Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal
Am Freitag wird ein neues Kapitel im Tanztheater Wuppertal aufgeschlagen. Erstmals nach dem Tod von Pina Bausch gibt es wieder einen Tanzabend im Wuppertaler Opernhaus. Zwischendurch gab es vereinzelt Versuche neue Choreographien an ungewöhnlichen Orten zu verwirklichen. Wie beispielsweise die Romeo und Julia Inszenierung von Robert Sturm (ehemaliger Leiter des Tanztheaters), die letzte Woche Premiere hatte.
Von einer Findungskommission wurden Tim Etchells, Cecilia Bengolea & François Chaignaud und Theo Clinkard ausgewählt, die einen dreiteiligen Abend mit jeweils einem Teil des Ensembles erarbeiten.
"http://www.pina-bausch.de/stuecke/neue-stuecke-2015.php"
In Zukunft sollen unterschiedliche Choreographen für neue Stücke gewonnen werden.
Nach dem plötzlichen Tod von Pina Bausch im Jahre 2009 stand lange nicht fest, wie es weitergehen sollte. Pina Bausch schien unersetzbar, nicht nur bei der Pflege des Repertoires, sondern ganz besonders bei der Erarbeitung neuer Stücke.
Ihre Arbeitsweise ihre Stücke durch Fragen an die Tänzer_innen zu entwickeln ist legendär. Trotzdem bleibt es ein Mysterium, wie sie aus den vielen Vorschlägen letztlich die Stücke entwickelt hat. Da gibt es immer nur Annäherungen. Eine sehr interessante Annäherung ließ sich letztes Jahr im Skulpturenpark Wuppertal betrachten. Auf großen Plakaten waren Sätze und Fragen von Pina Bausch an ihre Tänzer aufgeschrieben. Da stehen dann Dinge, wie „Gegenstand krampfhaft festhalten“, „Wetten mit sich selbst“, „absonderliches Gebaren“, „das Herz wollte nicht stillstehen“ und viele andere Ideen. Wie Pina Bausch dann aus den vielen meist getanzten Antworten ihre Stücke entwickelte, bleibt ihr Geheimnis. Nur ein ganz kleiner Teil der Antworten, die Rede ist von 5 % schafften es, meist noch verändert und weiterentwickelt, in die Stücke. Nur sehr selten hat Pina Bausch Interviews gegeben und sich immer sichtlich gewunden Antworten auf die Fragen zu finden. Sie hat wiederholt die Mehrdeutigkeit ihrer Stücke betont. Ihre Stücke sind auch eine Einladung an jeden Zuschauer eigene Deutungen zu finden.
Für die Tänzer, die teilweise jahrelang mit ihr gearbeitet haben, war sie nah und dennoch fern. Josephine Ann Endicott hat das in ihren beiden Büchern „Warten auf Pina“ und „Ich bin eine anständige Frau“ sehr anschaulich beschrieben. Das wichtigste, das Pina Bausch mit den Tänzern verband, war die Arbeit. Auch Dominique Mercy, mit Unterbrechungen vom Anfang an dabei betont, dass er mit Pina Bausch nicht befreundet war. Die beiden haben sich aber sehr geschätzt und über dreißig Jahre zusammengearbeitet. Lutz Förster berichtet in einem letzte Woche erschienen Gespräch über die langjährige Zusammenarbeit mit Pina Bausch.
"http://podcast-ww.wdr.de/medstdp/fsk0/8…092015_wdr3.mp3"
Auch das eine große Besonderheit des Tanztheaters: Die langjährigen Bindungen. Nach dem frühen Tod ihres Lebensgefährten Rolf Borzik, der als Bühnenbildner und Kostümbildner einer der engsten Mitarbeiter der ersten Stunde war, übernahm ab 1980 Peter Pabst die Gestaltung der Bühne und Marion Cito, die Gestaltung der Kostüme. Viele Tänzer_innen standen und stehen seit Jahrzehnten für das Tanztheater auf der Bühne oder helfen bei der Weitergabe der Rollen an jüngere Tänzer_innen. In den letzten Jahren hat aber ein Verjüngungsprozess eingesetzt. Neue Tänzer_innen wurden engagiert (die Rede ist von über tausend Bewerber_innen auf wenige Stellen) und halten die alten Stücke so am Leben.
Diese Spielzeit wird neben der Pariser Compagnie auch das Münchener Ballett ein Stück von Pina Bausch ins Repertoire nehmen ansonsten werden alle Stücke nur von der Wuppertaler Kompagnie getanzt. Bis heute gibt es neben den Vorstellungen in Wuppertal weltweit Gastspiele. Bis heute sind die Vorstellungen in Wuppertal bis auf wenige Ausnahmen sehr schnell ausverkauft.
Zwei Fragen bleiben: Wie bewahrt man das tänzerische Erbe von Pina Bausch und wie lässt sich die Zukunft gestalten?
Zur Bewahrung des künstlerischen Erbes wurde die Pina Bausch Foundation gegründet. Sie versucht die erhaltenen Materialien, Filme, Fotos, Aufzeichnungen etc. zu konservieren und für die Forschung und Erarbeitung der Stücke zugänglich zu machen.
"http://www.pinabausch.org"
Für die breite Öffentlichkeit hat der Film von Wim Wenders einen großen Beitrag zur Erinnerung an Pina Bausch mit seinem Film „Pina“ geleistet. Ursprünglich sollte der Film mit Pina Bausch gedreht werden. Kurz vor Beginn der Dreharbeiten verstarb Pina Bausch plötzlich und unerwartet. Zunächst sollte der Film dann nicht gedreht werden, aber zusammen mit den Tänzer_innen entschloss sich Wim Wenders diesen Film als Andenken an Pina Bausch zu drehen. Herausgekommen ist ein Porträt, das neben dem Einblick in vier Stücke (Frühlingsopfer, Cafe Müller, Kontakthof und Vollmond) die Tänzer und ihre Beziehung zu Pina vorstellt und auch Choreographien aus anderen Stücken in Wuppertal und Umgebung wirkungsvoll in Szene setzt.
Bleibt die Frage, wie geht es weiter mit dem Tanztheater? Eine Idee ist es, das alte stillgelegte Schauspielhaus in ein Tanzzentrum zu verwandeln. Über Absichtserklärungen und Machbarkeitsstudien scheint das Projekt noch nicht herausgekommen zu sein. Ein starker Pfeiler wird die Bewahrung und Weitergabe der Stücke von Pina Bauch sein. Wer sich einen Überblick über die Stücke verschaffen möchte, kann in dem Buch von Norbert Servos „Pina Bausch -Tanztheater“ Beschreibungen zu allen Stücken finden. Es gibt auch sehr schöne Bildbände von unterschiedlichen Fotografen. Einige Stücke, wie Cafe Müller sind auch auf DVD dokumentiert. Unvergesslich, wie Pina Bausch dort tanzt.
Nun bin ich sehr gespannt auf die neuen Stücke. Ich werde darüber nächste Woche berichten. Ich freue mich, wenn auch andere hier im Forum über ihre Erfahrungen mit dem Tanztheater schreiben, Bücher, DVDs und anderes vorstellen, so dass hier eine kleine Sammlung zu dieser großen Choreographin entsteht.