder Schlechten). Jedoch war bereits die 3. Symphonie von Mahler ein Ereignis. In einem derartigen Spannungsbogen und mit solcher Bildhaftigkeit und Hingabe habe ich dieses maßlos unproportionierte Werk noch nie erlebt. Und ich habe hier auch Jansons' hoch gepriesene Aufführung derselben mit dem BRSO live erlebt (ist auf Youtube zu sehen). Die Ovationen nach dem Konzert waren fast ebenso überwältigend.

    Man bedenke hier, dass Petrenko zu diesem Zeitpunkt zwar schon einen guten Ruf und auch mit "Die Frau ohne Schatten" einen großartigen Einstand gegeben hatte, jedoch umgab ihn noch lange nicht dieser Mythos um seine Person und sein Können als Orchesterleiter. Mittlerweile sind die Vergleiche mit Carlos Kleiber fast schon alltäglich, welcher dem Bayerischen Staatsorchester ja auch sehr verbunden war. Gemeint sind damit nicht nur die hohe Konzentration, die er von sich selbst und dem Orchester verlangt, sondern auch die scheinbar unendlichen Gesten, mit denen er fähig ist Details hervorzuheben und der Aufführung Antrieb zu vermitteln.

    Und apropos Antrieb: Diese Sibelius 5... :love: :love:
    Ich halte mich was dieses Werk betrifft für relativ konzerterfahren, habe ich es doch schon mit Esa-Pekka Salonen und dem BRSO, mit Lorin Maazel und den Wiener Philharmonikern und mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern live gehört...Petrenko hat mich von allen Aufführungen am meisten begeistert. Dieses Accelerando im ersten Satz...Kopfschütteln, ungläubiges Staunen. Was für Übergänge, besonders der Wechsel zum Scherzo-Teil, was für eine Explosion im Finale des ersten und dritten Satzes. Dabei hat er sogar noch die teilweise unauffällig modernen Streicherstellen hervorgehoben, wie ich es bis dahin nie wahrgenommen habe. Jedenfalls ersehne ich mir ab jetzt einen ganzen Sibelius Zyklus. Natürlich hier auch Hochachtung vor dem Orchester, die Mitglieder haben sich nach dem letzten Tutti-Schlag gegenseitig zugenickt, als ob sie begriffen hätten: Wir habens geschafft! We did it!
    Einen Tag später habe ich nochmal den Live-Mitschnitt im Radio verfolgt, allerdings war die Klangqualität ziemlich schlecht...zu laute Trompeten, schlechte Balance und Transparenz. Dieser ermöglicht keinen sehr authentischen Eindruck von der Aufführung an sich.

    Ich könnte jetzt noch von der "Fantastique" schwärmen, aber ich glaube ich könnt es sowieso erahnen :P

    Für das nächste Akademiekonzert mit Mendelssohns 3. Symphonie und Mahlers Lied von der Erde habe ich gleich in der ersten Minute des Vorverkaufs online geschaut, dass ich noch Plätze ergattern kann....Bereits nach 2 Minuten waren alle 2.200 Plätze vergeben.

    „Music is a nexus. It's a conduit. It's a connection. But the connection is the thing that will, if we can ever evolve to the point if we can still mutate, if we can still change and through learning, get better. Then we can master the basic things of governance and cooperation between nations.“ - John Williams

  • ...von Zwielicht so fantastisch zusammengestellten Thread...

    Und natürlich auch von Marcos, entschuldige.

    „Music is a nexus. It's a conduit. It's a connection. But the connection is the thing that will, if we can ever evolve to the point if we can still mutate, if we can still change and through learning, get better. Then we can master the basic things of governance and cooperation between nations.“ - John Williams

  • Vielen Dank für Deine Eindrücke, die ich in vielen Punkten teile!


    Einen Tag später habe ich nochmal den Live-Mitschnitt im Radio verfolgt, allerdings war die Klangqualität ziemlich schlecht...zu laute Trompeten, schlechte Balance und Transparenz. Dieser ermöglicht keinen sehr authentischen Eindruck von der Aufführung an sich.


    Ja, der Elgar/Sibelius-Mitschnitt war klangtechnisch wirklich bescheiden (der war eine Zeitlang auch auf Youtube zu finden, aber die Bayerische Staatsoper lässt dort gnadenlos alle nicht-offiziellen Mitschnitte von Petrenko-Dirigaten löschen - u.a. auch die weiter oben noch von mir verlinkte, vom BR gesendete Interpretation von Skrjabins Dritter).

    Das Münchner Nationaltheater ist aber auch als Konzertsaal (!) alles andere als ideal ("dicker" Klang, unproportionale Hörbarkeit einzelner Instrumentengruppen) - ich habe das Elgar/Sibelius-Konzert von zwei verschiedenen Plätzen gehört und beidemale war der Klang auf andere Art suboptimal.

