Aus dem "Eben gehört" - Thread hierher ausgelagert.
audi
Sehr schön, den Namen Radu Aldulescu hier lesen zu können.
Noch schöner, daß dies in einem sehr positivem Zusammenhang geschieht.
Aldulescu (1922-2006) war einer der bedeutendsten Cellisten und ein großer Konkurrent von Rostropowitsch in seinen besten Zeiten.
Nicht, daß er jemals schlechter wurde, aber in späteren Jahren wurde er vor allem als erfolgreicher Lehrer bekannt.
Ich habe von 1985 bis 1989 fünf Sommer bei Ihm jeweils mehrere Wochen studieren dürfen.
Und zwar umsonst, finanziert durch ein Stipendium, welches er in die Wege leitete.
Sein technischer sowie musikalischer Ansatz war und ist für mich von allergrößter Bedeutung.
Er hatte ein ganz eigenes Fingersatzprinzip, welches Gebrauch von vermeidbaren Lagenwechseln ausschloss und welches ich bis heute beibehalten habe.
Es ist natürlich nur für Cellisten mit einer großen Hand und einer gewissen Dehnungsfähigkeit geeignet, entsprechend seiner eigenen Hand.
Vielleicht, aber nur vielleicht, wurde mir das schlussendlich zum Verhängnis, als ich vom letztem Jahr Oktober an ein halbes Jahr nicht mehr spielen konnte, da die ständige Überdehnung der Hand einfach nicht mehr funktionierte.
Es ging gar nichts mehr.
Aber das kann auch andere Ursachen haben, jedenfalls gibt es keine Diagnose, welche irgendwie meinem Problem nahekommt und ich mache da jetzt keinen Vorwurf draus, denn nun funktioniert fast alles wieder.
Leider passierte mir dieses Malheur, als es für mich noch mal um alles ging, und nun kann ich es nicht mehr ändern, daß dies schief ging.
Sein Brahms, sein Debussy, das waren Offenbahrungen, sein Haydn und Beethoven ebenfalls mit der kleinen Einschränkung, daß Ihm das heutige sorgfältig redigierte Notenmaterial nicht vorlag und er seinen alten Notentexten mit all Ihren kleinen Fehlern verbunden blieb.
Das konnte schon mal zu Irritationen führen- aber egal.
Sein persönlicher Cellogott war Casals, und sein Unterricht folgte mehr dessen Prinzipien als den damals üblichen der russischen Schule.
Er war ein Menuhin und Casals Nachfolger, in humanitären wie auch künstlerischen Gesichtspunkten.
Mit bloßer Power kam man bei Ihm nicht weiter, auch war Ihm ein aufgesetztes Verhalten und bloße Zurschaustellung von Virtuosität auf der Bühne ein Graus.
Natürlich war Virtuosität bei Ihm Voraussetzung, das bekam ich auch am eigenem Leibe zu spüren.
Manchesmal bin ich heulend aus dem Unterricht gegangen, aber nur im ersten Jahr, denn da war er knüppelhart.
Springbogen hat er mir damals "beigebracht", indem er mich-nach umfassender Erklärung- immer wieder mit den Worten "SPRINGEN" anschrie.
Er sprang um mich herum und schrie "Springen"
Und dann sprang der Mistbogen irgendwann...... ;+)
In den folgenden Jahren war ich dann ausgenommen und befreit von dem öffentlichem Vorspiel von Skalen- dieser subtilen Hinrichtungsmethode für Studenten , keine Ahnung, warum, denn ich war kein Meister darin.
Eher bis heute ein Niete.
Vielleicht hat er das bemerkt und anderes bei mir wichtiger gefunden, wer weiß?
Denn seine sonstigen Lieblingsschüler spielten mit einer Virtuosität, von der ich nur träumen konnte.
Aus irgendeinem Grund hat er bei mir eine Ausnahme gemacht und mich trotz fehlerhafter Virtuosität bevorzugt unterrichtet.
Das tolle jedenfalls daran war, daß er sich die Zeit genommen hat, mit mir sorgfältig die Delius- Sonate(die er auch selber mit Albert Guttmann aufgenommen hat) oder die zweite Brahms- Sonate sowie die Beethoven- Sonaten durchzugehen.
Das war nicht selbstverständlich, andere haben wochenlang nur Skalen üben dürfen.
Ich durfte dann auch immer in den Abschlußkonzerten spielen.
Der Höhepunkt kam, als er mir einen begehrten Platz an der Menuhin School bei sich anbot.
Und dieses Angebot habe ich dann- leider- abgelehnt.
Ich war schlichtweg zu feige, mich auf das sehr strenge Regiment an dieser Schule einzulassen.
Und ich hatte gerade meine spätere Verlobte kennengelernt...na ja, daraus wurde dann auch nichts.
Trotzdem war ich auch danach noch öfters Gast in seinem Feriendomizil an der Costa Brava und hatte noch lange Briefkontakt mit Ihm.
Auf meine Frage, warum seine Karriere in Deutschland irgendwann einfach aufhörte, gestand er mir, daß sein Manager gestorben sei und es danach für Ihn schwierig bis unmöglich geworden sei, in Deutschland weiter aufzutreten.
Sein Hobby war übrigens das Schreiben von Drehbüchern für Spielfilme.
Er war ein wirklicher Gentleman, ein sehr großer Künstler.
Unerbittlich hart zu sich und seinen Schülern, aber auch 100% loyal zu denjenigen, die er mochte.
Ich werde nie den Moment vergessen, als er, begleitet von seiner großen Dogge, auf mich einstürmte, mich in den Arm nahm und sagte:
"Oh, wie schön, daß Du wieder da bist" .
Und zwar auf Deutsch, denn ein Gentleman wie er sprach natürlich zig Sprachen fließend.
Und wenn ich sage fließend, dann meine ich genau das.
Ich hätte rückwirkend sein Angebot annehmen sollen, denn ich mochte Ihn sehr.
Und wie sich das gehört bei einem tollen Lehrer, hatte ich auch extrem Angst vor Ihm.
So muß das sein.
Und obwohl ich meinen Unterricht bei Ihm abgebrochen und sein Angebot ausgeschlagen habe, schrob er mir einen langen Brief 1992 und beglückwünschte mich zu meinem bestandenem Examen.
Daß er sehr stolz und zufrieden sei.
Unterschrieben mit "Dein Prof.Radu"
Er war wirklich ein Gentleman, und ich bin heute sehr traurig, sein Angebot ausgeschlagen zu haben aus Feigheit.
Sorry, ich mußte das loswerden, denn die Erinnerungen sind sehr präsent und beschäftigen mich bis heute.
Michael