Jean Sibelius - in seinen "Augen gab es keinen Fortschritt" - was ist dran an diesem "mystizistischen Eremiten"?
Aus der aktuellen Diskussion über die Diskographie der Sibelius-Symphonien:
Es gibt m.E. sowieso viel zu viele Sibelius-Sinfonien-GAs. Das hat mich schon immer gestört. Natürlich sind auch immer wieder Gelungene darunter, aber diese Inflation ist einem tieferen Sibelius-Verständnis nicht zuträglich.
Gade, Holmboe, Rangström, Langaard, Tubin, Tüür und Norgard wären in der Tat dringendere Desiderate als noch ein Sibelius-Zyklus. Soweit gebe ich Inland_empire gerne recht ...
Die von Mauerblümchen genannten Komponisten sind der Allgemeinheit relativ unbekannt - im Unterschied zu Jean Sibelius, dessen Symphonien in den Konzertprogrammen gut präsent sind: Ich selbst habe erst kürzlich ein Konzert mit gleich zwei Symphonien, der 1. und 7., erlebt (Leif Segerstam dirigierte).
Bekannt ist - das wurde in Capriccio auch schon angesprochen - Theodor W. Adornos heftige Ablehnung des finnischen Komponisten (vgl. "http://community.zeit.de/user/thomasw70…lius-und-adorno", daraus auch die Zitate in meinem Titel): "Adorno wollte den Fortschritt, die Verbesserung, in Sibelius Augen gab es keinen Fortschritt, nur das mal beglückende mal bedrückende Auf und Ab der Natur." So das Fazit in der genannten Quelle.
Mich haben die diversen Diskussionen hier veranlaßt, mal wieder meine Sibelius-Aufnahmen vorzunehmen, weil ich irgendwie das Gefühl habe, daß an Sibelius doch mehr dran sein könnte, mehr als Adorno klar war (für dessen ästhetische Urteile ich im allgemeinen, soweit ich sie zu verstehen glaube, durchaus empfänglich bin). Vielleicht ist es die radikale Aufklärungsfeindlichkeit (?) des Finnen, seine Hinwendung zu einer keineswegs idyllisch-freundlichen Natur, die ich in seiner Musik auffinden könnte? Seine pessimistische Grundströmung? Mir ist das gerade gar nicht klar.
Als Lesehinweis noch ein SPIEGEL-Artikel aus dem Jahr 1969, der dokumentiert, wie erfolgreich Sibelius in den letzten Jahrzehnten ist: "http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45741552.html". Die Position des Einsamen, Vereinzelten in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts wird bereits dort angesprochen.
Fragen in die Runde: Was ist dran an Sibelius? Was schätzt Ihr an seiner Musik (nicht)? Was bedeutet sie Euch? Was sind mögliche Gründe für ihren Erfolg?