    Deshalb ist es erfreulich, dass man das Staatsorchester mit Petrenko demnächst mal in guten Konzertsälen hören kann - eines der Konzerte in Luzern, Luxembourg, Berlin oder Wien werde ich mir jedenfalls antun.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Noch sechs Tage kann man hier Kirill Petrenkos erstes Auftreten in einem Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker (vom vergangenen Sonntag) nachhören, die Symphonie Nr. 3 a-Moll op. 56 ("Schottische") von Mendelssohn Bartholdy und "Das Lied von der Erde" von Gustav Mahler, mit Elisabeth Kulman und Robert Dean Smith (Einspringer für Johan Botha).
    "http://oe1.orf.at/programm/tag/20160403" (11:03 Uhr und 12:08 Uhr)

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Lieber Alexander,

    vielen Dank für den Hinweis auf die Möglichkeit, das Wiener Philharmoniker-Konzert zu hören. Immerhin hat K. Petrenko ja erst vor wenigen Wochen exakt das gleiche Programm bei den Münchner Akademiekonzerten aufgeführt. Beide Stücke haben sich durch eher schlankere Tempi und einen wunderbaren Spannungsaufbau ausgezeichnet in meinen Ohren. Ich mochte die Stimme von Robert Dean Smith nicht besonders im Lied, aber die Besetzung mit der eher schlanken und untragischen Elisabeth Kulman hat mich sehr überzeugt. Vor wenigen Wochen hatte ich erst Bernstein/Ludwig/Kollo/IPO gehört, die dem Lied sehr viel mehr 'Dauertragik' und saftige Leidenschaft geben. Hier hingegen war ein dezentes, aber nicht unterbelichtetes, sondern feineres Verständnis für das Stück zu hören, die präsenten Hornstellen im letzten Drittel des Abschieds haben sich sehr schön gesteigert, so dass die Entwicklung klarer zu erkennen war. Ich hoffe, ich schaffe es noch einmal, das anzuhören ...

    Weil Du nicht davon berichtet hast, nehme ich an, dass Du auch nicht beim Münchner Konzert mit Gerhaher Karten bekommen hast?

    LG Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Ich war im Münchner Konzert, habe mir auch die Aufzeichnung des Wiener Konzerts angehört und konnte - zu meiner Beruhigung ;) - feststellen, dass man Petrenkos Interpretationen bis ins Detail wiedererkannt hat. Nur beim ersten Satz der Schottischen erscheint es mir, als klänge in Wien die Interpretation etwas weniger akzentuiert, sozusagen philharmonischer als in München: z.B. bei den imitierenden Einwürfen der Hörner in Takt 41/42 (Einleitung), den Crescendi der Bläsereinwürfe in T. 166/167 (Exposition), den sturmheulenden Trompeten in T. 471ff. (Coda) und bei so manchem Sforzato. Ansonsten aber ein sehr ähnliches Bild: Schärfung des Klangs, viel Binnendynamik auf engstem Raum (vgl. auch die Paukenwirbel im dritten Satz), schnelle Klangfarbenwechsel, einiges an Rasanz in den schnellen Sätzen. Am schönsten vielleicht die Dramaturgie des Adagio, bei dem das Trauermarschthema jedesmal anders dynamisiert wird und die Überlagerung der beiden Themenkomplexe jederzeit hörbar ist.

    Kennzeichnend für das Lied von der Erde ist unter anderem (z.B. den ekstatisch herausgeschleuderten Schlusstakten des Trinklieds) das orchestrale Zwischenspiel des in München wie in Wien sehr flüssig (ca. 25 Minuten) genommenen Abschieds mit den heftigen Klangeruptionen, auch die im Schlussteil nie schwelgenden Streicher und das dort - dank des Ausgangstempos - wirklich spürbare große Ritardando mit einer schönen Atempause vor dem letzten "Ewig".

    (Zu den Sängern nur soviel: Peter Seiffert hatte in München auch seine Schwierigkeiten, war aber dem hier einmal wirklich enttäuschenden Robert Dean Smith in Wien deutlich überlegen. Elisabeth Kulman finde ich mit winzigen Abstrichen wunderbar. Dagegen war ich von dem in München singenden Christian Gerhaher zum erstenmal ein wenig enttäuscht: sowohl von der Galerie wie auch vom zweiten Rang Mitte her war er wirklich schlecht zu hören, selbst bei den vom Orchester fast unbegleiteten Passagen im Abschied. Aus dem Parkett wurde mir von guter Verständlichkeit und bewegender Gestaltung Gerhahers berichtet, davon hätte ich gern mehr gehört. Wenn die Bayerische Staatsoper nicht verneint hätte, dass das Konzert aufgezeichnet wurde, würde ich sagen: Gerhaher hat fürs Mikrophon gesungen...)


