Kirill Petrenko - Der König Midas unter den Dirigenten?
"Ich bin so langsam wie möglich, für mich geht es um eine Antikarriere." Kirill Petrenko.
Am 22.06.2015 wählten die Berliner Philharmoniker völlig überraschend Kirill Petrenko zum neuen Chefdirigenten.
Kirill Petrenko hatte bis dahin sehr wenige Aufnahmen (5), er war nur sporadisch außerhalb des deutschsprachigen Raums aufgetreten und auf youtube waren nur eine Handvoll Fragmente zu finden (die meisten, nämlich 4, vom Channel der Berliner Philharmoniker). Auch zur Person war wenig bekannt: Einen Artikel zu ihm auf Wikipedia gab es nur in wenigen Sprachen (7) und im Internet konnte man nach langer Recherche wenig mehr als die unten angeführten Interviews finden.
Wer kennt eine der Petrenko-CDs? Wer hat ihn auf der Digital-Concerthall gesehen? Was haltet ihr davon? Wer hat ihn live erlebt? Ich frage nicht nur die Münchener, sondern auch die Berliner und Wagnerianer.
Dem vorangestellt seien paar nicht-musikalische Infos, die man nicht kennen muss, und eine Übersicht der Interviews, die aber wenig hergeben. Nicht umsonst verweigert Petrenko seit Jahren Interviews. :-H Oder meine ich es ernst? Ich weiß es nicht.
Die Geheimnisse um die Wahl der Berliner Philharmoniker
Am 11.Mai.2015 um 10 Uhr begann die angekündigte Versammlung der BP, in der ein Nachfolger Rattles gewählt werden sollte. Sie geriet zur PR-Katastrophe: Um 14 Uhr wollte man das Ergebnis bekannt geben, aber Journalisten warteten vor geschlossenen Türen bis nach 21 Uhr um zu erfahren, dass die Entscheidung auf unbestimmte Zeit vertagt worden sei. Dass es eine halbe Stunde später doch noch hieß, die Entscheidung werde innerhalb eines Jahres fallen, war nicht gerade tröstend. Offiziell hieß es, dass niemand angerufen worden sei und entsprechend niemand abgesagt habe. Doch merkur.at will wissen, dass bereits gegen Mittag eine Mehrheit für Petrenko gefunden worden sei, Petrenko angerufen wurde und dieser abgelehnt habe ("http://kurier.at/kultur/musik/b…oup/139.123.857").
Am 22.06.2015 versammelten sich die BP erneut, diesmal geheim und ohne Ankündigung (gab es weitere geheime Versammlungen?). Noch am selben Tag kursierten weltweit Gerüchte, dass ein Nachfolger gefunden worden sei. Der Name Petrenkos fiel, aber auch seine Absage ("http://m.welt.de/print/die_welt…on-Kompakt.html"). Am nächsten Tag wurde die Wahl Petrenkos und seine Zustimmung offiziell bekannt gegeben. Der Orchestervorstand ließ verlauten: "Das ist kein Kompromisskandidat, sondern es ist tatsächlich die allererste Wahl, die wir getroffen haben" (Peter Riegelbauer). Lüge oder Eingeständnis einer früheren Lüge? War Petrenko gar 4. Wahl, wie einige behaupten? Die Wahrheit wird wohl noch lange verborgen bleiben.
Sarah Willis "begründet" Petrenkos Wahl [englisch]:
"http://www.npr.org/sections/decep…in-philharmonic"
War die Wahl Petrenkos eine Überraschung?
Ein Unbekannter war Petrenko sicher nicht: In den bekanntesten Häusern der Opernwelt (Met, Bayreuth, Wien, Paris, München) sprang er von Erfolg zu Erfolg und er hatte bereits viele Spitzenorchester dirigiert (Berliner Philharmoniker, Londoner Philharmonic Orchestra, Isreal Philharmonic Orchestra, Staatskapelle Berlin, Wiener Philharmoniker, Cleveland Orchestra und Chicago Symphony Orchestra). Durch die internationalen Umfragen bei Opernkritikern der Zeitschrift "Opernwelt" wurde Petrenko regelmäßig zum "Dirigenten des Jahres" gekürt. Trotzdem war seine Wahl eine Überraschung:
1. Mit Nelsons und Dudamel standen zwei junge Stars zur Wahl, die offensichtlich zu den Lieblingen des Orchesters und des berliner Publikums avanciert waren. Dass Nelsons sich selbst durch eine Vertragsverlängerung in den USA aus dem Rennen geworfen hätte, dementierte Nelsons gegenüber der New York Times entschieden. Dudamel schwieg. Als am 21.06.15 Gerüchte laut wurden, dass die BP sich überraschend versammelt hätten und sogar sich auf einen Nachfolger hätten einigen können, war ich mir sicher: Dudamel, denn eine Woche zuvor hatte er zwei erfolgreiche Konzerte mit den BP gegeben.
2. Mit Harding und Nezet-Seguin gab es zwei weitere Jungstars, mit denen das Orchester sichtbar gern zusammen arbeitet. Ende April gab das Orchester bekannt, für das beliebte Waldbühnenkonzert 2016 Nezet-Seguin engagiert zu haben.
3. Mit Thielemann hätten die BP einen bereitwilligen langjährigegen Freund wählen können. Dasselbe gilt für Bychkov und Altmeister wie Chailly oder Fischer. (Allein Barenboim hatte frühzeitig und mit Nachdruck bekannt gegegen: "Ich stehe nicht zur Verfügung", mit diesem Satz verließ er sichtlich gekränkt eine Pressekonferenz).
4. Petrenko war kein Publikumsmagnet wie Nelsons oder Dudamel und bei weitem nicht so bekannt wie die genannten Dirigenten.
5. Petrenko verhandelte gerade eine Vertragsverlängerung in München aus und anders als Nelsons oder Dudamel schien Petrenko nicht jemand zu sein, der zwei wichtige Posten simultan ausüben wollte.
6. Petrenko war selten zu Gast bei den BP und hatte seine Konzertserie für die alles entscheidende Saison 2014/15 kurzfristig abgesagt. Ende April wurde die Saison 2015/16 vorgestellt: Petrenko war nicht dabei.
Interviews mit Kirill Petrenko
21.12.2012 Über die Zusammenarbeit mit Orchestern und die Funktion des Dirigenten [deutsch]:
"
28.11.2010 Biografisches und die Differenz Oper-Konzert [englisch]:
"
10.05.2009 Petrenkos Wirkung auf andere Musiker und Petrenkos Scheu [englisch]:
"
05.06.2009 Petrenko verteidigt die Kunst des Antisemiten Pfitzner:
"http://www.faz.net/aktuell/rhein-…en-1816280.html"
07.07.2007 Petrenko ausführlich [deutsch]:
"http://www.berliner-zeitung.de/archiv/der-dir…0,10488768.html"
29.06.2007 Petrenko über seine Zeit in Berlin [deutsch]
"http://www.tagesspiegel.de/kultur/dirigen…oll/972634.html"