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Meistersinger

    Am 16.5. hat Petrenko die Premiere von Wagners Meistersingern an der Bayerischen Staatsoper geleitet - es war sein erstes Dirigat des Werks. Für eine begrenzte Zeit (ich vermute, bis zum 23.5.) kann man sich die Liveübertragung der Premiere vollständig oder ausschnittsweise auf der Website von BR-Klassik anhören:

    "https://www.br-klassik.de/audio/wagner-m…ufmann-100.html"

    Es singen u.a. Wolfgang Koch (Sachs), Jonas Kaufmann (Stolzing), Markus Eiche (Beckmesser), Sara Jakubiak (Eva), Benjamin Bruns (David), Okka von der Damerau (Magdalene), Christof Fischesser (Pogner), Eike Wilm Schulte (Kothner). Chor der Bayerischen Staatsoper, Bayerisches Staatsorchester.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • .. hab gerade mal das Quintett und den nachfolgenden Aufzug der Zünfte angehört. Klingt verdammt gut. Toller Chor!
    werde wohl noch mehr hören .. von den Meistersingern kann ich eigentlich nie genug bekommen ..

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Warum ist hier eigentlich immer von König Midas die Rede? Hat Petrenko Eselsohren? Oder was hat er bisher in Gold verwndelt?

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Warum ist hier eigentlich immer von König Midas die Rede? Hat Petrenko Eselsohren? Oder was hat er bisher in Gold verwndelt?

    Partituren bzw. Werke, das dürfte in der Threadüberschrift wohl gemeint sein. Metaphorisch. Ich persönlich kann ja auf diese blumigen Titelbeifügungen verzichten ("Liebevolle Demut", "Meister des Schönklangs?", "Verantwortung annehmen und sie nutzen"...). Aber wer's mag.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Tournee (1)

    Vom 5. bis zum 21. September war, wie oben angekündigt, das Bayerische Staatsorchester mit Petrenko auf Tournee. Man trat an zehn Orten auf: Mailand (Scala), Luzern (KKL, Lucerne Festival), Dortmund (Konzerthaus), Bonn (Beethovenhalle, Beethovenfest), Paris (Théâtre des Champs Elysées), Luxemburg (Philharmonie), Berlin (Philharmonie, Musikfest), Wien (Musikverein), zweimal zuhause in München (Nationaltheater, Akademiekonzert) und in Frankfurt (Alte Oper).

    Gespielt wurden, in wechselnden Kombinationen, zwei Stücke vor der Pause: das Meistersinger-Vorspiel oder Ligetis Lontano zu Beginn, dann entweder Strauss' Vier letzte Lieder (mit Diana Damrau) oder Bartóks erstes Violinkonzert (mit Frank Peter Zimmermann); nach der Pause entweder Strauss' Symphonia domestica oder Tschaikowskys fünfte Sinfonie.

    Petrenko hatte vorher schon angekündigt: Ich freue mich besonders auf die Möglichkeit, unsere Interpretationen über eine ganze Serie von Aufführungen weiter reifen zu lassen und sie auf die jeweils besondere Atmosphäre und Akustik der verschiedenen Säle abzustimmen. Tatsächlich können diejenigen, die mehrere Konzerte der Tournee gehört haben (u.a. ich), bestätigen, dass sich die Interpretationen nicht in der Gesamtanlage, aber in manchen Details entscheidend geändert haben. Zu den Anspielproben vor den Konzerten waren offenbar durchgehend Pressevertreter zugelassen.


    Reinhard J. Brembeck in der Süddeutschen Zeitung vom 10.9. über die Anspielprobe vor dem ersten Konzert der Tournee in Mailand (nicht online, Ausschnitt aus der Printausgabe):

    18.35 Uhr, nur noch eineinhalb Stunden bis zum Konzert. Das beeindruckt Petrenko so ganz und gar nicht. Er probt genauso akribisch besessen wie in München, er feilt an jedem Detail, das ihn stört. Vor allem die Scala-Akustik macht ihm sichtbar Sorge. Die ist bei Opernaufführungen, wenn die Musiker im Graben sitzen, sehr gut. Sitzt aber ein Orchester wie jetzt auf der Bühne, dann ist sie unangenehm trocken, vulgo schlechter als selbst in München. Petrenko nüchtern und ein bisschen entmutigt: „Es wird mit Publikum noch trockener.“ [...]
    Mittlerweile lässt Petrenko das Vorspiel Vorspiel sein. Bedauernd bemerkt er, dass im Opernalltag manche Gepflogenheiten einreißen würden, die aber beim Konzert stören. Sein Trost: „Das muss man besprechen, wir haben ja noch ein paar Mal.“ Da ist er wieder, der besessene Immer-weiter-Arbeiter, der hinter jeder Perfektion eine weitere mögliche Perfektion entdeckt.
    Dann das Kernstück des Abends, die „Domestica“. Der langsame Teil gefällt ihm gar nicht, „zu laut, zu wenig Magie“. Kirill Petrenko wirkt etwas gestresst und nervös. [...]
    19.05 Uhr, knapp eine Stunde noch bis zum Konzertbeginn. Petrenko lockt Diana Damrau auf die Bühne, jetzt sind die „Vier letzten Lieder“ dran. Petrenko kämpft weiter mit der Akustik, er beschwört seine Musiker: „Tun Sie bei der Dynamik das Möglichste, was möglich ist, in diesem trockenen Raum.“ Das heißt vor allem leiser als in München spielen, deutlicher, die lauten Stellen weicher, und der Musik immer auch etwas mehr Zeit geben, damit sie sich hier entfalten kann. Damrau singt und staunt ob der Schönheit des Orchesterklangs. Doch Petrenko kann es auch jetzt nicht lassen, einzelne Stellen zu proben. Einmal will er mehr „Bässe als Celli“, dann entdeckt er eine Stelle, die ihm komisch klingt. Er wird nachschauen, ob das so im Original bei Strauss steht oder ob da ein Druckfehler in den Noten steckt. Die Zeit rast dahin. [...]
    19.33 Uhr. Die Inspizientin der Scala ist mit den Nerven am Ende, als Petrenko dann endlich und sichtlich bedauernd doch noch mit dem Proben ein Ende macht: „O.k., gut, toi, toi, toi.“ Die Musiker verschwinden auf die Seitenbühne, ziehen ihr Konzertkleidung an, die ersten Zuhörer strömen in den Raum. Petrenko aber läuft noch immer zwischen den Notenständern herum und stiftet die Bühnenmanager dazu an, die Bläser noch enger zusammenzusetzen, dann verschwindet endlich auch er.


    Eleonore Büning in der FAZ vom 16.9. über die Anspielprobe in Paris (nicht online, Ausschnitt aus der Printausgabe):

    Dieser Dirigent ist keiner von denen, die Grenzen akzeptieren, weder für sich noch für andere. War etwas "sehr gut" (sagt Petrenko am Montag in der Pariser Anspielprobe über die Aufführung von Peter Tschaikowskys Symphonie Nr. 5 e-moll vom Vorabend beim Bonner Beethovenfest), dann ist das noch lange kein Grund, es nicht sehr viel besser machen zu wollen; und er geht noch mal alle vier Sätze der Symphonie durch, feilt, poliert und kritisiert, mit entwaffnender Liebenswürdigkeit, bis das Publikum draußen fast an den Türen kratzt und das Orchester sich in Blitzesschnelle umziehen muss. Aber welcher Musiker wollte nicht, in aller Demut, heute noch besser spielen als gestern? Das gilt für diese Münchner unbedingt. Sprengt Petrenko die Grenze, sprengen sie mit. Wir paar Musikkritiker, die wir bei den Proben zuhören und das ganze Tournee-Repertoire, Ligeti, Tschaikowsky, Strauss, Bartók und Wagner, mehrfach im Konzert hören dürfen, können es bezeugen. Die spannende Frage aber lautet: Wird das in Zukunft auch für Berlins [...] Philharmoniker gelten?


    Felicia Englmann in der Abendzeitung vom 15.9. über die Anspielproben in Paris und Luxemburg (Link:(

    Keine Minute der 45-minütigen Anspielprobe im Théâtre des Champs Elysées bleibt ungenutzt. Petrenko feilt, treibt das Bayerische Staatsorchester zur Höchstleistung, indem er bremst und reduziert und damit die entsprechenden Stellen fokussiert. Die historische Spielstätte macht es nicht einfacher. „Sie hören, wie massiv das klingt, wenn man sich ein bisschen gehen lässt“, warnt Petrenko und beendet die Probe mit „Toi-toi-toi.“ [...] In der Philharmonie Luxembourg eröffnen die Münchner die neue Konzertsaison. Sommerhitze auch hier. Sopranistin Diana Damrau [...]: „Für mich ist es die erste Erfahrung, mit einer festen Truppe auf Tournee. Dass wir vor jedem Konzert eine Anspielprobe machen, ist purer Luxus. Weil wir natürlich den Saal testen, aber wir können auch an Stellen feilen, und da ist ja unser Herr Petrenko groß. Wir sind alle im musikalischen Himmel hier.“ Auch an diesem Abend wird gefeilt – an sich entwickelnder Harmonik und einem Mezzopiano in Györgi Ligetis „Lontano“, an einem Bratschen-Staccato in der „Sinfonia Domestica“ von Richard Strauss, vor allem aber erneut am Vertrauen. Er werde sich in „Lontano“ weiter zurücknehmen, sagt Petrenko seinen Musikern, und „Sie versuchen, unabhängiger zu spielen.“


    Bernhard Neuhoff am 15.9. im Bayerischen Rundfunk über die Anspielprobe in Berlin (Link:(

    "An der Stelle bitte etwas schneller, wir sind da gestern ein bisschen eingeschlafen." Anspielprobe in der Berliner Philharmonie. Es ist kurz nach sieben, in knapp einer Stunde beginnt das Konzert, von dem so viel abhängt. "Also ganz direkt gesagt: nicht wir alle sind eingeschlafen, sondern die Bratschen." Heiterkeit im Orchesterplenum, humoristischer Protest in der Bratschengruppe. Am ersten Pult tut einer, als würde er gerade ein Nickerchen machen. Orchestermusiker auf Tournee sind manchmal wie Schüler auf Klassenfahrt. Nur dass der Pauker hinten sitzt. Vorn freut sich Kirill Petrenko über den großen Erfolg seines kleinen Scherzes: "Das ist auch eigentlich ganz richtig so, wir müssen ja einschlafen, nur eben etwas später." Schließlich liegt die "Sinfonia domestica" von Richard Strauss auf den Pulten.


    Volker Milch in der Allgemeinen Zeitung Mainz vom 23.9. über die Anspielprobe vor dem letzten Konzert der Tournee in Frankfurt (Link:(

    Eher fröhlich dagegen gestaltet sich die Anspielprobe vor dem letzten Konzert, wie in allen Tourneestationen nun auch in Frankfurt für die Presse geöffnet. Man darf also dem als introvertiert geltenden Dirigenten über die Schulter schauen. Neben der Begrüßung des Orchesters durch Stephan Pauly, den Intendanten der Alten Oper, hört man den Dank an die Orchesterwarte für ihren Einsatz während der Tournee – und den Dank, den Petrenko seinem Klangkörper für „unglaubliche Leistung“ ausspricht. Die Anspielprobe vermittelt aber vor allem auch einen kleinen Eindruck von Präzision und Konzentration, mit denen Petrenko seit 2013 ständig an solcher Leistung feilt, ein „sehr deutliches“ Crescendo fordert oder auf „unerbittlichem“ Rhythmus besteht. Im Probenmodus geschieht das mit energischer Sachlichkeit und ökonomischem Körpereinsatz. Im Konzert dann wächst der vermeintlich so introvertierte Dirigent in kraftvoll-eleganter Körpersprache buchstäblich über sich hinaus.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Tournee (2)

    Besonderes Interesse hat natürlich das Konzert an Petrenkos künftiger Wirkungsstätte in Berlin hervorgerufen. "An diesem Abend sind gleich zwei Orchester in der Philharmonie anwesend. Das auf dem Podium sind die Gäste aus München, das im Publikum sind die Berliner Philharmoniker" - so Ulrich Amling in seinem Artikel im Tagesspiegel vom 15.9. (Link). Ebenfalls über die Rahmenumstände des Berliner Konzerts berichtet Bernhard Neuhoff im Bayerischen Rundfunk (Link).

    Das Berliner Konzert des Bayerischen Staatsorchesters (Ligeti, Bartók, Strauss/Domestica sowie das Meistersinger-Vorspiel als Zugabe) kann man sich in voller Länge in der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker anhören und -sehen (was allerdings bekanntlich kostenpflichtig ist, man muss mindestens 9,95 € opfern - umsonst ist nur ein Trailer mit kurzen Ausschnitten aus allen gespielten Werken):

    Ligeti, Bartók, Strauss, Wagner - Bayerisches Staatsorchester, F.P. Zimmermann, Kirill Petrenko - Berlin, Philharmonie, 14.9.16 - Digital Concert Hall


    Da der Bayerische Rundfunk das Konzert vom 20.9. in München mitgeschnitten hat, ist z.Zt. das gesamte Repertoire der Tournee online abrufbar: BR Klassik stellt den Mitschnitt für 30 Tage online (natürlich kostenlos):

    Ligeti, Strauss, Tschaikowsky - Bayerisches Staatsorchester, Diana Damrau, Kirill Petrenko - München, Nationaltheater, 20.9.16
    (Ligeti, Lontano: 2:20 - 14:10; Strauss, Vier letzte Lieder: 17:15 - 39:20; Tschaikowsky, 5. Sinfonie: 1:08:45 - 1:54:20)


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Tournee (3)

    Bei allen drei Konzerten, die ich erlebt habe (Luzern, Dortmund, Berlin) wurde Wagners Meistersinger-Vorspiel gegeben, zweimal regulär, einmal - in Berlin - als Zugabe. Zu allem Überfluss habe ich in Mai und Juli schon zweimal die kompletten Meistersinger in München gehört... Die Interpretation des Vorspiels war von Anfang an rasant und sie ist bis zur letzten Aufführung noch rasanter geworden: ich schau im Konzert nie auf die Uhr, aber in der Digital Concert Hall kann man nachprüfen, dass das Stück in Berlin nach acht Minuten und zehn Sekunden vorüber war, was noch schneller ist als die schnellste mir bekannte Aufnahme (Norrington mit den London Classical Players) - allerdings einer Zeitangabe Wagners entspricht, der nach einer von ihm dirigierten Aufführung in Mannheim notierte, es habe acht Minuten und wenige Sekunden gedauert. Die Gesamtdauer kommt bei Petrenko auch durch ein relativ zügiges, marschartiges, aber keineswegs flottes Grundtempo zustande, vor allem aber durch die geringen Tempomodifikationen im Fortgang: Viele Dirigenten bremsen ja bei den lyrischen Seitenthemen stark ab, beschleunigen dann aber bei der scherzoartigen Passage mit der Beckmesser zugeordneten Variante des Hauptthemas über das Grundtempo hinaus (was alles aber durch die Partitur, die ständig das "Grundzeitmaß" verlangt, nicht gedeckt ist). Petrenko modifiziert das Tempo auch häufig, aber eher unmerklich. Davon abgesehen ist es keineswegs eine "schlanke" Interpretation: zu Beginn herrscht genügend Pomp und zum Schluss wird dem Affen Zucker gegeben. All dies aber mit hoher Differenzierung: wenn bei der Meistersinger Fanfare der perkussive Themenkopf klanglich von der choralartigen Fortsetzung abgehoben wird, bei dem von Nebenstimmen umspielten Preislied-Thema. Ich find's so ideal.

    Ligetis Lontano habe ich live nur im Berliner Konzert erlebt - die Philharmonie ist für dieses Stück akustisch ideal geeignet. Die vor allem nach unten hin abgestuften Dynamikgrade, das Ineinandergleiten der instrumentalen Farben, das Fehlen einer Entwicklungsdynamik wurden vom Orchester und dem hier (natürlich) ohne Taktstock, mit nur angedeuteter Gestik dirigierenden Petrenko wunderbar umgesetzt und nur von den obligatorischen Hustern beeinträchtigt.

    Wie Benno/Giovanni di Tolon in einem anderen Thread so schön sagte: Im Grunde macht Richard Strauss in seinen Vier letzten Liedern etwas ähnliches wie Ligeti, nur mit Melodien. Den orchestralen Part habe ich noch nie so intim, ohne jedes Aufrauschen und trotzdem so farbig gehört wie in Luzern - eben wie das Ineinandergleiten der Instrumentalfarben bei Ligeti (hier durch die teilweise auch "instrumental" geführte Singstimme Damraus bereichert). Die Tempi waren ganz "normal", meist in der Mitte des gewohnten interpretatorischen Spektrums. aber es war ein Fließen, als ob keine Taktstriche notiert wären. Insgesamt eine verschattete, melancholische Klanglichkeit, durch wunderschöne instrumentale Details wie die singenden Streicher bei "steigen nachträumend" (in Im Abendrot) ausgezeichnet. Das Fortepiano am Anfang des letzten Lieds wirkte da fast schon wie ein schmerzliches Zucken, das sofort zurückgenommen wird. Perfekte Koordination von Gesang und Orchester. Diana Damraus Stimme erschien mir trotz sängerfreundlichster Begleitung in Luzern (allerdings vom vierten Rang aus) einen Grad zu klein für das Werk, in der Aufnahme des Bayerischen Rundfunks finde ich sie dagegen hervorragend (dazu habe ich hier schon etwas geschrieben).

    Bartóks erstes Violinkonzert habe ich in Dortmund und Berlin gehört. Petrenko schreibt in einer zur Tournee erschienenen Broschüre: Es ist ein kurzes, aber sehr intensives Werk, und Frank Peter Zimmermann - den ich damit vor einiger Zeit in Wien gehört habe - interpretiert es mit einer großen Klanglichkeit und viel Espressivo. So war es dann auch: Zimmermann bot eine dezidiert (spät)romantische Sicht auf das Konzert, sparte nicht mit Ausdruck, Vibrato und gelegentlichen Portamenti - in Berlin auf höchstem technischen Niveau, in Dortmund schien er mir anfangs etwas von der Rolle zu sein. Interessanterweise ließ Petrenko die nach und nach hinzukommenden Geigen im ersten Satz sehr leise und vibratoarm mit Zimmermanns Geige dialogisieren, was den ein oder anderen Rezensenten schon auf unterschiedliche interpretatorische Konzepte schließen ließ. Das ist aber nach Petrenkos oben zitierter Äußerung wohl auszuschließen - es ging wohl eher darum, die Orchestergeigen der Solovioline wie ein Schatten folgen zu lassen. Insgesamt war das eine ausgezeichnete, wiederum perfekt koordinierte Deutung, die mir aber im Vergleich zu den mir bekannten Aufnahmen keine neue Sicht auf das Werk verschafft hat. Bei der Digital Concert Hall ist die Sologeige im Unterschied zur von mir erlebten Akustik wieder einmal klanglich stark in den Vordergrund gezogen worden.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Ich habe das Konzert in Bonn miterlebt. Und ich gestehe - als Wiener ist man ja mit eigenen wie auch mit Gastorchestern verwöhnt - das war ein denkwürdiger Abend.
    Bei "Lonato" von Ligeti war ich vor dem Konzert skeptisch, wie ich (als Barock- und/oder Klassikliebhaber) dieses Stück aufnehmen würde. Aber die Münchner haben unte dr Leitung von Petrnko wunderbar transparent gespielt; man hat beinahe den Eindruck gehabt, in einem Kammerkonzert zu sitzen. Bei aller Liebe zu den Wiener Philharmonikern, aber so filigran klingende Streicher habe ich selten erlebt. Das Violinkonzert von Bartok war mehr als "lediglich" hörnswert. Ich hatte den Eindruck, dass Frank Petr Zimmermann nicht bim Mittelpunkt stand (stehen wollte), sondern eher als primus unter pares spielte. Ntürlich konnte er auch in diesem Konzert sein Können unter Beweis stellen, aber (nicht nur) die Streicher waren kongeniale Partner, wodurch die Virzuosität nicht in den Vordergrund gestellt wurde (und ich unterstelle einmal, dass Bartok so eine Interpretation - Orchester und Solist sind Partner auf hohem Niveau - gefallen hätte.
    Nach der Pause dann die 5.Sinfonie von Tschaikowski. In abenteuerlichem Tempo gespielt, und nicht zuletzt deshalb das Publikum begeisternd, aber dennoch transparnt interpretiert. Da konnten die solistisch vorgsehenen Musiker des Orchesters ihr Können unter Beweis stellen.

    Grüße
    Michael

  • Tournee (4)

    Bei Tschaikowskys fünfter Sinfonie fand ich die Verbindung von ausgefeilter und differenzierter Klanglichkeit mit teils ungebremster Emotionalität besonders beeindruckend: letztere z.B. beim ungebremsten Aufeinanderprallen von Themenkopf und Synkopen auf dem Höhepunkt der Durchführung des Kopfsatzes. Oder bei der Steigerung des ersten Seitenthemas (mit den Duolen) im Andante bis zum ffff. Erstere, wenn das bekanntlich sehr häufig erscheinende Schicksalsmotiv klanglich und dynamisch ständig variiert wird, z.B. im Andante maestoso am Beginn des Finales, das sonst meist sehr bräsig rüberkommt und dabei leicht monoton wirken kann, hier aber fast sachlich, wie eine Feststellung klingt und dabei durch Belebung der Begleitfloskeln und Binnendynamik jede Gefahr der Wiederholung des Immergleichen vermeidet. Die Hauptsätze in Kopfsatz und Finale nahm Petrenko, wie schon Brunello schreibt, sehr rasant, hier in der Mrawinsky-Tradition stehend. Sehr ungewöhnlich einige Tempomodifikationen im ersten Satz. Auch hört man es selten, dass der erste Einbruch des Schicksalsmotivs in das Andante vergleichsweise langsam genommen wird (L'istesso tempo), wodurch der jetzt viel schnellere zweite Einbruch (Allegro non troppo) als nochmalige Steigerung erscheint. Das Absinken in immer tiefere Regionen der Tonhöhe am Ende des ersten Satzes, einer der großen Momente dieser Sinfonie, kam besonders beindruckend, die Schwärzung des letzten Akkords durch das Kontra-H der Fagotte habe ich noch nie so deutlich gehört. Am schönsten fand ich aber die Delikatesse und lebendige Phrasierung im Walzer sowie die Lyrik der miteinander kommunizierenden Bläsersoli im langsamen Satz. In Dortmund gab es noch minimale Unstimmigkeiten im Klang, die ich in der Aufzeichnung aus München alle nicht mehr gehört habe.

    Strauss' Symphonia domestica war sowohl in Luzern als auch in Berlin ein Ereignis, das zum einen durch durch ein ungeheuer engagiert und beseelt spielendes Orchester geprägt war, zum anderen durch ein Dirigat, das den Gestaltenreichtum oder auch die Disparität des Werks so zum Klingen brachte, dass selbst die überlange Coda nicht aufgesetzt wirkte und selbst die wuseligste Orchesterpolyphonie kristallklar klang. Früher hatte ich nicht geahnt, welches Maß an Expression in diesem erstaunlichen Schinken steckt (vor allem im Wiegenlied, in der dann folgenden konzertierenden Bläserpassage und im langsamen Satz). Schade, dass man begeisterte Hörer des "schwarzen Schafs" (Mathias Hansen) unter Strauss' Symphonischen Dichtungen "unter Musikliebhabern wie die Nadel im Heuhaufen suchen muss" (R.J. Brembeck). Last not least: wie immer war (und ist in der Digital Concert Hall) es eine Freude, Petrenko beim Dirigieren nicht nur zuhören, sondern auch zusehen zu können.


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Lieber Bernd,

    dann hast Du ja einigen Aufwand betrieben, um Petrenko umfänglich zu hören. Toll! Wie sehr ich Dich beneide, das ByStOr auch mal in akustisch so tollen Räumen gehört zu haben! Wobei ich mich natürlich nicht beschweren kann, weil ich am Di der vergangenen Woche doch sehr nahe am Geschehen war. Aber selbst auf einem so vorteilhaften Sitz gab es merkwürdige Phänomene im Nationaltheater, insbesondere in den lauteren Passagen des Tschaikowski, wo der Klang eher von oben denn von vorn zu kommen schien.

    Findest Du, dass die Interpretation von Tschaikowskys Fünfter besonders in der Nachfolge von Mrawinsky stand? Ich finde seine Interpretationen v.a. unerbittlich-streng, das könnte ich für die Aufführung am Di gar nicht sagen. Ich sehe, wie im München-Thread geschrieben, eher jede Passage für sich interpretiert: Überschwängliches glücksberstend, Tragisches unendlich verzweifelt. Dank des positiven Endes der Partitur 'per-aspera-ad astra' mit einer großen, echt empfundenen Erleichterung.

    Bitte schreib doch noch etwas dazu ...

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Lieber Benno,

    Aber selbst auf einem so vorteilhaften Sitz gab es merkwürdige Phänomene im Nationaltheater, insbesondere in den lauteren Passagen des Tschaikowski, wo der Klang eher von oben denn von vorn zu kommen schien.

    ja, die Akustik im Nationaltheater (und bekanntlich auch anderswo in München ;) ) ist immer für Überraschungen gut. Aus akustischer Perspektive ist mir dort das Parkett grundsätzlich nicht geheuer, ich bevorzuge fast immer Plätze ganz oben in der Galerie. Jedenfalls klang das Orchester vor allem in Luzern und Berlin (dort hatte ich einen fantastischen Platz) wunderbar - während ich mich mit dem Dortmunder Konzerthaus nach wie vor nicht ganz anfreunden kann.

    Findest Du, dass die Interpretation von Tschaikowskys Fünfter besonders in der Nachfolge von Mrawinsky stand? Ich finde seine Interpretationen v.a. unerbittlich-streng, das könnte ich für die Aufführung am Di gar nicht sagen. Ich sehe, wie im München-Thread geschrieben, eher jede Passage für sich interpretiert: Überschwängliches glücksberstend, Tragisches unendlich verzweifelt. Dank des positiven Endes der Partitur 'per-aspera-ad astra' mit einer großen, echt empfundenen Erleichterung.

    Unbedingte Zustimmung! An Mrawinsky erinnerte mich nur das scharfe Tempo in den schnellen Hauptteilen von Kopfsatz und Finale - vielleicht auch nur eine Projektion, weil Petrenko sich mal in einem Interview (als er noch welche gegeben hat) positiv auf Mrawinskys Tschaikowsky-Interpretationen bezogen hat. Die sanften Temporückungen sowie die Lyrik und Hymnik im Andante, aber auch der überaus elegante, tänzerische Walzer hatten in der Tat nicht viel mit Mrawinsky zu tun.

    Ich verlinke hier auch noch einmal Deine Besprechung des Münchner Konzerts und den darauffolgenden Dialog mit Melanie: Konzerterfahrungen in München


    Viele Grüße

    Bernd

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  • Vertragsunterzeichnung in Berlin

    Petrenko hat heute seinen Vertrag als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker ab 2019 unterzeichnet. Auch die neue Intendantin der Philharmoniker, Andrea Zietzschmann, hat unterschrieben. Sie tritt schon 2017 an. Auf der dazugehörigen Pressekonferenz hat Petrenko auch zum erstenmal nach längerer Zeit wieder Fragen von Journalisten beantwortet.

    Details zum Vertrag und zur Pressekonferenz mit Petrenko, Zietzschmann, dem Berliner Regierenden Bürgermeister Müller und Orchestervorstand Knörzer:

    Tagesspiegel (Ulrich Amling, 6.10.16)

    Berliner Zeitung (Peter Uehling, 6.10.16)


    Viele Grüße

    Bernd

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